Diese Geschichte habe ich während Staffel 13 angefangen, als Nick auftauchte und ich die Krise bei Katkus erwartet habe. Damals dachte ich, wir könnten vielleicht schnell von dieser dummen Trennung erlöst werden. Nun hat Staffel 15 angefangen, Katkus sind leider immer noch getrennt und meine Geschichte ist noch lange nicht fertig…

Vorwort

Diese Geschichte ist allen “Katkus”-Fans der Serie “Die Bergretter” gewidmet. 
Ganz besonders aber drei speziellen Damen. 


Zum einen der Heike, die mich überhaupt erst zum Schreiben gebracht hat und die mich wirklich richtig gedrängelt hat, damit ich meinen Unsinn zum ersten Mal mit jemandem teile. Und die auch dafür verantwortlich ist, dass wir hier P-16 sind. Ich hoffe, wir sehen uns wieder, auch wenn ich jetzt nach Tirol gehe. Beim Heimatbesuch ist unbedingt Sushi angesagt!


Der lieben Christel, die ich auf einer unserer Reisen mit Katkus infiziert habe und mit der ich die Liebe für eine gewisse finnische Band namens “Sunrise Avenue” teile, ohne die wir uns wohl nie gefunden hätten. Christel und ihre Mama sind tatsächlich wahre Fans meines kleinen Werkes hier geworden. Niemals hätte ich geglaubt, dass so etwas möglich ist. Und der Christel musste ich tatsächlich versprechen, dieses Werk ausgerechnet Luise Bähr in die Hand zu geben. Hilfe, der letzte Lonkero in Helsinki muss schlecht gewesen sein, dass ich auch noch dazu JA gesagt habe… nun sitze ich hier und denke: kannst du der Frau danach noch in die Augen schauen, wenn sie DAS gelesen hat? Ein Teil dieser Story ist auch tatsächlich auf unseren Reisen geschrieben worden. Im Flieger, im Scandic am Hafen und im Tölöö. Wir sehen uns beim Samu in Helsinki. Flieger gehen auch ab Innsbruck oder München, hab ich mir sagen lassen. 😉

Und dann ist da noch die liebe Sarah. Der wahrscheinlich größte Fan von Luise und Katkus auf diesem Planeten. Wir können manchmal irgendwie stundenlang über eine von Luises Rollen philosophieren. Ich glaube, wir können da auch mehr zwischen den Zeilen reininterpretieren als jeder Drehbuchautor sich das beim Schreiben je gedacht hat. Und die Ideen, was wie mit wem bei den Bergrettern passieren könnte gehen irgendwie nie aus bei uns und wenn es Seelenverwandtschaft gibt, dann ist „meine Kleine“ definitiv mit mir verwandt. Es ist unglaublich, wie oft wir zeitgleich dasselbe schreiben, gleich denken und gleich verrückt sind.

Diese Geschichte habe ich begonnen, bevor die 13. Staffel zu Ende war. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl in Sachen Katkus und leider hat mich dieses Gefühl ja auch nicht getäuscht. Bei mir kommt Dr. Nick nicht gut weg, aber einer musste halt herhalten. Dabei finde ich ihn wirklich total sympathisch – aber er ist eben Dr. Schlaftablette und definitiv nicht der Richtige für Katharina. ^^ Das ist und bleibt nun einmal Markus… Und auch die Figur Peter Herbrechter musste hier herhalten und ich hoffe, Ihr könnt ihm alle vergeben. 😉 

Also, gehen wir zurück in die Vorweihnachtszeit 2021, als das Unglück seinen Anfang nahm.

Im Laufe der Geschichte kommen wir halt immer weiter ins Jetzt, weil ich einfach schreiben wollte, dass Katharina und Markus auch für uns interessant bleiben würden, wenn sie als Paar zusammen sind. Und verurteilt unsere liebe Katharina hier am Anfang nicht zu schnell – die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen.

1. Allein

Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Markus stand alleine auf dem Hof, den in den letzten Wochen alle Bewohner verlassen hatten. Es war ein beklemmendes Gefühl für ihn, dass niemand mehr dort war, wo es einst vor Leben nur so sprudelte. Wo sie gemeinsam grillten, große Weihnachtsfeste feierten, sich gegenseitig beistanden, miteinander lachten und weinten und sich immer aufeinander verlassen konnten wie eine große Familie. Selbst seine Tochter Mia würde dieses Jahr Weihnachten nicht nach Hause kommen. Sie zog es vor, das Fest mit ihrem leiblichen Vater und seiner neuen Freundin Emilie, der ehemaligen Besitzerin des Hofes, in Zürich, zu feiern. Seine Freundin Katharina fehlte ihm allerdings am meisten. Sie war sein ein und alles, das wichtigste und wertvollste in seinem Leben gewesen. Seit sie aber diesen großen Kinderwunsch verspürte, hatte es einige Spannungen in ihrer Beziehung gegeben. Markus war zeugungsunfähig, daran gab es nichts zu rütteln und eine Adoption kam für ihn einfach nicht in Frage. Markus merkte, dass Katharina täglich trauriger und bedrückter wurde und versuchte deshalb, sie aufzufangen und ihr Perspektiven für eine Zukunft ohne Kinder zu bieten, aber er war gescheitert. Sie hatte stetig mehr Zeit bei Nick Aichstetter und seinen Kindern verbracht, da er sie immer öfter als Babysitterin vereinnahmte. Anfangs hatte er es nicht als schlimm empfunden, sie liebte Kinder und er wollte ihr die Freude daran nicht nehmen. Aber irgendwann hatte ihn sogar Michi darauf angesprochen, was das mit Nick und Katharina war. Ohne Frage war Markus mächtig eifersüchtig gewesen, aber er hatte ihr stets vertraut. Am Tag, als sie verschwand, hatte Nick bei der Einlieferung einer Patientin Markus unvermittelt mitgeteilt: „Ach, damit das klar ist: Ich liebe Katharina und sie mich. Geben sie sie frei, bei ihnen ist sie doch ohne Kinder alles andere als glücklich. Traurig, dass sie Egoist das nicht selbst bemerken, schauen sie sie sich doch mal an. Sie richten sie zugrunde.” Markus konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte und wollte Nick zur Rede stellen, aber dieser eilte mit seinem Team einfach davon und ließ einen sprachlosen und völlig entsetzten Markus zurück. 
Ohne Vorankündigung hatte Katharina schließlich ein paar Sachen gepackt und war aus dem gemeinsamen Häuschen verschwunden. Den Grund dafür entnahm Markus den Worten von Nick, die ihn einfach nicht mehr losließen und in Dauerschleife durch seinen Kopf schallten. Seitdem wohnte Katharina im Hotel ihres Vaters, so viel wusste er. Markus machte sich heftigste Vorwürfe, nicht genug für Katharina getan zu haben und ihr nicht entgegengekommen zu sein. Augenscheinlich war sie aber nun wohl tatsächlich die neue Frau an Nicks Seite, wie er ein paar Fotos, die er am Tag nach ihrem Weggang vor der Tür gefunden hatte, entnehmen konnte. Gesprochen hatte sie seit diesem Tag nicht mehr mit ihm, aber diese Bilder sprachen auch für sich und brachen ihm schlichtweg das Herz. Sie hatte sich offenbar für einen anderen Mann und seine Familie entschieden. 

Alle waren nun also Weihnachten bei ihren Familien und den Menschen, die sie liebten, aber er hatte keine Familie mehr. Katharina und Mia waren gegangen und er blieb allein zurück. Allein in ihrem kleinen Häuschen und allein auf dem Hof. Er wusste nicht, ab wann eigentlich alles so schiefgelaufen war und vor allem warum. Als er gerade auf dem Heimweg Katharina und die Kinder erblickt hatte, hatte sich sein Herz zusammengezogen. Kurz hatte er überlegt, anzuhalten und das Gespräch mit ihr zu suchen, aber sofort hatte er wieder die Fotos vor seinem inneren Auge, auf denen Katharina mit Nick und auch mit Nick und den Kindern als Familie zu sehen war. Das Glück, selbst Mutter zu werden, konnte er ihr einfach nicht bieten. Markus fühlte sich unendlich schuldig. Er war derjenige, der zeugungsfähig war und seiner Freundin ihren größten Wunsch nicht erfüllen konnte. Er vermisste Katharina so sehr, aber gleichzeitig wollte er nichts mehr, als dass sie glücklich war. Für ihn allerdings war ohne sie alles trist und er fühlte sich einfach nur elend. Als er das leere Haus betrat, fasste er einen Entschluss. Hier hielt er es keinen Tag mehr länger aus. Er ging schnurstracks ins Schlafzimmer und begann damit, seine Sachen zu packen. Nachdem sich sein Kofferraum mit dem Nötigsten gefüllt hatte, schrieb er eine Nachricht. 

  

Liebe Katharina,  

solltest du dies lesen, bist du, aus welchem Grund auch immer nach Hause gekommen. Ich habe den Hof nicht an deinen Vater verkauft und werde es auch nicht. Ihr sollt alle ein Zuhause haben, wenn ihr es braucht. Dich habe ich als Erbin in mein Testament gesetzt (du weißt, wo du es findest), damit es auch wirklich immer dein Zuhause bleibt, falls mir etwas passiert oder die Sache mit Nick schiefgeht. Du hast ab jetzt unser Häuschen für dich – mit lebenslangem Wohnrecht. Ich lasse dich auch in meiner Patientenverfügung. Du bist Ärztin, kennst meinen Willen und ich vertraue dir – daran wird sich auch nichts ändern. Meine Sachen habe ich, soweit sie ins Auto passen, mitgenommen. Was du noch findest, wirf einfach weg, ich werde nichts mehr davon brauchen. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute für deine Zukunft und hoffe wirklich, dass du so glücklich wirst, wie ich es immer mit dir war. Danke für unsere gemeinsame Zeit. Ich werde dich nie vergessen. Pass bitte gut auf dich auf! Ich liebe dich und werde dich immer lieben! 

Markus 

  

Markus schaute sich noch einmal im Haus um und nahm noch eins der gerahmten Fotos, die im Flur standen, mit. Er schaute ein letztes Mal über den Hof, ehe er mit tränenerfüllten Augen ins Auto stieg. Sein Weg führte ihn zur Bergrettungszentrale. Markus musste den Jungs einfach eine Nachricht hinterlassen und seinen Schlüssel abgeben. Peter wollte er keine Möglichkeit geben, weiter gegen ihn zu schießen, selbst wenn er nicht mehr in der Ramsau war. Er ließ seit Johannas Tod keine Chance aus, um Markus zu demütigen und zu quälen oder ihm zu drohen. Markus ertrug das alles nicht mehr, seit Katharina nicht mehr an seiner Seite war. Leise betrat er die Zentrale, obwohl um diese Uhrzeit niemand da war und ließ sich auf Rudis Platz nieder. Er griff sich den Block und einen Stift, der auf dem Schreibtisch lag. 

  

Hey Jungs,  

ich weiß, ihr werdet mich hassen, aber ich kann nicht anders. Ich halte es hier nicht mehr aus und werde die Ramsau verlassen. Bitte seid mir nicht böse, dass ich mich nicht persönlich verabschiede, aber ich kann das gerade nicht. Mir wird hier alles zu viel, ich kann einfach nicht mehr, ich muss hier weg. Katharina an Nick zu verlieren, die Blicke von Franz, der ständige Zoff mit Peter… Ich ertrag das einfach nicht mehr. Achtet bitte gut auf Katharina. Ich wünsche euch allen schöne Weihnachten, passt gut aufeinander auf, ihr seid das beste Team, das man sich wünschen kann! Meinen Schlüssel werfe ich in den Briefkasten, ich habe keine Lust, auch noch wegen Diebstahl von Peter angezeigt zu werden. Bitte verzeiht mir, ich werde euch unendlich vermissen und niemals vergessen. Danke für alles!  

Markus 

  

Als Rudi am Morgen in die Zentrale kam, hatte er ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Er wusste irgendwie, dass es kein guter Tag werden würde. Der Zettel auf dem Tisch mit Markus Handschrift versetzte ihm einen Stich ins Herz. Kurz darauf kamen Simon und Michi durch die Tür. 
„Rudi, was ist los?“, fragte Simon, der für Stimmungen sehr feine Antennen hatte. 
„Der Markus ist weg“, sagte er traurig. 
„Wie? Markus ist weg?“, fragte Michi ungläubig. 
Rudi nickte. „Ja, weg. Abgehauen.“ 
„Spinnt der oder was?“ Michi schaute fassungslos zwischen Rudi und Simon hin und her. Rudi hielt ihnen den Zettel entgegen. 
„Scheiße“, flüsterte Simon. „Ich wusste ja, dass er schrecklich wegen Katharina leidet, aber dass es so schlimm ist, dass er keinen Ausweg mehr sieht als wegzugehen, das war mir nicht klar.“ 
„Was machen wir denn jetzt?“, fragte Rudi traurig. 
„Katharina mal den Kopf gerade rücken“, schimpfte Michi. 
„Na, das bringt uns auch nicht weiter.“ Simon schüttelte den Kopf. 
„Ist aber doch wahr, wegen der Blagen fremder Leute haben wir jetzt hier die Kacke am Dampfen.“ 
„Was machen wir, wenn Katharina morgen wiederkommt? Ihr den Zettel zeigen?“, fragte Rudi unsicher. 
„Werden wir wohl müssen, auch wenn er an uns adressiert ist, aber ich finde, sie sollte die Wahrheit wissen, was sie da angerichtet hat.“ Michi hatte eine richtige Wut auf Katharina im Bauch. 
„Michi, die Katharina war seit zwei Wochen nicht mehr hier, wir kennen ihre Seite doch noch gar nicht.“ Simon konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Katharina aus einer Laune heraus so reagierte und Markus hatte nichts gesagt, warum sie getrennt waren. 
„Ich kenne aber die Story, die im Krankenhaus herumgeht. Wegen Markus verdammter Unfruchtbarkeit hat sich Katharina einen Neuen gesucht, so sieht’s aus. Und der liebe Herr Dr. Aichstetter hat ja bereits zwei Kinder, die er geschickt auf Katharina losgelassen hat, bis die Kinder Katharina quasi als Mama angesehen haben. Katharina hat den Markus doch schon einmal für so einen Dr. Kotzbrocken verlassen. Und jetzt wieder. Der Markus ist doch kein Spielzeug, verdammt.“ 

  

Katharina hatte gerade wie so oft in den letzten zwei Wochen Lissi zur Schule und Sam in den Kindergarten gebracht und hatte sich soeben auf den Fahrersitz ihres Wagens fallen lassen. Nick hatte sie seit ihrem Auszug bei Markus täglich als Babysittern gebraucht, sodass sie mittlerweile einen eigenen Schlüssel für sein Haus besaß und auch ab und zu über Nacht da blieb, damit die Kleinen betreut waren. Sie hatte sich sowieso zwei Wochen Urlaub in der Bergrettung und im Hotel genommen und hatte also nichts dagegen. Im Gegenteil, es lenkte sie von ihren Problemen ab. Die beiden Kinder hatte sie auch wirklich unheimlich lieb gewonnen und sie genoss die Zeit mit ihnen. Aber Nick wurde ihr doch langsam etwas zu aufdringlich. Er ließ keine Gelegenheit aus, um sie zu berühren oder in den Arm zu nehmen. Am Vorabend hatte er erneut versucht, sie zu küssen. Katharina hatte es abgewehrt, sie liebte ihn nicht, sie waren einfach nur gute Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Und so langsam war sie auch von ihrem Vater genervt, der ihr Nick immer wieder anpries wie einen alten Ladenhüter. Unweigerlich kamen Erinnerungen an Thomas in ihr hoch und sie schaffte es einfach nicht, Markus zu vergessen. Ihre Gedanken kreisten ständig um ihn. Sie dachte zurück an den Tag ihres Auszugs. Ihr Kinderwunsch hatte ihr wieder unheimlich zu schaffen gemacht und ihr ging es an diesem Tag wirklich schlecht. Sie hatte versucht, sich mit Hausarbeit abzulenken, bis ihr Dienst im Hotel anfing. Markus war schon früh in den Bergen unterwegs gewesen. Als sie unter seiner Hälfte des Bettes fremde Damenunterwäsche fand, hatte es ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie spürte, wie sich ihr Hals beim Gedanken an diesen Moment erneut zuschnürte und ihr Herz kurz stehen blieb. Als sie dann von Peter vor ihrem Dienstbeginn abgefangen wurde, der ihr Fotos von Markus mit einer fremden, leicht bekleideten Frau unter die Nase hielt, auf denen er sie umarmte und küsste, brach ihre Welt komplett in sich zusammen. Peter hatte sie sogleich in seinem Hotel einquartiert. Sie dachte an seine Worte: „Markus war sowieso der falsche Mann für dich. Mit Nick Aichstetter würde es dir viel besser gehen. Du hättest Kinder und ein viel geregelteres Leben, Katharina. Denk über meine Worte nach. Markus ist ein Taugenichts, der dir nicht mal ein Kind schenken kann. Was du an ihm gefunden hast, konnte ich nie verstehen. Der hat ja nicht mal Abitur. Und der Nick, der mag dich wirklich, Katharina.” Doch Katharina war egal, was ihr Vater sagte, sie wollte nichts von Nick. Auch künftig nicht. Sie dachte, Markus würde sie immer lieben, so wie sie ihn immer lieben würde. Warum nur hatte er sie dann mit dieser unbekannten Frau betrogen? Warum hatte er alles weggeworfen? Ihre Beziehung hatte zwar derzeit einige Spannungen, aber das war doch noch lange kein Grund, alles über Bord zu werfen. Morgen würden sie wieder zusammenarbeiten müssen und sie fand, es war höchste Zeit, mit ihm zu reden, damit es wenigstens bei der Bergrettung funktionieren würde. Sie hatte sich lange genug vor ihm versteckt und wollte jetzt Antworten von ihm hören, auch wenn sie wehtaten. Sie fühlte sich gerade stark genug dafür. 

  

Als sie ihren Jeep auf den Hof steuerte, sah sie das Auto ihres Vaters und Nicks daneben. Was machten denn die beiden hier? Katharina war sichtlich verwirrt, damit hatte sie nicht gerechnet. Markus Auto konnte sie allerdings nirgends erblicken, aber das musste noch nichts bedeuten, sein Auto blieb des Öfteren über Nacht irgendwo stehen. Vielleicht war er aber auch einfach schon früher als üblich in die Bergrettung gefahren. Allerdings machte sich ein ungutes Gefühl in Katharina breit. Was hatten Nick und ihr Vater miteinander zu tun? Sie folgte ihrem Instinkt und stieg leise aus dem Wagen, näherte sich ihrem Häuschen und öffnete vorsichtig die Tür einen Spalt. Katharina hörte die beiden nun im Inneren sprechen. 
„Dr. Aichstetter, hier sind ihre 100.000, – € dafür, dass sie mir geholfen haben, meine Tochter von hier wegzuholen. Und mein Angebot steht, sie bekommen noch mal 200.000, – €, wenn sie die Katharina heiraten. Und wenn sie den Kofler jetzt noch so aus dem Weg räumen, dass meine Tochter den Hof hier erbt, erhöhe ich auf 1 Million.“ 
Katharina war fassungslos über das, was ihr Vater da von sich gab. Sie wusste ja, dass er scharf auf den Hof war, um seine Bergbahn zu bauen, aber dass er so weit gehen würde, schockierte sie zutiefst. Und was redete er da? Hof erben? Markus gehörte der Hof. Und wieso waren die beiden überhaupt hier? In ihrem Kopf drehte sich alles, aber sie versuchte ruhig zu bleiben und weiter zuzuhören. 
„Oh, das ist ein wirklich schöner Anreiz. Ich gebe mein Bestes, damit er für immer von der Bildfläche verschwindet. Aber was die Hochzeit angeht: Ihre Tochter ziert sich, sie will mich nicht mal küssen. Ohne meine Kinder und unsere kleine Intrige wäre sie doch niemals hier ausgezogen, sie liebt diesen komischen Zottel einfach. Sie ist total unglücklich, das Einzige, was sie zum Lächeln bringt, sind Lissi und Sam.“ 
„Dann sehen sie halt zu, dass sie diesen Mörder endlich vergisst. Über ihre Kinder schaffen sie das schon, immerhin ist sie jetzt schon täglich bei ihnen. Und hier im Haus haben sie ja auch gute Arbeit geleistet, meine Tochter glaubt wirklich, der Fatzke hätte sie betrogen.“ 
Katharina traute ihren Ohren kaum. Konnte das wirklich wahr sein? Ihr eigener Vater hatte ihre Beziehung auf dem Gewissen? Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen, lauschte aber weiter dem Gespräch der beiden Männer, die sich auf dem menschenleeren Hof so in Sicherheit wähnten und unbeobachtet fühlten. 
„Ich tu, was ich kann. Sie ist ja eigentlich eine ganz gute Partie und so schlecht sieht sie ja auch eigentlich gar nicht aus, meine Kinder lieben sie jedenfalls. Und dieser zottelige Kerl ist überzeugt davon, dass Katharina mich liebt. Dem hab ich ein paar passende Takte erzählt, wie unglücklich er sie macht. Und ich habe ja einen Freund auf sie angesetzt, der alles immer schön fotografiert hat, wenn sie in meiner Nähe war. Als sie total aufgelöst zu mir kam und weinend in meinen Armen lag, hat er alles durch das Fenster festgehalten. Die Bilder habe ich dem Kofler anonym zukommen lassen. Sonst hätte der Kerl wohl schneller auf meiner oder ihrer Matte gestanden, als es uns lieb gewesen wäre und hätte sie am Ende wieder hierher zurückgeholt“, verkündete Nick voller Stolz. 
„Dieser Mörder kann sich bald im Dorf eh nicht mehr sehen lassen, da sorge ich schon für. Ich werde ihn zerquetschen wie ein Insekt. Man sollte sich eben nie zwischen einen Bürgermeister und seine Projekte stellen. Und jetzt suchen wir weiter, bevor doch noch einer kommt, es muss doch irgendetwas Belastendes gegen ihn hier zu finden sein.“ Peter Herbrechter schien mehr als zufrieden mit der derzeitigen Situation zu sein, hatte aber immer noch nicht genug. 
Katharina hingegen hatte genug gehört, ihre Ohren rauschten, ihr Herz klopfte bis zum Hals vor Aufregung, Wut und Fassungslosigkeit. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie sprang förmlich in ihr Auto und fuhr direkt zu Nicks Haus. Eilig nahm sie die paar Sachen, die sie dort am Morgen hatte liegen lassen und verließ dieses in Windeseile wieder. Sie wollte verschwunden sein, bevor er nach Hause kam. Normalerweise war Katharina eine starke Frau, die sich nicht vor Auseinandersetzungen drückte und ihre Meinung durchaus vertreten konnte, aber nach allem, was sie eben gehört hatte, sah sie sich definitiv dazu nicht im Stande. Ihren Schlüssel warf sie achtlos auf den Tisch. Sie hatte nicht vor, jemals wieder hierher zurückzukommen oder dieses Haus auch nur noch einmal zu betreten. 

Auch aus dem Hotel sammelte sie blitzschnell alles zusammen und warf es achtlos in ihre Tasche. Glücklicherweise hatte sie nicht wirklich viel mitgenommen. Ihren Schlüssel übergab sie an Rezeptionistin Julia. „Alles in Ordnung, Katharina?”, fragte diese besorgt. „Nee, aber ich bringe jetzt alles wieder in Ordnung. Hoffe ich jedenfalls. Danke, Julia, bis bald.” 

Ihr nächster Weg führte sie zur Zentrale der Bergrettung. 
„Katharina, was machst du denn hier?“ Rudi sah die sichtlich aufgelöste Bergretterin erstaunt an, als sie eintrat. 
„Ich muss ganz dringend Markus sprechen.“ Beinahe flehend sah sie Rudi an, der an seinem Schreibtisch saß und ihr fragende Blicke zuwarf. 
„Der ist nicht hier“, sagte dieser leise und senkte den Blick. 
„Der wird auch nicht mehr kommen, den hast du verjagt.“ Michis Augen funkelten sie böse an. „Na, waren es die fremden Blagen wenigstens wert, dass du unseren besten Freund von hier fortgetrieben hast?“ 
„Michi, ist gut jetzt!“ Simon war vor Katharina getreten, die immer noch wie angewurzelt vor Rudis Schreibtisch stand. 
„Du hast keine Ahnung, oder?“ Simon konnte in ihrem Gesicht schon die Antwort auf seine Frage ablesen. 
„Was ist passiert?“, fragte sie tonlos. Simon reichte ihr Markus Abschiedsbrief, den sie nun in ihren zitternden Händen hielt. Katharina liefen beim Lesen unkontrolliert Tränen über die Wangen. Simon schloss sie daraufhin sanft in seine Arme. 
„Und es war alles inszeniert“, schluchzte sie verzweifelt an seiner Brust. 
„Katharina, was war inszeniert?“ Simon drückte sie enger an sich. Er spürte, wie durcheinander seine Freundin und Kollegin war. 
„Mein Vater“, schluchzte sie. „Er hat Nick Geld gegeben, damit er mich von Markus wegholt und mir hat er weiß gemacht, dass Markus mich betrügt.“ 
„Katharina, der Markus und dich betrügen? Niemals!“, mischte sich Rudi ein. 
„Wir müssen Markus suchen!“ Katharina löste sich aus Simons Armen. „Bitte!“ Flehend sah sie ihn an. „Hast eine Idee, wo wir ansetzen sollen?” Michis Ton wurde sanfter, schließlich machte auch er sich große Sorgen um seinen Freund. 
Simon schob Katharina zum Tisch hinüber, wo er ihr einen Kaffee einschüttete. „Trink mal einen Schluck, dann erzählst du uns die ganze Geschichte und dann überlegen wir gemeinsam, wo er hin sein könnte. Okay?“ Sie nickte, sammelte sich einen Moment und begann zu erzählen. 
„Also, Peter hat Nick dafür bezahlt, dass er mich von Markus trennt. 200.000€ bekommt er, wenn er mich heiratet und eine Million, wenn er Markus aus dem Weg räumt.“
„Dein Vater hat was getan?“ Rudi sah Katharina ungläubig an. „Er hat bezahlt dafür, dass ihr getrennt werdet?“
Katharina nickte. „Und sie wollen Markus tot sehen. Markus kann ja keine Kinder zeugen, das wisst ihr ja mittlerweile – und ich wollte immer Kinder haben. Da hat Peter Nick auf mich angesetzt, damit mein Kinderwunsch so groß wird, dass ich Markus dafür verlasse. Gleichzeitig hat Peter mir Fotos gezeigt von Markus und seiner angeblichen Geliebten. Die Bilder waren so echt, ich habe es geglaubt. Offenbar haben die beiden auch bei uns im Haus einiges inszeniert, die Unterwäsche beispielsweise, die ich gefunden habe, muss von Nick versteckt worden sein. Und Markus müssen sie auch irgendeinen Schmarrn aufgetischt haben. Wenn wir nur nicht so in der Krise gesteckt hätten, hätten wir es bestimmt gemerkt, aber wir waren beide einfach so neben der Spur. Ich hab wirklich geglaubt, dass Markus mich nicht mehr will, weil ich den Kinderwunsch nicht ablegen konnte. Und jetzt hat Peter sein Ziel erreicht.“ Katharina schluchzte.
„Dein Vater will euch also unbedingt trennen? Aber warum? Warum tut er euch das an?“ Simon versuchte die Gründe zu verstehen, warum das alles passiert war. 
„Für ihn ist Markus Schuld an Johannas Tod, er will den Hof haben für seinen Seilbahnbau und er will einen Erben für sein Hotel. Den können wir ihm aber nicht geben“, fasste Katharina die Gründe zusammen. 
„Wenn Markus uns hier eine Nachricht hinterlassen hat, dann doch auch bestimmt eine für Katharina“, meinte Rudi. 
„Komm, wir fahren zu eurem Haus und gucken.“ Simon zog Katharina hinter sich her. 

 
Simon steuerte seinen Wagen direkt vor Katharinas und Markus Haustür. Zu Katharinas Erleichterung waren weder ihr Vater noch Nick anwesend, was sie einmal tief ausatmen ließ. „Alles gut, Katharina. Die Luft ist rein. Außerdem: Ich pass schon auf dich auf”, lächelte Simon. Dankbar lächelte Katharina zurück. Dass ausgerechnet Simon so für sie da war, war nicht selbstverständlich. Anfangs hatten sie alles andere als einen guten Start gehabt, doch irgendwann hatte es sich verändert. Sie mochten sich und sie wurde zu Simons erster Anlaufstelle in Sachen Beziehung und hatte ihm oft Ratschläge bezüglich Jessi gegeben. Gemeinsam betraten sie nun das kleine Häuschen. 

„Hier liegt nichts.“ Katharina schaute sich im Wohnbereich um. „Aber Markus Sachen sind weg“, stellte sie traurig fest. 
„Hier im Müll, ich glaube, ich hab was.“ Simon faltete den zerknüllten Zettel von Markus sorgsam auseinander und reichte ihn ihr. Zärtlich strich Katharina über das zerknitterte Papier. 
„Er liebt dich, Katharina. Mehr als alles andere auf der Welt.“ 
„Und ich tu ihm immer wieder weh. Ich muss ihn finden!“ Katharina fühlte sich immer elender, die Sehnsucht nach Markus war plötzlich einfach riesengroß und kaum auszuhalten. 
„Wir alle müssen ihn finden. Er ist unser Freund und wir brauchen ihn.“ Simon lächelte ihr aufmunternd zu. 
Katharina sah sich in ihrem Häuschen um. Sie konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, was sich vor nicht mehr als drei Stunden hier ereignet hatte. 
„Wie oft Peter und Nick wohl hier in unserem Haus gewesen sind, wenn wir nicht da waren? Wie konnten die das nur tun? Und was haben die Markus für einen Unsinn vorgemacht? Dass ich was mit Nick habe? Wenn Markus mir das nicht verzeiht, dann…“ 
„Er wird, wenn er die Wahrheit kennt, da bin ich sicher.“ Simon schloss seine Kollegin erneut in die Arme. 

  

„Und? Habt ihr was gefunden?“ Rudi schaute seine Kollegen erwartungsvoll an, als sie die Zentrale betraten. 
„Nee, nix, außer einer Nachricht für Katharina, die uns leider nicht weiterbringt.“ 
„Sein Handy ist noch immer ausgeschaltet“, teilte Rudi mit gesenktem Kopf mit. 
„Was ist, wenn ihm was passiert ist?“, flüsterte Katharina. 
„Dann wüssten wir das bestimmt schon. Bleib ruhig, Katharina.“ Simon strich mit der Hand über ihren Arm. 
„Ich ruf mal den Tobi an, vielleicht weiß der was.“ Michi griff nach seinem Handy und wählte ihn direkt an. Aber auch Tobi hatte von Markus nichts gehört. 
„Also, ich habe gerade mal die Straßenlage begutachtet. So lange kann Markus ja noch nicht weg sein. Er hat gar nicht so viele Möglichkeiten, bei den Schneefällen sind seit gestern viele Pässe und Straßen gesperrt. Meine Vermutung ist, dass er in Österreich und in den Bergen bleiben wird. Vielleicht will er in Mias Nähe, er würde ja immer für sie erreichbar bleiben.“ „Gut möglich, Rudi. Vielleicht ist er auch in Zürich?“, überlegte Katharina. 
„Nee, dass Mia für Weihnachten abgesagt hat, hat ihm offensichtlich den Rest gegeben, da fährt der nicht nach Zürich“, gab Michi zu überlegen. 
„Mia hat für Weihnachten abgesagt?“, fragte Katharina fassungslos. Simon nickte. 
„Das weißt du gar nicht?“, Michi war überrascht. 
„Ich habe seit zwei Wochen kein Wort mehr mit Markus gewechselt. Und Mia hat mir nichts davon gesagt.“ 
„Ruf doch mal die Emilie an!“, schlug Simon vor. Katharina zog ihr Handy aus der Tasche. 

„Also in Zürich ist er auch nicht.“ 
Simon sprang nun um in den Einsatzmodus. „Michi, kannst du die Parkplätze abfliegen, ob irgendwo sein Auto steht? Rudi, versuch weiter sein Handy zu orten. Ich fahr zu Jessi und frage sie, ob sie uns helfen kann. Und du, Katharina, fahr noch mal zum Hof und schau dich dort überall genau um. Und wenn einer von den beiden Herren bei dir auftaucht, ruf mich an, ich komme sofort zu dir, okay?“ 

  

Katharina betrat beinahe ehrfürchtig und ängstlich ihr Zuhause. Mit Simon an ihrer Seite hatte sie sich wohler gefühlt. Sie fragte sich, wie Peter und Nick eigentlich hereingekommen waren. Kurzentschlossen rief sie den Schlüsseldienst an. Auf Besuch von den beiden Männern, die sich ja offenbar Nachschlüssel hatten machen lassen, konnte sie dankend verzichten. Ohne neues Schloss würde sie die Nacht kein Auge zumachen können. 

Sie brachte ihre Tasche nach oben ins Schlafzimmer und schaute sich noch mal genau um. Katharina öffnete Markus Schrank, in dem nicht mehr drin war als seine Bergretterausrüstung und das kleine Schmuckkästchen mit dem wunderschönen Ring. Wieso hatte sie nur zu ihm gesagt, sie wolle noch nicht heiraten? Sie verstand sich selbst nicht mehr. Katharina warf sich auf das große Bett und weinte bitterlich. Der Geruch von Markus verstärkte ihr Weinen nur noch mehr. 

  

Nachdem der Schlüsseldienst gegangen war, lief Katharina wieder durch das Haus. Ihr fiel einfach nichts auf, was einen Hinweis auf seinen Verbleib lieferte. Sie nahm ihr Handy und versuchte, wie schon unzählige Male zuvor an diesem Tag Markus anzurufen. Aber es war zwecklos. Sein Handy war ausgeschaltet. Also schrieb sie Markus eine SMS mit der Bitte, sich dringend zu melden. Doch statt Markus meldete sich nur Nick, den sie wegdrückte und ihr Vater, dessen Gespräche sie ebenfalls nicht annahm und die sie kurzerhand einfach beide blockte. Sie hatte keinen Kopf dafür, sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen, die Markus und ihr gerade dieses Leid angetan hatten. Simon hatte mit Jessi gesprochen, die Bescheid geben wollte, wenn Markus mit seiner EC oder Kreditkarte Geld abhob oder damit bezahlte. Katharina wünschte sich nichts mehr, als dass Markus sich endlich meldete. Sie fuhr mit ihrem Auto alle Parkplätze an, die zu seinen Lieblingsorten gehörten. Aber er war einfach nirgendwo zu finden. 

  

Die nächsten Tage kamen sie keinen Schritt weiter. Keine Spur, kein Hinweis auf den Verbleib von Markus. Katharina war krank vor Sorge und machte sich heftigste Vorwürfe. Sie hatten jeden Tag die Gegend abgeflogen und versucht, ihn zu orten. Katharinas Jungs versuchten immer wieder, sie zu beruhigen, aber in ihrem Inneren tobte ein Sturm der Gefühle und es gab nur einen, der diesen Sturm lindern konnte. Aber dafür musste er erst einmal gefunden werden. Nun war Heiligabend gekommen und auf dem Hof war niemand außer ihr. Sie hätte am Abend bei jedem ihrer Freunde feiern können, aber ihr war nicht danach. An diesem Tag war ihr Herz besonders schwer. Es war ihr Jahrestag. Aber sie war schon glücklich, dass sie weder auf ihren Vater noch auf Nick getroffen war. Für eine persönliche Konfrontation mit den beiden fühlte sie sich noch immer nicht bereit. Sie brauchte Markus an ihrer Seite, das war ihr in den letzten Wochen derart schmerzlich bewusst geworden. 

  

Rudi saß alleine in der Zentrale und schob den Telefondienst, als er ein Signal von Markus Handy empfing. Tatsächlich war es lang genug, um ihn ziemlich genau orten zu können. Aufgeregt rief er Katharina an, um ihr davon zu erzählen. Für einen kurzen Moment setzte ihr Herzschlag aus. Konnte das wirklich wahr sein? In ihr baute sich eine Welle von Hoffnung auf. Kaum hatte sie das Gespräch mit Rudi beendet, rief auch schon Jessi an. 
„Markus ist in Tirol! Er hat Geld geholt in Reutte und danach getankt in einem kleinen Ort namens Bichlbach.“ 
„Danke Jessi, ich mach mich sofort auf den Weg. Rudi hat auch ein Handysignal empfangen. Sagst du bitte den anderen Bescheid, dass ich hinfahre?“ Katharina war total aufgeregt. 
„Das mache ich. Pass auf dich auf und melde dich, bitte.“ 
„Das tu ich, danke dir!“ Katharina versuchte direkt nach den beiden Telefonaten Markus anzurufen, aber das Handy war schon wieder aus. Schnell sammelte sie einige Sachen zusammen, die sie achtlos in eine Tasche stopfte und machte sich direkt auf den Weg. Sie musste Markus einfach finden. 

Die Fahrt hatte schon gefühlt ewig gedauert. Es hatte wahnsinnig viel geschneit und sie kam nur sehr langsam voran. Katharina war so angespannt und versuchte sich einfach, voll auf den Verkehr zu konzentrieren. Sobald dieser allerdings komplett zum Erliegen kam, waren ihre Gedanken wieder direkt bei Markus. Sie versuchte sich auf das Radio zu konzentrieren. Den Song liebte sie schon lange, aber heute trafen sie die Textzeilen direkt ins Herz. 

2. Wiedersehen

…You’ve built a love but that love falls apart 
Your little piece of heaven turns too dark 

Listen to your heart when he’s calling for you 
Listen to your heart, there’s nothing else you can do 
I don’t know where you’re going and I don’t know why 
But listen to your heart before you tell him goodbye… 

Katharina wischte sich die Tränen aus den Augen. Mittlerweile war sie seit Stunden unterwegs und so langsam hätte sie eine Pause bitter nötig, das fühlte sie selbst, aber sie wollte nicht mehr Zeit als nötig verlieren. Sie wollte einfach so schnelle wie möglich zu ihm. Für Heiligabend war sowieso schon eine ganze Menge Verkehr und das Wetter dazu eine absolute Herausforderung. Glücklicherweise hatte sie wenigstens etwas zu trinken dabei. Sie fragte sich die ganze Zeit, wie das Wiedersehen mit Markus wohl ablaufen würde. Würde er ihr verzeihen können? Würden sie noch eine Chance bekommen? Oder waren ihre Mühen zu ihm zu kommen am Ende doch vergebens? Immer wieder überkam sie die pure Übelkeit, wenn sie nur daran dachte, dass Markus sie vielleicht nicht mehr in sein Leben lassen würde. 

Als Katharina endlich den kleinen Ort Bichlbach erreichte, dämmerte es bereits, aber sie war noch nicht am Ziel. Erst fuhr sie durch ein malerisches Bergdorf und schließlich ging es steil und tief hinunter. Sie zweifelte bereits, ob sie hier wirklich richtig sein konnte, aber dann sah sie tatsächlich Markus Auto. Ihr Herz machte einen Sprung. Sehr weit weg konnte er doch nun nicht mehr sein. Sie parkte ihn kurzerhand einfach zu, damit er ihr auch wirklich nicht ausweichen konnte und mit ihr reden musste. Aber wo war er nur? Den Koordinaten nach war es noch ein gutes Stück zu Fuß. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie wohl oder übel durch den Schnee stapfen musste. Zum Glück hatte Katharina eine Skihose dabei. Die zog sie schnell über ihre Jeans, schlüpfte in dicke Schuhe, die Skijacke, nahm ihre Tasche und machte sich auf den Weg. Glücklicherweise hatte sie auch noch eine Taschenlampe im Auto. Die Batterie war allerdings ziemlich schwach. Sie wusste, dass das, was sie da gerade machte, ganz und gar waghalsig und auch gefährlich war. Im Dunkeln in einer unbekannten Umgebung herumzuirren, aber es musste sein. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Wenn Markus ihr nicht vergeben würde, wäre ihr sowieso alles egal und sie musste einfach zu ihm. Sie strich einmal sanft über sein Auto, als wäre es Markus selbst. Dass schon sein Wagen ihren Herzschlag einmal so aus dem Gleichgewicht bringen würde, das hätte sie niemals erwartet. 

  

Markus lief in der kleinen Hütte auf und ab wie ein eingesperrter Eisbär im Zoo. Katharina hatte täglich unzählige Male versucht, ihn anzurufen und einige Nachrichten geschickt mit der dringenden Bitte, sich zu melden. Ebenso seine Jungs aus der Bergrettung. Er rang mit sich und gab sich dann doch einen Ruck, schaltete sein Handy erneut ein, zog tief die Luft ein und tippte auf Katharinas Kontakt. „Dies ist die Mailbox von Katharina Strasser. Nachrichten bitte nach dem Piep.” 
Kurzentschlossen tippte Markus nun auf Simons Kontakt. 
„Mensch Markus, endlich”, meldete sich Simon hörbar erleichtert. 
„Hey Simon.” 
„Geht´s dir gut, Markus? Ist die Katharina bei dir angekommen?” 
„Die Katharina?”, fragte Markus verwundert. 
„Ja, die ist auf dem Weg zu dir”, erklärte Simon. 
„Zu mir? Warum?” Markus Herz begann in seiner Brust zu klopfen. 
„Kannst du dir das denn nicht denken? Aber wenn sie kommt, versprich mir, dass du dir alles anhörst, was sie dir zu sagen hat! Sie wird dir einiges zu erzählen haben. Man hat euch beiden echt übel mitgespielt!” 
Die Worte sprudelten förmlich aus Simon heraus. 
„Langsam, Simon, was ist passiert?” Markus konnte die Informationen gar nicht so schnell erfassen. „Das wird sie dir selbst erzählen. Hör ihr bitte zu. Aber eigentlich sollte sie schon da sein. Sie ist hier so gegen 10 los.” 

„Nee, sie ist nicht hier und ihr Handy ist auch aus oder hat keinen Empfang. Es ist auch schon dunkel draußen.” 
„Hm, das ist komisch. Aber dann kommt sie bestimmt gleich. Markus?” 
„Ja?” 
„Wann kommst du zurück? Ich denke, dass du nicht so lange allein sein solltest. Wir… wir brauchen dich hier.“ 
„Gib mir noch ein bisschen Zeit, Simon. Ich muss erst wissen, was das mit Katharina wird und warum sie hierher kommt. Ich vermiss euch auch. Sehr sogar. Und ich melde mich und lass mein Handy ab jetzt an, okay?” 
„Okay!” 
Markus strich sanft über den Rahmen mit dem Foto von Katharina und sich, das er in der kleinen Hütte auf den Kaminsims gestellt hatte. Katharina war auf dem Weg zu ihm. Seine Katharina. In ihm verbreitete sich totale Aufregung, ein Gemisch aus Freude und Angst und seine Gedanken überschlugen sich. Was wollte sie ihm sagen? Warum kam sie dafür extra bis nach Tirol? Simon sagte, er sollte ihr zuhören. Kam sie etwa, weil sie ihn zurückwollte? Und warum war sie noch nicht da? Wenn sie so früh gefahren war, hätte sie doch längst da sein müssen. Aber es war bereits stockdunkel und sie kannte sich doch überhaupt nicht aus in der Gegend. Plötzlich hatte Markus schreckliche Angst, dass ihr etwas passiert sein konnte. Schnell zog er sich an und machte sich querfeldein auf den Weg zu seinem Auto. 

Katharina war unterdessen im zarten Licht ihrer Taschenlampe auf dem Weg zu den von Rudi gesandten Koordinaten. Sie hatte das Gefühl, dass sie gar nicht vorwärts kam, der Schnee lag auf dem Weg nicht hoch, doch ihre Beine waren so schwer, fühlten sich an wie Beton und jeder Schritt wurde immer mühevoller. Und obendrein war ihr Handyakku in der Kälte rapide zur Neige gegangen. Warum hatte sie sich auch nicht längst um ein neues Handy gekümmert? Sie ärgerte sich über sich selbst und schaltete es kurzerhand aus. Empfang hatte sie gerade sowieso keinen. Hoffentlich würde wenigstens ihre Taschenlampe noch ein wenig durchhalten. Ihre Erschöpfung versuchte sie so gut wie möglich zu ignorieren, ebenso wie die Kälte, die ihr langsam in die müden Knochen krabbelte. Die letzten Wochen hatten ihr ordentlich zugesetzt, das musste sie nun bitter erfahren. Bisher war es für sie nie ein Problem gewesen einen Berg hinauf zu laufen und nun stieß sie ausgerechnet hier und heute an ihre Grenzen. Um sie herum war alles so dunkel. Sie hörte den Rotlech rauschen, ganz leise die Schneeflocken, die sich auf ihrer Jacke niederließen und das Knirschen unter ihren Füßen. 

Markus stapfte durch den hohen Schnee querfeldein hinab. Seine innere Anspannung machte ihn verrückt und er hatte ein ordentliches Tempo an den Tag gelegt. Mittlerweile war er die Strecke ja auch schon einige Male gelaufen in der letzten Woche. Irgendwie hatte er die Einkäufe und sein Gepäck ja auf die Hütte bringen müssen. Auf dem Weg ins Tal war er Katharina nicht begegnet. Als er allerdings an seinem Auto ankam, musste er unweigerlich schmunzeln. Katharina hatte ihn doch tatsächlich so zugeparkt, dass er nicht weg konnte. Sie war also wirklich hierhergekommen. Sie wollte wirklich zu ihm. Aber wo steckte sie jetzt? Er sah sich um und und zog sein Handy aus der Tasche. Resigniert musste er feststellen, dass es hier unten im Tal keinen Handyempfang gab. Markus fühlte an ihrer Motorhaube, die noch warm war, weshalb sich bisher kein Schnee darauf gelegt hatte. Also machte er sich wieder auf den Weg zurück zur Hütte. Diesmal nahm er nicht die Abkürzung querfeldein, sondern blieb auf dem Forstweg, in der Hoffnung, dass sie dort war. Vielleicht hatte er sie durch seine Abkürzung einfach verpasst und deshalb nicht gefunden. Aber was wäre, wenn er sie da nicht finden würde? Wenn sie dem Weg zum Stausee gefolgt wäre? Darüber wollte Markus nicht weiter nachdenken, der Weg endete rapide und schroff. Die Gefahr, dass sie dort im Dunkeln abstürzen würde, war riesengroß. Er hoffte, dass sie wenigstens dick genug angezogen war, um im Ernstfall eine Nacht draußen zu überstehen, egal, wo sie gerade war. „Katharina?” Immer wieder rief er ihren Namen ins Dunkel der Nacht. 

Katharina war mittlerweile am Ende ihrer Kräfte angekommen. Sie nahm den letzten Schluck Wasser aus ihrer Flasche und ließ sich einfach in den Schnee nieder. Sie konnte nicht mehr, vor ihren Augen tanzten weiße Sternchen, ihr Kreislauf spielte nicht mehr mit und sie bemühte sich ihre Beine etwas am Wegesrand hoch zu lagern und somit die Bewusstlosigkeit zu verhindern. Katharina versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, als sie meinte, irgendwo ihren Namen in der Dunkelheit zu hören. „Prima Katharina, jetzt halluzinierst du auch schon”, schalt sie sich selbst. Aber da war sie wieder, seine Stimme. Wenn sie jetzt und hier auf diesem Weg sterben würde, so hätte sie wenigstens die Illusion seiner Stimme im Ohr. Aber die Stimme kam definitiv näher, das konnte doch keine Einbildung mehr sein. Oder doch? In Katharinas Kopf herrschte das reinste Chaos. 

Unermüdlich rief Markus auf dem Weg nach oben Katharinas Namen. Sie musste doch irgendwo sein. Aber je näher er der Hütte kam, umso größer war seine Hoffnung, dass er sie nur verpasst hatte und sie dort schon auf ihn warten würde. 
Auf den letzten Metern vor der Hütte, im Wald, vernahm er schließlich eine leise, brüchige Stimme. 
„Markus?” 
Markus Herz schlug direkt schneller. 
„Katharina?”, rief er hoffnungsvoll. 
Katharina war sich nun ganz sicher, das war wirklich Markus. Sie rappelte sich hoch zurück in eine sitzende Position. Aufstehen konnte sie einfach noch nicht. 
„Hier, Markus, ich bin hier.” 
Im Licht seiner Lampe konnte Markus sie schließlich auf dem Weg ausmachen. Markus rannte direkt auf sie zu. „Mensch Katharina.” Erleichtert ließ er sich neben sie in den Schnee fallen. 
„Markus.” Katharina schlang ihre Arme so fest um ihn, als würde sie ertrinken und es brachen alle Dämme in ihr. Sie begann so heftig zu weinen, dass es Markus Angst machte. Das einzige Mal, dass er sie so verzweifelt hatte weinen sehen war, als sie ihr Kind verloren hatte. 
„Hey”, Markus versuchte zu ihr durchzudringen, aber sie hörte und hörte nicht auf, bis sie völlig erschöpft in seinen Armen lag. 
„Komm, du musst ins Warme!” Markus versuchte sie hochzuziehen, aber er merkte, dass sie total entkräftet war. „Katharina, halt dich fest, ich nehme dich huckepack.” 
Sie krallte sich an Markus und er trug sie das letzte Stück bis zur Hütte. 

Vorsichtig setzte Markus Katharina auf dem Sofa in der Wohnstube ab. Dann half er ihr aus ihren dicken Sachen und reichte ihr eine Decke, ehe er sich selbst auszog. Den Blick wendete er dabei nicht von ihr ab. Sie sah schlecht aus. Katharina war definitiv noch dünner geworden, denn die Jeans, die normalerweise eng saß, schlackerte locker um ihre Beine und dabei trug sie noch eine dicke Thermoleggins darunter. Ihre Wangen waren richtig eingefallen und ihre Augen waren matt. Auch ihre Locken glänzten nicht wie sonst. Gesichtsfarbe war erst gar keine mehr vorhanden und ihre Hände zitterten. So sehr er versuchte, böse auf sie zu sein, so wenig konnte er es, wenn er sie in diesem Zustand ansah. Ihm war allerdings bewusst, dass auch er gerade nicht wie das blühende Leben aussah. Die letzten Wochen ohne sie waren die pure Hölle gewesen und so wie sie aussah, schien es für sie ähnlich gewesen zu sein. Er war gespannt, was sie ihm gleich erzählen würde. Am liebsten hätte er sie sofort gefragt, doch er riss sich zusammen. 

Markus bereitete erst einmal einen warmen Tee für beide zu, reichte ihr eine Tasse und setzte sich neben sie. 
„Trink mal einen Schluck, du brauchst was Warmes.” 
Zögerlich nippte sie am Tee und stellte die Tasse auf den Tisch. 
„Und jetzt erzähl, warum bist du hier?” Markus versuchte eine gewisse Distanz zu ihr zu wahren, auch wenn er sie am liebsten einfach nur in seine Arme geschlossen hätte, weil alles in ihm diese Frau so sehr vermisste und ihm ihr vertrauter Duft zusätzlich die Sinne raubte. 
„Mein Va…, Peter… er… Nick… alles nur Theater …” Sie bekam schluchzend nur Bruchteile hervor und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, hierher zu kommen. „Ich… ich hab alles kaputtgemacht… ich sollte… gehen.” Katharina sprang auf und taumelte zur Tür. 

Markus folgte ihr und konnte sie gerade noch davon abhalten, die Tür aufzureißen und ohne dicke Kleidung in den Schnee hinaus zu stolpern. Offenbar war sie noch mehr von der Rolle, als er angenommen hatte. 
„Du gehst nirgendwo hin. Du bleibst hier bei mir”, sagte er bestimmt und schob sie wieder zum Sofa, wo er sie ins Kissen zurück drückte. 
„Ich will jetzt wissen, was passiert ist.” 
Markus setzte sich neben sie und breitete die dicke Wolldecke über Katharina aus. 
„Nu komm, sprich mit mir, bitte!”, sagte er mit sanfter Stimme. „Erzähl mir, was dich so quält!“ 
Katharina brauchte noch einen Moment, nippte noch einmal an ihrem warmen Tee, dann nahm sie alle Kräfte beisammen und begann zu erzählen. 
„Peter hat das alles eingefädelt. Er hat Nick dafür bezahlt, dass er mir seine Kinder anvertraut, damit mein Kinderwunsch immer größer wird und ich unglücklich werde. Und er hat dafür gesorgt, dass ich glaube, dass du mich betrügst. Das war ihm 100.000 € wert. Er hat Nick 200.000 € geboten, wenn er mich heiratet und es schafft, dass ich dich vergesse. Und 1 Million €, wenn er dich ganz aus dem Weg räumt. Er will, dass du stirbst, damit ich den Hof erbe und er seine Bahn bauen kann.” Aus Katharina sprudelte plötzlich alles einfach nur heraus. 
Markus sah sie ungläubig an. 
„Woher weißt du das alles?” 
„Ich war bei uns zu Hause, weil ich mit dir reden wollte. Und da waren die beiden in unserem Häuschen. Frag mich nicht, wie die reingekommen sind. Jedenfalls haben sie sich über ihren tollen Plan unterhalten. Markus, der BH, den ich bei uns gefunden habe und die Spitzenwäsche, die Fotos von dir und dieser Frau, das war alles inszeniert.” 
„Moment. Welche Fotos von welcher Frau?” Markus war nun vollends verwirrt. 
„Die Peter mir gezeigt hat. Ich war so verletzt, weil es so eindeutig und echt aussah. Darum bin ich doch weggelaufen.” 
„Katharina, ich hatte nie etwas mit einer anderen, das musst du mir glauben.” Markus war sichtlich aufgebracht und konnte gar nicht fassen, was man Katharina da erzählt hatte. 
„Das weiß ich jetzt auch, Rudi hat mir gezeigt, wie einfach das mit den entsprechenden Programmen ist, Fotos so zu bearbeiten, dass sie absolut echt wirken, obwohl sie gar nicht der Wahrheit entsprechen.” Katharina hatte ihren Blick jetzt auf ihre Hände gerichtet, die sie so miteinander verknotete, dass es ihr wehtun musste. 
„Bist du nur gegangen, weil du dachtest, ich würde dich betrügen?”, fragte Markus leise. 
Sie nickte. „Ich hätte es besser wissen sollen. Wissen müssen! Und jetzt habe ich alles damit kaputt gemacht.” Katharina senkte ihren Blick und sah auf ihre zittrigen Hände. Sie traute sich gerade nicht, Markus in die Augen zu sehen. 
„Katharina, ich muss dich das jetzt fragen, weil ich es einfach wissen muss: Hast du was mit Nick gehabt?” 
„NEIN! Ich habe ihn die ganze Zeit nur als guten Freund gesehen. Aber er wollte mehr und ist aufdringlich geworden. Aber es ging ihm dabei nie um mich, sondern nur um das Geld meines… von Peter.” Sie sagte nicht das Wort Vater, weil es so unfassbar war, was er geplant und ihr und Markus angetan hatte. 
Erleichtert sah Markus sie an. „Ich dachte, du hast was mit ihm. Er hat dich immer so angehimmelt und du warst so verrückt auf seine Kinder. Und dann diese Fotos, wo du in seinem Arm lagst, das war einfach unerträglich… Moment, er war aufdringlich?“ Diese Information hatte etwas länger gebraucht, bis sein Gehirn sie verarbeitet hatte. „Hat der Mistkerl dir was getan?“ 
Sie schüttelte nur den Kopf. 
„Sein Glück, der sollte mir besser nicht begegnen, denn sonst vergesse ich mich“, grummelte Markus und ballte seine Hand zu einer Faust. Katharina legte sanft ihre Hand darauf, woraufhin sich seine sofort wieder entspannte. 
„Markus, das hilft keinem weiter. Aber welche Fotos meinst du?”, fragte sie irritiert. 
„Na, die von dir und Nick. Die vor unserer Tür lagen.” 
„Markus, ich hatte niemals was mit Nick. Er hat ein paar Mal versucht mich zu küssen und anzufassen. Das habe ich aber nicht zugelassen. Es ist wirklich nie was passiert.” 
Markus glaubte ihr, er konnte in ihren Augen lesen, dass es die Wahrheit war. Sie waren ja auch ganz offenbar beide mit dem gleichen Trick hereingelegt worden. 
„Was haben uns diese beiden Ärsche angetan? Stell dir vor, du hättest sie nicht erwischt, Katharina! Du würdest weiterhin denken, dass ich dich betrüge und ich, dass du mit diesem Schmierlappen… Die hätten uns auseinandergebracht, ohne mit der Wimper zu zucken, nur für ihren Vorteil.” In Markus Augen schimmerten Tränen. Ob vor Wut, Verzweiflung oder Erleichterung – er konnte es nicht sagen. 
„Für Geld”, seufzte Katharina. „Mein eigener Vater, Markus. Mein eigener Vater besticht jemanden, den ich für einen Freund gehalten habe mit Geld, damit er mich von demjenigen trennt, der mir das Liebste und Wichtigste auf der Welt ist.” Aufrichtig sah sie ihn an. 

„Immer noch? Obwohl ich dir nicht vertraut habe?” Sein Blick blieb an ihren Augen hängen und er konnte die Antwort darin schon lesen, ehe sie leicht nickte. 
„Ich habe dir doch auch nicht vertraut und geglaubt, du hast eine andere. Ich war durch den Kinderwunsch innerlich so zerrissen, dass ich am Ende wirklich dachte, du willst mich nicht mehr deswegen…” 
„Und dir ging es so schlecht wegen dieses Wunsches, dass ich dachte, du tauscht mich aus, weil ich kein Kind will”, sagte er traurig. 
„Ich hätte dich doch niemals einfach so ausgetauscht. Natürlich hat mich die Frage beschäftigt, was ich will. Aber mit Kind und ohne dich? Damit wäre ich auch nicht glücklich. Mit Thomas war ich es doch auch nie.” 
„Der Kotzbrocken”, flüsterte Markus und Katharina musste leicht lächeln. Markus hatte ihn nie leiden können und von Anfang an Dr. Kotzbrocken genannt, wenn sie außer Hörweite war. „Ich habe gedacht, genau das von damals wiederholt sich.” Er seufzte und schloss die Augen und versuchte die aufsteigenden Tränen so in den Griff zu bekommen. 
„Markus? Meinst du, wir beide schaffen das noch mal miteinander?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Sie hatte Angst vor seiner Antwort, aber sie musste wissen, ob sie noch darauf hoffen durfte. Alles in ihr verlangte einfach so sehr nach Markus. Dieser nickte und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Das Markus-Lächeln, das sie so sehr liebte. 
Doch dann wurde er wieder ernst. „Aber wenn du mich noch mal verlässt, Katharina, das pack ich wirklich nicht mehr.” 
„Und, ich will dich nicht noch mal verlieren”, flüsterte sie. „Das schaff auch ich nicht mehr.“ 
Markus legte sanft seine Hände um ihr Gesicht. Ihre Haut fühlte sich immer noch eiskalt an. 
Sie legte ihre Hände auf seine. Leise sprach sie: „Ich liebe dich, Markus. Und zwar nur dich!” Ihre Augen ließen die seinen keinen Moment los. 
„Und ich liebe nur dich, Frau Dr. Strasser.” 
„Kofler, wenn du mich immer noch willst.” 
„Ist das dein Ernst?”, fragte er erstaunt. 
„Ja, Markus, mein voller Ernst. Ich hab schmerzlich begriffen, dass nichts auf der Welt schlimmer ist, als dich zu verlieren und dass ich niemals einen Grund haben muss, an dir und deiner Liebe zu zweifeln. Ich hätte direkt Ja sagen sollen, als du das Thema auf den Tisch gebracht hast.” Sie schaute ihn aufrichtig an. 
„Und ich habe nicht nur das begriffen, sondern auch, dass ich ganz schön hart und egoistisch gewesen bin, als ich zu dir sagte, dass ich kein Kind will. Mein Dickschädel hat mit dazu beigetragen, dass ich dich fast verloren hätte. Wir reden da noch mal ganz in Ruhe drüber, ja? Aber nicht jetzt.“ 
Katharina nickte, ehe sich ihre Lippen zärtlich zu einem liebevollen Kuss trafen. 
„Frohe Weihnachten”, flüsterte Markus ihr ins Ohr, nachdem sie ihren Kopf auf seiner Brust abgelegt hatte. 
„Frohe Weihnachten”, nuschelte sie. 

  

Sie lagen sich lange einfach wortlos in den Armen. Markus streichelte dabei immer wieder vorsichtig durch ihr Haar und über ihren Rücken. Er genoss ihre Nähe genau so wie Katharina seine. Irgendwann durchbrach er das Schweigen, welches keine Sekunde lang unangenehm gewesen war. Seine Freundin war einfach so verdammt dünn geworden, dass er sich ernsthafte Sorgen machte. 
„Wann hast du das letzte Mal was gegessen?”, fragte er gerade heraus. 
„Weiß nicht”, murmelte sie verlegen. Sie hatte schon befürchtet, dass Markus es bemerken würde. Niemandem sonst war es aufgefallen. Niemand hatte bisher gemerkt, dass sie kaum aß und einiges an Gewicht verloren hatte. Ihm dagegen war es direkt aufgefallen. 
„Du siehst elend aus, Katharina”, stellte er sorgenvoll fest. 
„Danke für das Kompliment.” Jetzt musste sie doch grinsen. „Du siehst auch nicht besser aus, wenn ich dir das mal so sagen darf. Du schläfst wieder schlecht, nicht wahr?“ 
Markus erwiderte ihr Grinsen und nickte zustimmend. Er konnte es nicht leugnen, Katharina kannte ihn einfach zu gut. Seit sie fort war, hatte er keine Nacht mehr durchgeschlafen. 
„Erwischt. Seit du weg bist, schlafe ich miserabel. Und du bist definitiv viel zu dünn geworden. Ich hab ja fast nix mehr im Arm hier.” Er knuffte sie ein klein wenig in die Seite. 
„Ich hatte halt keinen Hunger.” An ihrer Stimme konnte Markus merken, dass es ihr alles andere als angenehm war. 
Er sah sie eindringlich an. 
„Wie lange, Katharina? Wie lange isst du schon nicht mehr richtig? Ehrlich.” 
„Seit ich weg bin”, gab sie leise zu. Sie wollte Markus nicht anlügen und wusste selbst gut genug, dass das alles andere als gesund war. Aber was hätte sie machen sollen, ihr Hals war wie zugeschnürt gewesen. 
Markus legte nun beide Hände an ihre Schultern. „Oh man, mach so was bitte nie wieder!” Sie nickte schuldbewusst. 

„Es ging einfach nicht, mir ist jeder Bissen im Halse stecken geblieben.“ Er zog sie auf seinen Schoß, schloss sie in seine Arme und streichelte sanft dabei über ihre Hände. 
„Ich werde dich jetzt füttern, ob du willst oder nicht. Und passe ab sofort wieder auf dich auf.“ Ein dankbares Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Und nun lade ich dich zu Bockwurst und Kartoffelsalat a la Markus ein.“ 

 
Markus erhob sich vom Sofa und stellte einen Topf mit Wasser auf den Ofen, in dem er ein paar Würstchen versenkte. Danach drehte er eine Runde durch die Hütte, entzündete die dicke Kerze auf dem Esstisch, welche schön mit Weihnachtskugeln auf Tanne gesteckt war, schaltete eine Lichtergirlande entlang der Fenster an und zu guter Letzt erhellte noch ein Weihnachtsbaum den Raum. Katharina sah sich jetzt erst richtig um. Bisher hatte sie nur Augen für Markus gehabt. Die Hütte war gemütlich mit hellem Holz eingerichtet. Es gab einen Kamin, auf dem sie mit einem wohligen Gefühl das Foto von ihnen beiden entdeckte, eine kleine Essecke, ein gemütliches Sofa und eine kleine offene Wohnküche. Neben hellem Holz dominierte die traditionelle und warme Farbe Rot. 
„Du hast ja sogar einen Baum“, bemerkte sie freudig. 
„Es gab Kugeln und Lichterketten hier im Schrank, da musste ich einfach einen holen. Hast du eigentlich auch was zum Anziehen dabei?“, fragte er, als er den Tisch deckte. 
„Ja, im Auto.“ 
„Dann holen wir das morgen und bleiben noch ein bisschen gemeinsam hier. Was meinst du?“ Ein Strahlen huschte bei dem Vorschlag über sein Gesicht. Die Aussicht, mit Katharina ein paar Tage in der Abgeschiedenheit zu verbringen, gefiel ihm. Außerdem fand er, dass ihnen ein bisschen Zweisamkeit durchaus zustand. 
„Okay. Aber ich muss den Jungs und Jessi Bescheid geben, die machen sich sonst Sorgen.“ 
Katharina war hinter Markus getreten und schlang ihre Arme um seine Hüfte. 
„Gib mir mal bitte deine Hand.“ Markus nahm sein Handy und fotografierte dann ihre beiden Hände. 
„Wir sehen beide so Kacke und verheult aus, wir können den Jungs doch gerade kein anderes Bild schicken“, stellte er trocken fest. 
„Das stimmt wohl, die letzten Wochen sieht man uns beiden leider sehr deutlich an.“ Katharina lehnte ihren Kopf an seinen Rücken und legte ihre Arme wieder um ihn. Es tat so gut, sich an ihn zu kuscheln, seine Wärme zu spüren und seinen Geruch wieder einzuatmen. 
„Aber sie sollen wissen, dass es uns gut geht. Das bin ich ihnen einfach schuldig, nachdem ich einfach abgehauen bin.“ 
„Unbedingt…. Markus?“ 
„Ja?“ 
„Du kommst doch wirklich wieder mit nach Hause oder?“ 
Katharina hatte sichtlich Angst, dass er seine Meinung noch einmal ändern könnte. 
„Ja, ich muss schließlich auf dich aufpassen…. Aber dein Vater….“ 
„Er ist nicht mehr mein Vater, nur noch mein Erzeuger. Was Peter getan hat, das kann ich ihm nicht verzeihen.“ 
„Du weißt da offenbar noch nicht alles, Katharina.“ 

Katharina ließ von ihm ab und stellte sich neben ihn. 
Fragend sah sie ihn nun an. 
„Er hat mich angezeigt. Wegen Mordes an meiner Mutter und mir gedroht, die Leitung der Bergrettung wegzunehmen, wenn ich nicht für ihren Tod büße.“ 
Mit großen Augen schaute sie ihn an und fühlte sich direkt schuldig. Immerhin war es ihr eigener Vater, der ihrem zukünftigen Ehemann das antat. 
„Markus… ich… es tut mir leid.“ 
„Aber du kannst doch nichts dafür. Jessi sagt, mir kann nichts passieren, mich trifft keine Schuld. Und du bist nicht verantwortlich für die Taten deines Vaters.“ Markus holte die Würstchen aus dem Wasser und legte sie auf einen Teller, Katharina trug die Schüssel Salat hinüber zum Tisch. 
„Katharina, ich weiß nicht, was ich tue, wenn ich Peter begegne. Ich kann dem das niemals verzeihen, was er uns angetan hat.“ Liebevoll füllte Markus einen Teller für sie und schob ihn zu ihr rüber, ehe er seinen füllte. 
„Ich verstehe ihn einfach nicht. Er ist doch mein Vater. Wieso quält er uns so? Nur, weil wir ihm keinen Erben liefern werden? Weil Johanna und du zur falschen Zeit am falschen Ort waren? Oder weil er seinen Willen in Form unseres Hofes nicht bekommt?“ 
„Tja, für ihn scheint das alles ein guter Grund zu sein. Lass ihn uns jetzt erstmal vergessen und was essen.“ 
Wie auf Kommando schob sich Katharina eine Gabel voller Kartoffelsalat in den Mund. „Mhhhhm.“ 

„Na? Schmeckt’s?“, Markus grinste sie zufrieden an. 
„Und wie.“ 
„Das freut mich. Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Und jetzt iss mal weiter, damit du wieder zulegst!” 

Nach dem Essen wuschen sie schnell gemeinsam ab und Katharina fiel ihre Tasche wieder ein, die Markus neben dem Sofa abgelegt hatte. Sie hatte doch etwas eingesteckt. Heimlich legte sie das Kästchen mit ihrem Verlobungsring unter den Baum und direkt daneben ein ebenso kleines, hübsch verpacktes Geschenk. 
„Wollen wir es uns vorm Kamin gemütlich machen?”, fragte Markus. 
Katharina nickte zustimmend. 
Markus flitzte die kleine Holztreppe hinauf, die Katharina noch gar nicht wahrgenommen hatte und kam kurz darauf beladen mit dicken Decken zurück. Markus breitete alles auf dem großen Lammfell vor dem Kamin aus. Katharina verteilte die Decken schön gleichmäßig auf dem Boden, nur die dicken Bettdecken ließ sie zum Zudecken dabei aus. Markus kam mit einer Flasche Wein, zwei Gläsern und einer Schale Süßigkeiten zurück. „Schokolade?”, fragte Katharina überrascht und klaute sich direkt eine Lindt-Praline, die sie sofort auspackte und sich komplett in den Mund stopfte. Markus ließ sich neben sie auf das Deckenlager fallen und schaute Katharina an. „Was?”, fragte sie irritiert. „Du hast wieder etwas Farbe bekommen. So gefällst du mir direkt besser.” Markus ließ sich nach hinten fallen und zog sie dabei an sich. Katharina lag nun auf seinem Oberkörper und er fuhr sanft mit dem Finger ihren Rücken entlang. „Du hast mir so gefehlt”, seufzte er. Katharina legte ihre Hand an seine Wange. „Du mir auch.” 

Nachdem sie noch länger über das Erlebte, ihre Unsicherheiten und Ängste geredet hatten, fielen Markus die kleinen Geschenke auf. „Da liegt ja was unterm Baum.“ 
„Ja, schon länger“, grinste sie. 
„Bescherung“, rief er laut und robbte zum Baum. 
„Die kleine Dose hier kenn ich doch. Du hast ihn mitgenommen?“ Markus nahm sie in seine Hand und drehte sie gedankenverloren herum. 
„Na ja, er liegt da”, sagte sie mit einem Lächeln. „Ich trag ihn mit mir herum, seit du weg bist und ich ihn im Schrank gefunden habe.“ 
„Darf ich ihn dir anstecken?“ Katharina biss sich auf die Unterlippe und nickte. Sie war mit einem Mal richtig aufgeregt. Markus ging es nicht anders. 
„Katharina, möchtest du wirklich meine Frau werden?“ 
„Ja, ich will!“ Diesmal zögerte sie keine Sekunde und ihre Antwort meinte sie von ganzem Herzen ehrlich. Sie war sich so sicher wie nie zuvor, dass sie Markus für nichts auf der Welt hergeben würde. 
Markus nahm den zierlichen Ring, steckte ihn seiner Verlobten an den Finger und küsste sie. Nun griff Katharina nach dem kleinen verpackten Döschen unter dem Baum und hielt es ihm hin. Vorsichtig öffnete Markus die Dose. „Wow“, entfuhr es ihm. In der Hand hielt er eine Silberkette mit einem Berganhänger. Auf der Rückseite stand graviert: Auf und Ab – gemeinsam, für immer! Ich liebe dich, Markus! Katharina. 
„Das ist…“ 
„Kitschig“, lachte sie. 
„Nein, das ist schön. Ich werde die Kette immer tragen. Danke! Hilfst du mir, sie anzulegen? Dann wird sie ab jetzt immer auf mich aufpassen.“ 

Eng aneinander gekuschelt lagen sie nun unter den dicken Decken vor dem Kamin, lauschten dem Prasseln des Feuers und konnten nicht aufhören, sich zu berühren, als müssten sie sich immer wieder vergewissern, dass der andere wirklich real war und der Albtraum der vergangenen Wochen ein Ende hatte. Katharina schlief bald vor Erschöpfung in Markus Armen ein. Markus beobachtete sie noch eine ganze Weile, wie sie so friedlich in seinen Armen lag. Er fühlte sich wieder vollständig, genoss den Duft ihres Haares, das ihn weich unter seinem Kinn kitzelte und schlief bald darauf auch ein. 

3. Auszeit

Am Morgen lagen beide immer noch eng aneinander auf ihrem Deckenlager. Katharina musste kurz überlegen, wo sie war. Wer sie da so im Klammergriff hatte, wusste sie sofort. Sie versuchte sich zu befreien, da sie dringend ins Bad musste, aber Markus hatte sie einfach so fest eingeklammert, dass sie ihn wecken musste. 
„Markus“, flüsterte sie. „Du musst mich bitte mal kurz loslassen!“ 
„Guten Morgen, schöne Frau“, grinste er. 
„Markus, bitte, es ist dringend, ich muss mal.“ 
„Na gut, aber komm schnell wieder.“ 
„Versprochen.“ 
Markus konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als sie zurückkam. 
„Das ist nicht lustig, das ist eine ernste Sache“, grinste sie, als sie sich wieder niederließ. „Komm her!“ Markus zog sie blitzschnell an sich, was ein lautes Quieken nach sich zog. „Herrje, ich glaube, wir haben ein Meerschweinchen hier.“ 
„Blödmann!“, lachte sie. 
Markus begann sie zu küssen. Erst ganz zart, dann immer leidenschaftlicher. Jede Berührung hinterließ ein Kribbeln auf ihrer beider Haut. Markus hatte zuerst Sorge, dass er Katharina, die gestern noch so zerbrechlich und kraftlos wirkte, überfordern könnte, aber ihre rosigen Wangen und ihre glänzenden Augen nahmen ihm jegliche Ängste. Langsam und liebevoll zogen sie sich gegenseitig aus. Katharina sah Markus Sorge in seinem Blick als er realisierte, wie dünn sie wirklich geworden war. „Katharina, du…“, begann er, doch sie legte ihm einen Finger auf seine Lippen. „Shhh, Markus, es war eine schwere Zeit für uns beide und ich verspreche dir, dass ich wieder normal essen werde. Ich werde sicher wieder ein paar Kilo zulegen, wenn du weiter so lecker für mich kochst, aber jetzt…“ Sie nahm ihren Finger von seinen Lippen und ersetzte sie durch ihre Lippen. Sie küsste ihn und er begann mit seinen Händen über ihren Körper zu streichen, was ihr eine Gänsehaut verpasste und sie wohlig Aufstöhnen ließ. 

Er unterbrach den Kuss und sah sie voller Verlangen an. „Jetzt hören wir auf mit dem Reden“, beendete er ihren Satz und ließ seine Hände langsam über ihre Brüste streichen. Seine Hände ersetzte er anschließend durch seine Lippen und Katharina keuchte auf. Sie genoss die Gefühle, die Markus ihr bescherte und ließ ihren Kopf nach hinten fallen als seine Hände tiefer wanderten. 

„Oh, Markus, ich hab dich so vermisst!“, flüsterte sie und ließ sich fallen. 

Sie liebten sich, entdeckten ihre Körper gegenseitig neu und schenkten sich Gefühle der Lust und spürten dabei ihre innige, absolut vertraute Liebe zueinander, die sie schon verloren geglaubt hatten. Als sie sich vereinten, umklammerten sie sich dabei voller Verlangen, weil  beide das Gefühl hatten, sich nie wieder loslassen zu dürfen. 

„Das Fest der Liebe“, grinste Markus schelmisch, als Katharina anschließend glücklich auf seinem Oberkörper lag. Gespielt rollte sie mit den Augen. „Ich liebe deine Wortspiele.” 
„Ich erinner mich daran, dass du das schon mal zu mir gesagt hast.“ 

„Ja, ich erinnere mich auch, aber die Situation war damals echt gefährlich und Wortspiele waren das letzte, was ich da von dir hören wollte.“ 

Er grinste. „Ich weiß, aber ich wollte dich auch nur von der Gefahr damals ablenken.“ 

„Das ist dir in der Höhle auch echt gelungen“, sagte Katharina und ihre Gedanken schweiften einen Moment lang ab zu ihrem Abenteuer in dieser Höhle, in der sie eingeschlossen gewesen waren und in der sie beide fast erstickt wären. 

„Ich könnte ewig mit dir so liegen bleiben.“ Markus streichelte über ihren Arm. 
„Was hindert dich daran?“, fragte sie und biss sich auf die Unterlippe, wie sie es so oft tat, um Markus in den Wahnsinn zu treiben. 
„Auch wenn ich am liebsten sofort wieder über dich herfallen würde, frühstücken wir zuerst.“ Liebevoll stupste er sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Nase. „Du musst essen, schon vergessen?“ 
„Wie könnte ich?“, lächelte sie sanft. 

Nach dem gemeinsamen Frühstück wollten sie allerdings erst mal Katharinas Reisetasche aus dem Auto holen. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien und zauberte ein wahres Glitzermeer auf den frisch gefallenen Schnee, der wie Millionen kleiner Diamanten schimmerte. Markus hatte einen Tellerbob hervorgezaubert. „Darf ich bitten, junge Frau.” Kichernd folgte Katharina seinem Wunsch und ließ sich auf das Rutschgefährt nieder. 
„Wo hast du den denn her?” 
„Ich wollte nicht alles hier rauf tragen müssen, da kam mir der gerade recht. Und jetzt können wir damit bis zu deinem Auto rodeln.” 
Markus hatte sich hinter Katharina gesetzt, die sich sogleich fest an ihn drückte. Mit einem Arm hielt er sie fest, mit der anderen den Teller. 
„Bremst du bitte mit mir und hältst das Zugseil, Katharina? Ich habe keine Lust, die Bergrettung hier näher kennenzulernen.” 
Über den verschneiten Forstweg rutschten die beiden unter lautem Lachen Richtung Tal, vorbei an den glitzernden Eiskristallen auf den Wiesen und durch den märchenhaften Winterwald. Begleitet von der wärmenden Sonne auf ihren Gesichtern. Unten angekommen umklammerte Markus Katharina ganz fest und küsste ihre Wange. Sein Atem und die Haare, die unter seiner Mütze vorwitzig hervorlugten, kitzelten sie sanft und entlockten ihr ein Kichern. 

Markus holte Katharinas Reisetasche aus dem Kofferraum ihres Jeeps. 
„Du hast ja sogar deine Skier hier”, strahlte er. 
„Ja, ich habe sie daheim nicht ausgepackt, warum?” 
„Hinterm Haus ist ein Weg für eine Skitour. Nicht zu anspruchsvoll, eine Einsteigertour, aber wunderschön. Hast du Lust?” 
Katharina nickte und Markus griff zielsicher nach ihren Tourenskiern, die er ihr kurz in die Hand drückte und holte ihre Stöcke, Skischuhe und ihren Helm hervor, die er mit auf den Schlitten packte. Markus war sich sicher, dass Katharina die Tour schaffen würde, sie sah heute schon so viel besser aus als gestern. Er befestigte alles auf dem Schlitten, sogar ihre, wie er sie gerne nannte, Kinderskier. Mit der linken Hand zog Markus nun die Sachen den Berg hinauf, mit der rechten hielt er Katharinas Hand fest mit seiner umschlossen. Sie genossen die herrliche Stille der Berge, beobachteten einander immer wieder aus dem Augenwinkel und schenkten sich ein Lächeln. Auch das eine oder andere Foto entstand auf dem Weg. 

Oben angekommen stellte Markus die Sachen unter dem Vordach ab und zog Katharina an der Hand hinaus auf die große Wiese. 
„Lass uns einen Schneemann bauen!“, grinste er schelmisch. 
„Dein Ernst? Okay, ich seh schon, es ist dein Ernst.“ Katharina zog ihre Handschuhe an und ließ sich einfach in den hohen Schnee fallen. 
„Markus, das ist feinster Pulverschnee, das wird nix.“ 
„Oh doch“, lachte er, griff in den Schnee und wirbelte die weiße Pracht direkt vor ihr in die Luft. Katharina war nun weiß gezuckert und sprang auf. 
„Siehste, hat geklappt, ich seh einen Schneemann. Pardon, eine Schneefrau”, grinste er sie schelmisch und frech an. 
„Na warte.“ Wie ein Hund schaufelte sie nun so viel Schnee wie sie konnte auf Markus. Beide waren mittlerweile über und über mit dem feinen Schnee bedeckt. 
„Okay, ich ergebe mich“, lachte er. 
„Du siehst auch aus wie ein paniertes Schnitzel“, entgegnete sie ihm frech. 
Markus schnappte sie sich und plumpste mit ihr in die weiße Pracht. Lachend zog er sie an sich und kugelte sich mit ihr in den Armen durch den Schnee. 
„Ich kann nicht mehr“, japste sie etwas später und blieb einfach wie ein nasser Sack auf seiner Brust liegen. Sie schloss ihre Augen und seufzte zufrieden. 
„Hey, nicht auf mir einpennen jetzt!“ 
Markus steckte ihr eine Portion Schnee in den Nacken. 
„Iiiieh Markus“, quiekte sie. 
Der lachte herzhaft, bevor er sie innig küsste, mit ihr aufstand, sie dann kurzerhand über seine Schultern warf und sie lachend ins Haus trug. 
Nach einer gemeinsamen heißen Dusche machten sie es sich mit ein paar Würstchen und dem Rest Kartoffelsalat vom Vortag auf ihrem Deckenlager vor dem Kamin gemütlich. Sehr zu Markus Zufriedenheit hatte Katharina eine gute Portion verdrückt. Er stellte die Teller in die Spüle und kam zu ihr zurück. Katharina sah müde aus und kuschelte sich ganz dicht in seine Arme und schlief direkt ein. Markus hielt sie einfach fest, genoss ihren ruhigen Atem auf seiner Brust und schlief kurz darauf auch ein. 

Katharina wachte zuerst wieder auf. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden, nur das Licht des Weihnachtsbaums erhellte noch den Raum. Sie lauschte Markus gleichmäßigen Atemzügen und fühlte sich so geborgen in seinen Armen und in seiner Nähe. Ein Leben ohne Markus konnte sie sich nicht mehr vorstellen. Plötzlich musste sie einfach weinen. Vor Erleichterung, dass der Seelenschmerz der letzten Wochen vorbei war, vor Glück, dass sie wieder an seiner Seite war und vor Dankbarkeit, dass sie einen solchen Mann gefunden hatte, der sie mehr liebte als sein Leben. Nie wieder wollte sie von Markus getrennt sein. Nie wieder sollte sich jemand zwischen sie und ihren Seelenverwandten stellen dürfen. Markus wurde von ihrem Schluchzen wach. 
„Katharina, was ist los?“, fragte er besorgt. 
„Alles okay“, flüsterte sie. 
„Warum weinst du dann?“ Markus fuhr mit der Hand vorsichtig über ihr Haar. 
„Weil mir gerade klar geworden ist, dass ich so ein verdammtes Glück habe, einen Menschen wie dich gefunden zu haben. Mit dem alles Unperfekte einfach perfekt wird. Dem ich blind vertrauen kann. Der mir meine Fehler verzeiht und mich immer noch liebt, wenn ich falsch liege und mich doof benehme. Der mich beschützt, auf mich aufpasst und mir immer zuhört. Der mein bester Freund ist und gleichzeitig mein Herz zum Klopfen bringt. Mit dem ich streiten kann und danach wieder versöhnen kann. Bei dem ich einfach ich sein darf, bei dem ich mich fallen lassen kann. Der an mich glaubt. Mit dem ich Lachen und Spaß haben kann.“ 
Nun war es an Markus zu schluchzen. 
„So was Schönes hat mir noch nie ein Mensch gesagt“, sagte er ergriffen. „Bleib immer bei mir, Katharina! Ich kann nicht mehr ohne dich.“ 
„Und ich nicht ohne dich.“ 
Einen Moment herrschte Stille. Eine angenehme Stille. 
„Katharina, das mit der Adoption.“ Markus spürte ihre plötzliche innere Anspannung sofort. „Hey, entspann dich. Ich habe noch mal intensiv darüber nachgedacht, weil ich gesehen habe, wie sehr dich dein Kinderwunsch quält. Die Wahrheit ist, auch ich hätte gerne ein Kind mit dir. Aber ich habe Angst, dass es uns dann wie die Mia verlässt und nicht mal mehr zu Weihnachten zu uns kommen will. Ich habe Angst davor, dass wir es nicht mit den Einsätzen unter einen Hut bekommen und du nicht mehr mitfliegen würdest und mich am Berg alleine lässt. Und ich habe Angst, ein schlechter Vater zu sein. Aber trotzdem würde ich mich darauf einlassen. Und ich würde mich auch noch mal beim Urologen beraten lassen, ob es nicht doch einen Weg für uns gibt. Wenn es den nicht gibt, dann stellen wir den Antrag auf Adoption. Aber alles unter einer Bedingung: Du musst mir wirklich helfen, ein guter Vater zu sein! Ein besserer als ich für Mia war.“ 
Katharina war total überwältigt von Markus Worten. 
„Wir schaffen das gemeinsam. Und denk nicht immer, dass du für Mia ein schlechter Vater warst. Das warst du nicht!“ 
„Warum kommt sie dann nicht mehr nach Hause?“ 
„Weil sie jung ist, die Welt entdeckt und gerade andere, neue Interessen hat als ihre langweiligen alten Eltern. Du hast dir wirklich nichts vorzuwerfen! Quäl dich nicht mit solchen Gedanken, bitte!“ 

  

Nach einer erholsamen Nacht, diesmal im weichen Bett, spazierten sie gemütlich hoch zur Alm, die sich ein gutes Stückchen oberhalb ihrer kleinen Ferienhütte befand. In der Nacht hatte es wieder etwas geschneit, nun schien aber bereits wieder die Sonne. „Ist das schön“, strahlte Katharina und genoss den Ausblick sichtlich. 
„Und morgen laufen wir da mit den Skiern hoch?“, fragte sie und sah hinauf auf den Gipfel des Berges. 
„Genau. Wenn du magst. Es ist eine einfache Tour, etwa zwei Stunden. Da oben ist auch noch eine gemütliche Alpe.“ 
„Sieht jedenfalls total schön aus.” 
„Die Abfahrt ist auch schön. Ich war schon ein paar Mal oben, seit ich hier bin.” 

Gemütlich saßen sie in Liegestühlen auf der Alm, genossen das Wetter, die Natur, das gute Essen und ihre Zweisamkeit. Plötzlich kam aufgeregt eine junge Frau auf die Terrasse gelaufen. 
„Hilfe! Ruft die Bergrettung! Mein Mann ist da vorne verunglückt…” 
Sofort schalteten Markus und Katharina in den Einsatzmodus um. Beide sprangen von den Stühlen. „Wir sind von der Bergrettung in Ramsau, was ist passiert?” 
„Mein Mann, der ist da vorne vor einen Baum gefahren.” 
Die Hüttenwirtin war inzwischen dazugekommen und kümmerte sich direkt um die Alarmierung der hiesigen Bergrettung, während die beiden anwesenden Bergretter der Frau zum Verletzten folgten. Dieser lag ohne Helm mit dem Kopf in einer riesigen Blutlache neben dem Baum. Markus und Katharina sahen sich nur an. 
„Hat ihr Mann keinen Helm getragen?”, fragte Katharina ungläubig. 
„Nein, wir wollen später noch mit Freunden Essen gehen, da stecken wir unsere Haare doch nicht in so ein Ding, wie sollen wir denn aussehen?” 
Katharina kniete sich neben den Verletzten. „Atmung ist flach, aber vorhanden. Wir müssen ihn in die stabile Seitenlage bringen. Aber vorsichtig, er hat auch einen offenen Bruch hier am Unterschenkel.” 
Markus und Katharina arbeiteten wie immer mit Blickkontakt zueinander. Allerdings waren ihnen die Hände gebunden, da sie keine Ausrüstung dabeihatten. Aber in der Ferne konnten sie schon den Helikopter RK 2, der ganz in der Nähe stationiert war, kommen hören. 
„Ieeeh, der blutet ja seinen schönen neuen Skianzug durch. Tun sie doch was, der war so teuer”, quäkte die Frau. „Ist der bis zum Abendessen wieder fit? Wir erwarten Freunde.” 
„Ist das ihre einzige Sorge?”, fragte Katharina. „Seien sie lieber froh, wenn er das hier überlebt.” 
„Jetzt werden sie mal nicht frech, ja. Ich denke, sie sind bei der Bergrettung, dann zeigen sie mal, was sie können.” 
„Es reicht jetzt”, mischte sich Markus ein. „Was sie hier gemacht haben, ist lebensgefährlich. Ohne Helm und mit solch einer zweifelhaften Ausrüstung hier. Und jetzt machen sie sich mal nützlich und lotsen die Bergrettung hier herüber.” 
Grummelnd bewegte sich die junge Frau in Richtung des Helikopters. 
„Was hältst du davon?” Katharina schnaubte. 
„Regt mich auf, die blöde Ziege.” 
„Die kann froh sein, wenn der noch weiß, wie er heißt. Den hat es so übel erwischt. Ohne Helm, ey. Unfassbar.” 
„Ah, da kommen schon unsere Kollegen.” 
Katharina übergab den Patienten an den Unfallarzt, der die weitere Behandlung übernahm und sich bei ihr bedankte. Arm in Arm sahen die beiden Bergretter aus der Ramsau dem rot-weißen H145 ihrer Berufskollegen nach, der den Patienten in die Klinik nach Reutte flog. „Komm, wir schicken Michi mal das Foto des Helis und machen ihn neidisch”, grinste Markus, als sie zurück zu ihren Liegestühlen gingen. Markus tippte unter das Bild: …aber keiner ist so schön wie deiner, mein Schatz. 😉 

Am Abend telefonierten Markus und Katharina mit dem gesamten Team per Facetime. Der kleine Mini-Einsatz hatte in Markus große Sehnsucht nach seinen Freunden geweckt. Es war schön für ihn, sie zu sehen und zu hören, er mochte einfach jeden Einzelnen von ihnen und vermisste seine Truppe sehr. Sie erzählten, dass sie für ihn und Katharina Urlaubsscheine ausgefüllt hatten, somit hatte Peter Herbrechter keine Ahnung, dass Markus um ein Haar die Leitung der Bergrettung abgegeben hatte. Offiziell war er im Urlaub. Peter hatte wohl mittlerweile alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Katharina zu finden, da sie sich bei ihm nicht mehr gemeldet hatte und Markus und sie seinen Kontakt geblockt hatten. Katharina hatte ihm zwar kurz vor ihrer Abreise nach Tirol per Brief mitgeteilt, dass sie nach dieser Geschichte mit Nick keinen Vater mehr hatte und er sie in Ruhe lassen sollte. Auch, dass sie nicht mehr im Hotel arbeiten würde. Aber wie so oft interessierte das den Bürgermeister der Ramsau herzlich wenig. Michi verglich Peter mit Rumpelstilzchen, er musste sich unmöglich benommen haben. Das Bergretter-Team hatte ihnen jedenfalls jegliche Unterstützung zugesagt, Peter nicht verraten, wo seine Tochter und Markus sich aufhielten und freute sich auf ihre Rückkehr im neuen Jahr. 

In der Nacht schlief Katharina sehr unruhig. Sie schlug um sich. „Nein“, rief sie immer wieder im Schlaf. Markus brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass seine Freundin neben ihm einen Albtraum hatte. Er schaltete das Licht an seinem Nachttisch ein und versuchte sie sanft aufzuwecken, als sie plötzlich hochschreckte und laut und verzweifelt „Markus“ schrie. 
Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an. Sie war nassgeschwitzt. 
„Hey, alles in Ordnung, du hast geträumt.“ 
„Markus“, sagte sie erleichtert und schlang die Arme um ihn. 
„Magst du drüber reden?“ 
Katharina brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, ehe sie sprach. 
„Er hat dich erschossen. Peter hat dich einfach erschossen. Es war so real, Markus.“ 
„Ich bin aber hier bei dir und ich geh auch nicht fort.“ 
„Was, wenn sie dir wirklich was tun wollen?“ 
„Wenn es dich beruhigt, dann sprechen wir mit Jessi, wenn wir zurück sind.“ 
Katharina nickte. 
„Und jetzt komm her zu mir!“ 
Sie kuschelte sich an seine Brust, Markus schaltete das Licht wieder aus und kraulte ihr den Rücken, bis sie wieder eingeschlafen war. Markus lag noch eine Weile wach und dachte nach. Er wollte nicht, dass Katharina sich Sorgen machen musste und fragte sich, wie ernst er diese Bedrohung von Peter und diesem Nick nehmen sollte. Immerhin hatten die beiden bewusst versucht, ihre Beziehung zu zerstören. Und Katharina stand nun einmal in seinem Testament. Und da würde sie auch drinbleiben. Aber er hatte auch gesehen, wie sehr Katharina ohne ihn gelitten hatte. Wenn ihm etwas zustoßen würde, dann würde sie genauso daran zugrunde wie er, ohne sie. Er nahm sich vor, wirklich mit Jessi über das, was Katharina gehört hatte, zu sprechen. Über seine eigenen Gedanken schlief auch Markus wieder ein. 

Als die Sonnenstrahlen Katharina an der Nase kitzelten, blinzelte sie. Sie lag noch immer ganz dicht an Markus gedrückt. Erleichtert seufzte sie. Er war da und ihm war nichts passiert. Der Albtraum nagte allerdings noch an ihr, die Bilder vor ihrem inneren Auge waren einfach zu real gewesen. 
„Ich bin hier, Frau Kofler, alles gut”, nuschelte Markus. 
„Guten Morgen” grinste sie. Dass er sie Frau Kofler nannte, fand sie unheimlich süß. 
„Guten Morgen. Hör auf nachzudenken, es war nur ein Traum. Wir lassen nicht zu, dass einer von den beiden uns zu nahekommt. Und jetzt raus aus den Federn. Der Berg ruft”, grinste Markus. 

Nach einem ausgiebigen Frühstück machten sich die beiden mit ihren Tourenskiern auf den Weg zum Gipfel. Auch an diesem Tag schien die Sonne wieder von einem strahlend blauen Himmel herab. Markus ging voran, immer darauf achtend, dass Katharina noch dicht hinter ihm war. Und sie hielt gut mit ihm Schritt. Je höher sie kamen, je schöner wurde der Ausblick. Markus hatte recht behalten, Katharina schaffte die Tour problemlos. Zufrieden sah er auf seine Freundin, die richtig Farbe bekommen hatte und deren Wangen eine, wie er fand, niedliche Röte überzog. Am Gipfelkreuz genossen die beiden die herrliche Aussicht, die bis ins Allgäu, das Wettersteingebirge und das Lechtal reichte. „Schau mal da drüben, da ist die Zugspitze!” Markus legte den Arm um Katharina und deutete mit dem Finger in die Ferne. 
„Wie gut man sie von hier sehen kann. Der Ausblick von da oben muss ja auch gewaltig schön sein.” Katharinas Bemerkung brachte Markus auf eine Idee. „Es ist echt total schön hier, ich finde, wir sollten wieder herkommen.” 
„Sehr gerne. Nur wir beide.” Die Vorstellung gefiel ihm definitiv. Weit weg von allen Einsätzen einfach nur Zeit mit seiner Katharina zu verbringen. Sie genossen noch etwas die Sonne oben auf dem Gipfel, bis sie der Hunger auf die Bretter trieb. Die Abfahrt im hohen Pulverschnee genossen Katharina und Markus sehr, genau wie ihren kleinen Einkehrschwung auf der Alpe. 

4. Silvester

Der letzte Tag des Jahres war angebrochen. Katharina hatte extrem lange geschlafen. Markus hatte es nicht übers Herz gebracht, sie aufzuwecken. Er wusste ja, welches Programm sie heute noch erwartete. Katharina hingegen nicht. Er konnte es kaum erwarten, ihr seine Überraschung später zu präsentieren. Er hatte schon heimlich ihre beiden Handys voll aufgeladen und auch seine Kamera. Immer mehr Sachen verschwanden in seinem großen Rucksack. Seinen großen Outdoor-Schlafsack würde er später aus dem Wagen mitnehmen. So langsam könnte seine Frau aber doch mal aufwachen, fand Markus. Konnte man einen Menschen vermissen, der im selben Haus war und lediglich noch schlief? Markus fühlte eine tiefe Dankbarkeit, dass das Schicksal sie beide doch wieder zusammengebracht hatte. Wenn Katharina nicht dieses Gespräch gehört hätte … Er mochte gar nicht darüber nachdenken und war so froh, dass sie diesen Sturm gemeinsam überstanden hatten. Natürlich war das nicht der letzte Sturm ihres Lebens, darüber war er sich im Klaren, aber es war einer, der beiden noch einmal gezeigt hatte, wer und was in ihrem Leben wichtig war. Und er war sich sicher, dass sie auch die nächsten Stürme meistern konnten, wenn sie wirklich immer ehrlich zueinander waren und über alles sprachen, was ihnen auf der Seele lag. Er wusste, das würde nicht immer leicht werden, aber er hatte wirklich Zuversicht in ihre Zukunft. Markus hing so seinen Gedanken nach, dass er nicht mitbekam, dass Katharina an der Abtrennung zur Küche lehnte und ihn beobachtete. 
“Woran denkst du?”, fragte sie leise. Markus zuckte zusammen. 
“Musst du mich so erschrecken?” 
“Joah”, grinste sie frech. 
“Du Luder!” Markus hüpfte auf sie zu und schnappte sie sich. 
Katharina quiekte und ließ sich von Markus in seine Arme ziehen. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, auf die Nase, auf die Wangen und dann auf den Mund. 
“Bist du bereit für ein Abenteuer?”, fragte Markus. 
“Immer. Aber erst nach einer Dusche und einem Frühstück. Okay?” 
“Passt.” 

Markus hatte Katharina noch immer nicht erzählt, was er vorhatte. Er hatte sie gebeten, die dicksten Sachen anzuziehen, die sie dabeihatte, und nun stand sie also in ihrem Skianzug vor ihm. 
“Perfekt, komm.” Markus hielt ihr seine Hand entgegen, die Katharina gerne in ihre nahm. Markus holte den Tellerbob hervor und gemeinsam nahmen sie darauf Platz, Markus drückte Katharina seinen Rucksack auf den Schoß und sie rodelten hinunter ins Tal. Markus holte schnell seinen Schlafsack aus dem Auto und verpackte alles in Katharinas Kofferraum. 
“Was wird das eigentlich?” Neugierig beobachtete sie ihren zukünftigen Ehemann. 
“Das wirst du ganz bald wissen. Steig ein.” 
Katharina nahm auf der Beifahrerseite ihres Autos Platz und war immer gespannter, was Markus mit ihr vorhatte. Auf jeden Fall schien es kalt zu werden, so viel war ihr schon klar. 

Markus steuerte den Wagen auf den Parkplatz der Tiroler Zugspitzbahn. Langsam ahnte Katharina, wo sie den Jahreswechsel verbringen würden. 
“Na komm, noch bist du nicht da, wo wir hinwollen.” 
Markus stieg aus dem Jeep, packte sich den Rucksack und den Schlafsack auf den Rücken und mit der anderen noch freien Hand, nahm er Katharinas Hand in seine und lächelte ihr freudig zu. Ihre Wangen glühten schon richtig vor Aufregung, was Markus immer ganz niedlich fand. 
“Warte hier, bitte.” Markus stellte Katharina vor dem Bahnorama an der Talstation ab und eilte zum Schalter. Katharina war wirklich mehr als gespannt, was Markus mit ihr vorhatte. Aber eigentlich war es ihr nur wichtig, den Abend mit ihm zu verbringen. Alles andere war nur ein Sahnehäubchen. Als sie ihren Liebsten so beobachtete, stellte sie einmal mehr fest, was für einen hübschen Mann sie doch hatte. Innerlich wie äußerlich. Verträumt grinste sie ihn an, als er zurückkam. 
“Was grinst du denn so?”, fragte er irritiert. 
“Ach nix, ich freu mich, dass ich dich habe.” 
“Aha.” Markus griff grinsend nach ihrer Hand und zog sie zur Station rüber.  

Die Gondel war bis auf zwei weitere Paare leer und so konnten Markus und Katharina entspannt am Fenster stehen und die Aussicht genießen. Über den Eibsee, Ehrwald, Lermoos,… 
“So schön hier”, flüsterte Katharina. 
“Nicht so schön wie du”, flüsterte Markus ihr ins Ohr. 
“Spinner”, lachte sie und griff nach seiner Hand, die auf ihrer Schulter lag. 
“Warst du schon einmal hier”, wollte Markus wissen. 
“Nee, du?” 
“Ja. Vor vielen Jahren mal. Auf Klassenfahrt mit der Schule. Danach aber auch nicht mehr. 
Damals habe ich mir geschworen mit der Frau, die ich liebe, noch mal hier her zu kommen.” Sie spürte, dass er seinen Kopf auf ihrem abgelegt hatte und seine Hände sie jetzt umfassten. Sanft legte sie ihre Hände auf seine. 

Nach 15 Minuten waren sie oben angekommen. Gemeinsam gingen sie auf die Aussichtsplattform. Markus schaute heimlich auf seine Uhr, aber sie hatten noch genügend Zeit, die Aussicht zu genießen. Er hatte auch ganz bewusst mehr Zeit eingeplant. Sie hatten mit dem Wetter wirklich großes Glück. Der Himmel war so klar, sie konnten bis in die Schweiz und nach Italien schauen. Beide machten ein paar Fotos für ihre Lieben daheim und als Erinnerung an diesen Tag. Markus machte auch noch ein paar Selfies mit Katharina, wovon er direkt eins als Hintergrund auf seinem Handy auswählte. 
“Da fühlt man sich so klein, oder?” Katharina war absolut überwältigt von der Aussicht. 
Sie lehnte sich rücklings gegen Markus Brust. 
“Danke für diesen Ausflug”, flüsterte sie. 
Markus drehte sie zu sich herum und küsste sie. 
“Der Ausflug ist aber noch nicht vorbei. Bist du bereit für mehr?” 
Sie nickte mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Katharina war aber schon jetzt überglücklich. 

Markus steuerte mit ihr die Gletscherbahn an. Nun ging es also hinunter auf das Zugspitzplatt. Als Katharina dort die Schilder “Iglu-Dorf” sah, war ihr schon klar, was Markus geplant hatte. Sie knuffte ihn in die Seite und flüsterte ihm ins Ohr. “Coole Idee.” 
Markus ging mit Katharina direkt auf das Restaurant Sonnalpin zu. Dort gab es eine kurze Einweisung sowie einen Paarschlafsack für Markus und Katharina, ehe sie mit ein paar anderen Gästen zum Iglu-Dorf geführt wurden, welches sich ein Stück hinter der Kapelle Mariä Heimsuchung befand. Katharina staunte nicht schlecht, als sie bemerkte, dass Markus für sie beide den Romantik-Iglu für zwei Personen gebucht hatte. Markus ließ seinen Rucksack und die beiden Schlafsäcke auf das Eisbett fallen. Schnell rollte er die beiden Säcke aus und legte sie aufs Bett. Katharina lehnte noch an der geschlossenen Holztür und ihr Blick schweifte durch den Raum aus purem Eis. 
“Wow, das ist Wahnsinn. Schau dir mal die ganze Eiskunst an den Wänden an.” 
“Gefällt es dir?” Markus kannte die Antwort, ihre Augen strahlten. 
Katharina fühlte sich ein bisschen wie eine Eisprinzessin in Skianzug. Markus stand mittlerweile dicht vor ihr und drückte sie leicht gegen die Tür, als er sie küsste. Seine Hände schoben sich unter ihre Jacke und gingen auf Wanderschaft. “Wir haben noch mehr als eine Stunde Zeit bis zum Abendessen”, flüsterte er ihr ins Ohr. “Und, ich wüsste schon, was ich mit Dir so lange machen könnte.” 
„Ach ja? Was denn?” Sie schob ihre Hände ebenfalls unter seine Jacke und ließ sie unter seinen Pullover gleiten, während sie ihn leidenschaftlich küsste. 
Markus ging langsam mit ihr Schritt für Schritt zurück, ohne den Kuss auch nur eine Sekunde zu unterbrechen und ließ sich mit ihr auf das Bett aus Eis fallen. 

Ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher und in Windeseile flogen achtlos die Kleiderstücke zu Boden. Katharina konnte Markus warme Hände überall auf ihrem Körper spüren. Der Kontrast zur Kälte des Raumes war so groß, dass sie das Gefühl hatte, ihre Haut brannte. Als Markus Finger ihre Mitte erreicht hatten, warf sie den Kopf in den Nacken und ein Schauer lief über ihren Körper. Seine Berührungen machten sie schier wahnsinnig. Markus genoss den Anblick seiner Freundin, deren Verlangen nach ihm sich nach jeder Berührung steigerte und auch seine Lust ins Unermessliche trieb. Markus kniete vor Katharina und zog sie zärtlich auf seinen Schoß. Beide konnten und wollten nicht warten und vorsichtig nahm Katharina Markus in sich auf.  

Erschöpft sank Markus auf Katharina, die mit hochroten Wangen unter ihm lag. Eine Gänsehaut zog sich über ihre Haut, woraufhin Markus den Schlafsack eng um sie beide zog. 
“Gehts dir gut?“, fragte er sie direkt. 
„Sehr gut, du bist so schön warm.“ 
„Und du bist so rot wie ein Hummer.“ Verlegen schaute sie ihn an und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 
„Hab ich ihnen heute schon gesagt, wie sehr ich sie liebe, Frau Dr. Kofler?“ 
„Hmmm, ich glaube noch nicht.“ 
„Dann wird es aber Zeit: Ich liebe dich.“ Markus streichelte sanft über ihr Gesicht. 
„Und ich liebe dich. Und auf meine nächste Liebeserklärung kannst du jetzt bis nächstes Jahr warten“, kicherte Katharina. 
Markus musste lachen. 
„Das schaff ich gerade so. Hab ich da etwa eben deinen Magen knurren hören? Komm, lass uns essen gehen, nachher machen wir es uns hier wieder gemütlich.“ 
Markus gab ihr noch schnell einen Kuss, ehe er aus dem Bett kletterte und ihr seine Hand reichte. Schnell zogen sich beide wieder dick an, denn es war alles andere als warm im Iglu und machten sich dann auf den Weg ins Restaurant. Sie hatten einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke zugeteilt bekommen. Katharina verzog ein bisschen das Gesicht, der Geruch des Käsefondues, welches das Standardessen im Iglu-Dorf war, machte sie ein bisschen verrückt. Auch, wenn sie Käse aß, aber mit Käsefondue und seinem Geruch konnte man sie jagen. 
„Keine Sorge, es gab Spaghetti als Alternative zur Auswahl“, grinste Markus, der genau wusste, was gerade in Katharina vorging. 
„Boah, Gott sei Dank“, entfuhr es ihr erleichtert. 
„Wollen wir nach dem Essen eine Runde Zipflbob fahren?“ Katharina musste lachen, aber mittlerweile wusste sie ja, was sie sich für einen Mann geangelt hatte und sie musste sich eingestehen, dass auch sie Heidenspaß an solchen Dingen hatte. 
„Klar. Aber mich holst Du eh nicht ein.“ Wenn sie sich so umsah, würden die meisten sowieso aufs Rodeln verzichten und lieber später die Nachtwanderung machen. 
„Ich weiß, was du denkst“, grinste Markus. 
„So? Was denke ich denn?“ 
„Dass die meisten hier sowieso lieber die Nachtwanderung machen, statt zu rodeln.“ Katharina hob die Augenbraue an. Sie wollte ihn gerade fragen, wie er das erraten hatte, als das Essen serviert wurde. Katharina machte sich über die Nudeln her, sie liebte einfach Spaghetti Bolognese über alles, damit konnte man ihr immer eine Freude machen. Als Nachtisch gab es Vanilleeis mit heißen Himbeeren. 
„Markus, warum beobachtest du mich?“ 
„Weil du heute einfach niedlich aussiehst.“ Er grinste sie frech an. 
„Niedlich?“, fragte sie ungläubig. 
„Ja, sehr niedlich sogar. Besonders, wenn du so rot wirst.“ 
Katharina vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und musste lachen. Ihr Ring passte so gut zu ihr, stellte Markus fest. Er hatte einen ganz Zierlichen mit Bergen, Tannen und einem kleinen Zirkonia als Sonne ausgewählt, und jetzt, wo sie gerade ihre Hände vor ihr Gesicht hielt, fiel er richtig auf und der kleine Stein funkelte ihn direkt an. Katharina nahm noch einen Schluck Wein, griff seine Hand und flüsterte „komm!“. Sie zog Markus hinter sich her nach draußen. „Die essen alle noch, da haben wir die Rodelbahn jetzt auf jeden Fall ganz für uns alleine.“ Wie die Kinder liefen sie über das Plateau zu den Zipflbobs. Entlang der Fahrbahn standen überall Fackeln, die den Hang in ein schönes Licht tauchten. Beide schnappten sich einen Bob und rodelten lachend den Berg hinunter. Hand in Hand liefen sie immer wieder hoch, um danach wieder hinabzurutschen. 
„Hey, Katharina, guck mal, die Nachtwanderung geht los. Wollen wir das nutzen und eine Runde in den Whirlpool springen, bevor die alle wieder da sind?“ 
„Klar.“ 
„Dann komm, die sind mindestens eine Stunde unterwegs. Und danach können wir ja noch mal rodeln, wenn wir wollen.“ Sie stellten die Zipflbobs zurück und eilten zu ihrem Iglu. 
Markus hatte an alles gedacht, in seinem Rucksack hatte er Handtücher und Badesachen. 
„Wie kommst Du denn an meinen Bikini?“ Katharina konnte es nicht glauben. 
„Das war tatsächlich Zufall. Ich hatte ihn versehentlich mitgenommen, als ich meine Sachen zu Hause gepackt habe. Da sind auch noch mehr Sachen von Dir reingerutscht.“, gab er zu. Sie schüttelte nur grinsend mit dem Kopf. 

„Also los, umziehen jetzt.“ Markus hielt ihr ihren Bikini direkt vor die Nase. 
Blitzschnell tat Katharina wie ihr geheißen. Nur Markus, der sie eben noch angetrieben hatte, stand immer noch wie angewurzelt vor ihr und schaute sie einfach an. 
„Erde an Markus? Nicht mich angucken, umziehen! Hopp!“ 
Nun kam auch Markus in Bewegung und warf sich in seine Badeshorts. Beide schlüpften in die Bademäntel, die für sie im Bad bereit lagen und eilten nach draußen. Sie hatten tatsächlich Glück, der Whirlpool war leer. Schnell stiegen sie hinein. Markus spritze Katharina ein bisschen nass, aber er vermied es, ihre Haare bei der Eiseskälte nasszumachen. Krank sollte seine Freundin ja schließlich nicht werden. Auch Katharina achtete darauf, dass Markus Haare trocken blieben. Sie setzte sich direkt vor ihn und kuschelte sich in seine Arme. Den Hinterkopf lehnte sie an seine Brust. „Schau dir mal den Sternenhimmel an.“ Markus hob nun auch seinen Kopf. Gedankenverloren streichelte er über Katharinas Arme und seine Beine umschlangen Katharinas. „Guck da, eine Sternschnuppe. Katharina, wünsch dir schnell was.“ „Du aber auch“, forderte sie ihn auf. 
Markus Hände begannen sich irgendwann zu verselbstständigen. Auch wenn Katharina seine Berührungen sehr genoss, so konnte jederzeit jemand kommen. Doch Markus schien das nichts auszumachen. Seine Hände wanderten über ihren Bauch hinunter in tiefere Regionen. „Markus, wenn jemand kommt. Später, okay? Sei lieb.“ Markus zog eine Schnute. Und als hätte Katharina es geahnt, kam ein weiteres Pärchen zum Whirlpool. „Lass uns rein gehen.“, flüsterte Katharina.  

Mittlerweile war es nicht mehr lang bis Mitternacht und Katharina hatte mit Markus auf der Bank vor der Kapelle Platz genommen. Offenbar hatte diese Bank sonst noch niemand gefunden. Markus hatte eine kleine Flasche Sekt dabei, er hatte nämlich definitiv keine Lust, mit dem Rest der Übernachtungsgruppe anzustoßen. Für ihn gab es heute Nacht nur Katharina und ihn. Katharina ging es nicht anders. Sie genoss jede Sekunde in vollen Zügen. In der Ramsau hätten sie nicht diese Ruhe und Zweisamkeit. Garantiert wäre wieder ein Einsatz dazwischengekommen. Von den Problemen mit ihrem Vater mal ganz abgesehen. Aber daran wollte sie heute Nacht nicht denken. „Es ist so weit. Frohes neues Jahr“, Markus unterbrach ihre Gedanken. „Frohes neues Jahr, Markus.“ Katharina zog ihn zu sich heran, küsste ihn innig und schlang ihre Arme um ihn. „Ich liebe dich und ich freue mich auf weitere schöne 365 Tage und den Rest meines Lebens mit Dir“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Ich dich auch und freue mich auch auf den Rest unseres Lebens. Bleib immer bei mir, ja?“ „Katharina, ich gehe nirgendwohin. Ich bleibe immer bei Dir.“   

Wirklich viel geschlafen hatten beide in der Nacht in ihrem Iglu nicht. Am Morgen waren sie schon bei Sonnenaufgang auf dem Plateau und genossen die schöne Aussicht, zündeten ein paar Opferkerzen in der Kapelle an, rodelten noch ein paar Mal, ehe sie ihre Sachen packten und den Weg zurück in ihr kleines Ferienhaus antraten, wo noch zwei ruhige und erholsame Tage auf sie warteten. 

5. Wieder zuhause

Nacheinander fuhren Markus und Katharina auf den Hof und parkten ihre Autos direkt vor der Tür. Gemeinsam trugen sie alles in das gemütliche kleine Häuschen mit den roten Fensterläden hinein. Markus fuhr noch einmal los, um Pizza zu holen, während Katharina damit begann, alles auszupacken. Der Wäschekorb war bis zum Anschlag gefüllt und der Rest wanderte wieder an seinen angestammten Platz. Als Markus mit der Pizza zurückkam, war auch sie fertig. 

Katharina hatte tatsächlich die ganze Pizza verdrückt und ließ sich gegen die Stuhllehne sinken. “Bin ich voll”, sagte sie zufrieden und lächelte Markus zu, der sie schief angrinste und froh darüber war, dass seine Freundin wieder mit so viel Appetit aß. 
“Du, Katharina?” 
Fragend sah sie Markus an. 
“Wie schnell kann man eigentlich heiraten?” 
“Wenn alle Unterlagen da sind und man einen Termin bekommt, dann geht das in ein paar Wochen oder Monaten. Warum? Wirst du etwa ungeduldig?” 
“Ich möchte nicht mehr warten”, gab er ehrlich zu und griff nach ihrer Hand.  
Katharina konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. 
“Dann lass uns morgen doch mal in der Gemeinde anfragen. Und dann schauen wir mal beim Juwelier in Schladming vorbei. Dann hätten wir die beiden wichtigsten Punkte direkt erledigt.” 
Markus strahlte übers ganze Gesicht. “Ich liebe dich, zukünftige Koflerin.” 

Nach dem Essen schaute Markus erst einmal die aufgelaufene Post durch, während Katharina schnell die Teller und das Besteck spülte. “Du, Katharina, hier sind zwei Briefe für dich. Einer von Peter und einer von Nick.” Katharina legte das Trockentuch zur Seite und kam zum Küchentisch herum. “Was wollen die Beiden denn noch von mir?”, fragte sie fast tonlos. Markus sah forschend in ihr Gesicht und versuchte ihre Gefühlslage zu deuten. Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihn und öffnete den Brief ihres Vaters. “Der ist vom Hotel. Kündigung des Arbeitsverhältnisses.” Sie reichte ihn zu Markus rüber. 
“Deine Kündigung scheint er ja immerhin akzeptiert zu haben.” 
“Scheint so.” 
Nun öffnete sie den Brief von Nick. “Und was will der?”, seufzte sie. Katharina faltete das Blatt auseinander. “Aha, sich entschuldigen. Und fragen, ob wir nicht der Kinder wegen Freunde bleiben können. Der hat vielleicht Nerven.” 
“Katharina, wenn du noch Kontakt zu den beiden Kleinen haben möchtest, würde ich das sogar verstehen.” Markus wusste, wie sehr ihr Herz an den Kindern hing. 
“Nein, Markus. Natürlich fällt es mir schwer, die beiden Mäuse nicht mehr wiederzusehen, weil ich die Kinder wirklich liebgewonnen habe, aber es wäre weder richtig, noch könnte ich das mit meinem Gewissen vereinbaren.” 
Mit einer gewissen Erleichterung nickte Markus ihr zu. Katharina stopfte die Briefe in die Schublade unter ihrem Esstisch und wollte sie für den Moment einfach nur vergessen. 
“Spätestens wenn wir verheiratet sind, kümmern wir uns um unsere eigene kleine Familie, okay?” Aufmunternd sah Markus seine Freundin an.  
“Du, Markus?” 
“Ja?” 
“Ich glaube, mir wäre eine Adoption vielleicht sogar lieber.” 
“Du hast Angst vor einer Schwangerschaft.” 
Katharina nickte mit Tränen in den Augen. “Ein bisschen schon. Wenn es doch klappt und ich verliere das Kind wieder, das pack ich nicht.” 
Markus erhob sich von seinem Stuhl, trat hinter Katharinas und legte tröstend seine Arme um sie. 
“Hey, nicht weinen. Dann adoptieren wir eben ein kleines Fröschken und bewahren es damit vor einem Leben im Heim. Und jetzt machen wir uns schlau, was wir alles für eine Adoption beibringen müssen, okay?” Markus küsste ihre Wange und holte Katharinas Notebook aus dem Sekretär im Schlafzimmer. 
Gemeinsam ackerten sie sich über unzählige Internetseiten zum Thema Adoption. 
“Boah, bis zu sieben Jahren dauert das”, seufzte Katharina resigniert. “Dann sind wir zu alt, um ein Baby zu adoptieren. Wir sind ja jetzt schon alt für die vom Amt.” 
“Wir versuchen es trotzdem. Und je eher, je besser. Lass uns den Kram hier mal ausfüllen und einen Termin vereinbaren.” 
“Du, die Verena kennt die Frau Seiler vom Jugendamt doch. Vielleicht sollten wir auch mit Verena sprechen.” 
“Das machen wir auf jeden Fall. Irgendwie kommen wir schon an einen kleinen Hosenscheißer”, grinste Markus und brachte Katharina damit endlich zum Lachen. 
“Und wenn nicht, dann soll es eben einfach nicht sein.” Markus kam es so vor, als schien Katharina langsam ein etwas entspannteres Verhältnis zu ihrem Kinderwunsch zu bekommen, was ihn ein wenig beruhigte, denn es konnte ja durchaus passieren, dass er weiterhin unerfüllt bleiben würde. 
“Katharina, was passiert, wenn wir wirklich kein Kind bekommen, egal, wie sehr wir beide es versuchen?” 
Katharina hatte genau verstanden, was Markus gerade Angst machte. 
“Dann stehen wir das zusammen durch, wie ein Ehepaar das eben so mit Problemen macht. Es gibt doch immer einen Weg, weißt du doch.” Liebevoll lächelte sie Markus an. 
“Und den finden wir”, grinste er. 

“Boah, das wird jetzt ernst”, lachte Katharina, als sie wieder vor dem Standesamt standen und drückte sich an Markus, der seine Arme um sie schlang. 
“Hoffentlich ist mein Ehefähigkeitszeugnis auch wirklich rechtzeitig hier”, seufzte sie. 
“Bestimmt. Vroni macht denen schon Beine in München.” 
“Das glaub ich allerdings auch”, strahlte sie zufrieden. “Ich freu mich so.” 
“Ich mich doch auch. Sollen wir auf einen Sprung in die Zentrale gehen und das mal eben den anderen erzählen?”, fragte Markus sichtlich aufgeregt. 
“Na klar, komm.” Hand in Hand schlenderten sie zur Zentrale der Bergrettung herüber. 
“Hey Rudi”, Katharina hüpfte fröhlich in den Raum. 
“Katharina! Markus!” Rudi strahlte übers ganze Gesicht, sprang vom Stuhl, der förmlich nach hinten schoss, umrundete seinen Schreibtisch und fiel erst Katharina und dann Markus in die Arme. 
“Hey, Schatz, wo bleibt denn meine Begrüßung?”, ertönte Michis Stimme von hinten. 
“Komm her, Liebling”, lachte Markus. 
“Schön, dass du wieder da bist, Spezi.” 
“Danke, Michi.” 
Rudi hatte schnell Kaffee für alle gekocht, als Simon mit einer riesigen Tüte Butterbrezeln durch die Tür kam und sich ebenfalls wahnsinnig über die Anwesenheit der beiden freute. Gemeinsam futterten sie die Tüte leer und schnackten über alles Mögliche. Katharina beobachtete Markus und bemerkte, wie gut ihm seine Freunde taten. 
“Wo wir gerade so gemütlich beisammen sind, wir müssen euch was sagen.” 
Alle Blicke richteten sich nun auf die beiden. Katharina nickte Markus zu. 
“Wir heiraten!”, verkündete er mit einem überglücklichen Lächeln. 
“Am 11. März”, fügte Katharina dem hinzu. 
“Und das wollen wir im kleinen Kreis feiern. Also mit euch, Emilie, Mia,… ihr wisst schon.” 
“Aber kein Wort zu Peter, bitte. Ich will ihn nicht dabeihaben”, sagte Katharina entschlossen. 
„Das bleibt unter uns, ich freu mich für euch“, lächelte Simon. 
Auch Michi und Rudi freuten sich aufrichtig mit den beiden. 
„Wir sollten langsam los, wir wollen nämlich noch zum Juwelier.“ Markus Augen leuchteten richtig vor lauter Aufregung und Vorfreude.  
„Na, dann viel Erfolg. Und Markus? Nimm nicht die günstigsten Ringe, sondern die schönsten. Die kaufst nur das eine Mal im Leben, da bin ich mir bei euch sicher.“ Michi sah seinen Freund mit einem Schmunzeln im Gesicht an.  
„Zur Not mache ich Extraschichten im Kulm, dafür.“  
„Ich bin auch noch da zum Bezahlen“, empörte sich Katharina.  
Das Thema Bezahlen erinnerte Simon daran, dass er seiner Freundin und Kollegin noch etwas erzählen wollte. „Ach, Katharina, ich habe übrigens bei Peter gekündigt.“  
Erschrocken sah sie Simon an. „Du hast was?“  
„Ja, ich wollte einfach nicht mehr bei so jemandem arbeiten. Nicht nach dem, was er euch angetan hat.“  
„Du bist verrückt“, flüsterte sie und legte ihre Arme um Simon.  
„Nein, nur konsequent. Ich hab aber schon was Neues in Aussicht im Pehab, da muss ich nachher vorbei. Da würde ich sogar mehr verdienen bei weniger Stunden.“ 
„Daumen sind gedrückt, du schaffst das“, lächelte sie. 
„Und ihr geht jetzt Ringe kaufen, los.“ Simon schob seine Freunde zur Tür. „Wir sehen uns morgen früh.“ 
 

Etwas später standen sie gemeinsam vor dem Schaufenster des Juweliers in Schladming und betrachteten die Auslage. „ Die da“, riefen beide plötzlich zeitgleich und zeigten auf ein paar schlichte, gebürstete Ringe, die aussahen, als wären sie gefroren. Markus konnte Katharinas Augen beim Anblick direkt leuchten sehen. Eigentlich hatten sie beide eher an ganz einfache, günstige Goldringe gedacht, um es so dezent wie möglich zu halten, aber diese waren einfach zu schön. Die eine Hälfte der Ringe war aus Gold, die andere aus Weißgold. Diese Kombination war einfach perfekt, denn Katharinas Verlobungsring war aus Silber, da Markus etwas Derartiges nicht in Gold gefunden hatte. Der Preis für die beiden Schmuckstücke war in dem Moment zweitrangig, denn diese Ringe waren schließlich für den Rest ihres Lebens gedacht. Dafür würde Markus auch gerne Extraschichten im Kulm schieben. Schnell hatten sie die richtigen Größen ausgesucht und die Ringe bestellt. 
Als sie wieder vor den Laden traten, zog Markus ein Kuvert aus seiner Jackentasche und hielt es Katharina unter die Nase. Darauf stand: Für Markus & Katharina – Bitte öffnen, wenn ihr eure Eheringe aussucht
“Das ist doch die Handschrift deiner Mutter.” Katharina sah Markus mit großen Augen an. 
“Ja, ich habe es in ihrem Haus gefunden, bei den Unterlagen für Notfälle. Sie scheint gewusst zu haben, dass wir heiraten. Zumindest hat sie es sich gewünscht. Sie hat mir immer gesagt, dass ich auf dich aufpassen soll und dass du die richtige Frau für mich bist.” 
Katharina war einfach sprachlos und sichtlich gerührt. Dass Johanna so von ihr dachte, war ihr nicht bewusst gewesen. 
Markus nahm Katharinas Hand und zog sie mit sich. “Komm, wir setzen uns auf die Bank da drüben an der Kirche und schauen es uns gemeinsam an.” 

Mit zittrigen Fingern öffnete Markus das Kuvert und holte einen Brief und noch zwei weitere Kuverts heraus.  
 
Lieber Markus, liebe Katharina, 
ihr habt keine Ahnung, wie glücklich ihr mich macht, dass ihr endlich heiratet. 
Ich habe nie eine größere Liebe als die zwischen euch beiden erlebt und freue mich unendlich darüber, dass ihr endlich diesen Schritt geht. Passt stets gut aufeinander auf und haltet euch gut fest. Seid füreinander da, egal, was das Leben euch auch für Steine in den Weg wirft: gemeinsam könnt ihr sie aus dem Weg räumen und euren Weg finden. Wenn ihr diesen Brief lest, werde ich wohl nicht mehr dabei sein können, wenn ihr JA sagt, denn sonst hätte ich euch das alles an eurer Hochzeit persönlich gesagt. Aber ihr könnt sicher sein, dass ich von oben auf euch aufpassen werde. Ihr sollt aber ein Geschenk von mir bekommen, nämlich eure Eheringe. Ich möchte, dass ihr euch wirklich die aussucht, die euch am besten gefallen und ihr nicht aufs Geld schauen müsst. Die Ringe sollen euch den Rest eures Lebens begleiten, daher sollen sie besonders sein. So besonders wie ihr. Ihr seid beide so wundervolle Menschen, dass ihr es mehr als verdient. 
Ich liebe euch, meine Kinder. 
Eure Johanna 

Beiden standen nach den Zeilen von Johanna die Tränen in den Augen. 
„Ich hatte keine Ahnung, dass sie mich so gern hatte“, schluckte Katharina. 
„Doch, das hatte sie. Aber du weißt ja, über Gefühle reden, das können wir nicht so gut in unserer Familie. Das hab ich auch erst durch dich gelernt.“ Markus drehte mit immer noch zittrigen Händen den Brief und die Umschläge in seinen Händen. Auf einem Umschlag stand “Für den Tag eurer Hochzeit”. Den reichte er Katharina zur Aufbewahrung. Markus öffnete den Umschlag mit den Worten “Für eure Ringe” und bekam den Mund nicht mehr zu. Johanna hatte ihnen tatsächlich 5000 € hinein gelegt. Damit hatte sie weit mehr Geld für ihre Ringe eingeplant als sie selbst. 
„Danke, Mama“, flüsterte Markus und sah in den Himmel hoch. Dann schloss er Katharina in seine Arme. 
„Danke, Schwiegermama, dass du mir deinen Segen für ein Leben mit deinem Sohn gibst“, flüsterte Katharina. 

Am frühen Abend waren Katharina und Markus wieder zu Hause angekommen. Auf dem Heimweg hatten sie noch schnell Lebensmittel eingekauft und den Kühlschrank gefüllt. Während Katharina in der Küche eine Lachspasta kochte, war Markus ins Haupthaus rüber gegangen, um die Wäsche aus der Maschine im Keller zu holen und aufzuhängen. Gerade wollte er das Haus verlassen, als er an der Tür mit jemandem zusammenstieß. 
„Franz?“ 
„Herrje, Markus, musst du mich so erschrecken?“ 
„Wo kommst du denn her?“ 
„Vom Flughafen?“ 
Markus musste lachen. 
„Schon klar. Magst mit rüber kommen? Katharina kocht gerade Lachspasta. Die Emilie ist ja in Zürich.“ 
„Gern. Ach, Markus, eins noch. Ich möchte mich entschuldigen. Ich bin doch froh, dass dir beim Unfall nix passiert ist. Du bist doch wie mein Sohn. Aber immer, wenn ich dich seh, seh ich die Johanna.“ Franz legte seine Arme um Markus und drückte ihn an sich. 

Sichtlich erleichtert betrat Markus mit Franz das gemütliche Holzhaus. 
„Katharina, schau mal, wen ich mitgebracht habe.“ 
„Ja, Franz, Servus.“ Katharina eilte direkt zu ihm und umarmte ihn. 
„Setz dich, das Essen ist fertig, kannst mit uns essen.“ 
Franz wollte natürlich alles ganz genau wissen, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen hatte und so berichteten Markus und Katharina ihm von Peters Machenschaften in den letzten Wochen. Franz konnte es nicht begreifen, wie Peter sich seiner eigenen Tochter gegenüber so verhalten konnte. Seinem alten Weggefährten wollte er in den nächsten Tagen aber mal gehörig den Marsch blasen. 

Markus war, wie so oft, schon als Erster im Bett. Er griff noch einmal nach Johannas Brief. Katharina stand im Türrahmen und beobachtete Markus einen Moment lang. In ihr breitete sich ein wohliges Gefühl aus, als sie ihn so sah. Als er sie bemerkte und anlächelte, verstärkte sich dieses Gefühl noch mehr. Schnell stieg sie zu ihm ins Bett und kuschelte sich mit unter seine Decke. „Boah, du bist ja eiskalt.“ Markus legte den Brief auf seinen Nachttisch und zog Katharina näher an sich. 
„Der Brief von Johanna ist der Wahnsinn oder?“, fragte sie leise. 
„Allerdings. 5000€ für Ringe. Sie muss verrückt gewesen sein. Die Hälfte hätte doch auch völlig gereicht.“ 
„Sie wollte eben, dass wir frei wählen können“, sagte Katharina nachdenklich. 
„Wenn ich den Brief eher geöffnet hätte, hätte er deine Wahl geändert?“ 
„Nein, Markus. Die Ringe, die wir ausgesucht haben, sind die schönsten überhaupt. Ich habe noch nie so tolle Eheringe gesehen und ich finde, sie passen so gut zu uns. Die beiden Farben, das Gefrostete, der Wellenverlauf zwischen Gold und Silber ist doch wie unser Leben: auf und ab. Und er erinnert mich auch ein wenig an die Berge. Und hey, ich finde jetzt 2000€ für zwei Ringe schon extrem viel. Und wenn das nicht unsere Eheringe wären, hätte ich einem solchen Kauf auch nicht zugestimmt.“ 
„Mir gefallen sie tatsächlich auch unheimlich gut und ich werde unser Geschenk aus der Ewigkeit für die Ewigkeit immer bei mir tragen. So habe ich auch gleichzeitig immer ein Stück von meiner Mutter bei mir.“ 
„Das klingt schön. Und ich find es auch schön, dass du es schaffst, ihr Geschenk so anzunehmen. Es ist nicht lange her, da hätte mein kleiner Sturkopf hier gesagt: will ich nicht, brauch ich nicht, ich schaffe alles alleine.“ 
“Seit sie nicht mehr da ist, habe ich erst begriffen, wie gern ich sie hatte und wie sehr sie mir fehlt.” 
Katharina strich ihm liebevoll über die Wange. 
„Was machen wir denn nun mit den anderen 3000€?“, fragte Markus nachdenklich. 
„Ich würde sagen, die nehmen wir für unsere Hochzeit. Für deinen Anzug zum Beispiel.“ 
„Dein Brautkleid wird auch noch richtig teuer.“ 
„Darüber wollte ich eh noch mit dir sprechen, Markus. Ich möchte gar nicht noch mal in so eine Gardine aus Spitze und Tüll steigen, aber ich habe gesehen, wie du mich bei dem Shooting für den Tourismusverband angeschaut hast. Ich könnte doch auch einfach eins nehmen, dass ich danach weiter anziehen kann. Ein Sommerkleid oder so, das ist dann auch nicht so teuer.“ 
„Katharina, mir ist es egal, wie du mich heiratest. Du könntest im Jogginganzug kommen und ich würde JA sagen, das weißt du hoffentlich. Aber bitte, schau bei der Kleiderwahl nicht auf Zweckmäßigkeit oder was man danach noch irgendwo und irgendwie tragen könnte. Es ist unsere Hochzeit, der Tag ist einmalig, da darf auch dein Kleid besonders sein. Gönn dir das doch einfach.“ 
„Aber es hat dir gefallen, also das Kleid vom Shooting?“ 
„Ja, das hat es. Auch wenn es mir persönlich etwas zu viel war.“ 
„Dir auch?“ 
„Ein bisschen schon, ja. Du bist so hübsch, du kannst ruhig dein Dekolleté zeigen. Du solltest das nicht unter Spitze und Tüll verstecken. Und so einen langen Pfiff brauchst du auch nicht auf deinem Kopf. Du hast doch so schöne Haare, die müssen doch auch nicht versteckt werden.“ Markus spitzbübisches Lächeln brachte sie zum Lachen. 
„So so, wir heiraten aber doch im Winter, da wäre ein geschlossenes Dekolleté aber gar nicht so verkehrt“, sagte sie verschmitzt. 
„Dann nimmst du dir eben für draußen einen Schal mit. Aber im Ernst, Katharina, zieh an, was du magst. Wenn du glücklich bist, dann bin ich es auch.“ 
„Wie hat dir denn damals die Emilie gefallen als sie den Tobi geheiratet hat?“ 
„Oh, sehr gut sah sie aus. Und dass ich Dirndl an dir sehr, seeehr mag, das weißt du doch spätestens seit dem letzten Schützenfest. Du sahst so toll aus, Frau Kofler, trägst du viel zu selten. Aber ich glaube, im Winter bei der Kälte wäre ein langes Kleid einfach besser und wärmer, auch wenn ich deine Beine sehr liebe… Hast du mich denn jetzt genug ausgehorcht?“, lachte er. 
„Blödmann“, grinste sie ertappt und bekam eine leichte Röte auf den Wangen. 
„Mein Vorschlag: Lass die Emilie kommen und geh mit ihr einkaufen. Probier dich durch und schau was dir gefällt. Egal für was du dich entscheidest, ich werde ja sagen und du wirst wunderschön aussehen. Und danach lässt du dann Emilie mit mir was Passendes dazu einkaufen. Ist das eine Idee? Und für mich brauchst du wirklich keinen Spitzenfummel. Das kannst du dir für unsere Hochzeitsnacht aufheben, Frau Kofler.“ 
„Du bist unmöglich, Herr Kofler“, lachte sie. „Aber das werde ich wirklich so machen, ich bin so unschlüssig und unsicher, was ich tragen will, zumal wir ja auch erstmal nur standesamtlich heiraten. Morgen früh ruf ich die Emilie direkt an.“ 
„Genau. Und bis dahin könnten wir doch schon mal für unsere Hochzeitsnacht üben.“ Mit einem breiten Grinsen strich Markus über Katharinas Wange und küsste sie zärtlich. 
„Aha, üben müssen wir?“, flüsterte sie grinsend zwischen seinen Küssen. 
„Unbedingt“, raunte Markus, der seine Hände sanft unter Katharinas Shirt schob. Er konnte spüren, wie ein Schauer über ihren Körper lief. Kurzerhand zog er das Shirt einfach über ihren Kopf und ließ sich mit ihr zur Seite fallen. Katharina lag nun auf dem Rücken, Markus über ihr. Sie zog ihm nun auch sein Shirt aus und streichelte zärtlich über seinen Rücken. Markus küsste sanft ihren Hals und wanderte mit seinen Küssen über ihren Bauch. 

6. Böse Überraschung

Am nächsten Morgen erschien Peter Herbrechter unerwartet in der Zentrale der Bergrettung. 
„Ach, schau an, der Herr Leiter gibt sich auch mal wieder die Ehre seiner Arbeit nachzugehen. Und mein Fräulein Tochter hat auch den Weg gefunden. Na, dann kann ich euch das hier ja direkt persönlich übergeben.“ 
„Was ist das?“, fragte Markus kurz und knapp. 
„Eure fristlose Kündigung. Schlüssel her, sofort.“ 
Katharina schaute ihren Vater fassungslos an. 
„Na, wirds bald?“ 
„Das kannst du nicht machen“, sagte sie böse. 
„Und ob ich das kann. Ich bin der Bürgermeister, mir obliegt die Bergrettung und ICH kann euch jederzeit fristlos kündigen. Ein Mörder kann keine Bergrettung leiten!“ 
„Du spinnst doch“, Markus funkelte ihn finster an. 
„Keine Diskussion. Her mit dem Schlüssel und dann raus hier. Alle beide!“, rief Peter. 
„Peter“, versuchte sich Michi einzumischen. 
“Halt du dich da raus!”, zischte Peter Michi laut an. 
“Und so ein Mensch soll mein Vater sein?”, Katharina kniff ihre Augen zusammen und sah ihn böse an. Sie fühlte die Wut in sich aufsteigen und ihre Machtlosigkeit ließ sie regelrecht zittern. “Reicht es dir noch nicht, was du Markus und mir schon angetan hast? Schade nur, dass wir es bemerkt haben und dein falsches Spiel mit Nick aufgeflogen ist, was?” 
“Was ich euch angetan habe? ICH EUCH?“ Peters Stimme bebte vor Wut.“ 
„Dein feiner Freund hat meine große Liebe getötet! Er hat sie eiskalt umgebracht!“ 
„Das hat er nicht und das weißt du auch!“ 
„Du stellst dich also gegen deinen Vater, der nur das Beste für dich will?” 
“Oh ja, das tue ich. Ich liebe Markus und du wirst es nicht ändern können. Egal was du dir als nächstes böses für uns einfallen lässt, du wirst damit nicht durchkommen.” 
“Das werden wir ja noch sehen! Ihr werdet mich schon noch kennenlernen. Du bist nicht mehr meine Tochter. Und jetzt raus hier! Nimm diesen langhaarigen Nichtsnutz direkt mit, der nur das Erbe seiner Mutter verschleudert, weil er selbst nichts auf die Kette kriegt und finanziell nicht mal in der Lage ist, eine Frau zu ernähren. Komm ja nicht winselnd bei mir angelaufen, wenn der Fatzke dir das Herz gebrochen hat. Du bist so eine riesengroße Enttäuschung, Katharina. Wofür hast du überhaupt studiert? Du und Ärztin, dass ich nicht lache. Nicht mal Kinder bekommst du auf die Reihe. Du bist keine richtige Frau und das wirst du auch nie sein. Nicht mit dem Kerl an deiner Seite. Mit dem Thomas hättest du jetzt ein schönes Leben gehabt, ohne Geldsorgen und mit Kind, du wärst eine angesehene Ärztin, aber nein. Du hast ihn und deine Tochter auf dem Gewissen, weil du ja unbedingt diesen Heini hier lieben wolltest. Und jetzt könntest du wieder ein so tolles Leben haben mit Nick und was machst du? Denselben Fehler wieder wegen dieses Fatzkes hier. Du bist wirklich eine Schande.” 
“Peter Herbrechter, du bist das Letzte. Komm nie wieder in Katharinas Nähe oder du wirst mich kennenlernen.” Markus sah Peter böse an. In ihm brodelte es, Katharinas Vater war eindeutig zu weit gegangen. 
“Ja ja, du kannst mir viel drohen. Du wirst das noch bitter bereuen! Und jetzt: Raus!  
Und ihr arbeitet jetzt gefälligst!”, giftete er das restliche Team an, die sprachlos im Raum standen und nicht begreifen konnten, was Peter Herbrechter da gerade abzog. 
Markus warf ihm den Schlüssel vor die Füße und zog Katharina, die wie erstarrt in der Tür der Bergrettung stand, zur Seite. Markus wusste genau, wie sehr Peters Worte seine Katharina getroffen hatten und er wollte sie einfach schnell wegbringen von ihm. Er bugsierte sie zu seinem Auto, öffnete die Tür und schob sie auf den Beifahrersitz. Sie sagte noch immer kein Wort und starrte teilnahmslos geradeaus, während in ihren Augen Tränen schimmerten, die sich dann still den Weg über ihre Wangen suchten. Markus sprang auf der Fahrerseite ins Auto und brachte seinen Ford Ranger auf Distanz zur Bergrettungszentrale. 
Markus fuhr auf schnellstem Weg zum Hof und griff immer wieder während der Fahrt nach ihrer Hand. Katharina ließ es zu, aber sie sprach noch immer kein Wort. Ihre Hände waren eiskalt. Er konnte nur erahnen, was gerade in ihrem Innersten los war. Peters Worte waren so hart und schrecklich unfair gewesen, sie hatten auch ihm unendlich wehgetan. Er wusste, wie sehr sie immer noch unter dem Tod ihres Kindes litt. Wie sollte sie sich jetzt nur fühlen? Auf dem Hof parkte er das Auto fast in der Eingangstür und eilte direkt zu ihr auf die Beifahrerseite. Katharina saß immer noch wie angewurzelt und schaute ins Leere. Markus zog sie zu sich herum. 
“Katharina?”, fragte er sanft. “Komm mit rein.” Er nahm ihre Hand in seine und half ihr aus dem Auto, legte dann den Arm um sie und brachte sie in ihr Häuschen. Markus schob sie die Treppe ins Schlafzimmer hinauf, wo er sie auf dem Bett absetzte. Katharina ließ seine Hand allerdings nicht los, als er ihr die Jacke ausziehen wollte. 
“Katharina, was Peter gesagt hat”, Markus schluckte. “Du weißt, dass das nicht stimmt!? Du bist nicht schuld am Tod deiner Kleinen. Das war ein Unfall.” 
Sie konnte nur nicken, ehe sie richtig anfing zu weinen. Markus war erleichtert, dass sie es endlich rausließ. Ihr Schweigen und ihre Schockstarre hatte ihn richtig in Sorge versetzt. Er kniete vor dem Bett und Katharina lehnte mit ihrem Kopf auf seiner Schulter, ihre Arme um ihn gelegt und weinte zahlreiche Tränen. Markus ließ sie einfach weinen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. 
“Gehts dir jetzt etwas besser?” Sie nickte. 
“Er wollte uns einfach wehtun, dafür war ihm jedes Mittel recht.” 
“Warum? Warum tut er das?” 
“Offenbar hat der sich total in der Trauer um meine Mutter verrannt. Sein Zorn richtet sich aber gegen mich und nicht gegen dich. Aber wenn er dich verletzt, verletzt er auch mich. Und das weiß er ganz genau.” 
“Was sollen wir jetzt machen, Markus? Du hängst doch so an der Bergrettung.“ 
„In die Bergrettung kommen wir zurück, das schwör ich dir. Den lass ich damit nicht durchkommen. Es gibt immer einen Weg, Katharina. Und den finden wir.“ 
Katharina lächelte Markus an und strich ihm sanft über die Wange. 
„Du kannst wirklich nicht anders, oder? Du denkst einfach immer positiv.“ 
„Immer!“ 
„Vorhin hab ich wirklich gedacht, ich vergess mich. Markus, ich war so sauer, ich wusste nicht mehr wohin mit meiner Wut. Und dann tat es einfach nur noch weh.“ 
„Ich weiß… Mir ging es genauso.“ 
„Wir müssen mit Jessi reden. Unbedingt! So wie der gerade drauf ist, tut der dir doch noch was an.“ Besorgt schaute sie Markus an. 
„Katharina.“ 
„Markus, bitte! Du hast doch den Zorn in seinen Augen gesehen. Der denkt doch gerade gar nicht nach!“ 
Markus nahm ihre Hand und streichelte liebevoll darüber. „Ja, ich rede mit Jessi. Aber jetzt lass uns auf andere Gedanken kommen.“ 
„Was hast du vor?“ 
„Na ja, wir haben ungeplant frei. Wir könnten doch irgendwas schönes unternehmen.“ 
„Nach dem, was eben passiert ist? Sei mir nicht böse, Markus, aber ich weiß nicht, ob ich gerade raus möchte.“ 
Traurig sah Katharina ihn an. Markus konnte förmlich spüren, wie sie das Ganze mitnahm und hatte eine Idee. 
„Zieh dir was gemütliches an und komm in zehn Minuten runter ins Wohnzimmer, okay?“ Markus griff nach seiner Jogginghose und eilte aus dem Schlafzimmer. Katharina sah ihm verwundert nach, tat aber wie ihr geheißen. 

Kurze Zeit später betrat sie das Wohnzimmer. Auf dem Tisch stand ein Schälchen mit Chips, eins mit Schokolade, daneben Wasser, Cola und zwei Tassen Kakao mit Sahne. „Du kommst genau richtig, setz dich“, grinste Markus sie an.  
“Was hast du denn vor?” 
„Erstmal bekommst du was, was immer tröstet.” Markus hielt ihr eine Tasse Kakao entgegen, den sie mit einem breiten Grinsen entgegennahm und auch direkt probierte.  
“Mmmmhm, der ist gut.” Katharina nahm noch einen weiteren Schluck, ehe sie die Tasse auf dem Tisch abstellte. Markus macht es sich auf der rechten Seite des Ecksofas bequem, wo er seine Beine ausstrecken konnte.  
“Komm mal näher.”  
Katharina kuschelte sich mit dem Kopf auf seinen Schoß. Markus nahm die Decke von der Armlehne und breitete sie über Katharina aus.  
“Dass ich das jetzt mit dir mache, darauf kann du dir was einbilden”, grinste Markus, als er die Playtaste des DVD-Players betätigte.  
“Dirty Dancing?”, fragte Katharina lachend und fühlte sich einfach nur wahnsinnig geliebt. “Das ist…” 
“Ja, das ist total kitschig und ein furchtbarer Film, aber du liebst ihn. Und außerdem kann ich dich ja auch einfach 90 Minuten lang anschauen.” 
Markus legte seinen Arm so weit um Katharina wie er konnte und er konnte spüren, wie sie innerlich langsam ruhiger wurde.  

Am Abend saßen Katharina und Markus bei Franz im Haupthaus. Nachdem Franz durch Michi direkt informiert worden war, was sich sein spezieller Freund Peter Herbrechter erlaubt hatte, hatte er das ganze Team zusammengetrommelt. Nach und nach trafen jetzt alle – zur großen Überraschung von Markus und Katharina – ein und Emilies Hof füllte sich. Nun saßen alle in Emilies Wohnzimmer beisammen. Michi, Verena, Simon, Jessi, Rudi, Franz, Katharina und Markus. „Ihr müsst den Peter mit seinen eigenen Mitteln schlagen, glaubt mir.“ Franz hatte schon eine Idee. 

„Hallo zusammen“, eine vertraute Stimme meldete sich hinter ihnen zu Wort. 
„Emilie“, riefen Markus und Katharina gleichzeitig. Sofort sprangen sie hoch. 
Katharina flog regelrecht in die Arme ihrer Freundin. „Ich hab dich so vermisst.“ 
„Ich dich auch, Katharina.“ 
„Und dich auch, Markus.“ Emilie drückte nun Markus an sich. 
„Wo kommst du denn her?“, fragte Markus. 
„Der Franz hat mich angerufen. Da habe ich ein paar Sachen gepackt und bin hergefahren. Ich hab aber auch noch jemanden angerufen.“ Alle Blicke ruhten nun auf Emilie. 
„Servus“, ertönte die Stimme von Tobias hinter Emilie. 
„Tobias!“ Katharina fiel ihrem Bruder in die Arme. 
„Das ist eine gelungene Überraschung“, strahlte Markus. 

Peter Herbrechter schaute nicht schlecht, als am nächsten Morgen die Bergrettung nicht besetzt war. Eigentlich hatte er nur nachsehen wollen, ob Markus und Katharina sich an seine Kündigung hielten und der Zentrale fernblieben. Dass niemand in den Räumlichkeiten anzutreffen war, erzürnte ihn. Was waren das für Sitten? Wahrscheinlich konnten bei Markus alle tun und lassen, was sie wollten. In ihm kochte erneut eine unbändige Wut auf den Leiter der Bergrettung hoch. Dem würde er noch zeigen, wer hier das Sagen hatte. Wutentbrannt fuhr er zu seinem Hotel. 

Rudi hatte das Telefon aus der Zentrale einfach am frühen Morgen auf Peters Hotel umgeleitet und seiner Rezeptionistin Julia einen großen Stapel Umschläge für Peter hinterlassen. Als dieser nun das Hotel betrat, wurde er direkt von Julia herbeigerufen. „Herr Herbrechter, hier kommen Notrufe für die Bergrettung an.“ Sie war ganz aufgeregt. „Was? Das ist ja wohl eine Unverschämtheit. Was erlauben die sich eigentlich?“ In seiner Wut wählte er Markus Nummer.  
Der saß mit Katharina, Tobias und Franz bei Emilie in der Küche. Alle schauten gebannt auf ihre Handys, die in der Mitte auf dem Tisch lagen. 
„Ich sag euch, unser alter Herr ruft als Erstes den Markus an“, tippte Tobi und trank genüsslich einen Schluck Kaffee. Und im nächsten Moment klingelte tatsächlich Markus Telefon. 
„Da isser ja schon“, grinste Markus und ließ sein Handy einfach bimmeln, bis die Mailbox ansprang. 
„Jetzt kann er sich auf deinem Anrufbeantworter austoben“, grinste Tobias zufrieden. 
Markus nickte Tobias zu. „Dann warten wir jetzt eine Stunde und lassen dann die Kollegen aus Gröbming anrufen und sich beschweren, dass sie unsere Arbeit machen müssen.“ 
“Meint ihr nicht, das geht zu weit?” Katharina war unsicher. 
“Seit wann hast du so eine Angst vor unserem Alten?” Tobi schaute seine Schwester fragend an. 
„Seitdem er Markus tot sehen will und Jessi uns nicht helfen kann, weil noch nichts passiert ist und ihr dadurch die Hände gebunden sind. Seitdem.” 
“Ach, Katharina, der Peter kann zwar manchmal ein echter Volltrottel sein, aber umgebracht hat er noch keinen”, lächelte Franz ihr beruhigend zu. 
Markus griff nach Katharinas Hand. “Mach dir nicht so viele Sorgen, Hunde, die bellen, beißen nicht”, schmunzelte er. “Und bellen kann dein Vater extrem gut.” 
“Das stimmt wohl, aber seit Johannas Tod macht er mir Angst.” 
“Was meinst du, was der erst mal ausrastet, wenn er erfährt, dass ihr heiraten wollt”, grinste Tobias. 
“Der explodiert vor Wut”, antwortete Katharina mit einem leichten Lächeln. 
“Erst recht, weil er nicht dabei sein wird”, grinste Tobias. 
“Das ist er selbst schuld”, antwortete Markus. 
“Katharina, sollen wir nicht morgen mal nach deinem Kleid gucken? Das lenkt dich ein bisschen ab und wir haben es, bevor ich noch mal nach Zürich fahre und die Dinge mit Lorenz kläre.“ 
“Okay, gerne.” Ein Strahlen huschte über ihr Gesicht und ihr Blick wanderte rüber zu Markus, der ebenfalls selig zu ihr sah. 
“Hast du Wünsche, Markus?”, fragte Emilie grinsend. 
“Von mir aus kann sie im blauen Sack kommen, Hauptsache, sie sagt ja.” Markus grinste Katharina dabei schief an. 
“Wenn ich so an unsere Hochzeit denke“, erinnerte sich Tobias. “Wie gut du ausgeschaut hast in deinem weißen Dirndl, Emilie.” 
Emilie wurde leicht rot. 
“Wo er recht hat, hat er recht”, pflichtete Markus bei. “Ihr habt beide echt toll ausgesehen.” 
“Am schönsten war aber die Zeremonie”, kicherte Katharina. “Die Ringe….” 
“Gott, hör mir auf. Wir waren den ganzen Tag im Einsatz und sie waren in meinem Anzug.” 
“In dem hässlichen tannengrünen Anzug”, Katharina musste nun herzhaft lachen. “Boah, der war sooo schlimm, ey.” 
“Wo ist der überhaupt?” 
“Da, wo er hingehört: im Jenseits.” Katharina biss sich auf die Unterlippe und sah ihn herausfordernd an. 
“Du hast doch nicht wirklich meinen schönen Anzug….” 
“Ooooooh doch. Das Ding war ein Angriff auf meinen guten Geschmack.” 
“Man, ich wollte dich doch darin heiraten”, grinste er frech. 
“Komm mit so einem Teil, und ich werde NEIN sagen.” 
“Wirst du nicht.” 
“Willst du es drauf ankommen lassen?” Katharina hob die Augenbraue und grinste ihn frech an. 
Emilie und Tobias konnten nicht mehr vor Lachen. 
“Keine Sorge, ich werde deinen Mann schon ordentlich einkleiden”, beruhigte sie Emilie. “Und ich verspreche dir hoch und heilig: kein Tannengrün!” 
Nun klingelte Katharinas Handy auf dem Tisch. 
“Ah, da isser ja wieder”, lachte Tobias, der sichtlich Spaß an der Aktion hatte. Die Bergrettung Gröbming war ja in ihren Plan eingeweiht und somit würde niemandem Schaden entstehen. Die Kollegen würden sich auch melden, wenn sie Hilfe brauchten. Aber so merkte sein Vater einmal, welche Arbeit eigentlich alle größtenteils ehrenamtlich leisteten. Peters Zeit als Bergretter lag so lange zurück, dass er keine Ahnung mehr hatte, wie sehr die Zahl der Einsätze zugenommen hatte und von welch niedrigen Einkünften sein Team eigentlich leben musste. Er konnte ruhig mal daran erinnert werden, dachte sich Tobias. Vielleicht würde sich ja etwas ändern. 
“Wollen wir die Nachrichten mal abhören?”, grinste Markus. 
“Na los, hau rein.” Tobias wibbelte schon auf seinem Stuhl. 
Markus schaltete den Lautsprecher ein: 
“Warum ist die Bergrettung nicht besetzt? Was seid ihr eigentlich für ein Sauhaufen? Kannst du eigentlich gar nichts, Markus? Sorg dafür, dass die Zentrale schnellstens besetzt wird oder ich vergess mich. Ihr seid echt das Allerletzte geworden. Gut, dass du endlich weg bist, du hast hier ja offenbar nichts im Griff. Na ja, du kannst ja eh nichts und bist ein Nichts. Deine Mutter wird sich im Grabe herumdrehen, du Mörder. Und die Katharina wird auch noch gescheit, da sorge ich für, du elender Nichtsnutz. Du wirst büßen.” 
“Boah, wie ausfallend der wird”, stellte Emilie schockiert fest. 
“Der ist aber in Fahrt. Aber mal ehrlich, der spinnt doch”, stellte Tobi leicht erschrocken fest. 
“Das sag ich doch die ganze Zeit.” Katharina starrte auf ihr Handy und hatte eiskalte Hände bekommen. Sie nahm nun das ihre und spielte die Ansage ab: 
“Katharina, was erlaubt ihr euch? Die Bergrettung ist nicht besetzt, wo stecken alle? Hat dein feiner Herr Freund alle gegen mich aufgehetzt, weil er nicht ertragen kann, dass er die Leitung verloren hat oder wie? Der Kerl ist echt das Letzte, aber das willst du ja in deiner Blindheit nicht sehen. Ich sage dir, der Dr. Aichstetter wäre genau der richtige Mann für dich, aber du bist ja so vernagelt, dass du das nicht siehst. Aber du wirst schon noch aufwachen und merken, dass dieser Mörder nicht der Richtige für dich ist, das sag ich dir, da sorg ich für.” 
“Der hat sich ja total verrannt”, stellte Franz fest. 
Markus schloss Katharina in seine Arme. Er hatte gespürt, wie sehr ihr diese Nachrichten zugesetzt hatten. 
“Der ist so was von auf dem Holzweg”, fand auch Tobias, dem das Lachen vergangen war. Bis eben war es noch witzig gewesen, sich vorzustellen, dass sein Vater wie Rumpelstilzchen umhersprang, aber was er seiner Schwester und seinem besten Freund da an die Köpfe warf, das war wirklich das Letzte. 

Mittlerweile hatte Peter Herbrechter in seinem Hotel die Umschläge geöffnet und die fristlosen Kündigungen ausgepackt. Rudi, Simon, Verena, Katharina und Markus hatten ihm alle schriftlich ihren Dienst quittiert. Ebenso hatte das Team alle 58 freiwilligen Helfer über Nacht ins Boot holen können, die geschlossen hinter Markus und Katharina standen und schriftlich ihren Dienst quittierten. Michi war beim ÖAMTC angestellt als Berufspilot und konnte daher nicht so einfach kündigen. Julia sah ihrem Chef sprachlos zu. “Und wer kümmert sich nun um die Anrufe hier, wenn die alle gekündigt haben?” “Das interessiert mich nicht”, tobte er. In dem Moment kam seine Sekretärin angelaufen. “Herr Herbrechter, hier ist der Bürgermeister aus Gröbming am Telefon. Er sagt, es geht um die Bergrettung und sei dringend.” 

Kurze Zeit später rollte der hoteleigene Geländewagen auf den Hof. „Oh, jetzt geht die Show weiter, Peter ist da“, rief Tobias. Katharina verkrampfte sich sofort und sah Markus besorgt an. „Emilie, ihr bleibt hier und passt du bitte auf Katharina auf?“ Markus strich seiner Freundin über die Wange, während er, gefolgt von Franz zur Tür ging. Markus wollte unbedingt verhindern, dass Peter das Haus betrat und Katharina noch mehr zusetzen konnte. Tobias warf seiner Schwester noch einen aufmunternden Blick zu und folgte den beiden. Er blieb allerdings im Flur stehen, sein Vater sollte ihn nicht sofort sehen. 

„Was soll das Markus?“, tobte Peter direkt los. 
„Guten Tag, Peter,“ sagten Markus und Franz übertrieben freundlich. 
„Was soll was?“, fragte Markus unschuldig. 
„Das weißt du ganz genau!“, zischte er. 
„Ähm, nein. Was willst du?“ 
„Warum ist in der Bergrettung niemand?“ 
„Was weiß denn ich? Ich bin nicht mehr bei der Bergrettung, schon vergessen?“ 
„Lass den Zirkus und sieh zu, dass die Zentrale besetzt wird! Aber ein bisschen zackig.“ 
„Du hast mich doch rausgeworfen. Und deine Tochter auch. Lös deine Probleme jetzt gefälligst selber.“ 
„Ihr habt alle aufgehetzt gegen mich. Aber das sag ich euch, das hat ein Nachspiel. Ich bringe dich noch ins Gefängnis, du elender Mörder.“ 
„Sag mal, Papa, geht’s eigentlich noch!?“ Tobias sah seinen Vater wütend an. „Was du hier machst ist unter aller Sau!“ 
„Tobias, was machst du denn hier? Bei diesem Mörder!“ 
„Der Markus ist mein bester Freund und es ist einfach nur schäbig, was du mit ihm und Katharina machst und gemacht hast.“ 
„Deine Schwester ist nicht viel besser als dieser Looser hier.“ 
„Du bist der Looser hier! Du merkst nicht mal mehr, wie krank dein Benehmen ist.“ Tobias regte sein Vater unglaublich auf. „Du bekommst nicht mal mit, wie viele ehrenamtliche Stunden ganz besonders Markus und Katharina und auch die anderen für die Bergrettung leisten. Stattdessen machst du sie fertig, weil sie nicht so viel Geld haben wie du!? Du unterstellst Markus einen Mord? Respekt, wie soll er das gemacht haben? Steinschlag auf Bestellung, oder wie? Und obendrein bestichst du auch noch andere, um Katharina von Markus zu trennen? Wie armselig bist du?“ 
„Rede nicht von Dingen von denen du keine Ahnung hast.“ 
„Ich weiß sehr wohl, was du getan hast!“ 
„Von wem? Deiner ach so tollen Schwester?“ 
„Ja, von mir!“ Katharina stand nun in der Tür und sah ihren Vater wuterfüllt an. Sie hatte genug gehört und sie wollte ihm nicht mehr aus dem Weg gehen. 
„Und ich weiß ja wohl am besten, was du getan hast! Du hast meine Seelenkrise schamlos für deine Zwecke ausgenutzt, damit ich mich von Markus trenne, du an den Hof und an Enkelkinder kommst. Dabei hättest du ein ganz wunderbares mit Mia gehabt. Aber dein Plan ist nicht aufgegangen! Kannst dir dein Geld bei Nick wieder abholen.“ 
Markus Blick haftete auf seiner Freundin. 
„Um ein Haar hättest du zwei Leben zerstört, Markus und meins. Und anstatt dich mal bei uns dafür zu entschuldigen, kehrst du hier den großen Diktator raus, schmeißt uns auch noch aus der Bergrettung und erzählst auch noch dreist, dass Markus ein Mörder ist. Was läuft falsch bei dir? Peter Herbrechter, ich möchte dich nie wieder sehen.“ 
„Für mich bist du auch durch“, funkelte Tobias ihn an. 
“Du bist gekündigt, Tobias.” 
“Fein, dann muss ich es nicht mehr selbst machen!”, zischte er zurück. 
„Ihr werdet alle noch sehen, was ihr davon habt.“ 
„Erst mal wirst du sehen, was du davon hast, Peter. Ein Bürgermeister der die komplette Bergrettung vergrault… Und ein Vater, der seine eigene Tochter so quält wie du dieses großartige Mädel hier, der hat keine Tochter verdient. Und ebenso wenig hast du einen so tollen Schwiegersohn wie den Markus verdient, der dir doch auch schon mehrmals den Allerwertesten gerettet hat. Oder täusche ich mich da?“ 
“Er hat Johanna umgebracht!”, zischte Peter. 
“Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Ich vermisse Johanna auch, aber was du hier machst, das würde Johanna garantiert nicht gefallen.” 
“Ihr werdet mich schon noch kennenlernen. So etwas lasse ich mir von Euch nicht sagen.” 
Peter stieg zornig in seinen Wagen und fuhr davon. 
“Der ist total in seiner Trauer und seiner Wut gefangen.” Emilie hatte die ganze Zeit wortlos neben ihrer Freundin in der Tür gestanden und musste diesen Auftritt erst verdauen. 
“Der kommt da alleine auch nicht mehr raus. Aber ich kann und werde ihm da jetzt auch nicht mehr helfen”, sagte Katharina geknickt. 
“Hey, Schwesterchen, du hast alles getan, um ihm zu helfen. Er hat keine Hilfe angenommen oder konnte sie nicht annehmen. Jetzt musst du dich selbst schützen, sonst zieht der dich mit in seinen Abgrund.” 
“Und das werde ich nicht zulassen”, sagte Markus sanft. 
 
Markus telefonierte nach Peters Auftritt noch mit den Gröbminger Kollegen. Er wollte sie nicht unvorbereitet lassen, dass die Ramsauer Bergrettung weiterhin unbesetzt war. Zum Glück kannten sie sich alle untereinander gut genug, da sie sich oft gegenseitig vertraten. Wenn Markus und das Team eins nicht wollten, dann das jemand wegen des Streits mit Peter in Gefahr geriet bzw. nicht aus dieser gerettet werden konnte. Das hätte sich niemand verziehen. Auch der Bürgermeister Gröbmings, der ebenfalls Bergretter war, versprach Druck auf Peter auszuüben, damit die Ramsauer Kollegen wieder ihren Leiter zurückbekamen.  

„Sag mal, Schwesterherz, was würdest du eigentlich davon halten, wenn ich zurück in die Ramsau ziehe?“ Grinsend sah Tobi seine Schwester an. 
„Was? Ich würde mich so wahnsinnig freuen.“  
„Und ich mich auch.“ Markus Augen begannen zu leuchten. Er vermisste seinen besten Freund einfach schrecklich. 
„Ich fände das auch toll, ich möchte nämlich auch zurück nach Hause“, grinste Emilie. 
„Wie schön, dann sind wir endlich wieder zusammen.“ Katharina war überglücklich. 
„Dann kommt endlich wieder Leben in die Bude“, freute sich Markus. 
„Ich fahr übermorgen nach Südtirol und hole meine Sachen, ich bin ja eh entlassen, wie ihr wisst. Kann ich denn hier wohnen?“ Tobias schaute zwischen seiner Schwester und Markus hin und her. 
„Türlich“, grinste Katharina glücklich. 
„Dann fahr ich auch übermorgen nach Zürich und hole meinen Kram bei Lorenz ab.“ 
„Ich freu mich, wenn ihr alle da seid.“ Franz schaute ebenfalls glücklich und zufrieden. „Fehlt nur die Mia“, seufzte er. 
„Tja, die wird nicht kommen“, sagte Markus traurig. 
„Die ist glücklich in Zürich“, sagte Emilie leise. 
„Das ist die Hauptsache. Aber sie fehlt…“ Katharina klang ebenfalls sehr traurig. 
„Nimmst du bitte ihr Weihnachtsgeschenk mit, Emilie?“, fragte Markus. 
„Na klar, aber willst du es ihr denn nicht lieber selbst geben?“ 
„Eigentlich schon, ja. Wir wollten zu ihr fahren nach Weihnachten, aber unsere Tochter hat gesagt, bis zur Hochzeit hat sie überhaupt keine Zeit für uns. Wir sollen nicht kommen. Und es läge sonst ewig hier, dabei hat sie sich das Tablet so dringend von uns gewünscht.“ 
„Oh, noch ein Tablet? Lorenz hat ihr schon ein iPad gekauft. Und ein Macbook.“ 
„Was?“ Markus schaute enttäuscht. „Nimm es trotzdem mit, hat sie halt zwei.“ 

„Markus?“ Katharina sah ihm an, dass ihn etwas beschäftigte als sie zu ihm ins Bett krabbelte. 
„Ja?“ 
„Das mit Mia beschäftigt dich, oder?“ 
„Ja. Warum wünscht sie sich von Lorenz auch ein Tablet?“ 
„Mich beschäftigt eher, warum er Mia derart verwöhnt. Weißt du, was das kostet? Um die 3000€ bestimmt.“ 
“Ich weiß auch nicht, was das soll. Und ich weiß auch nicht, ob ich einschreiten sollte? Immerhin hat Mia bei uns immer auf vieles verzichten müssen, was ich ihr nicht kaufen konnte, weil schlichtweg das Geld fehlte. Und genau das ist auch noch so ein Grund, warum ich Angst vor einem zweiten Kind habe. Was ist, wenn ich es nicht ernähren kann?” 
“Dann bin ich auch noch da, ich kann auch arbeiten. Ich weiß, kommt überraschend, dass auch Frauen arbeiten können, gell?”, grinste sie. “Und stell dir vor, Verena hat versprochen, die Ohren aufzuhalten für mich. Also mach dir nicht so viele Gedanken, bitte. Und was Mia angeht: Das sollten wir unbedingt im Auge behalten und dann wirklich gegebenenfalls einschreiten.” 
“Womit hab ich eigentlich so eine gescheite Frau verdient?” 
“Keine Ahnung”, antwortete sie schelmisch und kuschelte sich neben ihn. 

Katharina und Emilie stöberten am nächsten Vormittag durch das Brautmodengeschäft. Katharina gab noch einem dieser angesagten Standard-Brautkleider eine Chance, aber irgendwie war ihr schon klar, dass es auf etwas anderes hinauslaufen würde. Diese Tüll- und Spitzenkleider erinnerten sie einfach alle zu sehr an das Shooting vor einigen Wochen, das wegen ihres Kinderwunsches Zweifel an der Beziehung mit Markus in ihr ausgelöst hatte und dadurch ebenfalls dazu beigetragen hatte, dass Peter mit seiner Intrige überhaupt Erfolg gehabt hatte und sie getrennt wurden. Nachdem sie es anprobiert hatte, war sie sicher: So etwas wollte sie gar nicht. Sie heirateten erst einmal sowieso nur standesamtlich im kleinen Kreis und das brachte sie wieder zurück zu ihrem eigentlichen Plan. Als sie auf dem Schützenfest ihr Dirndl getragen hatte, hatte Markus den ganzen Abend mit seinen Blicken förmlich an ihr gehaftet und hatte ihr immer wieder gesagt, wie gut sie darin aussah. Er hatte überhaupt nicht genug von ihr bekommen können und genau das war es, was sie für ihre Hochzeit wollte. Sie war sich sicher, dass sie ihm mit einem Dirndl eine Freude machen würde und es gab ja schließlich auch extra welche für einen solchen Anlass. Katharina probierte zwei weitere Kleider, bis sie eins in einem schönen warmen Champagnerton anhatte, dass ihr auf Anhieb gefiel und einfach perfekt zu ihrer Haarfarbe passte. Emilie bemerkte sofort das Strahlen in Katharinas Augen.  
„Ah, wir haben es gefunden“, lachte Emilie. 
„Ich glaube ja“, flüsterte Katharina.  
„Das ist das Modell Luise“, erklärte die Verkäuferin. 
„Luise?“, fragte Katharina und fasste an das L an ihrer Halskette. 
„Ja, Luise. Wieso?“ 
„Dann ist es wirklich mein Kleid. Meine Mama hieß Luise.“ 
„Es ist definitiv dein Kleid, Katharina. Es steht dir so unglaublich gut und deine Augen strahlen. Dem Markus wird es gefallen.“ 
„Es hat, was ihm gefällt: Ein tiefes Dekolleté”, lachte sie. “Und es ist bodenlang, schlicht und so schön. Ich brauche allerdings noch eine Jacke dafür, wir heiraten ja draußen.“ 
„Für das Kleid gibt es tatsächlich einen passenden Janker. Ich hole ihn mal eben.“ 

Mit verklärtem Blick betrachtete Katharina sich im Spiegel. „Wunderschön. Verraten sie mir, was das zusammen kosten würde?“ Katharina strich vorsichtig über das Kleid und fühlte sich mehr als bereit Markus zu heiraten. Es war perfekt. Hoffentlich würde der Preis ihr jetzt keinen Strich durch die Rechnung machen. 
„Sie haben Glück, das ist ein Modell vom letzten Jahr, das wird jetzt 50 % reduziert. Mit Jacke liegen sie bei 496 €.“ 
Emilie und Katharina strahlten sich glücklich an. Katharina war so erleichtert. „Super, das hätte ich gerne.“ 
„Gut, dann würde ich es jetzt abstecken, wir machen die nötigen Änderungen und dann machen wir einen Termin zur Anprobe.“ „Und einen Termin für den Bräutigam brauchen wir“, strahlte Katharina. 
„Wenn er mag, kann er morgen früh direkt kommen, so um 10 Uhr?“ 
„Das passt, er hat nämlich frei. Ich schicke ihn dann morgen mit der jungen Frau hier und meinem Bruder zu ihnen.“ 
„Dann suchen wir ihm was Schönes aus, nicht wahr?“, grinste die Verkäuferin Emilie an. 
„Genau. Und ich schwöre: Kein Tannengrün, Katharina.“  

Als Katharina und Emilie zurück auf den Hof kamen, waren Tobias und Markus gerade dabei, ein bisschen Holz zu hacken. 
„Die Jungs sind fleißig“, lächelte Katharina. 
„Aber wirklich. Sogar Tobias.“ 
„Hey, ihr beiden“, rief Katharina. „Ihr habt morgen früh ein Date.“ 
„10 Uhr mit mir beim Brautausstatter.” 
„Ah, mein Goldstück ist also fündig geworden“, grinste Markus. 
„Ja, das ist sie.“ Katharina stand jetzt vor ihm und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Macht mal fein weiter, wir haben noch was zu bequatschen.“ Katharina musste plötzlich niesen. Einmal. Zweimal. Dreimal. 
„Huch, hast du dich erkältet?“, fragte Markus. 
„Ich glaube nicht“, lächelte sie. Gemeinsam mit Emilie verschwand sie in ihrem kleinen Häuschen.  

Am Abend waren Tobias und Emilie, sehr zur Freude von Markus und Katharina, gemeinsam zum Essen ausgegangen. Markus hatte gekocht, aber Katharina hatte seine berühmte Pasta kaum angerührt. 
„Was ist los? Hast du gar keinen Hunger?“  
„Nee, ich hab Kopfschmerzen und fühl mich irgendwie nicht wohl. Liegt bestimmt am Fön.“ 
„Dann leg dich doch schon mal hin, ich komm gleich auch hoch und bring dir eine Tablette.“ 
„Danke“, lächelte sie matt und ging nach oben. Markus erledigte noch schnell den Abwasch, kochte dabei einen Tee für Katharina und folgte ihr. Sie hatte sich bis zur Nasenspitze in ihre Decke gemummelt, dabei hatte Markus vorhin so gut eingeheizt, dass er selbst nur noch ein T-Shirt anhatte. „Du wirst krank!“ Besorgt sah er sie an. 
„Ich weiß nicht, vielleicht ist es ja morgen wieder weg.“ Katharina nieste wieder mehrfach. „Oder auch nicht“, stellte sie fest, zog die Nase hoch und begann heftig zu husten. Markus reichte ihr den Tee, den sie dankend annahm, und holte ihr die Taschentuchbox aus dem Badezimmer. „Danke. Das kommt aber auch gerade wie angeflogen.“ 
„Du hast in Tirol schon zwischendurch ein paar Mal so heftig gehustet. Hast du was verschleppt vielleicht? Oder hast du dir auf der Zugspitze was eingefangen? War ja nicht so wirklich warm in unserer kleinen Suite.“ 
„Keine Ahnung, vor Tirol ging es mir sowieso alles andere als gut, das hätte ich wohl tatsächlich nicht mal bemerkt. Aber unsere Suite war doch heiß“, grinste sie. 
Auch Markus musste beim Gedanken daran schmunzeln. 
„Schau mich mal an, bitte.“ Katharina sah Markus an. „Du hast ganz glasige Augen. Damit hast du soeben das volle Verwöhnprogramm gebucht“, lächelte er. 
„Ich will dich aber nicht anstecken, Markus.“ 
„Egal, dann kann ich einfach neben dir liegen bleiben.“ Markus verschwand schnell im Bad und krabbelte dann zu Katharina ins Bett, die zwischenzeitlich schon eingeschlafen war. Markus las noch ein paar Seiten in seinem Buch, ehe er das Licht ausknipste. Es war zwar noch früh, aber Katharina sollte in Ruhe schlafen können, ohne von seinem Licht gestört zu werden.  
In der Nacht wurde Markus von Katharinas Zittern wach. Sie hatte ordentlich Schüttelfrost und bibberte entsetzlich. Und sie schien zu träumen und murmelte immer wieder seinen Namen. Markus schaltete das Licht ein und strich ihr vorsichtig über die Wange. “Katharina?” 
“Markus”, nuschelte sie. “Du bist da.” 
“Ich bin bei dir, du hast geträumt.” 
“Ich bin nicht in der Gletscherspalte”, sagte sie erleichtert.  
“Nein, du bist sicher zuhause bei mir und im warmen Bett.” 
“Mir ist so kalt.” Ihre Stimme klang richtig verzweifelt. 
“Ich wärm dich jetzt.” 
“Nein, du wirst doch krank.” 
“Keine Widerrede.” Markus schaltete das Licht wieder aus und rückte ganz dicht an Katharina, die sich direkt noch näher an ihn heran kuschelte. “Besser?”, fragte er. 
“Mhhhm” kam es von ihr. “Du bist schön warm”, murmelte sie und war schon wieder eingeschlafen. 

Am nächsten Morgen hatte der Husten bei Katharina ordentlich Fahrt aufgenommen. Markus sah ihr an, dass es ihr nicht gut ging. In der Küche bereitete er ihr einen Smoothie zu, denn so wie er seine Freundin kannte, würde sie keine feste Nahrung runter bekommen. Einen Tee hatte er direkt auch gekocht und brachte die Sachen nun rauf zu ihr. 
“Hey, du krankes Huhn, hier kommen Vitamine und ein Tee für dich.” 
“Du bist lieb, Danke. Gehst du jetzt einkaufen?” Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. 
“Ja, ich werde zwar nicht mal ansatzweise mit dir mithalten können, aber du sollst trotzdem einen halbwegs ordentlichen Mann an deiner Seite haben.” 
“Markus, mir ist egal, was du anhast. Wichtig ist, dass du da bist.” Und wieder begann sie heftig zu husten. 
“Und du bleibst heute mal schön liegen. Ich hab dir dein Handy schon auf den Nachttisch gelegt, falls was ist, dass du uns anrufen kannst. Ich beeil mich.” Markus küsste ihre Stirn. 
“Du hast immer noch Fieber.” 
“Fühlt sich auch so an.” 
“Also bleib bitte liegen, ich komme schnell wieder.” 
“Mach in Ruhe, ich warte hier auf dich und laufe auch nicht weg.” 

“Markus, nun entspann dich mal, die Katharina kommt schon solange klar.” Tobias konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Seine Schwester und sein bester Freund waren einfach unglaublich. Er konnte seinen Vater absolut nicht verstehen, was er gegen diese Beziehung einzuwenden hatte. Es war doch mehr als offensichtlich, dass diese zwei Menschen sich abgöttisch liebten und wahnsinnig aneinanderhingen. Dass sein Vater das zerstören wollte, blieb unbegreiflich. 
“Was denkst du, Emilie? Schaut doch schon nicht schlecht aus, unser Bergretter hier.” 
“Nee, er schaut schon gut aus. Aber da geht noch was”, zwinkerte sie Tobias zu. 
“Aha, jetzt bin ich neugierig auf Katharinas Kleid. Eigentlich wollte ich mich ja überraschen lassen, aber es wäre gerade einfacher, wenn ich wüsste, wie sie ausschauen wird.” 
“Katharina hat gesagt, du darfst es sehen, nur der Markus nicht.” 
Die Verkäuferin gab Emilie ein Zeichen, wo das Kleid hing und spontan griff sie nach Tobias Hand und zog ihn mit sich. Für einen Moment kribbelte es in Emilie und sie schüttelte den Gedanken direkt wieder ab. Auch Tobias erging es nicht anders. Emilies Hand fühlte sich einfach so gut in seiner an. Perfekt. Als würde wäre sie dafür gemacht. 
“Das da.” Emilie deutete auf das wunderschöne Dirndl, das im Atelier hing. 
“Woah, das ist echt so richtig schön. Ich hätte tatsächlich mit etwas anderem gerechnet, aber das da wird dem Markus gefallen, da bin ich sicher.” Tobias flüsterte, damit Markus sie nicht hören konnte. 
“Sie hatte etwas anderes an, so eins mit Tüll und Spitze, aber sie fühlte sich absolut nicht wohl. In dem Kleid hat sie sofort so selig gestrahlt und es stand ihr auch am besten. Wirst du ja bald sehen, sie sieht so hübsch aus. Und jetzt zurück, sonst wird Markus noch drauf aufmerksam.” 
Markus kam nun mit dem dritten Anzug raus. 
Emilie strahlte ihn zufrieden an. 
“Was denkst du, Tobias?” 
“Passt perfekt würde ich sagen.” 
Markus stand in einem schönem schwarzen Trachtenanzug vor ihnen. Darunter trug er ein weißes Hemd. 
“Sehr schön, dezent und chic. Perfekt, Markus. Wie fühlst du dich?” Emilie sah ihn erwartungsvoll an. 
“Das sag ich dir, wenn ich mich gesehen habe”, grinste er. 
Markus drehte sich zum Spiegel und strahlte. 
“Mir gefällt’s. Und bequem ist das Ding auch. Meint ihr, sie nimmt mich so?” 
“Natürlich” antworteten beide zeitgleich und mussten selbst lachen. 
“Dann stecken wir jetzt ab und vereinbaren auch mit ihnen einen Abholtermin.” 

Am nächsten Morgen machte sich Emilie früh auf den Weg nach Zürich. Sie wollte am Abend in Ruhe mit Lorenz sprechen und am Tag darauf zurück in die Ramsau kommen.  
Tobias fuhr noch schnell mit Markus sein Auto in die Werkstatt, ehe er sich auf den Weg nach Südtirol machte. Auch er wollte schnellstmöglich zurückkommen. 
Katharina ging es noch schlechter als am Vortag. Sie bekam immer schlechter Luft und war total geschwächt. Markus hatte sich an die erste Hühnersuppe seines Lebens gewagt. Emilie hatte ihm aber auch alles sehr gut erklärt und kochen konnte er sowieso ganz gut. Den ganzen Tag hatte er ein Auge auf Katharina und er stellte fest, dass er im Moment sogar froh war, dass er nicht zu den Einsätzen musste, sondern bei ihr bleiben konnte. 
Bisher hatte sich noch nichts weiter ergeben. Peter hatte sich nicht mehr gemeldet und die Kollegen aus Gröbming hatten ihre weitere Unterstützung zugesagt. Immerhin hatten ihre Ramsauer Kollegen auch schon sehr viele Schichten für sie übernommen und unter Kollegen half man sich, besonders bei der Bergrettung, immer gerne.  
Markus war überzeugt, dass sie bald wieder zurück in die Bergrettung kommen würden. Dass allerdings die Bergrettung ihr kleinstes Problem werden würde, ahnte er zu diesem Zeitpunkt nicht. 

7. Feuer 

Markus saß auf der Bettkante und strich seiner Freundin sanft über das heiße Gesicht. „Katharina, dein Husten wird immer schlimmer statt besser und du hast hohes Fieber. Du glühst. Wenn es morgen früh nicht besser ist, fahr ich dich zu Verena, okay?“ Katharina nickte schwach. „Ich bringe Franz mal eben zum Kulm zu Michi, die beiden übernehmen gleich meine Schicht und ich komme bald zurück. Ich muss dein Auto nehmen, meins steht ja bei Timo in der Werkstatt, aber dann kann ich ja auch direkt mal eben für dich tanken. Deine Tasche nehme ich mit wegen der Papiere. Hier stehen übrigens ein Saft und Tee für dich.“ „Danke“, flüsterte sie leise. Markus deckte sie behutsam bis zur Nasenspitze zu und als er wenig später das Haus verließ, war sie schon eingeschlafen. 

“Wie geht’s der Katharina?”, fragte Franz, als er in den Jeep kletterte.  
“Nicht gut, sie hat mächtig Fieber und hustet wie verrückt. Morgen bring ich sie zu Verena, ich denke, sie hat was verschleppt. Sie bölkt richtig und das klingt überhaupt nicht gut.” 
“Mach das, Markus, nicht, dass sie eine Lungenentzündung bekommt.” Franz klang sehr besorgt. 
“Bloß das nicht. Aber Peters Aktion hat jetzt tatsächlich mal was Gutes: Ich kann auf sie aufpassen und ein wenig verwöhnen.” 
“Ach, der Peter…”, seufzte Franz. “Den nehm ich mir noch zur Brust, das kannst mir glauben.” 
Markus musste grinsen. Die beiden alten Herren waren schon speziell. Eine wahre Hassliebe. 
“Das wird nix bringen, Franz. Der hat sich so verrannt in seiner Trauer um meine Mutter. Der braucht dringend psychologische Hilfe, sonst kommt der aus seiner tiefen Krise nicht mehr raus. Katharina hat so viel mit ihm gesprochen, ihm Hilfe angeboten, aber er schafft es einfach nicht, sie anzunehmen. Für ihn bin ich schuld und er legt jetzt seine ganze Trauer in die Wut und den Zorn auf mich. Und so langsam bin ich auch noch nicht mal mehr sauer auf ihn, er tut mir einfach leid. Er schlägt doch einfach nur noch um sich.” 
“Da hast du wahrscheinlich Recht, der ist blind vor Trauer. Und treibt damit alle von sich weg. Vielleicht sollte ich doch noch mal ganz in Ruhe mit ihm reden. Morgen fahr ich zum Hotel und besuch den alten Dickschädel.”  
“Mach das, vielleicht kommst du ja irgendwie an ihn ran.” 
Markus hatte wirklich Hoffnung, dass ein Gespräch mit Franz hilfreich sein könnte. Er dachte nicht nur an die Bergrettung oder Peters Wut auf ihn, es tat ihm in der Seele leid wie Katharina darunter litt. Sie liebte ihren Vater, das stand fest und sein Verhalten hatte sie abgrundtief verletzt. 
Mittlerweile hatten sie das Kulm erreicht und Markus parkte den Wagen einfach im Halteverbot vor der Tür. Michi wartete schon dort und grinste. 
“Hey Spezi. Pünktlich bist ja, das muss ich dir lassen.” 
“Für dich doch immer, Liebling”, witzelte Markus. 
“Hey Franz. Na? Freust dich auf unseren Männerabend heute?” 
“Und wie. Mir macht das Spaß, weißt ja.”  
“Dann kann ich euch allein lassen? Du fackelst den Laden nicht ab, gell, Franz?” Markus sah skeptisch von Michi zu Franz und umgekehrt.  
“Hau schon ab und kümmere dich um deine Frau. Wir schaffen das.” Michi fing den Schlüssel, den Markus ihm zuwarf, mit einer Hand auf. 
“Morgen bring ich sie zu Verena, kannst deine Frau schon mal vorwarnen. Wird immer schlimmer bei ihr.” 
“Scheiße, das ist nicht gut. Die Verena hat Nachtschicht, kannst ihr die Katharina auch gleich noch bringen. Grüß sie von mir, wir telefonieren.” 
“Mach ich, viel Spaß, ihr zwei.” Markus stieg zurück in Katharinas Wagen und machte sich auf den Weg. 

Auf dem Hof wälzte sich Katharina derweil im Obergeschoss ihres kleinen Hauses unruhig im Bett hin und her. Sie war nassgeschwitzt und träumte schlecht. Immer wieder tauchten ihr Vater und Nick vor ihr auf, die sie hämisch auslachten. “Du wirst noch bereuen, dass du den Hof gekauft hast, du elender Nichtsnutz… Eine Million, wenn der Kofler für immer verschwindet… Du bist keine richtige Frau…” Die Worte von Peter rotierten in Katharinas Ohren. Dann sah sie wieder ihren Vater mit gezogener Waffe vor sich. Und wieder war der Traum so real, dass sie laut Markus Namen schrie. Allerdings war sie so in ihrem Fiebertraum gefangen, dass sie nicht aufwachte. Ein paar Haarsträhnen klebten auf ihrer feuchten Stirn. Instinktiv rollte sie auf Markus Seite herüber, zog eins seiner beiden Kopfkissen in ihre Arme und beruhigte sich wieder. Allerdings war diese Ruhe nicht von langer Dauer.  

Markus hatte mittlerweile Katharinas Wagen getankt und hielt noch schnell am Supermarkt, wo er ein paar Dinge für seine Freundin einkaufte. Er wollte, dass sie schnellstmöglich wieder auf die Beine kam. Seine Sorge um sie wurde immer größer, seit Franz das Wort Pneumonie ins Spiel gebracht hatte. Der Gedanke, dass er Recht haben könnte, machte ihm Angst. Er wusste, dass mit Lungenentzündungen nicht zu spaßen war. Markus erinnerte sich, dass er sich eine schwere beidseitige in Kindertagen zugezogen hatte. Auch die Erinnerung daran, wie elend er sich damals fühlte, kam in sein Bewusstsein zurück. Carola war damals im Heim an seiner Seite gewesen und hatte sich um ihn gekümmert. Schnell flogen Dinge wie Zitronen, Orangen, Ingwer, Gemüse und Orangensaft in Markus Einkaufswagen. Er wollte einfach schnell zurück zu Katharina und sie zu Verena bringen. 

Ein lautes Piepen ertönte. Katharina warf sich im Bett hin und her. Der Wecker in ihrem Traum war aber auch unglaublich penetrant. Warum musste sie auch nur so einen Müll träumen? Verschlafen und verwirrt blinzelte sie mit den Augen. Warum bekam sie denn so verdammt schlecht Luft? Katharina tastete nach dem Nachttischlämpchen und schaltete es ein. Die Helligkeit tat ihr in den Augen weh und sie kniff diese zusammen. Nun bemerkte sie, dass es gar kein Wecker war, der sie da aus dem Schlaf gerissen hatte, sondern der Feuermelder. Irgendetwas stimmte doch hier nicht. Da zog eindeutig Rauch durch das Schlafzimmer. „Markus?“, rief sie und rappelte sich benommen auf. Dabei fiel ihr ein, dass er ja zum Kulm wollte. Katharina kletterte aus dem Bett und wankte zur Treppe. Der Rauch wurde immer dichter und drückte ihr extrem auf den Atem, obwohl sie ihren dicken Schal vor Nase und Mund presste. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie die lodernden Flammen, die das Holz in der unteren Etage komplett entzündet hatten. Sie brauchte einen Moment, um wirklich zu erfassen, was gerade passierte. Ihr Herz war augenblicklich eine Etage tiefer gesackt und klopfte wild gegen ihre Brust. Sie spürte die enorme Hitze, die zu ihr hinaufstieg und wurde aus ihrer Schockstarre zurück in die Realität befördert. Der Weg nach draußen durch die Haustür war definitiv versperrt, das ganze Untergeschoss brannte lichterloh. Katharina lief zurück ins Schlafzimmer und versuchte halbwegs klar zu denken. Sie griff ihr Handy vom Nachttisch und wählte den letzten Kontakt. Markus. „Feuer, Hilfe, oben“, japste sie und versuchte dabei durch den Flur die rettende Balkontür zu erreichen. Doch alles um sie herum drehte sich plötzlich so unglaublich schnell und zog sie ins Dunkle.  

Markus war nicht weit vom Hof entfernt, als er Katharinas Anruf annahm. Sein Herz blieb fast stehen, als er ihre Stimme hörte und als er um die nächste Kurve bog, konnte er den orangefarbigen Himmel über seinem Zuhause schon sehen. „Katharina“, rief er. Aber sie antwortete nicht mehr. Sein Herz hämmerte heftig gegen seine Brust, Panik machte sich in ihm breit. Markus rief sofort die Feuerwehr und beschleunigte das Tempo. So schnell er konnte fuhr er nach Hause. Noch nie erschien ihm der Weg so endlos lang. Seine Gedanken fuhren Achterbahn.  
Auf dem Hof musste er sorgenvoll erkennen, dass nicht nur ihr kleines Holzhäuschen in Flammen stand, das Haupthaus brannte ebenfalls. Markus konnte nicht weiter darüber nachdenken, wie es dazu kommen konnte, seine einzige Sorge galt gerade seiner zukünftigen Frau. Er musste jetzt erst einmal Katharina finden. Er stellte ihren Wagen etwas entfernt von den Häusern ab und rannte zur Tür. In der Ferne hörte er schon die Martinshörner. Markus versuchte durch die Eingangstür ins Haus zu kommen, musste aber mit Schrecken feststellen, dass es dort für ihn keinen Weg mehr ins Innere gab. Kurz hielt er inne und überlegte. Dann rannte er zu ihrer Terrasse, riss die Gartenbank, die an der Hauswand stand, zur Seite, stieg auf sie und hangelte sich am Balkon hoch. Blitzschnell war er oben angekommen und kletterte über das Geländer. Ihm war klar, dass jetzt jede Sekunde zählte. Durch die Balkontür konnte er nur noch Rauch im Inneren sehen. Markus warf sich mit aller Kraft gegen die Tür. Einmal. Zweimal. Beim dritten Anlauf gab sie endlich nach und das Glas fiel klirrend zu Boden. Das Klirren konnte Markus nicht einmal hören. Schnell drückte er sich durch die Tür. Dass er sich dabei am Glas verletzte, spürte er nicht einmal. Er zog seinen Pullover über Mund und Nase, da er kaum Luft bekam und versuchte, den Weg Richtung Schlafzimmer zu finden. Doch dann konnte er Katharina am Boden liegend erkennen. Offenbar war sie auf ihrer Flucht nach draußen zusammengeklappt. Markus stürzte auf Katharina zu und kniete sich neben sie. „Katharina“, flüsterte er leise. Markus zog sie hoch, nahm sie auf seine Arme und trug sie zum Balkon. Sie mussten dringend weg vom Haus, die Flammen hatten schon so viel ihres Heims verschluckt, dass er befürchtete, gleich würde es nicht mehr standhalten. Markus sah nur einen Weg hinaus. Den, über den er gekommen war. Er hielt Katharina mit einem Arm ganz fest an sich gedrückt, damit sie ihm nicht wegsacken konnte und kletterte über die Balkonbrüstung. Markus saß nun sehr wackelig auf dem schmalen Geländer und zog Katharina ebenfalls ganz zu sich auf die andere Seite. Dann verlor er das Gleichgewicht. Zusammen mit Katharina, die er fest in seinen Armen hielt und instinktiv vor einem harten Aufprall beschützte, ging es aus dem 1. Stock in die Tiefe. Die Landung war unsanft, Markus spürte einen heftigen Schmerz, aber er raffte sich direkt wieder auf und entfernte sich mit Katharina, die er weiter fest umklammerte und an sich drückte, vom Haus.  
 
Im selben Moment kamen Feuerwehr und Krankenwagen auf den Hof gefahren. „Markus?“ Er erkannte zu seiner Überraschung Verenas vertraute Stimme und noch nie hatte er sich so gefreut, sie zu hören. Hilfesuchend sah er die Ärztin an. „Hilf ihr, Verena, bitte.“ Markus hielt Katharina weiterhin in seinen Armen. In seinen Augen schimmerten Tränen. Verena kniete sich neben ihre Freunde und strich Markus beruhigend über den Arm. „Darum bin ich hier“, sagte sie sanft. „Michi sagte, Katharina ging es so schlecht? Beschreib mir das bitte kurz, Markus.“ Ihre Kollegen nahmen Markus derweil seine Freundin ab und legten sie auf die Trage. „Sie hat hohes Fieber, heftigen Husten, Schüttelfrost, ist total schwach und hat Erkältungssymptome. Und ich finde, sie macht Geräusche beim Atmen. Seit drei Tagen geht das jetzt und es wird irgendwie immer schlimmer statt besser. Ich wollte sie gleich zu Dir bringen, Verena.“ Verzweifelt sah er sie an. „Okay, Danke Markus. Komm.“ Verena forderte ihn auf in den Rettungswagen zu steigen. Doch Verena merkte sofort, dass Markus nicht wirklich laufen konnte. Ein Sanitäter kam zur Hilfe. „Markus, der Florian hilft dir und ich kümmere mich um Katharina, ja?“ Er nickte nur und nahm die Dinge um sich nicht mehr wirklich wahr. In Windeseile fuhren sie mit Blaulicht in die Klinik nach Schladming. 

 

8. Schlimmer Verdacht

„Markus?“ Verena hockte sich vor ihren Freund, der verzweifelt im Krankenhaus in der Notaufnahme saß. Bisher hatte er selbst jede Untersuchung verweigert, bevor er nicht eine Info über Katharinas Gesundheitszustand bekommen hätte. Aus verweinten Augen sah er sie an. „Hey, sie lebt. Aber ich will nichts schönreden: Sie hat eine Rauchvergiftung und eine Pneumonie. Das ist keine gute Mischung, aber sie ist derzeit stabil.“ 
„Sie kann also immer noch sterben?“ Seine Stimme war rau und krächzend. 
Verena seufzte und nickte. „Leider ja. Sie hat verdammt hohes Fieber. Viel zu hoch. Sie bekommt aber bereits Antibiotika und fiebersenkende Mittel.“ 
„Darf ich zu ihr? Bitte, Verena.“ 
“Na gut, aber nur kurz und nur im Rollstuhl.” Sie deutete auf den, in dem Markus vorher zur Notaufnahme gefahren wurde und den er eigenmächtig wieder verlassen hatte, um auf einem der Besucherstühle Platz zu nehmen. “Dein Bein gefällt mir nämlich nicht, da ist garantiert was drin kaputt. Das müssen wir uns gleich dringend ansehen.” 
Markus nickte. Dass es so einfach werden würde, hätte Verena nicht erwartet. Er musste unter Schock stehen. Normalerweise hätte Markus sie jetzt in Grund und Boden diskutiert. Verena schob ihn Richtung Intensivstation, nachdem er brav wieder im Rollstuhl Platz genommen hatte. „Hast du noch gar keinen angerufen, Markus?“, fragte Verena. Sie war überrascht, dass noch nicht das ganze Team der Bergrettung im Flur gestanden hatte. „Kein Handy“, flüsterte er und hustete. „Liegt im Auto“, krächzte er. „Okay, die Schwestern hätten dir auch mal unser Telefon geben können. Wen soll ich denn zuerst anrufen, Markus?“ “Tobi”, flüsterte er. Das hätte sich Verena eigentlich auch selbst denken können. “Okay.” Sie blieb stehen, griff nach ihrem Handy und wählte Tobias an. 

„Markus, wenn wir jetzt zu Katharina gehen, erschrick nicht, dass sie an der Beatmung hängt. Sie ist nicht bei Bewusstsein. Ihr Fieber liegt derzeit bei 42,2, sie bekommt mehrere Infusionen gerade, damit wir sie schnell aus der Krise kriegen. Und sie hängt gerade an vielen Überwachungssystemen.“ Markus nickte. 

Verena schob ihn vorsichtig in den Raum, der von einem monotonen Piepen erfüllt war. Markus Blick lag zuerst auf seiner zukünftigen Frau, deren Oberkörper sich zu seiner Erleichterung regelmäßig auf und ab bewegte und wanderte zu den Apparaturen hinter ihrem Bett. 
Markus griff vorsichtig nach ihrer Hand. „Katharina? Bitte bleib bei mir“, flüsterte er. Tränen liefen nun über seine Wangen. Verena gönnte ihm einen Moment alleine mit ihr. Die Beiden hatten so viel mitgemacht, dass es ihr in der Seele wehtat. Sie wusste auch schon, wo sie Markus unterbringen würde, auch wenn er kein Fall für die Intensivstation war. 
Sanft streichelte Markus über Katharinas Hand. Er dachte daran, was gerade passiert war. Sie hatten kein Zuhause mehr. Wo sollten sie denn nur hin, wenn sie hier rauskamen? Und wo sollten Franz, Emilie und Tobias hin? Zum ersten Mal war er erleichtert, dass Mia weit weg von zu Hause war. „Lass mich nicht alleine, hörst du? Geh nicht weg!“ Markus fühlte sich so unendlich hilflos. Und sein Kopf konnte und wollte einfach nicht wirklich begreifen, was in den letzten Stunden geschehen war. Er wünschte sich so sehr, aus diesem Albtraum zu erwachen, doch das Piepen der Apparate und Katharina, die so regungslos vor ihm lag, waren einfach Realität. 
Wie zu erwarten, wollte sich Markus gar nicht von Katharina lösen, als Verena zurückkam. Er hatte panische Angst, dass sie aufhören könnte zu atmen. 
“Kann ich nicht hierbleiben?”, fragte Markus verzweifelt. 
„Erst, wenn ich dich untersucht habe. Du blutest, kannst kaum gehen und hustest. Aber danach bekommst du ein Bett direkt neben ihr. Deal?“ 
„Okay.“ Markus antwortete fast tonlos. Er wusste, Verena war unnachgiebig und er wusste auch, dass sie recht hatte. Aber seine Angst war einfach übermächtig. 

Verena versorgte zuerst seine blutenden und teils tiefen Schnittwunden an den Händen, die er sich von den Scherben der Balkontür zugezogen hatte. Dann brachte sie ihren Patienten zum Röntgen. Markus zuckte dabei nicht einmal, er stand definitiv unter Schock. „Oh, Markus, du hast dir den Fuß gebrochen. Das gibt einen chicen Gips für dich. Und dein Knie hat auch was abbekommen, da ist dir ein Band gerissen. Da ich dich gerade ungern operieren würde, würde ich es gern auf konservativem Weg versuchen.“ Markus nickte nur und hustete zum wiederholten Male. „Eine leichte Rauchvergiftung hast du nämlich definitiv auch.“ Markus ließ alles brav über sich ergehen, umso schneller kam er zu Katharina. Verena gab Markus auch direkt Schmerzmittel, denn eins war klar: Er musste Schmerzen haben. Spätestens wenn sein Schock nachließ, würden sie ihn einholen. Dann schob sie Markus mit dem Rollstuhl zurück in Katharinas Zimmer.  
„So, Markus, jetzt darfst du dir noch einmal kurz deine Frau ansehen und dann ab ins Bett mit dir. Du bekommst auch eine Runde Sauerstoff.“ Bereitwillig ließ sich Markus ins Bett verfrachten und auch Sauerstoff geben. Er war froh, dass er bei Katharina sein konnte und sie im Blick hatte. Und er war müde. Schrecklich müde. Markus versuchte dagegen anzukämpfen. Er wollte Katharina im Auge behalten. Die Angst um sie machte ihn fast wahnsinnig. Er wollte sie festhalten, wenigstens ihre Hand. 
“Markus, es ist okay, wenn du jetzt schläfst.” 
“Nein. Verena, wenn sie jetzt sterben sollte…” Markus war völlig fertig. Verena seufzte und sah zwischen ihren beiden Freunden hin und her. Kurzentschlossen schob sie Markus Bett an Katharinas rechte Seite.  
“Ausnahmsweise!” Mahnend, aber mit einem Schmunzeln sah sie Markus an, dem ein dankbares Lächeln übers Gesicht huschte. “Ich musste gerade daran denken, wie ihr mir den Michi damals nach seinem Sturz in die Gletscherspalte eingeliefert habt und wie schrecklich ich mich da gefühlt habe.” 
“Meinst du, sie schafft das?” 
“Versprechen kann und will ich dir nichts, aber ich kenne Katharina auch schon eine ganze Weile. Für dich setzt sie doch Himmel und Hölle in Bewegung. Sie wird kämpfen und nicht so leicht aufgeben, da bin ich mir sicher. Ohne dich wäre sie jetzt nicht mehr da, Markus. Du hast ihr definitiv das Leben gerettet.” 
Markus nahm Katharinas Hand in seine und hielt sie ganz fest. 
“Und jetzt schlaf du auch. Wenn du was brauchst, ich habe noch ein bisschen Dienst. Klingel einfach.” 
“Verena, kannst du die anderen bitte noch für mich informieren? Und den Franz, wo soll der Franz denn schlafen?” Markus krächzte ziemlich verzweifelt. 
“Na klar, ich sag allen Bescheid und der Franz schläft erst mal bei uns. Und denk dran, ihr habt Freunde, die für euch da sind und euch helfen werden, okay?” 
“Danke.” Markus schenkte ihr ein dankbares Lächeln, als sie den Raum verließ. 
Markus beobachtete noch einen Moment Katharinas gleichmäßigen, aber ziemlich rasselnden Atem und schlief dann auch ein. 

Auf dem Flur wartete bereits Jessi auf Verena. „Hey Jessi“, grüßte die Ärztin freundlich. 
„Hey Verena. Du, kann ich zu Markus oder Katharina?“ 
„Heute nicht, nee. Katharina ist gar nicht bei Bewusstsein und auch noch nicht über den Berg. Sie kämpft gerade mit einer schweren Lungenentzündung und einer Rauchvergiftung. Ihr Zustand ist echt kritisch. Und der Markus steht total unter Schock, der hat sich den Fuß gebrochen und hat auch eine leichte Rauchvergiftung. Normalerweise müsste der gerade höllische Schmerzen haben, aber der ist so durch, der merkt aktuell nix davon.“ 
„Das wundert mich nicht“, sagte Jessi bedrückt. Jeder wusste, wie sehr er Katharina liebte und wie sehr er litt, wenn es ihr nicht gut ging. „Aber vielleicht kannst du mir schon mal mit einer Einschätzung so unter Freunden helfen. Es war nämlich definitiv vorsätzliche Brandstiftung. Molotowcocktails. Wer immer das getan hat – und ich denke, dass wir beide wissen, wen ich mir als Erstes zur Brust nehme, hat es also bewusst getan und in Kauf genommen, dass Katharina stirbt. Hätte wohl sonst noch jemand ein Interesse daran, den Hof abzubrennen?” 
„Da fällt mir auch leider nur einer ein. Und zwar der, den ich bewusst nicht informiert habe, dass seine Tochter hier ist. Nach der Aktion neulich glaube ich auch nicht, dass sie ihn hier haben will. Aber er hat Markus doch gedroht, dass er den Hofkauf noch bitter bereuen wird. Und ich wünschte, es wäre nicht ausgerechnet ihr eigener Vater. Das wird sie nicht verkraften.“ 
„Nee, aber immerhin gibt es auch gute Nachrichten von der Feuerwehr. Das Haupthaus hat wie durch ein Wunder nicht ganz so viel abbekommen. Das wird wohl in ein paar Wochen wieder bewohnbar sein.“ 
„Und was ist mit Markus und Katharinas Häuschen?“ 
Jessi schüttelte nur traurig den Kopf. „Ach, ich hab hier Katharinas Tasche und ihren Autoschlüssel. Und Markus Handy auch, das lag auch in Katharinas Wagen. Kannst du das Markus schon mal geben?“ 
„Na klar.“ 
„Das Auto steht übrigens unten in der Tiefgarage. Gert und ich haben gedacht, dann hat er es hier. Und ich geh jetzt mal ihrem alten Herrn auf den Zahn fühlen.“ 
„Halt mich auf dem Laufenden. Ich werde jetzt mal unsere Truppe informieren, Markus hat mich drum gebeten.“ 
„Mach ich. Du mich aber bitte auch! Simon sag ich jetzt Bescheid.“ 
 

Jessi machte sich auf den Weg zum Hotel von Peter Herbrechter. Sie fand ihn in seinem Büro. Stolz stand er vor dem Miniaturmodell seiner Seilbahn.  
„Herr Herbrechter?“ 
„Ja? Ah, Hallo Frau Pollath, was treibt sie denn zu dieser späten Stunde zu mir?“ Seine plötzliche innere Anspannung blieb ihr nicht verborgen. Jessi wäre es lieber gewesen, sie wäre – um Katharinas Willen – auf einer falschen Fährte, aber ihr Instinkt sprach da eine ganz andere Sprache. 
„Das Haus ihrer Tochter ist abgebrannt.“ 
„Waaaas?“ Seine übertriebene Art ließ sie weiter aufhorchen. 
„Das tut mir aber leid. Wo ist sie denn? Traut sie sich nicht selbst her, muss sie sie vorschicken?“ 
„Herr Herbrechter, sie kann nicht selbst kommen, selbst wenn sie es wollen würde. Sie liegt im Krankenhaus. Wo waren Sie denn heute am frühen Abend?“, fragte sie geradeheraus. 
„Hier natürlich. Was soll denn diese unverschämte Frage. Sagen Sie mir lieber, was mit meiner Tochter ist.“ 
„Herr Kofler hat sie gerade noch rechtzeitig aus den Flammen gerettet.“ 
„Markus?“, fragte er ungläubig. 
„Ja, Markus hat sie aus dem Haus geholt, kurz bevor es zusammengestürzt ist.“ 
Peter ließ sich in seinen Sessel fallen. 
“Also, wo waren sie heute zwischen 17 und 18 Uhr?” 
“Hier im Hotel. Wieso war Katharina denn da?” 
“Weil sie da wohnt?” 
“Aber sie sollte doch gar nicht da sein.” 
“Bitte?”, fragte Jessi. 
Peter Herbrechter begann leicht zu stottern. 
„Äh… sie… hätte doch Dienst gehabt hier im Hotel.“  
„Herr Herbrechter, ihre Tochter arbeitet doch schon seit Wochen nicht mehr hier.“  
„Doch, doch, da sind sie falsch informiert. Sie arbeitet wieder hier.“  
Jessi glaubte ihm kein Wort. Katharina hatte doch gekündigt, nachdem sie herausgefunden hatte, was ihr Vater versucht hatte. Sie hatte es ihr selbst erzählt. Das würde sie unbedingt noch mal bei Markus abklopfen, um alle Möglichkeiten auszuschließen. 
„Ich muss aber jetzt zu meiner Tochter, wenn sie mich bitte entschuldigen würden.“  
Peter Herbrechter war plötzlich übernervös und sichtlich aufgeregt.  
„Sie werden aber nicht zu ihr dürfen, sie liegt auf der Intensivstation.“ 
„Ich muss sie sehen“, flüsterte er. 
„Okay, dann kommen sie bitte morgen auf die Wache, ich brauche ihre Aussage. Guten Abend.“ 
Jessi drehte sich um und verließ den Raum. „So, Herr Herbrechter, dich krieg ich“, dachte sie im Stillen, denn sie war sich sicher, dass Katharinas Vater nicht unschuldig war. Jessi rief schnell Verena an, um sie auf Peters Auftauchen vorzubereiten. 

Verena machte sich direkt auf den Weg zur Intensivstation und steuerte das Zimmer ihrer Freunde an. Leise öffnete sie die Tür und betrat den Raum. Markus schlug direkt die Augen auf. „Hey“, sagte sie sanft. „Ich wollte noch mal nach euch sehen.“ Markus sah ihr an, dass noch mehr war. „Was ist los, Verena? Ist was mit Katharina?“ Panisch sah er zu seiner Freundin. „Nein, alles gut, Markus, ihre Werte sind so weit stabil.“ Mittlerweile war sie an sein Bett herangetreten. „Jessi hat mich gerade angerufen. Peter ist auf dem Weg hierhin. Er will wohl unbedingt Katharina sehen. Aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre, ihn zu ihr, also zu euch zu lassen.“ Markus brauchte einen Moment. Sein Kopf dachte angestrengt nach. Peter war immerhin Katharinas Vater. Aber ob seine Anwesenheit für sie gerade gut war? Prüfend sah er sie an. “Ich glaube, sie würde das nur aufregen. Mein Bauchgefühl sagt nein.” “Danke, meins war auch nicht gut, darum bin ich gekommen. Ich lass ihn wegschicken. Und jetzt schlaf weiter und erhol dich.” 

Verena hatte sich gerade einen Kaffee aus der Kantine geholt, als sie die erboste Stimme Peters aus der Empfangshalle hören könnte. Sie hatte schon befürchtet, dass er es nicht so einfach hinnehmen würde, dass er nicht zu seiner Tochter durfte. Auch sie kannte den Vater ihrer Freundin mittlerweile. Der Bürgermeister war es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach. So auch jetzt nicht. Kurz dachte sie daran, wie er sie und Michi getraut hatte und nun, nach dem Tod von Johanna, erkannte sie ihn einfach nicht wieder.  
“Verstehen sie nicht? Ich muss zu meiner Tochter. Ich muss sie sehen.” 
“Hallo Herr Herbrechter”, begrüßte Verena ihn. 
“Ah, Frau Doktor Auerbach, sie schickt der Himmel. Diese Dame will mich nicht zu Katharina lassen.” 
“Das geht auch gerade nicht. Katharina liegt auf der Intensivstation und braucht absolute Ruhe. Sie darf sich nicht aufregen und ihr Besuch würde sie aufregen.” 
“Aber, das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich will sofort meine Tochter sehen.” 
“Herr Herbrechter, bitte. Wenn es ihr besser geht, herzlich gerne, aber jetzt geht es gerade nicht.” 
“Ich werde hier nicht weggehen, ehe ich Katharina gesehen habe.” Trotzig verschränkte Peter die Arme vor der Brust. 
“Ich weiß ja, dass sie für gewöhnlich immer ihren Willen bekommen, aber hier und heute bekommen sie ihn nicht.” Verena verlor langsam die Geduld und funkelte ihn böse an. 
“Bitte, ich muss doch wissen, dass sie lebt.” 
“Sie lebt, aber sie ist noch nicht über den Berg. Ihr Zustand ist kritisch. Und genau darum: keinerlei Aufregung. Und jetzt spreche ich als gute Freundin ihrer Tochter und nicht als ihre Ärztin. Aufregung hatte Katharina ihretwegen in den letzten Wochen schon mehr als genug. Und nicht nur sie, Markus genauso. Sie haben die Beiden so verdammt gequält. Tun sie jetzt mal das Richtige für Katharina und geben sie ihr den Raum, um gesund zu werden. Und wenn sie ihre Tochter wirklich lieben, dann lassen sie sich endlich bei der Trauerbewältigung helfen, statt Gift und Galle zu spucken und ihre Familie zu schikanieren.” 
“Bravo, Verena, besser hätte ich es nicht ausdrücken können.” Tobias hatte ihre Worte mit angehört, als er ins Gebäude getreten war. 
“Sie hat recht, Papa. Lass dir endlich helfen.” 
Peter Herbrechter sah zwischen seinem Sohn und der Freundin seiner Tochter hin und her. 
“Ich muss sie sehen, Tobias.” 
„Du wirst sie sehen, aber eben heute nicht. Lass Katharina Zeit, bitte. Die Verena passt schon gut auf sie auf. Und die Verena hat recht, du hast dich total verrannt. Denk bitte endlich über eine Therapie nach.“ 
Peter seufzte tief. 
„Bitte, geh heim.“ 
„Aber ich komme wieder.“ Geknickt stapfte Peter davon. 
„Hey Tobi“, begrüßte Verena nun endlich ihren Freund, der sie direkt umarmte. 
„Wie geht’s denn unseren beiden Sorgenkindern?“ 
„Komm mit, ich bring dich hin,“ flüsterte sie verschwörerisch. „Bist du hierher geflogen, sag mal?“ 
„Ich hatte schon alles fertig gepackt und die Straßen waren leer“, grinste Tobias. „Die Emilie kommt auch morgen.“ 
Vor dem Zimmer auf der Intensivstation hielt Verena inne. „Da wären wir. Ich glaube, Markus wird froh sein, dass du da bist. Er hat so schreckliche Angst um deine Schwester.“ 
„Ich doch auch. Ehrlich, Verena, was denkst du?“ 
„Ich würde euch gerne beruhigen, aber das kann ich noch nicht. Ihr Fieber sinkt zwar ganz langsam, aber sie hat viel Rauch eingeatmet. Aber, wenn es eine schaffen kann, dann eine starke und zähe Person wie Katharina.“ 
„Sie schafft das. Alleine für Markus, den würde sie niemals mehr freiwillig verlassen.“ 
„Im Leben nicht“, lachte Verena. 
„Na los, geh rein.“ 
Leise trat Tobias in den Raum. Sein erster Blick fiel auf seine Schwester. Unweigerlich dachte er daran zurück, als sie ihr Baby vor ein paar Jahren verloren hatte. Den Verlust hatte sie bis heute nicht verkraftet. Damals war es auch Markus, der zu ihrer Rechten saß und ihre Hand hielt. Diesmal lag er schlafend neben ihr, aber ihre Hand hielt er auch heute in seiner. Katharinas Wangen waren hochrot, der Rest ihres Gesichts, was er durch die Sauerstoffmaske davon sehen konnte, war dagegen blass wie die Wand. Tobias streichelte kurz über ihre Finger, als sich hinter ihm die Tür öffnete. 
„Hallo Tobias“, wurde er freundlich von einer Schwester begrüßt. 
„Hallo Tanja.“ 
„Schaust nur nach deiner Schwester oder bleibst länger?“ 
„Ich bleibe.“ 
„Fein, dann sehen wir dich ja wieder öfter hier“, lachte sie und machte sich daran, Katharinas Wadenwickel zu erneuern. 
„Wadenwickel?“, fragte er. „Ernsthaft? Die haben schon als Kind nichts geholfen.“ 
„Das denkst auch nur du, die alten Hausmittel unterstützen ganz gut, glaubs mir.“ 
„Das sagt die Emilie auch immer.“ 
„Und recht hat sie, die Emilie. Schau, Katharinas Fieber ist schon auf 41,8 gesunken. Das ist sehr gut. Als sie her kam hatte sie die 42er-Marke bereits überschritten.“ 
Tobias seufzte erleichtert. 
„Wir tun alles, damit Katharina gesund wird, versprochen.“ 
„Danke, Tanja.“ 
„Tobi?“, flüsterte Markus mit rauer Stimme. 
„Kümmer dich mal um den Markus, ich muss weiter“, lächelte die Schwester Tobias zu. 
„Hey Markus“, Tobi kam nun zu seinem Freund. „Wie hast denn das geschafft, dass ihr hier ein chices Doppelbett bekommen habt?“  
Markus musste auch lächeln. 
„Ich muss doch auf deine Schwester aufpassen.“ 
„Und selbst gesund werden, Joe Cocker.“ 
„Katharina ist wichtiger.“ 
„Du, die schafft das schon, ihr Fieber sinkt.“ 
„Gott sei Dank.“ Markus atmete erleichtert aus. 
„41,8 hat sie jetzt. Immer noch viel zu hoch, aber es sinkt langsam.“ 
„Dein Vater… will sie sehen…“ 
„Ich weiß, der war schon da. Verena hat ihm gerade eine Ansage gemacht. Der ist jetzt weg, kommt aber garantiert wieder. Ich glaube, er muss sie einfach sehen, um zu begreifen. Vielleicht sollte er hier draußen ans Fenster dürfen, da regt er sie nicht auf. Vielleicht kriegen wir ihn ja so wachgerüttelt, was meinst du?“ 
„Solange er ihr nicht zu nah kommt und ihr schadet.“ 
„Ich pass auf, okay?“ 
„Okay. Ein Versuch ist es wert.“ 
„Und jetzt erzähl mir wie es dir geht? Du scheinst ja erst mal auszufallen, wenn ich mir dein Bein so anschaue.“ 
„Ja, der Fuß ist gebrochen und irgendwas im Knie. Ich bin scheiße aufgekommen, als ich mit Katharina über den Balkon gesprungen bin.“ 
Tobi zog fragend eine Augenbraue hoch.  
„Setz dich, ich erzähl’s dir.“ Markus klopfte dabei auf die linke Seite seines Bettes.  
 
Als Verena einen Blick ins Zimmer ihrer Freunde warf, musste sie lachen. Da lag doch tatsächlich Tobias mit in Markus Bett. Man konnte ihre Freunde auch einfach nicht für einen Moment aus den Augen lassen, aber sie ließ sie gewähren. Schwester Tanja kam mit einem neuen Wadenwickel für Katharina. 
„Lassen wir sie schlafen? Die reißen sich doch oft genug den Popo für alle anderen auf. Jetzt können wir mal was für sie tun, oder?“ 
„Seh ich auch so, Tanja. Gönnen wir es ihnen. Die Wadenwickel helfen tatsächlich, 41,5. Es geht weiter runter.“ 
„Ja, langsam, aber stetig. Ich sag gleich meiner Ablöse, dass sie weiter machen soll.“ 
„Sehr gut, ich schau auch regelmäßig hier vorbei.“ 
 
Irgendwann in der Nacht hatte sich Tobias auf den Weg ins Hotel gemacht. Katharina war die Nacht über stabil geblieben, war aber bisher nicht aufgewacht. Das Fieber war immer noch hoch, lag aber mittlerweile bei 41,2. Markus wurde seine Sauerstoffzufuhr am Morgen los und sein Fuß wurde nach wie vor gekühlt. Er lag zu Katharina gewandt und streichelte einfach ihre Hand. Verena beobachtete ihn schmunzelnd. So viel Liebe, da ging ihr immer wieder das Herz auf. Wieso durften ausgerechnet diese beiden Menschen nicht einfach mal länger glücklich sein? Die beiden hatten doch in der letzten Zeit schon so viel mitgemacht, jetzt lagen sie hier im Krankenhaus und hatten mit ansehen müssen, wie sie ihr geliebtes Heim, für das sie so mit Peter gekämpft hatten, an die Flammen verloren. Markus hatte so viel Liebe in das Haus gesteckt, um für Mia und Katharina ein Zuhause zu schaffen.  
„Markus? Katharina geht es den Umständen entsprechend gut. Ihr Fieber ist auch schon wieder etwas gesunken. Wie geht es deinem Fuß? Brauchst du mehr Schmerzmittel?” 
“Nee, alles gut, Verena.” 
“Ich hab übrigens gerade mit Jessi telefoniert. Das Haupthaus ist wohl in ein paar Wochen wieder bewohnbar, hat sie gesagt. Das hat wohl nicht ganz so viel abbekommen, wie zuerst vermutet.” 
“Aber unser Haus…”, flüsterte Markus. 
“Gibt es leider nicht mehr”, sagte Verena leise. “Du hast Katharina gerade noch rechtzeitig rausgeholt.” 
“Ich möchte nicht drüber nachdenken, was passiert wäre, wenn…” Markus schluckte. 
“Aber du warst da. Rechtzeitig. Sie lebt und in zwei Monaten wirst du sie heiraten.” 
Markus musste lächeln. Der Gedanke, dass sie bald verheiratet waren, gefiel ihm und gab ihm auch Kraft. 
“Jessi kommt übrigens heute Abend mal eben vorbei. Und Emilie hab ich auch für heute einen Besuch erlaubt. Also ruh dich noch ein wenig aus, es wird bestimmt voll nachher, ich rechne nämlich auch mit Tobias.” 
“Herrlich”, lächelte Markus und wurde direkt wieder ernst. “Was Jessi mir sagen will, kann ich mir denken.” 
Fragend schaute Verena ihn an. 
“Verena, zwei Häuser brennen nicht einfach so. Da hat jemand nachgeholfen.” 
Betroffen nickte sie. 
“…und dabei in Kauf genommen, dass Katharina stirbt“, flüsterte er. 
“Sie lebt aber und sie schafft das. Schau mal, wie gut sich ihr Zustand von gestern auf heute entwickelt hat. Das ist es doch, was wirklich zählt. Alles andere, das packen wir gemeinsam.” 
Aufmunternd lächelte Verena ihm zu und auch Markus fasste wieder Zuversicht. Verena hatte ja recht. Ein Haus ließ sich ersetzen, aber niemals seine Katharina.  
”Ich fahr jetzt auch mal nach Hause und schlaf eine Runde. Aber ihr seid hier in den besten Händen. Bis später.“  
„Danke, Doc. Für alles.“ 

Fassungslos stand Franz mit Michi auf dem Hof. Das kleine Häuschen von Markus und Katharina war nur noch ein Haufen verbranntes Holz, das von einem rot-weißen Flatterband umzäunt war. Er dachte zurück an die Zeit, als Markus es für Mia umgebaut und für sie ein Zuhause geschaffen hatte. Später war dann Katharina zu den Beiden gezogen und machte die kleine Familie komplett. Nun war alles vom Feuer zunichtegemacht worden. Auch das Haupthaus hatte es im Eingangsbereich ordentlich erwischt. Franz konnte sich noch nicht vorstellen, dass sie wirklich in ein paar Wochen hierher zurückkehren konnten, aber die Feuerwehr hatte ihnen Hoffnung darauf gemacht. Er hörte ein weiteres Auto auf den Hof fahren und freute sich, als er Tobias und Emilie erblickte. Emilie hatte die Tränen in den Augen, als sie ihr Zuhause sah. Sie schloss Franz fest in ihre Arme und begann zu weinen. Auch Tobias hatte der Anblick des Hofes die Tränen in die Augen getrieben. Nachdem sich Emilie wieder gefangen hatte, wandte sie sich an Tobias. “Ich muss hier weg. Lass uns zur Versicherung fahren. Umso schneller da alles geklärt ist, können wir hoffentlich bald wirklich wieder nach Hause.”  
“Da kommt der Peter”, unterbrach Michi das Gespräch. 
“Was will der denn hier? Uns wieder ein Angebot für den Hof machen, damit er seine Seilbahn bauen kann? Oder sich Obdachlose anschauen?”, fragte Emilie verbittert. 
“Der wollte gestern Abend schon unbedingt Katharina sehen. Aber Verena hat ihn nicht zu ihr gelassen.” Sorgenvoll sah Tobias dem Wagen seines Vaters entgegen. Was wollte er jetzt hier? 
“Das ist auch besser so”, sagte Michi.  
Emilie nickte zustimmend. “Das seh ich auch so.” 
“Er ist zwar ihr Vater, aber nach allem, was er sich in der letzten Zeit geleistet hat, muss er erst mal wieder ein richtiger Vater für sie werden”, sagte Franz nachdenklich. 
Der Wagen des Hotel Herbrechter hielt genau neben den Freunden. 
“Guten Morgen”, grüßte Peter, als er aus dem Wagen stieg. 
“Ich wüsste nicht, was an diesem Morgen gut sein soll”, sagte Michi leise. 
“Was machst du hier?”, fragte Tobias emotionslos. 
“Markus und ich verkaufen unser Zuhause auch jetzt nicht”, fügte Emilie dem hinzu. 
Peter sah Emilie in die verweinten Augen und ein unangenehmes Gefühl zog sich durch seine Magengegend. Seine Tochter hatte den Hof auch erst kürzlich noch als ihr Zuhause betitelt, was er nicht nachvollziehen konnte. Das Hauptgebäude war alt und ihr Holzhäuschen war so winzig und auch überhaupt nicht modern. Er dagegen hatte ein 5 Sternehotel zu bieten. Wie konnten sich alle hier nur so wohlfühlen? 
“Oder möchtest du mal schauen, wo deine Tochter beinahe ihr Leben verloren hätte, wenn der von dir so gehasste Markus nicht rechtzeitig bei ihr gewesen wäre?”, fragte Franz und sah Peter fordernd dabei an. Er hatte ein seltsames Gefühl und dieses Gefühl gefiel ihm überhaupt nicht. Und er hoffte, dass er sich täuschte. Um Katharinas und Tobias Willen.  
Erschrocken sah Peter Franz ins Gesicht und versuchte seinem Blick standzuhalten. Doch der Anblick seines alten Weggefährten, der ihm so fest mit traurigen Augen in seine sah, dazu Emilie, der immer noch die Tränenspuren deutlich auf dem Gesicht lagen und auch der traurige Blick seines Sohnes, der ganz offensichtlich auch Tränen vergossen hatte, ließen ihm einen Schauer über den Rücken jagen. Er musste sich wegdrehen. Und schaute nun direkt auf den Haufen, der einmal das Heim seiner Tochter war.  
“Was habe ich nur getan?”, flüsterte er leise und seine Augen füllten sich mit Tränen. 

 

9. Traurige Gewissheit

 
“Ich muss los”, sagte Peter hastig und stieg blitzschnell in sein Auto, ohne die anderen noch eines Blickes zu würdigen. Mit quietschenden Reifen fuhr er vom Hof. 
“Was war das denn jetzt?” Michi schaute verdutzt zwischen seinen Freunden hin und her. 
“Das wüsste ich auch gern.” Kopfschüttelnd sah Tobias seinem Vater nach. 
Franz überlegte, ob er seinen Verdacht laut äußern sollte, entschied sich aber doch dagegen. Aber er musste mit Peter unter vier Augen sprechen. Und zwar dringend. 
“Wo will er denn hin?”, fragte er stattdessen. 
„Ich vermute zum Hotel oder zu Katharina. Und wir fahren jetzt zur Versicherung. Komm, Emilie.“ 
Nachdem Tobias und Emilie im Auto saßen und den Hof verließen sah Franz zu Michi. „Könntest Du mich zu Katharina fahren? Ich vermute, dass Peter eher da sein wird als im Hotel und ich muss dringend mit ihm unter vier Augen reden.“  
„Na klar, komm.“ 
Dankbar schaute Franz Michi an und stieg in sein Auto. Den Anblick des Hofes konnte Franz auch keinen Augenblick mehr länger ertragen. Außerdem lag ihm dieser schreckliche Verdacht auf der Seele, den er einfach klären musste. Und zwar schnell. Auch, wenn er ihm Angst machte und er hoffte, dass er falsch liegen würde. 
Michi bemerkte, dass Franz seinen Gedanken nachhing, schob es aber auf den Anblick seines Zuhauses. Schließlich hatte der auch ihm deutlich zugesetzt. Wenn er darüber nachdachte, welches Glück Katharina hatte, dass Markus rechtzeitig da war, zog sich sein Magen zusammen.  
Die Fahrt zum Klinikum Schladming verbrachten die beiden Männer schweigend. 

Im Wartebereich vor der Intensivstation saß tatsächlich Peter. Franz erkannte ihn eigentlich nur an der Kleidung, denn sein alter Freund saß völlig zusammengesunken auf einem der Stühle. Michi hielt bewusst etwas Abstand, denn Franz hatte ihm ja zuvor von seinem Wunsch nach einem vier Augen Gespräch berichtet.  
Franz nahm vorsichtig auf dem Stuhl neben Peter Platz.  
„Franz?“, fragte Peter verunsichert. „Was machst du denn hier?“ 
„Ich möchte mit dir reden, Peter. Was ist da gestern Abend passiert? Und sag mir nicht, du hast mit dem Feuer nichts zu tun.“ 
Erschrocken sah Peter zu Franz. 
„Woher? Ich meine, wie kommst du denn auf so was?“ 
„Ich kenne dich. Lang genug. Ich weiß, wenn du ein schlechtes Gewissen hast. Also, ich höre.“ 
„Du spinnst ja, Franz.“ 
„Ich glaube nicht, Peter. Was hast du gemacht? Hast du unseren Hof angezündet?“ 
Franz fixierte Peter, der sichtlich nervös wurde und sich schnell von seinem Stuhl erhob.  
„Herr Herbrechter, sie können jetzt ganz kurz am Fenster nach ihrer Tochter schauen.“ Die Krankenschwester warf einen Blick auf Franz und Michi. „Zu wem möchten sie?“ 
„Auch zu seiner Tochter und Herrn Kofler.“ Antwortete Franz. Michi nickte zustimmend. „Dann kommen sie direkt mit. Aber nur kurz zum Fenster, Frau Strasser schläft und braucht Ruhe. Und auch der Herr Kofler braucht noch Ruhe.“ 
Nickend folgten die drei Männer der Schwester. 
Direkt das erste Zimmer war das Zimmer ihrer Freunde. Michi schaute nur kurz auf die Beiden. Katharina und Markus schliefen. Von Verena wusste er ja schon, dass sie die Betten aneinandergestellt hatte und dass Markus Katharinas Hand überhaupt nicht losließ. Auch jetzt hielt er sie und lag so dicht an ihr, wie es die Betten zuließen. Schmunzelnd zog sich Michi wieder zurück. Er wollte seine Freunde einfach nicht stören, auch wenn er nur vor der Tür stand. Aber es tat ihm gut, sie zu sehen. 
Auch Franz gesellte sich nach einem Blick auf die Beiden zu Michi an die gegenüberliegende Wandseite des Flures. 
„Er hat was damit zu tun, oder?“, flüsterte Michi zu Franz. 
„Ich bin überzeugt davon. Noch sagt er nichts, aber seine Reaktion spricht eine andere Sprache.“ 
 
Peter konnte den Blick nicht von seiner Tochter nehmen. Katharina sah so hilflos aus, wie sie so in ihrem Bett lag. Und er trug eine Mitschuld daran, dass sie dort liegen musste. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Was hatte er nur getan? Das Leben seiner Tochter stand auf dem Spiel. Und wofür? Für eine Seilbahn. Keine Seilbahn der Welt war doch so wichtig wie das Leben seines Kindes. Warum hatte er diesem perfiden Plan mit der Brandstiftung nur zugestimmt? Er hätte es verhindern müssen, auch wenn Herr Huber von der Seilbahngesellschaft ihn so unter Druck gesetzt hatte. Er hatte das Zuhause seiner Tochter geopfert, um seinen Kopf zu wahren. Warum hatte er auch den Mund zu voll genommen und Huber versprochen, dass der Seilbahnbau in sicheren Tüchern war. Er hätte seiner Tochter einfach ihr Zuhause lassen sollen und lieber das Hotel für die Schadensersatzforderung beleihen oder verkaufen sollen. Stattdessen hatte er sich auf diesen Vorschlag von Huber eingelassen, den Hof abbrennen zu lassen. Damit hatte er sich seinem Kind und ihrem Partner gegenüber so schäbig verhalten. Er schämte sich wahnsinnig und die Angst um Katharina wurde plötzlich so übermächtig, dass sie ihn fast zu ersticken drohte. Sein Herz begann zu rasen. Die Hände waren schweißnass. Das Atmen fiel ihm mit einem Mal unglaublich schwer. Peter wurde schwindelig und sackte zu Boden. 
„Scheiße, Peter“, rief Michi und eilte, gefolgt von Franz, zu ihm. 
„Ich… ich… wollte… das… nicht…. Katharina…“, stammelte er und begann zu weinen.  
Blitzschnell waren auch zwei Schwestern und zwei Ärzte um Peter versammelt und brachten ihn in den Schockraum. 
Schockiert blieben Michi und Franz zurück.  
„Du hattest recht.“ Die Fassungslosigkeit war Michi deutlich anzumerken.  
„Ich wünschte, ich hätte unrecht gehabt, glaub mir.“ 
„Katharina und Tobi tun mir leid“, seufzte Michi. „Ich ruf jetzt die Jessi und den Tobi an.“ 

Markus hatte tatsächlich noch einmal geschlafen und von dem, was direkt vor ihrer Zimmertür geschehen war, hatte er nichts mitbekommen. Er hatte mittlerweile auch mit Mia telefoniert. Nur mit Mühe konnte er sie davon abhalten, in den nächsten Zug zu steigen. Natürlich hätte er sie am liebsten bei sich gehabt, aber wo hätte seine Tochter denn schlafen sollen? Er wusste doch nicht einmal, wo er hinsollte, wenn Verena ihn vor Katharina entlassen sollte. Markus Kopf war voller Sorgen und er hoffte so sehr, dass Katharina bald aufwachen würde. Nichts wollte er gerade mehr, als in ihre braunen Augen zu schauen und ihre beruhigende Stimme zu hören. 

Es war bereits kurz vor Mittag, als Markus bemerkte, dass sich Katharinas Hand in seiner ganz leicht bewegte. „Katharina?“ Seine Stimme war immer noch ganz rau. Er bemerkte, dass sie sehr unruhig wurde. Sie öffnete kurz ihre Augen, schloss sie aber direkt wieder. Ihre Atmung ging plötzlich viel zu schnell. Wahrscheinlich träumte sie. 
„Hey, Katharina, keine Angst, du bist in Sicherheit.“ Katharina begann sich gegen die Beatmungsmaske zu wehren, sodass Markus sie ihr kurzerhand abnahm. 
„Markus“, krächzte sie leise. 
„Katharina. Gott sei Dank.“ Vorsichtig strich er mit der Hand über ihre heiße, fiebrige Wange. „Wie fühlst du dich?“ 
„Als hätte ich… eine fiese… Bronchitis“, flüsterte sie und atmete dabei schwer. Sie musste immer wieder das Sprechen unterbrechen. „Du hast… mich raus… geholt.“ 
„Das hast du mitbekommen?“ Markus hatte nicht damit gerechnet, dass Katharina irgendwas von ihrer Rettung wusste.  
Sie nickte leicht.  
„Na ja, ich brauch dich ja schließlich auch noch. Wie soll ich denn ohne dich leben?“, grinste er verlegen. 
„Danke…“ Katharina musste wieder heftig husten, ehe sie weitersprach. Aber sie brauchte gerade einfach ein paar Antworten. “Wie geht’s Dir?”, flüsterte sie und sah ihm dabei tief in die Augen. 
“Fuß gebrochen und Bänderriss im Knie, sonst nix.” 
“Sonst nix ist gut… Hast du… Schmerzen?” 
“Alles gut bei mir, Katharina. Ehrlich, alles halb so schlimm.”  
„Was ist… mit unserem… Zuhause?“, fragte sie mit rauer Stimme. Markus schüttelte nur den Kopf. Katharina konnte sich nicht gegen die aufsteigenden Tränen in ihren Augen wehren. 
„Hey, das Haupthaus ist aber noch da und in ein paar Wochen wohl auch wieder bewohnbar. Und wir beide bauen unser Zuhause wieder auf, okay? Direkt ein bisschen größer für unsere Kinder.“ Katharina musste lächeln und schmiegte ihren Kopf an Markus Hand, die immer noch auf ihrer Wange lag. 
“Und ich? Ich hab… Fieber, oder?” 
“Ja, das hast du. Sehr hohes Fieber und du bekommst auch schon was dagegen. Du hast eine Pneumonie und dazu eine Rauchvergiftung. Du hast mir echt ganz schön Angst eingejagt.” 
“Shit”, murmelte sie. “Ich will dir… keine Angst… machen.” 
Markus merkte, wie müde sie war und wie sehr sie das Sprechen anstrengte.  
“Schlaf dich gesund. Ich pass auf dich auf.” 
Katharina nickte leicht und schloss die Augen. Markus setzte ihr die Atemmaske zurück auf die Nase und beobachtete sie noch eine ganze Weile. 
 

Am Nachmittag kam zu Markus großer Freude Emilie vorbei. Katharina schlief tief und fest und bekam nichts davon mit. 
„Schön, dass du da bist, Emilie.“ 
„Sollen wir einen Kaffee trinken gehen in der Kantine?“, fragte sie und deutete auf die schlafende Katharina. 
„Aber nur kurz, ich mag sie nicht lange allein lassen. Sie war vorhin kurz wach und ich möchte hier sein, wenn sie wieder aufwacht. Ich hab ihr versprochen, auf sie aufzupassen.“ Markus nahm seine Krücken, in den Rollstuhl wollte er absolut nicht und humpelte neben Emilie zur Kantine. Gemeinsam saßen sie in einer Ecke bei einem Kaffee. Emilie hatte Markus ein Stückchen Kuchen mitgebracht, das er dazu verputzte. Sie berichtete von ihrem Gespräch mit der Versicherung und hatte auch einen kleinen Katalog mit Fertigholzhäusern dabei, den sie dort bekommen hatte. Da Brandstiftung im Versicherungsschutz abgedeckt war und es durch Polizei und Feuerwehr sofort bestätigt werden konnte, sah ihr Versicherungsmakler auch keine Probleme bei der Kostenübernahme für ein neues Häuschen. Es würde allerdings etwas dauern, bis das Geld angewiesen werden würde. Die Firma, die die Sanierung des Haupthauses übernahm, wurde ihnen vorgegeben und würde in der nächsten Woche schon mit den Arbeiten beginnen. Ebenso würden auch die Aufräumarbeiten ihres komplett verbrannten Häuschens anfangen. Jessi hatte der Spurensicherung Beine gemacht und direkt danach schon grünes Licht gegeben. Nun lag es an Markus und Katharina, sich ein neues Häuschen auszusuchen. Markus blätterte durch den Katalog und es waren tatsächlich sehr schöne dabei. Einen Moment überlegte er, ob ein Fertighaus ihr altes Heim wirklich ersetzen konnte, aber es waren tatsächlich welche dabei, die ihn ansprachen. Auf jeden Fall sollte es größer werden und Platz für Kinder bieten. Markus blätterte das Heft um und Emilie deutete auf ein Fertighaus. 
„Das hier hat mir sofort gefallen, als ich es gesehen habe.“ Emilie konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. 
„Das sieht ja aus wie…“ 
„Ja, wie euer Häuschen. Nur eine Nummer größer. Und mit 2 Balkonen. Aber ihr hättet oben 4 Zimmer und ein Bad. Und unten ein großes Wohnzimmer, Küche und eine Gäste-Toilette. Und es liegt genau im geldlichen Rahmen.“ 
„Ich glaube, das ist es. Aber ich muss erst Katharina fragen. Auch wenn ich ihre Antwort sicher schon kenne.“ 
„Ich glaube, ich kenne ihre Antwort auch“, lächelte Emilie. 
„Danke, Emilie, dass du dich darum kümmerst. Ich könnte das gerade nicht. Mich verfolgen die Bilder von gestern. Wenn Katharina gestorben wäre…“ 
„Sie lebt, Markus. Und sie schafft das. Aber ich muss dir noch was sagen und ich wollte nicht, dass Katharina es hört. Tobias hat mich gebeten, es dir schon mal zu erzählen, er ist gerade bei Peter.“ 
Markus sah sie alarmiert an. „Er war es, oder? Ihr Vater?“, fragte er beinahe tonlos. Emilie nickte. „Zumindest hat er etwas damit zu tun. Franz hat ihn heute früh ein wenig in die Mangel genommen. Die ganzen Details kenne ich selbst noch nicht, aber ja, Peter steckt in der Sache mit drin. Er ist heute Morgen hier im Krankenhaus kollabiert, aber nichts Lebensbedrohendes. Ein Nervenzusammenbruch. Tobias ist gerade bei ihm – mit Jessi.“ 
„Oh man, Emilie. Wie soll Katharina das verkraften?“ Markus Augen schimmerten tränenerfüllt. „Sie hatte die ganzen letzten Tage doch schon Angst, dass Peter etwas Unbedachtes in seiner Trauer tut, als ob sie es geahnt hätte. Wie soll ich ihr das denn beibringen?“ 
„Noch gar nicht, Markus. Sag es ihr noch nicht. Sie muss erst kräftiger werden.“ 
„Das bricht ihr das Herz.“ Markus klang verzweifelt. Er wollte nicht, dass Katharina noch mehr leiden musste. 
„Ich weiß“, seufzte Emilie. „Sie wird dich und auch den Tobias brauchen. Sei für sie da.“ 
Markus nickte. „Immer, Emilie. Ich liebe sie so sehr, dass es weh tut. Wenn sie gestorben wäre, ich hätte ihn umgebracht.“ 
„Sie lebt aber, Markus, und sie wird wieder gesund.“ 
Markus nickte. „Lass uns nach ihr sehen, bitte.“ 

Vorsichtig öffnete Emilie die Tür und Markus humpelte an ihr vorbei ins Zimmer. Sein erster Blick fiel natürlich auf Katharina. Sie schlief, was Markus direkt etwas entspannen ließ. Er setzte sich auf sein Bett und legte seinen Fuß wieder hoch. “Wo schläfst du denn heute Nacht, Emilie?” Markus wurde gerade schmerzlich bewusst, dass Emilie ja auch ihr Zuhause verloren hatte. Vorübergehend zumindest. “Tobias hat uns in seinem Appartement im Hotel einquartiert. Glücklich sind wir darüber nicht unbedingt, aber darum geht es gerade nicht.“, lächelte sie. 
„Ich weiß gar nicht, wo Katharina und ich hinsollen“, sagte Markus traurig. 
„Ins Hotel wollt ihr wahrscheinlich nicht.“ 
„Und da jeden Tag den Peter treffen? Keine gute Idee.“ 
„Wir finden schon eine Lösung. Verena behält dich jedenfalls so lange wie möglich hier bei Katharina.“ 
Plötzlich steckte Tobias seine Nase durch die Tür. „Hey, ihr Lieben! Emilie, kannst du bitte mal kurz kommen?“ 
„Na klar. Bis gleich, Markus.“ 
„Ich komm gleich auch rüber zu euch.“ Tobias winkte Markus zu. Markus konnte sich schon denken, dass Peter ihn gerade beschäftigte. Sein Blick wanderte wieder zu seiner zukünftigen Frau. Ihre Angst war tatsächlich nicht unbegründet gewesen. Zukünftig wollte er doch mehr auf ihr Bauchgefühl hören.  

Tobias zog Emilie auf die gegenüberliegende Seite des Flures. “Peters Anwalt war bis eben gerade hier. Er hat mir jetzt die Leitung des Hotels übergeben. Und für Markus einen Scheck über 200.000 € ausgestellt. Das heißt, die Beiden müssen jetzt nicht mehr warten, bis die Versicherung bezahlt hat. Sie können sich jetzt ein Haus aussuchen und bestellen. Sofern Markus das Geld auch wirklich annimmt. Da müssen wir gegebenenfalls nachhelfen. Am besten sagen wir es ihm, wenn es Katharina besser geht.” 
Emilie nickte. “Ja, er hat gerade ganz andere Sorgen.” 
“Auch für das Haupthaus hat er dir einen Scheck ausgestellt.” Tobias hielt ihr das kleine Blatt vor die Nase.  
“50.000 €?” Mit großen Augen schaute Emilie auf den Scheck. 
“Er möchte wenigstens den finanziellen Schaden ausbügeln, sagt er.” 
Emilie sah Tobias sprachlos an. Sie verstand gerade die Welt nicht mehr. 
“Ich denke, er hat den Hof angesteckt, weil er kein Geld hat?” 
“Sagen wir es so, er hat noch ein Privatvermögen, das jetzt so gut wie weg ist. Aber der Huber von der Seilbahn, der wollte 1,5 Millionen als Entschädigung für das geplatzte Bauprojekt von ihm haben. Und er hat ihn wohl ziemlich unter Druck gesetzt. Jessi hat schon seine Aussage aufgenommen und ist unterwegs zu diesem Huber. Auf jeden Fall kommt Peter endlich zur Vernunft. Er hat verstanden, dass Markus Johanna nicht umgebracht hat und er ist auch bereit, sich helfen zu lassen.” 
“Gott sei Dank.” 
“Ich geh jetzt noch mal zu ihm und dann komm ich auch rüber.” Emilie nickte. 

Nach dem Abendessen tauschte Markus noch ein paar WhatsApp Nachrichten mit seinen Kollegen aus, die ihm voller Freude mitgeteilt hatten, dass Peter sie alle wieder eingestellt hatte und Markus wieder offiziell Leiter der Bergrettung war. Besser noch, sie würden nun alle ordentlich für ihre Arbeit bezahlt werden. Markus und Katharina würden zwar erst mal noch ausfallen, aber er war froh und erleichtert über diese Nachricht. Katharina würde sich bestimmt auch freuen. Markus schob sich ein wenig näher an sie, er brauchte einfach ihre Nähe und den Körperkontakt mit ihr. Katharina schien seine Anwesenheit zu spüren, denn auch sie lehnte ihren Kopf näher an ihn und lächelte im Schlaf.  

„Markus?“, flüsterte seine Freundin mit einer unbekannt rauen Stimme. Sofort öffnete Markus die Augen und sah sie an.  
Katharina hustete heftig. „Ich hab so Durst.“  
„Ich klingel mal nach der Schwester, meine Flasche ist schon leer. Deine Infusion ist auch schon lange durch.“  
Markus wollte gerade nach dem Knopf greifen, als Verena durch die Tür kam.  
„Hey ihr Beiden.“ Mit Erleichterung hatte sie direkt gesehen, dass Katharina wach war.  
„Hey“, krächzte Katharina.  
„Hey Doc. Du kommst genau richtig, hier hat jemand Durst und die Infusion ist auch durch.“  
„Den jemand checke ich jetzt sowieso mal durch. Was macht denn das Fieber?“  
„Immer noch über 40“, antwortete Markus, der genau aufgepasst hatte bei den Messungen der Schwestern.  
Verena gab Katharina zuerst einen Schluck zu trinken, ehe sie sie untersuchte.  
„Also, heute Nacht bekommst du noch Sauerstoff durch die Nasenklammer, Katharina, dann kannst du auch besser schlafen als mit der Maske und morgen früh erlöse ich dich dann. Antibiotika und einen weiteren Fiebersenker lass ich auch noch über Nacht durchlaufen. Und übermorgen lasse ich euch aller Voraussicht nach umziehen auf die Normalstation. Ich hätte da ein schnuckeliges kleines Doppelzimmer mit Blick genau auf unseren Heliport anzubieten. Interesse?“ Verena grinste breit.  
„Danke, Verena.“ Markus wusste gar nicht, wie er sich je bei ihr revanchieren sollte.  
„Danke“, flüsterte Katharina.  
„Dir gebe ich auch noch was für deinen Kreislauf, du hast eben so die Augen verdreht, als du dich aufgesetzt hast.“  
Katharina nickte nur dankbar und hustete wieder heftig. 

Als sie wieder allein im Zimmer waren, kroch Markus rüber zu Katharina, die sich sofort an ihn kuschelte und ihren Kopf an seinen Brustkorb legte. Markus deckte sie zu, denn trotz ihres Fiebers schien sie zu frieren und sie war leichenblass in. Er legte seinen Arm fest um sie.  
„Ist dir schwindelig?“ 
„Bisschen.“ 
„Bisschen sehr, hm?“ 
„Mhm.“ 
„Magst noch was trinken?“ 
Katharina schüttelte zaghaft den Kopf. „Halt mich einfach fest“, flüsterte sie und schloss die Augen. Markus küsste sie liebevoll aufs Haar.  
„Erzähl mir was“, bat sie leise. 
„Was denn?“ 
„Irgendwas.“ 
„Ich soll dich von unserer Tochter grüßen. Sie wäre am liebsten sofort in den nächsten Zug gesprungen. Sie sagt, ich soll gut auf dich aufpassen, weil sie dich liebhat und braucht.“ 
Katharina lächelte beim Gedanken an Mia. Sie vermisste das Mädchen so sehr.  
“Ich ruf sie an, sobald mir das Sprechen leichter fällt.” 
“Da wird sie sich freuen. Und dann steht da ja auch noch unsere Hochzeit an”, grinste Markus. Er wollte Katharina gerade einfach schöne Dinge erzählen. “Und ich habe so einen schönen Anzug gekauft, du wirst staunen… Oder willst du mich nicht mehr heiraten?” 
„Türlich will ich dich heiraten“, murmelte sie. „Aber feiern?“ 
„Ich weiß, gerade steht uns nicht der Sinn danach, aber es sind noch 8 Wochen. Bis dahin sieht die Welt schon wieder besser aus, glaub mir.“ 
Katharina musste schmunzeln. Das war einer der Gründe, warum sie diesen Mann so sehr liebte: Er blieb immer positiv und optimistisch, egal, was das Leben ihm vor die Füße warf. 

 

10. Es geht bergauf

“Et voilà, eure kleine Suite”, lachte Verena, als sie ihre Freunde in ihrem neuen Zimmer einquartierte. “Mit Blick auf den Heliport, damit euch hier nicht zu langweilig wird. Ich habe dem Michi schon gesagt, dass er euch winken soll, wenn er bei uns landet.” 
Sehnsüchtig stand Markus mit seinen Krücken am Fenster und sah auf den Heliport. “Du, Verena?”, fragte er nachdenklich, während sie Katharina aus dem Rollstuhl ins Bett half. 
“Ja?” 
“Wie lange wird das dauern, bis ich wieder mitfliegen kann?” 
Katharina hob die Augenbraue hoch. Hatte sie etwas verpasst? 
“Oh, das wird ein bisschen dauern. Vor eurer Hochzeit keinesfalls. Aber der Rudi freut sich bestimmt, wenn ihr den Innendienst übernehmt und er mit raus darf.” 
“Wovon redet ihr eigentlich?” Katharina sah zwischen Verena und Markus hin und her, während sie die Rückenlehne ihres Bettes etwas hochstellte. 
“Hast du ihr noch gar nix erzählt?” Verena war mehr als überrascht. 
“Ähm, nee.” Markus humpelte zu Katharina und setzte sich auf ihre Bettkante. Fragend sah sie ihn an. 
“Du bist wieder Bergretterin”, grinste er. 
“Echt jetzt?” Über Katharinas Gesicht legte sich ein Strahlen. 
“Japp, wir alle. Und das Beste ist: Wir werden jetzt auch noch richtig dafür bezahlt.” 
“Wow.”  
“Sieh bitte zu, dass du ganz schnell wieder fit wirst, Katharina. Ich will nicht länger in dieses gelbe Ding steigen müssen als unbedingt nötig.” Verena rollte mit den Augen. “Das kannst du mal ganz schnell wieder selbst machen.” 
“Dabei freut sich dein Mann doch so sehr, wenn du mitfliegst”, stocherte Markus nach. 
“Wenn du nicht brav bist, dann fliegst du. Nämlich hier raus und direkt auf die Herrenstation zu einem alten sabbernden Opa, der dir einen Knopf an die Backe sabbelt. Also überlege dir gut, was du sagst, Markus.” Verena grinste ihn frech an und streckte ihm die Zunge raus. 
“Ich muss aber noch etwas Ernstes mit Katharina besprechen.” 
Katharina sah ihre Freundin fragend an. 
“Der Peter liegt ja hier.” 
“Was?” Das Entsetzen im Gesicht ihrer Freundin blieb Verena nicht verborgen. 
“Man, Markus, hast du ihr das auch nicht gesagt? Oder der Tobias?” 
Markus schüttelte bedröppelt den Kopf. 
“Boah, ihr Kerle, echt.” 
“Gestern war Katharina doch noch viel zu schwach”, verteidigte sich der Bergretter und suchte Halt in den Augen seiner Freundin. 
“Sei froh, dass ich mich noch so scheiße fühle, sonst würde ich dich jetzt erwürgen”, krächzte sie. 
“Katharina…” Verzweifelt sah er sie an. 
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. Eigentlich war sie gar nicht böse auf ihn, aber sie hasste es abgrundtief, wenn er sie außen vorließ. Auch wenn sie gerade krank war, wollte sie nicht ausgeschlossen werden. “Sollte ich noch mehr wissen?”, schob sie hinterher. 
Markus nickte und schaute sie an wie ein Welpe, der gerade ins Haus gepieselt hatte und deswegen geschimpft wurde. 
Sie schüttelte nur den Kopf und sofort fühlte sie einen Schwindel aufsteigen. 
Besorgt sahen sie die Beiden an. 
“Ich hab doch gesagt, sie ist noch zu krank”, jammerte Markus. 
“Das ist ihr Kreislauf, weil sie immer noch Fieber hat, Markus”, beruhigte ihn Verena. “Den bringen wir schon wieder in Schwung. Und jetzt ab mit dir in dein Bett. Warum turnst du hier immer noch mit deinen Krücken herum? Ich hab gesagt: Kühlen und Hochlegen, Herrgott noch mal”, sagte Verena gespielt genervt. 
“Jawoll, Chefin.” Mit einem Grinsen folgte Markus ihrem Befehl und blieb vor seinem Bett stehen. 
“Was ist denn jetzt wieder?”  
Katharina konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. “Sein Bett steht falsch, Verena.” 
“Boah, ihr zwei seid die schlimmsten Patienten überhaupt, wisst ihr das eigentlich?” 
Verena umrundete Katharinas Bett und schob mit Hilfe von Markus sein Bett direkt an Katharinas. 
“Soll ich euch vielleicht noch ein Doppelbett bestellen?” 
“Das ist eine sehr gute Idee”, fand Markus. 
“Ihr seid doch so was von bescheuert, bin ich froh, wenn ihr hier wieder verschwunden seid. Ab ins Bett mit dir jetzt, sonst schicke ich dich wirklich gleich zu dem sabbernden Opa, Kollege.” 
“Jetzt komm schon rüber zu mir, du dummer Kerl, bevor Verena noch ernst macht.” Katharina klopfte mit der Hand neben sich auf die Decke. Markus stellte schnell die Rückenlehne seines Bettes auf Katharinas Höhe und krabbelte zu ihr herüber. Katharina kuschelte sich direkt in seinen Arm. 
“Für euch hätte eigentlich auch ein Bett gereicht oder?” Verena schüttelte nur den Kopf, ihre Freunde waren echt speziell. Aber sie hatte die Beiden wirklich von Herzen gern und machte den Spaß gerne mit. 
“Also, um jetzt zu dem ernsten Thema zurückzukommen, weil die Kerle hier das nicht auf die Reihe bekommen haben: Dein Vater liegt hier, Katharina.” 
“Aber warum?” 
“Er hatte gestern früh einen Nervenzusammenbruch. Hier im Krankenhaus.” 
“Warum war der denn hier?” 
“Weil er dich sehen wollte. Die Schwester hat ihn mit Franz und Michi zum Fenster gelassen und dann ist es passiert, er ist vor eurem Zimmer zusammengebrochen. Peter fragt andauernd nach dir und möchte dich unbedingt sehen.” 
Verena hatte bemerkt, wie sehr sich Katharina verspannte und auch Markus war Katharinas Anspannung nicht verborgen geblieben. 
“Ich weiß nicht, ob ich das gerade will”, gab sie leise zu. 
“Du musst überhaupt nichts, Katharina. Ich habe ihm eh gesagt, dass ich ihm nicht sagen kann, wann es dir besser geht.” 
“Danke, Verena.” 
“Ich lass euch mal alleine, jetzt könnt ihr meine Kollegen nerven, ich hab nämlich Feierabend. Und der Markus hat dir ja auch noch eine ganze Menge zu erzählen. Und danach ruhst du dich bitte aus.” 
“Verena?”, fragte Katharina. 
“Ist Nick… also… arbeitet der noch hier?” 
“Nein, keine Sorge. Der hat postwendend seine Sachen gepackt und ist nach Graz abgerauscht.” 
Katharina atmete erleichtert aus. Den hätte sie nicht auch noch ertragen. 

Nachdem Verena sich verabschiedet hatte, erzählte Markus ganz in Ruhe und der Reihe nach, was alles in den vergangenen drei Tagen geschehen war. Zu seiner Überraschung nahm Katharina die vielen Neuigkeiten gefasster auf, als er erwartet hatte. Die Entscheidung, was sie mit Peter machen würde, die vertagte sie allerdings auf den nächsten Tag, denn ihr Kopf war voll. Sie fühlte sich nach dem langen Gespräch mit Markus mit den vielen Informationen einfach unendlich erschöpft und schlief eng an ihn gedrückt ein.  
 

Als Emilie mit selbstgekochtem Mittagessen ins Krankenzimmer von Markus und Katharina kam, glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen. „Stör ich?“, fragte sie belustigt.  
Markus erkannte die Stimme sofort. „Hey Emilie. Komm ruhig rein.“ 
“Was macht ihr beide denn da?” 
“Katharina musste mal zur Toilette und ihr Kreislauf ist total im Arsch”, erklärte Markus, der gerade regelrecht über Katharina lehnte, als er sie zurück ins Bett verfrachtete. 
“Hm, das sieht eher aus wie eine schnelle Krankenhausnummer“, kicherte Emilie.  
„Das ist ein guter Tipp, vielleicht heute Abend, wenn die Kliniktür zu ist und hier keiner mehr reinkommt.“ Markus sagte das so ernst, dass er damit Katharina und Emilie aus dem Konzept brachte, bevor er lachen musste.  
„Markus für so was gibt es übrigens Schwestern, die kommen, wenn man klingelt”, lachte Emilie.  
„Die kommen für eine schnelle Nummer?“  
„Was? Ach, Du Doofkopp, die kommen, um mit deiner Frau aufs Klo zu gehen.“  
„Ja, schon, meine Frau geht aber nicht mit jedem.“  
„Ich will auch nicht von irgendwem aufs Klo begleitet werden, nur weil mein Kreislauf gerade eine Talfahrt macht.“ Katharina war richtig frustriert, dass ihr direkt so schwindelig wurde, sobald sie aus der Horizontale kam. Sie wusste selbst, dass ihr Fieber einen großen Teil der Schuld daran trug, aber es machte sie trotzdem verrückt. Zum Glück war es mittlerweile weiter gesunken und hatte schon den Status „mäßiges Fieber“ erreicht. Und das eine beidseitige Lungenentzündung nicht einfach für den Körper war und es noch einige Tage dauern würde, bis die wieder auf dem Damm war und sie bis dahin auch noch sehr viel schlafen würde, das wusste sie als Ärztin ja auch. 

„Du, Emilie?“ Fragend sah Emilie Katharina an. „Würdest du mal beim Peter vorbeischauen? Ich weiß, du willst ihn sicherlich nach allem was passiert ist auch nicht sehen, aber es wäre lieb, wenn du ihm ausrichten könntest, dass ich ein bisschen Zeit brauche und er mich bitte nicht drängen soll.“  
„Das mach ich für dich.“  
„Danke Emilie. Ich kann das gerade echt nicht. Noch nicht.“  
„Das kann ich verstehen. Du musst erst mal gesund werden und dich richtig auskurieren. Da brauchst du keinen zusätzlichen Stressfaktor.“  
„Das seh ich wie Emilie. Du musst jetzt an dich denken. Und dann erst an deinen Vater.“  
„Kann er nach allem denn überhaupt noch mein Vater sein?“ Katharina schaute verzweifelt zwischen den Beiden hin und her. 
„Das kannst nur du beantworten. Gib dir die Zeit dafür, die du brauchst. Und jetzt iss erst mal was, damit du zu Kräften kommst und du auch, Markus. Ich geh derweil zu ihm.“ Emilie nickte Katharina aufmunternd zu und stellte ihr Körbchen mit dem Essen auf Katharinas Bett ab. 

Emilie hatte lange mit Peter gesprochen. Als sie das Zimmer ihrer Freunde betrat, blätterten sie gerade so vertieft durch den Katalog mit den Fertigholzhäusern, dass sie sie gar nicht bemerkt hatten. „Also, sind wir uns einig? Wollen wir das hier nehmen, was fast aussieht, wie unser altes Häuschen?“ 
„Ich würde sagen ja. Das Haupthaus wird doch auch wieder so werden wie früher. Es soll ja wieder unser Zuhause werden.“ 
Emilie musste lächeln, sie hatte sich ja schon gedacht, dass es das Häuschen werden sollte.  
„Es wird wieder unser aller Zuhause. Wir machen es uns schön und gemütlich.“  
Katharina sah sie dankbar an. 
„Da wird eine Menge Arbeit auf uns zu kommen, Mädels.“ 
„Mit dem Geld vom Peter können wir aber immerhin zügig loslegen, ohne auf die Versicherung zu warten.“ Emilie war sichtlich optimistisch.  
Markus sah Katharina fragend an. Sie verstand ihn sofort. Beiden war es zuwider, Peters Geld anzunehmen, da es für sie gerade etwas von freikaufen hatte. Und käuflich waren weder Markus noch Katharina. Selbst als Leihgabe, bis die Versicherung bezahlt hatte, hatten sie kein gutes Gefühl dabei. Markus fürchtete, dass Peter ihm damit den Hof einfach abkaufen wollte für sein Seilbahnprojekt. Er traute Peter nicht mehr und seine Tochter tat dies ebenso wenig.  
„Ich werde sein Geld nicht annehmen“, erklärte Markus. „Ich trau ihm nicht. Lieber ziehe ich mit Katharina in ein Zelt, als sein Geld zu nehmen.“ 
„Markus, der hat garantiert derzeit keine schlechte Absicht damit. Ich war ja eben bei ihm und wenn ihr mich fragt, dann versucht er einfach den Schaden auszubügeln. Tobi sagte, es war ein Anwalt dabei, als er die Summen akquiriert hat.“ 
„Trotzdem, ich möchte es ohne ihn schaffen.“ 
„Das ehrt dich ja, Markus. Aber wie lange willst du auf euer Häuschen warten? Denk doch auch mal an Eure Adoption. Und an Mia.“ 
Damit hatte Emilie einen Punkt getroffen. Hilfesuchend wanderte sein Blick zu Katharina. An das Thema Adoption hatten sie bei ihren Überlegungen noch gar nicht gedacht. Die Papiere dafür hatten sie schon beim Jugendamt eingereicht. Und Mia hatten sie auch gebeten, in Zürich zu bleiben, da sie gerade kein Zuhause hatten. In Markus begann es zu arbeiten, er wusste gerade einfach nicht, was das Richtige war. Ebenso wenig wusste es Katharina.  
 
Die Tage bis zu ihrer Entlassung vergingen wie im Flug. Katharina war zwar immer noch ziemlich schwach, hatte sich aber doch dazu durchgerungen, mit ihrem Vater zu sprechen, bevor Markus und sie das Krankenhaus verließen. Sie lehnte an der Wand vor seinem Zimmer und zog tief die Luft ein, was direkt mit einem Husten quittiert wurde. “Kommst du mit?”, fragte sie Markus und sah ihn bittend an. 
Markus nickte ihr aufmunternd zu. “Wenn du das möchtest, natürlich.”  
“Danke”, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss, ehe sie auf die Tür zuging und mit dem Blick auf Markus Gesicht haftend die Klinke hinunterdrückte. 
Markus war dicht hinter ihr, was ihr Kraft gab und sie ermutigte, das Zimmer zu betreten. 
“Katharina”, hörte sie direkt Peters Stimme. Ihr Herz klopfte wie wild und sie fühlte sich so unwohl, dass sie am liebsten davongelaufen wäre. “Danke, dass du gekommen bist. Es tut mir so schrecklich leid, was ich dir angetan hab, mein Kind und dir, Markus.” Die Worte schossen nur so aus Peter heraus. Regungslos stand Katharina im Raum. Sie wusste nicht, ob sie nicht doch noch umdrehen und weglaufen oder weiter zuhören sollte. Peter erkannte ihre Unsicherheit. “Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder gut machen kann, was ich getan habe. Ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen, das müsst ihr mir bitte glauben.” 
“Tobi sagt, du stimmst einer Therapie zu?”, fragte Markus, um Katharina den Druck etwas antworten zu müssen zu nehmen. Markus schob Katharina zu dem Stuhl, der unweit von Peters Bett stand. Zu groß war seine Angst, dass Katharina ihm hier zusammenklappen würde. 
“Ja, ich habe Frau Dr. Auerbach gebeten, mir einen Therapieplatz zu besorgen. Der Tod deiner Mutter, ich kann ihn nicht verwinden. Ich hab es versucht, aber es geht nicht. Ich wollte einfach einen Schuldigen dafür, um meine Gefühle irgendwie rauszulassen. Dann der traurige Blick von Katharina, weil sie keine Kinder mit dir haben kann, das hat mich in meiner Wut auf dich nur befeuert. Auch, wenn es gerade nicht so aussieht und ihr es mir nicht glaubt, ich liebe dich, Katharina. Du bist mein Kind und ich will, dass du glücklich wirst. In meinen Augen konntest du das nur noch mit Kindern.” 
Katharina schluckte. “Darum hast du mir beinahe die Liebe meines Lebens genommen und mein Zuhause abgefackelt?” Tränen sammelten sich in ihren Augen. 
“Ich weiß, ich hätte das Feuer unbedingt verhindern müssen. Und ich hätte wissen müssen, dass Markus und du füreinander bestimmt seid. Ich hätte eure Liebe niemals anzweifeln dürfen, ihr beide gehört einfach zusammen.” 
Katharina liefen nun die Tränen über die Wangen. Sie wandte sich von Peter ab und erhob sich mit wackeligen Knien vom Stuhl. Dicke Schneeflocken tanzten vor dem Fenster und sie konzentrierte sich einen Moment lang nur darauf, bis sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Markus Hand. Seine Berührungen würde sie immer erkennen. Sie drehte sich zu ihm und wurde sofort in seine starken Arme gezogen. Die letzten Tage im Krankenhaus war sie stark geblieben, doch jetzt brach offensichtlich alles aus ihr heraus und sie begann verzweifelt zu weinen. Peter warf Markus einen traurigen Blick zu. Er wusste sehr wohl, dass er für den Kummer seiner Tochter verantwortlich war. Markus ließ sich auf den Stuhl, auf dem Katharina gesessen hatte und der direkt neben ihm stand, nieder und zog sie auf seinen Schoß. Die Umarmung löste er dabei nicht. 
Nachdem sie sich wieder gefangen hatte und sich auch erleichtert fühlte, sprach Peter noch einmal den Scheck an. Markus verbarg seine Skepsis nicht.  
“Woher sollen wir wissen, ob du uns damit nicht doch noch den Hof abluchsen willst?”, fragte er direkt. 
“Ich habe mir gedacht, dass ihr mir nicht trauen werdet”, seufzte er und griff in den Nachttisch neben seinem Bett. Dann reichte er Markus ein Blatt. “Ich habe es notariell beglaubigen lassen, dass ich euch das Geld gebe, um den entstandenen Schaden zu beheben und damit keine Anteile am Hof kaufen möchte. Ihr könnt es annehmen, wirklich.” 
“Ich weiß nicht, ob ich das will”, seufzte Katharina. 
“Bitte, Katharina. Gib mir die Chance, wenigstens finanziell zu helfen. Dass du mir nicht sofort verzeihen kannst, wenn überhaupt, das haben mir schon Emilie und Tobias klar gemacht.” 
“Ich brauche einfach Zeit und Abstand”, sagte sie ehrlich. 
“Zeit und Abstand sollst du haben, aber bitte, lass mich doch für den durch mich entstandenen Schaden geradestehen. Jeder andere muss auch für seine Fehler einstehen, also ich auch. Ihr braucht doch ein neues Haus. Und zwar schnellstmöglich. Bis dahin würde ich euch gern Katharinas alte Wohnung zur Verfügung stellen.” 
Katharina schloss die Augen. Ins Hotel wollte sie nicht. 
“Keine Sorge, ich bin eh nicht da. Tobias führt jetzt das Hotel und Emilie und er wohnen doch auch da. Lasst euch ein wenig verwöhnen und kommt auf die Beine.” 
“Wir denken drüber nach”, antwortete Markus und deutete seiner Freundin den Aufbruch, als er Tobias in der Tür entdeckte. 
“Hey, ich wollte euch nicht unterbrechen, aber euer Tobi-Taxi ist da”, grinste er. 
“Wir kommen”, antwortete Markus. Katharina schälte sich aus seiner Umarmung und reichte ihm seine Krücken. 
“Kommst du noch mal, bevor ich in dieses Therapiezentrum fahre?” Hoffnungsvoll sah Peter seine Tochter an. 
Sie nickte. “Ja, ich komme noch mal.” 
Erleichtert sank Peter zurück in sein Kissen. Dass sie wieder kommen würde, war ein Anfang. 

Nachdem Tobi seine wertvolle Fracht in Form seiner kleinen Schwester und seines besten Freundes ins Auto geladen hatte, machte er sich auf den Weg zum Hotel. Katharinas Wagen hatte er bereits gemeinsam mit Emilie abgeholt und im Hotelparkhaus abgestellt. 
“Tobi, ich will nicht ins Hotel”, grummelte Katharina auf der Rückbank. 
“Glaub mir, du willst, Schwesterchen.” Markus beobachtete das freche Grinsen in Tobias Gesicht. Tobias hatte definitiv etwas vor, er kannte diesen Gesichtsausdruck und sagte daher nichts weiter. 
“Da kommt ja ordentlich was runter heute”, wechselte er das Thema. 
“Ja, der Rudi ist gerade schon unterwegs, Wege sperren. Wenn es dir besser geht, wäre es geil, wenn du wirklich den Zentraldienst mit übernehmen würdest, Markus. Wir wissen echt nicht, wo oben und unten ist.” 
“Ich bin auch noch da”, knötterte es von der Rückbank. “Ich will auch helfen.” 
“Du guckst erst mal, dass deine Lunge wieder in Ordnung kommt, Fräulein”, entgegnete Tobias. Und dass er da keine Widerrede duldete, merkte auch seine Schwester. Sie wusste ja, dass er recht hatte, aber das wollte sie nicht zugeben. Sie wollte nicht allein und nutzlos im Hotel geparkt werden. Den Rest der Fahrt schwieg sie und grummelte vor sich hin, während Markus und Tobias sich überlegten, ab wann und wie Markus unterstützen konnte. 

“Das große Familienappartement?” Katharina runzelte die Stirn, als Tobias mit ihren Taschen vor der Tür stehen blieb.  
“Japp, hier bleibt ihr erst mal, bis wir wieder nach Hause auf den Hof können.” 
Katharina war gerade alles egal, sie wollte einfach nur eine Dusche, ein Bett und schlafen, ohne morgens um 5 geweckt zu werden. Ja, sie war ein kleiner Morgenmuffel, sie hasste es, geweckt zu werden. Das durfte nur einer: Markus. 
“Warum denn das große Appartement?”, fragte Katharina irritiert.  
“Weil es frei ist?”, grinste Tobias und schob seine Schwester und Markus durch die Tür. “Rein da jetzt.” 
Katharinas Blick blieb an einem wunderschönen Blumenstrauß hängen, der auf dem Tisch im Wohnraum stand.  
“Der ist vom Rudi”, lachte Tobias. 
“Och, wie lieb von ihm”, strahlte Katharina. 
“Eure Klamotten haben wir schon in den Schränken verstaut. Geht mal im Schlafzimmer gucken.” 
Markus humpelte vor Katharina in den Raum und hielt inne. Da standen tatsächlich die Fotos, die sie in ihrem Häuschen hatten, auf der Kommode. 
“Wo habt ihr denn unsere Fotos her?”, fragte er sichtlich ergriffen. 
“Das war leicht. Dein Tablet lag noch in der Zentrale und Rudi hatte dir die Fotos doch selbst da drauf gespielt.” 
Katharina hatte auch feuchte Augen bekommen. Schnell öffnete sie die Schranktür und traute ihren Augen nicht. Der Schrank war halb voll mit Kleidung. Unter anderem auch mit ihrer geliebten grauen Strickjacke.  
“Wo habt ihr denn meine Lieblingsjacke her?” Schnell zog sie sie vom Bügel und kuschelte sie an sich. 
“Die war im Waschkeller”, grinste Tobias. “Wir konnten die Sachen unten rausholen.” 
“Und mein Dirndl ist auch da. Ich werd verrückt.” 
“In der Bergrettung warten auch komplett neue Monturen auf euch.” Tobias freute sich, dass sie den beiden damit eine Freude machen konnten. 
“Geht mal einen Raum weiter.” Fragend sah Katharina ihren Bruder an. “Geht einfach”, grinste er. 
Markus humpelte eine Tür weiter und öffnete vorsichtig die Tür. 
“Überraschung!”, rief eine vertraute Stimme. 

 

11. Heimkehr

Markus traute seinen Augen nicht. Mit zitternden Knien stand er in der Tür und schaute fassungslos auf sein Gegenüber, das ihn mit großen braunen Augen ansah und ihm dann schnurstracks in die Arme fiel. Markus ließ die Krücken achtlos zu Boden fallen. “Mia”, schluchzte er. “Ich hab dich so vermisst.” Markus verlor jegliche Fassung und umklammerte seine Tochter, die ordentlich gewachsen war, seit er sie das letzte Mal in seinen Armen halten durfte. Katharina hatte die Stimme gehört. Ein erstauntes “unser Kind” kam leise, aber glücklich über ihre Lippen. Markus drehte sich ein Stück auf die Seite, um Katharina mit in die Umarmung zu ziehen. Tobi verdrückte sich dezent und lautlos und ließ den Dreien ihren Moment, der auch ihn zu Tränen gerührt hatte. 
“Oh, Mia”, flüsterte Katharina tränenerstickt. Minutenlang standen sie so in der Tür zum zweiten Schlafzimmer und hielten einander einfach nur fest, unfähig zu denken oder sich zu bewegen.  
Markus war in diesem Moment so wahnsinnig glücklich, dass er glaubte zu träumen. Alle Probleme erschienen ihm plötzlich so verdammt klein, denn alles, was gerade zählte, waren seine beiden Frauen. 
Als sich alle drei etwas beruhigt hatten, fiel Markus Blick auf einen gewaltigen Gepäckberg, der sich in dem Zimmer türmte. 
„Sag mal, Mia, was ist denn das da?“, fragte er seine Tochter.  
„Na ja, mein Kram aus Zürich“, grinste sie verschmitzt. 
Markus holte Luft und wollte seine Frage ansetzen, als Mia mit dem Kopf schüttelte und ihm so mitteilte, seine Frage jetzt nicht zu stellen. Sie schob ihre Eltern zurück in den Wohnraum zum großen Sofa. „Setzt euch, macht es euch bequem, ich hole uns schnell was zu trinken und dann erzähl ich es euch.“ Blitzschnell war sie aus der Tür verschwunden und ließ ihre verwunderten Eltern zurück. 
 
Kurze Zeit später balancierte sie ein Tablett mit Sektgläsern durch die Tür. “Ist nur O-Saft, Alkohol kriegt ihr keinen”, kicherte sie frech, während sie das Tablett auf dem Tisch abstellte und sich dann zwischen Markus und Katharina auf die Couch zwängte.  
“Ich muss dringend mit euch reden”, sagte sie ernst und schaute Markus dabei erwartungsvoll an. 
“Na, dann schieß los, junge Dame”, erwiderte er, legte den Arm um sie und gab ihr einen zarten Kuss aufs Haar. 
Mias Blick wanderte zu Katharina, welche sie liebevoll ansah und ihr zunickte. 
“Also, um es kurz zu machen: Ich will wieder nach Hause. Ich möchte nicht mehr in Zürich bleiben, ich will wieder zu euch. In die Berge.” 
“Aber…”, Markus brach ab. Seine Tochter hatte er seit Monaten nicht gesehen, weil sie sich doch wohl in Zürich fühlte. Zumindest dachten Katharina und er das. Auch Emilie hatte ihm bestätigt, dass es ihr gut dort ginge. Katharina wusste genau, was gerade in Markus Kopf vor sich ging. 
“Du warst doch so glücklich in Zürich”, fragte sie vorsichtig und vollendete Markus Gedankengang. 
“Ja, das war ich anfangs auch. Es war schön, sich nicht ständig um einen von euch beiden sorgen zu müssen. Aber das Heimweh nach euch, nach zu Hause, das war immer da.” Mia stockte einen Moment. “Lorenz hat mir gesagt, es würde besser, je mehr Abstand ich zwischen euch und mich bringen würde. Darum hab ich mich auch so wenig gemeldet seit Omas Tod und bin Weihnachten nicht heimgekommen. Der Gedanke, dass ich hier wieder wegmuss, der war unerträglich. Ich hab nur noch geweint, seit ich nach Omas Beerdigung weggefahren bin. Als Emilie da war, ging es mir ja auch etwas besser, aber seit Emilie weg ist, fühl ich mich so schrecklich alleine.” 
Eine Träne huschte über Mias Gesicht. “Ich möchte wieder bei euch sein.” 
Auch Markus musste bei dem Geständnis seiner Tochter schlucken. Wieso hatten sie nicht bemerkt, was sie bedrückte? Wieso hatten sie nicht gewusst, dass sie unglücklich war. 
“Papa?”, fragte sie. “Ihr konntet es nicht wissen. Mach dir keine Gedanken.” 
Nun musste Markus lächeln, seine Tochter wusste tatsächlich ganz genau, was er dachte. 
“Darf ich denn wieder nach Hause kommen?”, fragte sie vorsichtig. 
“Natürlich”, schoss es aus Markus heraus. “Du hast uns doch auch so entsetzlich gefehlt.” 
“Und offenbar kann ich euch ja auch nicht alleine lassen, ohne dass hier ein Drama ausbricht”, grinste sie frech. “Dafür muss ich euch beiden auch echt schimpfen. Warum habt ihr nicht mit mir gesprochen, als ihr euch getrennt hattet?” 
“Wir wollten dir keinen Kummer machen, Mia”, sagte Katharina mit sanfter Stimme. 
“Macht so was nie, nie wieder.” 
“Versprochen”, antworteten ihre Eltern gleichzeitig. 
“Gut.“ Mia klang sichtlich erleichtert.  
Katharina sah Mia eindringlich an. „Aber du musst uns auch versprechen, dass du mit uns redest, wenn du so einen Kummer hast, Süße. Wir sind immer für dich da.“  
Mia nickte und umarmte Katharina.  
„Du, Katharina?“  
Fragend sah sie Mia an. „Ja?“  
„Könntest du… also…“ Ihre Worte stockten, unsicher sah sie Katharina an, welche Mia so liebevoll anschaute, dass sie weitersprach. „Könntest du… dir vorstellen… mich zu adoptieren?“ 
Katharina konnte nun ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. “Nichts würde ich lieber tun”, schluchzte sie und drückte ihre Tochter fest an sich. Mia war für sie schon lange ihr Kind, sie liebte das Mädchen vom ersten Tag an. Dass sie nun diesen Wunsch äußerte, erfüllte sie mit einem unglaublichen Glücksgefühl. Auch Markus hatte das Gefühl, dass er vor Liebe und Glück bald überlaufen würde. Mia griff nach den Sektgläsern und reichte sie an ihre Eltern weiter.  
„Mia, dir muss aber klar sein, dass das ein bisschen dauern kann, bis so ein Antrag durch ist?“, bremste Markus ein wenig die Euphorie seiner Tochter.  
Sie nickte.  
„Willst du denn auch deinen Nachnamen ändern?“, fragte er sie. 
Sie nickte. „Erst recht, wenn Katharina bei der Hochzeit deinen annimmt. Sonst heißen wir ja Kofler-Strasser-Steiner. Das klingt doch voll doof, oder?“ 
„Da hast du recht, Mia. Und ja, ich will den Namen von deinem Papa annehmen. Auch wenn ich Katharina Kofler noch sehr gewöhnungsbedürftig finde.“ Ein Grinsen huschte über Katharinas Gesicht und sie spürte, wie Markus Blick auf ihr lag. Über den Nachnamen hatten sie bisher noch gar nicht gesprochen. Er hatte sie zwar schon oft Frau Kofler genannt, sich aber nie Gedanken gemacht, ob sie überhaupt so heißen wollte.  
„Quatsch, Katharina Kofler klingt doch super. Mia Kofler find ich auch toll. Vielleicht geht eine Namensänderung ja auch schneller?“, fragte Mia hoffnungsvoll.  
„Schnell geht beim Amt gar nix, Mia.“ Markus wollte nicht, dass sich Mia Hoffnungen machte, die nicht eintreffen würden. „Wir können uns ja heute Abend mal gemeinsam in das Thema einlesen, wenn du dein Notebook dabeihast, Mia. Zum Glück hat Katharina unsere ganzen Dokumente in ihrer Handtasche gehabt, wegen der Hochzeitsvorbereitungen. Bis wir neue Geburtsurkunden, Stammbücher und Ähnliches gehabt hätten, würdest du in zehn Jahren keinen neuen Nachnamen haben“, grinste Markus. 
„Wenn du meine Tasche nicht an dem Abend mitgenommen hättest, sähe das jetzt tatsächlich so aus.“ Katharina wirkte nachdenklich. 
„Hey“, Markus strich mit seiner Hand über ihre Wange.  
„Alles gut“, lächelte sie sanft. 
„Du siehst müde aus“, stellte Mia fest. 
„Ein bisschen“, gab sie zu. 
„Bei einer Lungenentzündung geht es einem länger nicht gut“, erklärte Markus. „Da ist man müde und geschwächt.“ 
„Die Mama hatte auch mal eine, das hat total lange gedauert.“ 
„Ich hoffe doch, dass es bei mir nicht so lange dauert“, lächelte Katharina ihrer Tochter zu. 
„Ruh dich aus, ich geh jetzt mal eben zur Schule. Bücher und Stundenplan abholen.  
Fragend sahen Markus und Katharina ihre Tochter an. 
“Ja, am Montag geht’s los. Hab ich das noch nicht erwähnt? Ich bleib jetzt bei euch, also ab sofort bitte beim Sex wieder leise sein, ja!?” Mit einem Handkuss schnappte sich Mia ihre Jacke von der Garderobe und verschwand mit einem strahlenden Lächeln durch die Tür und ließ ihre verdutzen Eltern zurück. 

Mia hüpfte über den Flur und lief dabei direkt in Tobias Arme. “Hey, nicht so schnell, junge Frau.” 
“Schuldigung, Tobi.” 
“Also, so wie du gerade strahlst, hat es geklappt, oder?” 
“Jaaa. Katharina will wirklich meine Mutter werden.” 
Tobias hatte nichts anderes von seiner Schwester erwartet, als dass sie den Wunsch des Mädchens erfüllen wollte. Als Mia nach dem Feuer auf dem Hof mit ihm und Emilie darüber gesprochen hatte, dass sie zurück nach Hause wollte, hatten die Beiden Mia sofort bei ihrem Wunsch unterstützt. Tobias hatte das Mädchen aus der Schweiz abgeholt, während Emilie mit der Schule gesprochen hatte. Das Strahlen in Mias Augen bestätigte ihn darin, dass Emilie und er das Richtige getan hatten. Nicht nur für Mia, auch für Mias Eltern. 

Lachend rückten Markus und Katharina auf der Couch enger zusammen und füllten somit die Lücke, die ihre Tochter gerade hinterlassen hatte.  
“Ganz schön frech unser Kind”, grinste Markus. 
“Ob sie uns gehört hat?” Katharinas Wangen hatten plötzlich richtig Farbe angenommen. Markus liebte es, wenn sie so verlegen errötete. 
“Und wenn? Nicht mehr lange, dann kann sie uns verstehen”, lachte er. 
“Ja, sie ist so erwachsen geworden und doch irgendwie unser kleines Mädchen.” 
Markus dachte daran zurück, wie sie als kleines Mädchen zu ihm kam. “Ich kann noch gar nicht glauben, dass wir sie wirklich wiederhaben. Wir werden wieder Teil ihres Lebens.” 
“Ich freu mich ja schon auf ihre erste große Liebe.” Katharina musste bei der Vorstellung grinsen, wenn Markus sich damit auseinandersetzen musste. 
“Hör mir auf”, seufzte er. “Das geht bestimmt bald los.” 
“Aber wir sind dann an ihrer Seite. Das ist so schön.” Katharina freute sich richtig auf die Zukunft. 
„Wir sind bald eine richtige Familie. Hoffentlich klappt das mit der Adoption.“ Markus hatte ein wenig Sorge. Mia war so aufgeregt und ihr schien es so wichtig zu sein, er wollte nicht, dass sie enttäuscht wurde. 
„Wenn es nicht klappt, sind wir doch immer noch eine Familie.“ Katharina kuschelte sich nun an Markus, der sich auf das Sofa gelegt hatte. Eng aneinander lagen sie sich nun gegenüber. Markus legte seinen Arm um sie. 
„Den Nachnamen Kofler wird sie bestimmt schneller annehmen können.“ 
„Mia Kofler“, das klingt toll, oder? Markus war ganz bewegt und unglaublich stolz. 
„Das tut es. Wir müssen ihr nachher aber unbedingt sagen, dass wir einen Adoptionsantrag für ein Baby gestellt haben. Sonst fühlt sie sich ausgeschlossen.“  
Markus bemerkte, dass Katharina langsam die Augen zu fielen und streichelte sanft über ihren Rücken. Nur kurz nach Katharina fiel auch er mit einem Lächeln auf den Lippen in den Schlaf. 

Leise öffnete Mia die Tür der Wohnung und fand ihre Eltern selig schlummernd auf dem Sofa. Sie legte die Bücher und ihren Stundenplan auf der Anrichte ab. 
“Hey, ihr Penntüten”, sagte sie, um sie zu wecken. “Aufstehen. Ich hab Hunger.” 
Markus war direkt hellwach, während Katharina sich noch rekelte und die Augen kaum aufbekam. 
“Katharina, unsere Ruhe ist vorbei, merkst du was?”, lachte er. 
“Mhm”, kam es verschlafen von ihr. 
“Kommt ihr mit ins Restaurant was essen oder wollt ihr hier essen?”  
“Wir kommen. Geh schon mal vor und bestell mir ein Schnitzel mit Pommes.” 
Markus tippte mit dem Finger auf Katharinas Nase. “Und du?” 
Sie zog die Nase unter Markus Finger kraus und antwortete: “Bolo”. 
“Okay, bis gleich und macht hinne.” Mia verschwand schon wieder aus der Tür. 
Verschlafen löste sich Katharina von Markus.  
„Nicht so schnell.“ Er hielt sie fest und zog sie an sich, um sie zu küssen. „Ich wüsste schon, was ich lieber tun würde, als ins Restaurant zu gehen“, grinste er verschmitzt. Voller Liebe lächelte Katharina ihn an. 
„Ich auch, aber ich glaube, mir fehlt gerade einfach die Kraft dazu“, sagte sie traurig.  
„Das kommt.“ Markus drückte sie an sich, bevor sie sich aufrafften und ihrer Tochter ins Restaurant folgten. 
 
Mia saß mit Emilie und Tobias etwas abseits im Restaurant. Den Tisch am Kamin hatten sie immer für Personal und Familie reserviert. Katharina rutschte auf die Eckbank, die um den Kamin herum gebaut war und genoss die wohlige Wärme, die von ihm ausging. Markus rutschte neben sie. Emilie schob ihm direkt einen Stuhl an die Seite, damit er sein Bein hochlegen konnte.  
„Und, kleine Schwester, immer noch böse, dass ich dich ins Hotel gebracht habe?“  
„Schon lange nicht mehr“, grinste sie ihren Bruder dankbar an, der gerade die kleinen Almdudler-Flaschen, die in der Mitte des Tisches standen, an alle verteilte. 
„Tja, Markus, ich würd ja lieber ein Bier mit dir trinken, aber solange du noch deine Drogen nehmen musst.“ 
„Das holen wir nach“, versprach Markus seinem besten Freund, als das Essen serviert wurde. 
Markus machte sich direkt über die Pommes und sein Schnitzel her. 
Tobias war sich sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sein Freund wieder in der Bergrettung aufschlagen würde. 
Seine Schwester hingegen hatte bisher wie ein Spatz von ihrem Lieblingsessen gepickt, was auch Markus nicht verborgen geblieben war. Katharina nahm seinen besorgen Blick wahr und schaute ihn hilflos an. Markus legte sanft seine Hand auf ihre. Mit der anderen Hand drehte er ein paar Nudeln auf seine Gabel und hielt sie ihr vor die Nase. Katharina folgte seiner stillen Bitte, wenigstens noch ein wenig zu essen und ließ sich von Markus füttern, was ihr ein Lächeln ins Gesicht zauberte und sie immerhin noch ein wenig von ihren Nudeln essen ließ. Markus ließ sie ihr den Rest einpacken. Den würde er später noch einmal für sie in der Mikrowelle aufwärmen und ihr noch ein paar davon einflößen. 
„Ach, Mia, der Lorenz hat mich vorhin angerufen, weil du dich noch nicht bei ihm gemeldet hast. Du sollst ihn bitte mal zurückrufen.“ 
„Ich weiß doch eh, was er will“, antwortete sie Emilie und sah auf ihre Hände hinab. 
„Hast du ein Problem mit ihm?“, fragte Markus, den Mias Antwort direkt aufhorchen ließ. 
„Nee, aber er ist nicht glücklich damit, dass ich nicht im Internat geblieben bin und hat versucht, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Er hat gesagt, wenn ich wirklich gewollt hätte, dann hätte ich einen Weg gefunden, das Heimweh nach euch zu überwinden.“ 
„Mia, gegen Heimweh kann man nichts machen. Auf die Dauer wärst du nur noch trauriger geworden“, sagte Markus und blickte in die traurigen Augen seiner Tochter. 
„Und am Ende wärst du vielleicht noch krank vor Kummer geworden.“ Katharina strich Mia, die neben ihr saß, über die Wange. „Du hast alles richtig gemacht.“ 
„Das seh ich auch so, Mia“, fügte Emilie hinzu. „Schau mal, ich hab es viel kürzer in Zürich ausgehalten als du. Und guck, der Tobi, der ist auch wieder da.“ 
„Ja, ich hab es auch nicht in Südtirol ausgehalten, weil ihr einfach meine Familie seid.“ 
„Wohnen wir auch bald alle wieder zusammen auf dem Hof, wie früher? So wie eine große Familie?“, fragte sie und schaute in die Runde. 
„Ja, das tun wir. Katharina und ich haben schon ein neues Haus für uns ausgesucht und das Haupthaus wird schon vorher wieder bewohnbar sein.“, erklärte Markus seiner Tochter. „Und irgendwann bekommst du auch hoffentlich ein Geschwisterchen.“ 
Mia schaute Markus mit großen Augen an. 
„Katharina und ich haben einen Antrag auf Adoption für ein Baby gestellt“, ließ Markus die Katze aus dem Sack. Alle Augen lagen nun auf Mia, in der es offensichtlich arbeitete.  
Katharinas Herz stand für einen Moment still, vor lauter Anspannung vergaß sie beinah zu atmen.  
Auch Markus schaute gebannt auf Mia und wartete auf ihre Reaktion. 
„Mia, das ändert nichts daran, dass wir dich über alles lieben“, sprach Katharina. „Und auch an meinem Versprechen, dich zu adoptieren, wird das nichts ändern.“ 
Mia stand wortlos auf und verließ das Restaurant. Katharina wollte hinterher, aber Markus hielt sie am Arm. “Lass sie.” 
“Nein, Markus, ich muss mit unserem Kind sprechen.” Katharina löste sich und folgte Mia. Sie fand sie an der Balkontür des Flures vor ihrer Wohnung. Mia schaute gedankenverloren hinaus. Katharina konnte ein leises Schluchzen vernehmen. Katharina trat hinter Mia. “Hey, Süße”, sprach sie leise. Mia zog die Nase hoch. “Hey”, flüsterte sie kaum hörbar. “Mia”, begann Katharina, “Markus und ich wollen dir doch nicht wehtun damit. Wir lieben dich doch.” Wieder schniefte Mia und zog die Nase hoch. Katharina legte vorsichtig ihre Hände auf Mias Schultern. “Aber warum?”, schniefte Mia. “Warum ich mir noch ein Baby wünsche?” Das Mädchen nickte stumm. “Weißt du, ich habe mir immer eine große Familie mit vielen Kindern gewünscht. Ich liebe Kinder. Ich war immer mit meiner Mama ganz alleine und habe mich immer nach einem großen Bruder, einer Schwester oder einem Papa gesehnt.” Katharina schloss ihre Tochter nun von hinten in eine Umarmung und schaute gedankenverloren in die verschneite Winterlandschaft mit den sanft und beruhigend fallenden Schneeflocken. Ihren Kopf lehnte sie dabei leicht an Mias Schulter, die sich auch langsam beruhigte. “Als ich schwanger war mit meinem Sternenkind, da war ich so unendlich glücklich über dieses Kind. Und als es starb…” Katharina schluckte, “starb auch ein Teil von mir.” Vor ihrem inneren Auge sah Katharina wieder die Momente vor sich, die sie nie aus ihrem Kopf bekommen hatte und auch nie bekommen würde. “Ich wollte immer einen kleinen Menschen ins Leben begleiten, für ihn da sein, trösten, helfen erwachsen zu werden. Mutter zu sein war immer mein Wunsch. Für dich konnte ich so etwas wie eine Mutter sein, was mir immer unglaublich viel Freude gemacht hat, weil ich dich sehr lieb habe.”  
Mia schwieg einen Moment. “Warst du traurig, als ich weggegangen bin?” 
“Ja, das war ich. Sogar sehr. Es gab keinen Tag, an dem ich dich nicht vermisst habe. Und dem Markus ging es ganz genauso.” 
Mia drehte sich in Katharinas Umarmung und schlang die Arme um sie. 
“Wolltet ihr mich ersetzen?”, fragte sie unsicher, mit einem Zittern in der Stimme. 
“Um Himmels Willen, Mia, nein, niemals. Du bist doch unersetzlich. Für uns beide. Wir sind doch deine Eltern, du bist unser Kind. Und das wirst du auch immer sein, hörst du.” 
“Sicher?” 
“Natürlich! Denk bitte nie, dass wir dich ersetzen wollen. Wir wollen einfach unsere Familie größer machen.” 
Katharina spürte das Nicken an ihrer Brust und strich ihrer Tochter über den Kopf. 
“Und ab wann sind wir zu viert?” 
“Wenn wir überhaupt damit durchkommen, dann kann es bis zu 7 Jahren dauern. Und in 7 Jahren sind Markus und ich zu alt für eine Adoption. Dann bleiben wir zu dritt.” 
“7 Jahre?”, fassungslos sah Mia Katharina nun an. “Dann bin ich ja schon 21.” 
“Ja, dann bist du schon erwachsen und möchtest vielleicht selbst schon Kinder”, lächelte Katharina. 
Mia überlegte einen Moment, ob sie die Frage stellen konnte und durfte, entschied sich aber dann dafür. “Und beim Papa geht echt gar nix?”, fragte sie mit einer leichten Röte im Gesicht. 
“Nein. Wir haben es aber nicht noch einmal checken lassen”, gab Katharina zu und war wieder überrascht, wie groß Mia mittlerweile geworden war, dass sie gerade mit ihrer Tochter über ein solches Thema sprach. Aber andererseits hatte sie auch die Aufklärung bei Mia vor gar nicht so langer Zeit übernommen, weil Markus mit dem Thema einfach komplett überfordert gewesen war. 
“Warum nicht?” 
Katharina seufzte, entschloss sich aber, ehrlich zu Mia zu sein. “Weil ich Schiss hab.” 
“Vor einer Schwangerschaft?” 
“Mhm. Vor einer weiteren Fehlgeburt. Das pack ich nicht noch mal.” 
Mia nickte. Sie konnte sich erinnern, wie traurig Katharina damals immer gewesen war. 
“Und, wenn du doch noch vom Papa schwanger wirst?”, wollte Mia wissen. 
“Dann werde ich viel Angst haben bis zur Geburt, aber mich auch unglaublich freuen. Aber es ist in den letzten vier Jahren nicht passiert, also ist diese Chance verschwindend gering, Mia.” 
“Aber wenn es doch passiert, dann pass ich auf dich auf, damit dem Baby nichts passiert.” 
Katharina rührten Mias Worte sehr. “Ich hab dich so lieb, Mia.” 
“Ich dich auch, Mama.” 
 
Als Katharina und Mia ins Restaurant zurückkehrten lagen alle Augenpaare auf ihnen. 
“Alles gut bei euch?”, fragte Markus nervös. 
Katharinas Lächeln und der Blick in ihre Augen verrieten ihm die Antwort, die Mia nur einen Moment später gab. 
“Alles okay, Papa. Die Mama und ich haben schon alles geklärt”, grinste sie ihn forsch an. 
Katharina ließ sich zu Markus auf die Bank fallen und nahm einen großen Schluck Almdudler. Sofort spürte sie seinen starken Arm um ihre Schulter. “Die Mama?”, flüsterte er ihr liebevoll ins Ohr, so dass ihr ein Schauer über den Körper lief. “Mhm”, grinste sie und kuschelte sich an ihn. “Bekommt die Mama auch einen Kuss vom Papa?”, flüsterte sie ihm zu.  
“Einen? So viele sie will”, grinste Markus und legte zärtlich seine Lippen auf ihre. Sein Kuss wurde immer fordernder.  
“Nehmt euch ein Zimmer”, ertönte der trockene Kommentar von Tobias. 
“Tobias”, prustete Emilie. 
“Lalalala, ich will das nicht hören und auch nicht wissen”, tat Mia gespielt entsetzt. 
“Tobias, die junge Dame hier möchte gerne ein Einzelzimmer buchen.” Markus stupste seine Tochter frech an. 
“Rabenvater”, lachte sie nur und war einfach froh, wieder zuhause in der Ramsau zu sein. 
 

“Du, Katharina?” fragte Markus, als er am Abend zu ihr ins Bett krabbelte. 
“Du, Markus”, fragte sie zurück. 
“Sag mal, wie hellhörig ist euer Hotel eigentlich?” 
“Was?” 
“Na ja, also wie viel hört man im Nebenzimmer?” 
“Markus, das ist ein altes Schloss, die Mauern sind mal richtig dick.” 
“Sehr gut.” Er rollte zu ihr hinüber und begann sie leidenschaftlich zu küssen. Katharina spürte seine rauen Hände über ihre Seite bis hin zu ihren Brüsten wandern, was ihr einen wohligen Schauer bescherte. “Wenn es zu anstrengend wird für dich, sag bitte stopp, ja?” “Mhm”, flüsterte sie und schon war Markus dabei, ihr Shirt über ihren Kopf zu ziehen. Er übersäte sie mit zärtlichen Küssen vom Hals abwärts bis zum Bauch und zog vorsichtig ihre Schlafhose aus. Zärtlich strich er über Katharinas Schenkel bis zu ihrem Slip, was Katharina ein aufregendes Kribbeln im Unterleib bescherte. Nun zog Katharina Markus’ Shirt aus und ließ ihre Finger sanft über seinen Rücken bis zu seinem Po hinab gleiten. Katharina merkte, dass Markus Schmerzen im Knie hatte. Eine Orthese war nun wirklich nicht perfekt für Sex. Sie deutete ihm, sich auf den Rücken zu legen und setzte sich auf ihn. Zärtlich streichelte und küsste sie nun seinen Oberkörper und konnte deutlich spüren, wie sich Markus Erregung dabei gegen sie drückte. Sie bewegte ihr Becken leicht und der Blick in Markus Augen verriet ihr, dass auch er wohl nicht lange brauchen würde. Sie beugte sich vor und küsste ihn voller Verlangen, ehe sie von ihm herunterrutschte, um ihn aus der Enge seiner Short zu befreien. Markus zog sie rücklings auf seinen Schoß und drückte sie fest an sich. Mit der rechten Hand streichelte er über ihre Brust, die linke wanderte in ihren Slip und massierte ihre empfindlichste Stelle, was ihr ein wohliges Stöhnen entlockte. Sie ließ ihren Kopf gegen seine Schulter fallen und hatte das Gefühl, dass sie sterben müsste, wenn sie Markus nicht gleich spüren würde. Markus zog ihr nun gierig den Slip aus und drang vorsichtig in sie ein. Auch er konnte nun einfach nicht mehr warten, sein Verlangen nach Katharina war einfach so riesengroß. Schnell fanden sie ihren gemeinsamen Rhythmus und als Markus wieder Katharinas empfindlichste Stelle massierte, fand sie ihren Höhepunkt in den sie Markus mitriss. 
Völlig erschöpft ließen sie sich auf die Seite fallen, ohne ihre Verbindung zu trennen. Markus zog schnell eine der beiden Decken über sie und umklammerte seine Freundin. “Ich hab dich so vermisst, Katharina. Bleib immer bei mir, ich liebe dich so sehr.” 
“Ich geh nicht weg. Nie mehr. Ich liebe dich doch.” Und sie meinte es auch genauso. 

12. Ängste

“Markus und ich wollen gleich mal am Hof vorbeischauen. Möchte jemand mit?”, fragte Tobias nach dem gemeinsamen Frühstück. 
Katharina überlegte einen Moment. Eigentlich fühlte sie sich gerade nicht wirklich gut, aber sie hatte das Gefühl, sie musste einfach an diesen Ort, um das Geschehene verarbeiten zu können. “Ich komm mit”, entschied sie spontan. 
“Ich nicht, ich war mit Emilie schon da”, erklärte Mia, die gerade in ihr Handy vertieft war. „Und ich würde gerne gleich mit Max zum Skilaufen gehen, wenn ich darf.“  
„Klar darfst du“, antwortete Markus. 
„Super, Danke. Andrea bringt Max gleich her. Ich muss mich umziehen. Bis später.“  
„Das ging aber schnell mit dem Einleben“, grinste Emilie hinter ihrer Kaffeetasse und zwinkerte Katharina zu.  
„Mit Max war sie ja schon immer gut befreundet. Hauptsache, es ist kein Gleitschirm in der Nähe“, grinste Katharina. 
„Erinner mich nicht daran. Was hab ich damals für eine Angst um sie gehabt“, erinnerte sich auch Markus. 
„Angst ist untertrieben, mein Freund. Und meine Schwester hätte wegen der Aktion um ein Haar ihre Prüfung verpasst.“ 
„Zum Glück hat sie das nicht.“ Markus war so unendlich stolz auf seine Freundin. Wieder schoss ihm durch den Kopf, wie schade er es fand, dass Katharina nicht in ihrem Beruf arbeitete. Nicht nur, weil er sie schrecklich gerne mal im Arztkittel sehen würde. Sie hatte so lange und hart auf dieses Ziel hingearbeitet, sich ihr Studium mühsam verdient und nun schien es irgendwie beinah umsonst gewesen zu sein. Natürlich war er froh, sie an seiner Seite zu haben. Sehr froh sogar. Mit ihr agierte er einfach umsichtiger. Wenn sie nicht mit ihm bei den Einsätzen war, dann war er eindeutig waghalsiger und er fürchtete, dass er und sein Verhalten auch ein Grund, wenn nicht sogar der Hauptgrund waren, warum sie das letzte Jahr ihrer Facharztausbildung noch nicht vollendet hatte. Und wenn die anderen ihr erzählt hatten, was für einen Unsinn er während ihrer Trennung gemacht hatte, dann würde sie vielleicht auch gar nicht auf mehr die Idee kommen, ihren Facharzt noch zu machen. Hatte Katharina vielleicht jetzt noch mehr das dringende Bedürfnis, auf ihn aufpassen zu müssen? Sie hatten immerhin auch beide erlebt, wie schlecht es Verena ging, als Michi nach seinem Sturz in die Gletscherspalte zu ihr ins Krankenhaus gebracht worden war. Katharina hatte mehrfach erwähnt, dass sie nicht in Verenas Haut stecken wollte und seit sie sich kannten, hatte Katharina immer wahnsinnige Angst um ihn gehabt. Lange Zeit wurde sie von Albträumen gequält, in denen sie Markus immer wieder abstürzen sah, wie ihren Freund Andreas zuvor. Markus beschloss, das Thema dringend noch einmal in einer ruhigen Minute mit ihr zu besprechen. 
 

Je näher sie dem Hof kamen, je flauer wurde das Gefühl in Katharinas Magengegend. Sie saß hinten in Tobias Wagen und spielte nervös mit ihrem Verlobungsring. Sie konnte immer noch nicht wirklich verstehen, dass ihr kleines Häuschen nicht mehr da sein sollte. Sie wünschte sich so sehr aufzuwachen und das Feuer nur geträumt zu haben. Als sie in die Einfahrt zum Hof fuhren, spannte sich auch Markus immer mehr an. Die Leere, die das Feuer auf dem Hof anstelle ihres kleinen Häuschens zurückgelassen hatte, tat allen in der Seele weh. Nur zögerlich stieg Markus aus Tobias Wagen aus. Fassungslos schweifte sein Blick über den Hof. Vor dem Haupthaus standen ein Baugerüst und mehrere Container. Das kleine Häuschen, das einst ihr Zuhause war, war einfach weg. Markus lehnte sich mit dem Oberkörper aufs Autodach und legte sein Kinn auf seine Arme. Gedankenverloren schaute er auf die nun entstandene Freifläche und versuchte, den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, herunterzuschlucken. Wenn er Katharina hier verloren hätte… Markus Augen füllten sich mit Tränen, da spürte er zwei Arme, die sich um seine Taille schlangen. Vorsichtig drehte er sich um und schaute direkt in die rehbraunen Augen seiner Freundin, der ebenfalls die Tränen über das blasse Gesicht liefen. Zärtlich wischte sie ihm seine Tränen von den Wangen. Ihre Hände zitterten dabei. „Katharina“, flüsterte er und stockte. Ein herzzerreißendes Schluchzen entwich seiner Kehle. Katharina wusste, was Markus sagen wollte. „Ich bin hier, Markus“, flüsterte sie und schmiegte sich an seine Brust. „Weil du rechtzeitig da warst.“ Markus umklammerte sie und legte sein Kinn auf ihr Haar, das ihn sogleich kitzelte. Aber er liebte dieses vertraute Gefühl, Katharina so dicht an sich zu spüren. Er hielt sie so fest, wie er nur konnte und wurde einfach von seinen Gefühlen überrollt. Markus verbarg sein Gesicht zwischen Katharinas Schulter und ihrer Halsbeuge und wurde von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt. Tobias hatte sich unbemerkt von den Beiden entfernt. Ihm war klar, wie emotional dieser Moment für sie sein musste. Und so, wie er seine kleine Schwester und seinen besten Freund kannte, hatten sie das Geschehene noch kein Stück aufgearbeitet, sondern erfolgreich verdrängt. 

 
Nachdem die Tränen versiegt und sich das Paar wieder gefangen hatte, begannen Tobi und Markus zu überlegen, was sie zukünftig alles auf dem Hof machen wollten. Katharina beobachtete die Beiden und ließ sie vor sich hin spinnen. Sie hingegen begann bald in der Kälte fürchterlich zu frieren, was den Beiden nicht verborgen blieb. Tobias schlug vor, auf dem Rückweg zum Hotel für Katharina und Markus neue Winterjacken kaufen zu gehen, denn die brauchten die Beiden wirklich noch dringend. Ebenso wie Winterschuhe. Katharina steckte gerade in einer Jacke von Emilie, die ihr etwas zu groß war und sie irgendwie ziemlich verloren wirken ließ. Und dass die Kälte durch ein Paar Turnschuhe kroch, war auch nicht verwunderlich. Tobias drehte die Heizung im Auto voll auf, um seine Schwester wieder warm zu bekommen.  
“Und jetzt fahren wir nach Schladming, für euch beiden einkaufen. Als Erstes Wintersachen beim Intersport? Und dann in die Drogerie und zum Klamottenladen?” 
“Klingt gut”, bestätigte Markus, der eigentlich von Shopping überhaupt nichts hielt, aber die Notwendigkeit spätestens beim Anblick seiner Freundin mehr als gegeben sah. 
Tobias parkte seinen Wagen direkt vor der Tür des Sportladens, der sich kurz darauf mit Bergen von Tüten füllte. Markus und Katharina hatten sich nicht dagegen gewehrt, dass Tobias dafür die Kreditkarte seines Vaters benutzt hatte. Ohne ihn hätten sie schließlich nicht alles neu kaufen müssen. Als nächstes kam noch eine große Tüte aus der Drogerie dazu, bevor es in den Kleiderladen ging. 
Tobias war fasziniert davon, wie Katharina ihre Kleidung zusammenstellte. Alles war irgendwie miteinander kombinierbar. “Schaffst du noch den Schuhladen, Schwesterchen?” 
“Na klar”, grinste sie ihn an. Sie war zwar völlig geschafft und am Ende ihrer Kräfte, aber das wollte sie nun auch noch durchziehen und sich nichts anmerken lassen. Tobias freute sich schon auf den Moment, wenn sein Vater die Kreditkartenabrechnung bekam. Aber eine neue Grundausstattung war das mindeste, fand Tobias. Noch wussten Markus und Katharina nicht, dass er auf Peters Kosten auch 2 Handys, ein neues Laptop und ein Tablet bestellt hatte.  

Als sie zum Hotel zurückfuhren, war das Auto so voll, dass Katharina auf der Rückbank kaum noch Platz zum Sitzen hatte. Trotzdem war sie mit dem Kopf auf einer der Tüten liegend eingeschlafen. Markus hätte sie liebend gern schlafen lassen und sie zu ihrer Ferienwohnung getragen, aber dank seiner Krücken war das nicht machbar. Während er zärtlich seine Freundin aufweckte, beauftragte Tobias den Pagen, die Tüten in die Wohnung zu bringen. 
Katharina plumpste völlig fertig auf das Sofa im Wohnraum. Sie konnte kaum noch ihre Augen aufhalten. Markus machte sich Sorgen. Der Vormittag war offensichtlich viel zu anstrengend gewesen. Vorsichtig breitete er die Decke über Katharina aus und ließ sie schlafen, während er die Inhalte der unzähligen Tüten in den Schränken verstaute. Er überlegte, womit er ihr eine kleine Freude machen konnte. Markus zog sein Handy aus der Hosentasche und begab sich auf die Suche nach etwas, das sie im Feuer verloren hatte. Es dauerte nicht lange und er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Zufrieden gab er seine Bestellung auf und begab sich dann daran, alle eingegangen Benachrichtigungen seiner Freunde zu lesen und zu beantworten. 
Danach machte er sich auf die Suche nach Emilie, die er ziemlich schnell am Empfang fand. Sie sah glücklich aus und strahlte ihn an. Tobias hatte sie gefragt, ob sie wieder im Hotel helfen könnte und sie hatte sofort zugestimmt. Die Arbeit machte ihr so viel Spaß und sie konnte sich vorstellen, auch später wieder hier zu arbeiten. 
„Hallo Papa, hallo Emilie.“ Mia und Max kamen gerade wie zwei Schneemänner durch den Haupteingang. 
„Hey Ihr Beiden“, grüßte Emilie zurück. „Na? Treibt euch der Hunger her?“  
Grinsend sah Markus seine Tochter an. 
„Oh ja, Hunger und Durst.“ Sie boxte Markus freundschaftlich in die Seite.  
„Dann ab mit euch ins Restaurant“, lächelte Markus. „Ich komm auch mit.“ 
„Was ist mit Mama?“ 
„Die schläft. Ich nehm ihr gleich ein Süppchen mit.“ 
„Ich hab ihr eine Hühnersuppe gekocht. Steht bei Herbert in der Küche.“ Emilie grinste. 
„Du bist die Beste. Sie isst so schlecht derzeit und die wird sie aufpäppeln.“ 
„Das war mein Plan. Und jetzt geh du auch mal essen.“ 

„Du, Markus?“, fragte Max vorsichtig. 
Fragend sah Markus den Jungen an. „Ja?“ 
„Darf ich vielleicht ein Cordon Bleu mit Pommes haben?“ 
„Na klar! Was du magst!“ 
„Danke.“ 
Mia wollte nun gerne wissen, was ihre Eltern am Vormittag neben dem Besuch auf dem Hof so gemacht hatten. 
Markus erzählte ihr von dem Shoppingwahnsinn und dass Katharina tatsächlich zwischen den Bergen von Tüten im Wagen eingeschlafen war. 
„Du, Mia, ich brauch mal deine Hilfe. Was könnte ich der Mama denn mal zur Hochzeit schenken?“ 
„Hmm“, grübelte der Teenager. „Schmuck geht immer. Ihrer ist ja bis auf den Verlobungsring weg. Ich hab’s, Papa. Ohrringe. Sie hat nämlich gerade welche von mir drin. Darf ich sie mit dir aussuchen?“ 
“Ich bitte sogar darum”, lächelte er seine Tochter an. 
“Frauen”, murmelte Max und sah verlegen zu Mia rüber. Markus bemerkte den Blick von Max sehr wohl und musste schmunzeln. Sofort kam ihm in den Sinn, dass ja Andrea, die Mutter von Max über sehr wenig Geld verfügte und die Beiden auf so vieles verzichten mussten. Er wäre also gar nicht in der Lage, für Mia irgendetwas zu kaufen. 
“Aber ich möchte ihr auch gern noch ein Geschenk machen, das nicht gekauft ist”, schob Markus nach.  
Max wurde sofort hellhörig. 
“Also ich möchte halt gern gemeinsame Zeit mit ihr verbringen, also eine Art Ausflug.” 
“Oh, das ist ja niedlich”, grinste Mia und sah nun ebenfalls etwas verlegen zu Max herüber. 
Markus war klar, in welche Richtung sich das bei den Beiden entwickeln würde. Mias erste Liebe saß ihm quasi direkt gegenüber. Und wider Erwarten machte ihm das nichts aus. Er mochte Max sehr gerne, er war ein anständiger Junge und seine Mutter eine gute Freundin von Emilie. Und Markus spürte eine Erleichterung darüber, dass Mia ihre erste Liebe nicht weit weg im Internat erleben würde, sondern hier, zuhause bei ihnen in Ramsau, wo sie bei allen Frauendingen Katharina an ihrer Seite hatte. Nicht so wie er, der damals im Internat völlig auf sich allein gestellt war, dem niemand seine Fragen beantwortete und der mit seinen Gefühlen völlig allein war.  
„Ach, Mia, es ist so schön, dass du wieder da bist“, sagte er und schaute seine Tochter liebevoll an. 
„Das finde ich auch“, sagte Max leise und lächelte sie scheu an. 
„Ich freu mich auch, ich hab euch vermisst.“  
Dass sie mit “Euch” nicht nur ihre Familie meinte, war Markus direkt klar. 
 
Nach dem Essen verschwanden die beiden Teenager wieder zurück auf die Skipiste. Emilie half Markus dabei die Suppe und ein paar Getränkeflaschen in die Ferienwohnung zu tragen. Katharina schlief immer noch tief und fest. Markus stellte ihre Suppe in den Kühlschrank und kuschelte sich ebenfalls auf die Couch. Die Krücken nervten ihn langsam, aber sicher gewaltig und er hoffte, dass Verena ihm am Montag wirklich von diesem blöden Spaltgips erlösen und ihm endlich einen Air Walker verpassen würde. Katharina begann sich neben ihm zu bewegen und Markus konnte nicht anders, als sie an den Füßen zu kitzeln, die sie ihm entgegenstreckte. 
“Hey”, quiekte sie und war direkt hellwach. 
“Na, wenn du mir deine Mauken entgegenstreckst.” Markus zog die Augenbraue hoch und sah sie fordernd an. 
“Boah, du willst Streit oder?” Frech sah sie ihn an und musste dabei selbst lachen. 
“Eigentlich will ich dir was erzählen.” 
“So? Was denn?” Neugierig hatte sich Katharina aufgesetzt und war näher zu ihm gerutscht.  
Markus musste sie einfach kitzeln. Das glucksende Lachen, dass sie dabei machte, mochte er einfach zu gern. Als sie jedoch beim Lachen zu Husten anfing, zog er sie rücklings in seine Arme und signalisierte damit den “Frieden”. 
“Also, was ich dir erzählen wollte: Ich glaube, die Mia ist verliebt.” 
“In den Max?” Markus verschränkte seine Hand nun mit ihrer. 
“Wenn du mich fragst: Ja. Und andersherum ist es nicht anders. Du solltest mal die Blicke sehen, das ist so süß.” 
“Und du bist gar nicht eifersüchtig?”, fragte Katharina erstaunt und musterte ihren Freund. 
“Nee, gar nicht. Echt nicht. Ich mag den Max.” 
“Ich bin so stolz auf dich, Papa.”  
“Ich kann doch auch entspannt sein, solche Liebesgespräche führen Mädchen doch mit ihren Müttern.” Er zwinkerte ihr dabei zu, aber seine stille Bitte hatte sie schon verstanden. “Papas kommen doch erst zum Verprügeln ins Spiel, wenn die Jungs ihrer Tochter das Herz gebrochen haben, oder?” 
“Blödmann”, lachte sie. “Untersteh dich!” 
“Oder wenn jemand meine Frau angräbt.” 
“Ach so, dann auch, ja?” Katharina musste schmunzeln. “Aber bisschen Flirten ist doch ganz nett”, grinste sie ihn frech an und biss sich auf die Unterlippe. 
“Du kleines Luder, untersteh dich.” Markus zog sie an sich. „Du gehörst zu mir.“ 
„Weiß ich doch“, lächelte sie sanft und drückte bestätigend seine Hand. 

Wenig später klopfte es. Tobias stand grinsend mit einem Paket vor der Tür. „Der Weihnachtsmann war da.“ 
Fragend schauten Markus und Katharina ihn an.  
„Packt aus!“ 
Katharina begann zu strahlen, als Markus ihr einen Handykarton anreichte. 
„Ist das etwa für mich?“, fragte sie voller Aufregung. 
„Japp. Und hier ist deine neue SIM-Karte dazu. Deine Nummer bleibt.“  
„Danke! Dass ich mich mal so über ein Handy freuen würde, hätte ich nicht gedacht.“ Katharina wibbelte aufgeregt auf dem Sofa herum. 
„Hier ist aber noch eins“, irritiert hielt Markus den zweiten Karton hoch. 
„Das ist deins, mein Freund.“ 
„Aber mein Altes tut es doch noch.“ 
„Du könntest auch ebenso gut Rauchzeichen geben. Sieh es ein, Deins ist ein Vorkriegsmodell. Jetzt seid ihr beide endlich mal up to date.“ 
Markus überlegte, was das alles kosten würde, nachdem er auch noch ein Notebook, ein Tablet und passende Handyhüllen gefunden hatte und woher er das Geld für das alles nehmen sollte. 
Tobias schien Markus Gedanken genauso lesen zu können wie seine Schwester. „Hör auf zu denken, Markus. Peter zahlt das. Auch das Notebook.“ 
„Aber…“ 
„Nix aber. Der hat einiges in Ordnung zu bringen. Und du stehst auch nicht in seiner Schuld dadurch, Markus! Er hat euch das Heim genommen, das ist das Mindeste, dass er nun für die Wiederbeschaffung der notwendigen Sachen zahlt!“ 
„Aber direkt so teure?“, fragte Katharina. 
„Klar, soll ja auch ein bisschen halten oder? Macht euch keine Sorgen darum, nehmt es an.“ 
„Wir haben schon die ganze neue Kleidung angenommen“, warf Markus ein. 
„Darf ich euch noch mal daran erinnern, dass unser Vater eine Mitschuld daran hat, dass ihr alles verloren habt? Also hört auf euch Gedanken zu machen und nehmt mal lieber seinen Scheck, um euer neues Haus zu bestellen, sonst wohnt ihr in zwei Jahren noch hier. Denkt an die Mia. Und wenn ich das richtig sehe, könnte die bald mehr Privatsphäre gebrauchen.“ 
Katharina und Markus warfen sich einen Blick zu. Tobias hatte ja recht, wenn sie das Geld von Peter nicht annahmen, dann würde es umso länger dauern, bis sie wieder ihr eigenes Reich hatten. Und je schneller sie wieder in eine Normalität zurückfanden, je besser. 
“Jetzt sind auch noch der Herbrechter Dickschädel und der Kofler Dickschädel verbündet. Immer alles alleine lösen wollen, bloß nicht über Probleme sprechen, Hilfe annehmen und so… Ihr macht mich fertig, echt! Bis ich euch endlich zusammen hatte, war anstrengend genug. Ich hab also noch mehr als einen gut bei euch und jetzt macht endlich einen Termin mit der Baufirma und kauft euer Haus, Hergott noch mal.” 
“Wenn der sich weiter so aufregt, dann macht es noch Puff und er platzt, oder?” Markus schaute erst Katharina und dann seinen besten Freund grinsend an. 
“Manchmal hasse ich dich, Markus, echt.” 
“Ich weiß, Schwager, ich weiß, aber die meiste Zeit liebst du mich.” Das Grinsen in Markus Gesicht wurde immer breiter. 
“Soll ich euch beide vielleicht allein lassen?”, fragte Katharina mit schüttelndem Kopf. 
“Nee, du sollst ein Haus kaufen!” Tobias sah seine kleine Schwester streng an. 
Katharina warf Markus einen Blick zu. “Ich glaub, er hat gewonnen. Oder, Markus?” 
“Ja, ich glaub auch. Aber nur wegen Mia.” 
“Natürlich, nur wegen Mia”, pflichtete Tobias bei und zog die Augenbraue hoch. “Und noch was: ich hasse eure Kommunikation ohne Worte, damit ihr’s nur wisst.” 
“Das wissen wir”, kicherte seine Schwester, “und genau darum machen wir das.” 
“Ach, noch was, bevor ich euch mit euren Geheimagentenblicken wieder euch selbst überlasse. Ich will morgen mal eben zu unserem alten Herrn, der geht ab Montag in diese Klapse.” 
“Tobias, das ist keine Klapse, das ist eine psychologische Einrichtung”, sagte seine Schwester streng. 
“Ja, Frau Doktor”, er rollte die Augen. 
“Und ich komme mit. Vielleicht kann ja die Verena dem Markus auch morgen schon den Spaltgips abnehmen, der eine Tag macht da nix aus.” 
Markus Blick schnellte hoch und sie registrierte den hoffnungsvollen Ausdruck in seinen Augen.  
“Ich schreibe ihr gleich mal, ich hab ja jetzt wieder ein Handy”, strahlte sie. 
 
 
Mit einem Gefühl von Unsicherheit betrat Katharina mit Tobias das Zimmer ihres Vaters. Markus zog es vor, draußen zu warten. Katharina war ja nicht allein, Tobias war bei ihr und er fand, dass der Abschied den dreien vorbehalten war. Ihr fiel es immer noch schwer und sie wusste auch immer noch nicht, wie sie mit ihrem Vater umgehen sollte. Sie wusste, sie würde noch Zeit brauchen und Peter akzeptierte das. Er war einfach froh, dass sie die Tür nicht zugeschlagen hatte. 
 
Markus war in der Zwischenzeit bei Verena, die ihm tatsächlich den Gips abnahm und ihm stattdessen einen Air Walker gab.  
„Aber nicht übertreiben, hörst du?“, mahnte die Ärztin ihn zur Vorsicht. „Und nachts trägst du das hier.“ Verena reichte ihm eine Schiene. „Aber damit wird keinen Meter gelaufen!“ 
„Okay, Chefin.“ 
„Aber Katharina weiß das ja auch alles. Sie kann schon mal leicht mit deiner Physio anfangen, damit wir dich zur Hochzeit fit haben. Aber pass bitte auf, dass sie sich nicht überanstrengt. Und du bitte auch nicht.“ 
„Meinst du, das klappt bis zur Hochzeit?“ 
„Ich geh davon aus, du schaffst das schon. Und jetzt brauch ich deine Frau. Die will ich auch durchchecken. Wartest Du hier? Dann hol ich sie.“ 
Markus nickte. „Mach ich.“ 
 
Verena kam nur wenig später mit Katharina zurück und gab ihr einen Bericht zu Markus Bein. Dann checkte sie Katharinas Lunge. 
„Schaut ganz gut aus, Katharina. Ich denke, wenn du dein Antibiotikum jetzt aufgebraucht hast, brauchst du keins mehr. Aber bitte: Keine Überanstrengungen und weiterhin ein bisschen Ruhe halten. Und nächste Woche will ich dich wieder hier sehen, zum Lungenfunktionstest und dann röntgen wir. Kommst am Freitag, da bin ich ab 9 Uhr hier.“ 
„Alles klar, Danke, Verena, ich bin Freitag um 9 hier.“ 
„Ach, Katharina, ich hab noch eine tolle Nachricht für dich: Du kannst ab April eine Assistenzarztstelle bei uns haben.“ 
Katharina starrte Verena mit aufgerissenen Augen an. 
„Das ist ja super, endlich kannst du als Ärztin arbeiten“, strahlte Markus. 
Katharina schwieg und starrte teilnahmslos auf ihre Hände. 
„Katharina?“, fragte Verena vorsichtig. „Freust du dich denn gar nicht? Da hast du doch so lange drauf gewartet.“ 
Katharina schluckte. 
„Ich weiß nicht, ob ich das will“, stammelte sie. 
„Natürlich willst du das!“ Markus war dabei lauter als beabsichtigt. 
„Woher willst du wissen, was ich will?“, zischte sie. 
Erschrocken sahen Markus und Verena sie an. 
„Aber Katharina“, versuchte Verena Zugang zu ihrer Freundin zu bekommen, doch Katharina sprang auf und lief aus dem Zimmer. 
„Was war das denn?“, fragte Verena perplex. 
„Ich weiß es nicht, ich muss ihr nach.“ 
„Warte hier, ich rede mit ihr.“ 
„Aber“, weiter kam Markus nicht. 
„Markus, bitte, warte.“ 
Schon eilte die Ärztin an ihm vorbei und Markus blieb besorgt zurück. 
 
Verena fand Katharina im Gang zum Heliport. Dort hatten die Beiden schon zahlreiche freundschaftliche Gespräche geführt und sich gegenseitig ihre Herzen ausgeschüttet. Katharina saß zusammengekauert an der Glaswand und umklammerte ihre Jacke. Tränen liefen über ihre Wangen. Wortlos ließ Verena sich neben sie nieder. 
„Hey, was ist denn los?“, fragte sie vorsichtig. 
Katharina schluchzte neben ihr. 
„Wovor hast du Angst?“ 
„Markus“, stammelte sie. „Wenn ich nicht mitfliege zu den Einsätzen… dann… wird ihm irgendwann was passieren.“  
„Wie kommst du denn darauf?“ 
„Als wir getrennt waren hat er sich laufend in Gefahr gebracht. Der vergisst doch immer auf sich selbst aufzupassen, weil er einfach jeden retten will. Egal, ob er dabei selbst abstürzt oder nicht. Und was er Mia und mir damit antut, das bedenkt er einfach nicht.“ 
„Komm mal her“, Verena nahm ihre verzweifelte Freundin fest in die Arme. 
Der Gedanke, dass Markus etwas passieren könnte, nahm Katharina beinah die Luft zum Atmen. Sie hatte es im Griff gehabt, aber jetzt kam alles wieder hoch. 
„Sprich mit ihm darüber, Katharina. Sag ihm was los ist, so wie du es mir gerade auch gesagt hast. Das Risiko bei den Einsätzen können vielleicht auch die Jungs etwas reduzieren. Aber dir muss klar sein, dass immer und überall etwas passieren kann. Dafür braucht es keinen gefährlichen Einsatz in den Bergen. Und du kannst es nicht verhindern. Niemand kann das. Deswegen kannst du doch jetzt nicht dein eigenes Leben auf Eis legen.“ 
„Wenn Markus was passiert… Verena, das überleb ich nicht.“ 
„Ich weiß, was du meinst, ich hab ja auch immer Angst um den Michi, seit der in die Gletscherspalte geschossen ist. Oder wenn der mit diesem Ungetüm über die Berge fliegt. Aber lass nicht zu, dass diese Angst die Oberhand gewinnt und dich und dein Leben bestimmt. Rede mit Markus und sag ihm, was dich so bedrückt. Und wer sagt denn, dass du nicht weiter mitfliegen kannst? Du glaubst doch nicht, dass ich freiwillig öfter in das gelbe Monster steige als unbedingt nötig, oder?“ 
Nun musste Katharina doch lachen. „Ich könnte tatsächlich weiter mitfliegen?“ 
„Ja. Vielleicht nicht mehr ganz so oft wie bisher, aber ja, du kannst weiter mit. Ich reiß mich da sowieso nicht drum und auch sonst keiner hier, die sind alle eher froh, wenn du das machst. Und nun komm und rede mit Markus, der dreht bestimmt schon durch vor Sorge um dich. Denn nicht nur du machst dir Sorgen um ihn: er macht sich nicht weniger um dich.“ 
Katharina schaute Verena aus verweinten Augen an. 
„Den hättest du mal erleben sollen, nachdem er dich aus den Flammen geholt hat. Der ist hier fast durchgedreht und hat mächtig Albträume gehabt. Also, komm.“ 
 
Markus kamen die Minuten, die er auf Katharina und Verena wartete, vor wie Stunden. Was war nur mit Katharina los, dass sie so reagierte? Sie hatte eindeutig Angst, das war Markus klar. Sollte wirklich er oder besser sein Verhalten am Berg der Auslöser sein? Ihn überkam ein schlechtes Gewissen. Er wusste, dass seine beiden Frauen ein Problem mit seiner Waghalsigkeit hatten. Mia hatte es ihm oft gesagt und er hatte Katharinas Albträume hautnah miterlebt. Wie oft war sie nachts aufgewacht. Nassgeschwitzt. Schreiend. Und völlig fertig. Und wie oft hatte er sein Leben schon riskiert für Menschen, die leichtfertig in die Berge zogen. Wenn das wirklich der Grund für Katharinas Verhalten gerade war, dann schwor er sich, daran zu arbeiten und mehr auf sein Team und sich selbst zu achten.  
Als sich endlich die Tür öffnete und Verena mit Katharina im Schlepptau hineinkam, sprang er auf und hielt für einen Moment die Luft an. Katharina kam sofort zu ihm und griff nach seiner Hand. „Entschuldige bitte, mein Verhalten gerade war doof.“  
Markus nahm sie einfach in den Arm. 
„Lass uns zu Hause in Ruhe reden“, sprach sie leise.“ 
„Ich frag heute Abend nach, ob ihr gesprochen habt. Wenn nicht, komme ich persönlich vorbei“, mahnte Verena. „Und Katharina, ich freu mich, wenn du hier meine Kollegin werden würdest.“ 
 

„Mia?“, rief Markus in die Wohnung, aber es kam keine Antwort.  
„Hier liegt ein Zettel. Bin bei Max und zum Abendessen zurück. Hab euch lieb, Mia.“, las Katharina vor. Sie schälte sich aus ihrer Winterjacke und den Winterschuhen, setzte Teewasser auf und zog sich schnell im Schlafzimmer eine Jogginghose an. Mit zwei dampfenden Tassen kam sie nun zum Sofa, wo Markus schon Platz genommen hatte. Katharina setzte sich seitlich auf das Sofa und zog die Knie an. Sie schaute Markus fest in die Augen und holte tief Luft.  
„Also, ich schulde dir eine Erklärung“, begann sie.  
“Du hast Angst”, sagte Markus leise. 
Sie nickte und hielt einen Moment inne. „Warum ich Angst habe die Facharztausbildung weiter zu machen ist, weil ich Angst habe, dich bei den Einsätzen allein zu lassen.“  
Jetzt war es raus.  
„Ich habe nämlich eine Scheißangst, dass du bei deinen waghalsigen Aktionen drauf gehst. Wenn ich dabei bin, kann ich dich bremsen und auf dich aufpassen. Im Krankenhaus kann ich das nicht. Ich will dich nicht verletzt auf den Tisch bekommen und um dein Leben zittern müssen. Ich will dich nicht auch noch auf dem Friedhof besuchen müssen. Ich will unserer Tochter nicht erklären müssen, dass ihr Papa nicht mehr nach Hause kommt.” 
Er hatte also richtig gelegen mit seiner Vermutung. “Katharina…” begann Markus zögerlich. “Komm mal her.” 
Katharina rutschte zu ihm rüber und ließ sich in die Arme nehmen. 
“Es tut mir so leid”, flüsterte Markus in ihr Haar. “Es tut mir so leid, dass ich deine Ängste einfach nicht ernst genommen habe, obwohl ich es besser hätte wissen sollen, nach allem, was du hier schon mitgemacht hast.” 
Markus begann immer mehr zu verstehen, was in ihr vorging. Nachdem er sie aus der Gletscherspalte geholt hatte, hatte er sich zwar schon vorsichtiger verhalten, aber war letzten Endes doch wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen.  
“Ich habe auch Angst. Um Dich. Um die Mia. Und davor, dass ich noch mal am Berg jemanden in den Tod fallen lassen muss wie Andreas. Das ertrage ich nicht noch einmal”, gestand er ihr offen. 
“Markus, das war nicht deine Schuld.” Katharina hatte sich ein wenig gelöst, um ihm in die Augen sehen zu können. 
“Das sagt mein Verstand, aber mein Herz denkt anders. Immer noch. Und dann gebe ich am Berg alles, weil ich das Gefühl habe, ich schulde es ihm, weil er es auch gemacht hätte.” 
“Du bist nicht Andreas. Du bist an nichts schuld und du musst nicht dieselbe Waghalsigkeit an den Tag legen.” 
“Doch, ich bin schuld, dass du solche Ängste aufgebaut hast. Und wenn du wegen mir jetzt deinen Facharzt nicht machst und dir den Traum einer eigenen Praxis verbaust, dann bin ich auch das schuld. Und ich möchte nicht, dass du unglücklich bist, Katharina.”  
“Das weiß ich doch”, sagte sie traurig. 
“Ich gebe die Bergrettung auf.”  
“Oh nein, das wirst du nicht. Markus, wir brauchen eine Lösung für uns beide und die lautet nicht: Ich gebe die Bergrettung auf. Du wirst nicht glücklich ohne und das will ich nicht. Außerdem geb ich sie doch auch nicht auf.” 
“Nein?” Markus sah sie erstaunt an. 
“Nein! Verena sagt, die sind froh, wenn ich weiter in Michis Höllenmaschine steige.” 
Markus musste nun auch grinsen. “Ja, Verena ist absolut perfekt für den Job.” 
Katharina konnte auch nur lachen. “Absolut.” 
“Also, du würdest deinen Facharzt machen, wenn ich vorsichtiger bin?” 
“Ja, das würde ich.” 
“Und du würdest bei der Bergrettung bleiben, wenn ich weiter mitfliege?” 
“Ja, das würde ich.” 
“Also, dann versuchen wir es? Aber du musst mir wirklich versprechen, dass du keine Risiken eingehst, die vermeidbar sind. Versprich mir, zwei Mal nachzudenken. Und versprich mir, auf Simon, Tobi und Michi zu hören!” 
“Ich schwöre. Und ich verspreche dir, mich immer zu melden, wenn es geht.” 
“Weißt du noch, wie wir uns das das erste Mal geschworen haben?” Katharina dachte an den Moment oben auf dem Berg, wo sie vor nicht allzu langer Zeit auch schon das Thema diskutiert hatten.  
“Ja. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich mein Verhalten nicht geändert habe”, sagte er betroffen. „Dabei habe ich es dir so fest versprochen.“ 
“Ach, Markus. Ich wollte auch weniger ängstlich sein“, seufzte sie.  
„Versuchen wir es jetzt besser zu machen. Zusammen.” 
Katharina nickte zustimmend. 
„Und jetzt schreib Verena, dass du die Stelle annimmst. Du hast sie mehr als verdient und so lange darauf gewartet. Du musst diese Chance einfach nutzen, Frau Doktor. Sonst war dein Studium am Ende umsonst und das würde ich nicht ertragen. Dein Traum mit der eigenen Praxis soll doch wahr werden.“  
Liebevoll sah er Katharina in die Augen und sie wusste genau, dass er jedes Wort ernst meinte.  
 
Während Katharina sich am Nachmittag hingelegt hatte, stattete Markus seinem besten Freund einen Besuch in dessen Büro ab. Irgendwie brauchte er gerade ein Gespräch von Mann zu Mann. Tobias hatte damit gerechnet, denn ihm war in der Klinik schon aufgefallen, dass die Stimmung zwischen seiner Schwester und seinem besten Freund leicht angespannt war. Tobias erhob sich vom Schreibtisch und kam auf Markus zu.  
„Trinkst ein Bier mit mir? Verena hat gesagt, eins darfst du mit mir trinken.“ 
Markus nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Weg an die Bar.  
„Was ist los, Markus?“ Tobias schaute seinen Freund fragend an. 
„Wegen der Katharina, ich hab ein echt schlechtes Gewissen“, gab er offen zu. „Wegen mir wollte sie ihren Facharzt nicht machen. Weil sie Angst hat, dass mir was passiert, wenn sie nicht mehr bei den Einsätzen dabei ist und aufpasst.“ Bedrückt schaute Markus auf das Glas Bier in seiner Hand. 
„Das wundert dich jetzt aber doch nicht wirklich, oder? Meine Schwester liebt dich so sehr, wenn sie dich verlieren würde, würde sie vor die Hunde gehen.“ 
„Was soll ich denn machen, Tobi? Ich will nicht, dass sie diese Angst hat.“ 
„Ich weiß das und sie weiß das auch. Aber versuch dich mal in ihre Lage zu versetzen. Wie würde es dir gehen, wenn sie ständig für andere ihr Leben riskieren würde und du permanent damit rechnen müsstest, dass ihr etwas passiert ist?“ 
„Aber wie soll ich denn meinen Job sonst machen?“  
Tobias sah Markus eindringlich an. „Du solltest einfach mal auf uns hören und keine Alleingänge machen. Das würde schon viel helfen. Wenn dir was passiert, dann betrifft es ja nicht nur Katharina. Auch Mia, wenn es mit der Adoption klappt, euer Baby und auch deine Freunde. Mich zum Beispiel.“ 
Markus dachte einen Moment nach.  
„Hilfst du mir dabei? Hilfst du mir dabei, mich zu bremsen?“ Beinahe flehend sah Markus Tobias an.  
„Versprochen. Aber zieh dich warm an, ein Duell der beiden Dickschädel Kofler – Herbrechter wird nicht ohne.“ 
„Egal, Hauptsache, deine Schwester wird wieder ruhiger. Weißt du, ich hab ihr so oft versprochen, alles für sie zu tun, aber ich habe weder mein Verhalten geändert, noch ihren Kinderwunsch ernst genommen. Und für mich hat sie sogar ihren Traum von der eigenen Praxis begraben. Ich hab eine Heidenangst, dass ich sie irgendwann verlieren könnte.“ 
„Mach dich nicht schlechter als du bist. Du hast dich schon sehr entwickelt. Und ihr euch als Paar auch. Ihr redet endlich miteinander über eure Probleme, das war früher doch undenkbar. Du wirst sie nicht verlieren.“ 
 
Katharina hatte sich gerade ein Glas Saft geholt und sich vor den Fernseher geparkt, als Mia durch die Tür kam. 
„Hey, mein Spätzchen, da bist du ja schon.“ 
Mia nickte und ließ sich neben Katharina auf das Sofa fallen. Katharina fröstelte leicht, da Mia eine gewisse Kälte von draußen mitbrachte.  
„Was schaust du da?“, fragte das Mädchen, während sie sich Jacke und Schuhe auszog. 
„Auf immer und ewig.“  
Fragend sah Mia sie an. 
„Cinderella oder Aschenputtel sagen dir was oder?“ 
„Oh ja, das musste Papa mir immer vorlesen. Darf ich mitgucken?“ 
„Klar, wir können aber auch was anderes gucken, wenn du magst. Ich hab den Film schon oft gesehen.“ 
„Nee, ich mag die Geschichte.“ Mia rückte näher an Katharina heran und Katharina legte die Decke über die Beiden. 
Schweigend saßen sie aneinander gekuschelt auf dem großen Sofa. Katharina wurde das Gefühl nicht los, dass Mia etwas bedrückte. 
„Alles okay, Mia?“, fragte sie kurzerhand. 
„Mhm“, war die knappe Antwort, der ist Minuten später eine Frage folgte. 
„Wie merkt man eigentlich, dass man verliebt ist?“ 
„Mhm, das ist gar nicht so schwierig. Du bekommst ein Kribbeln im Bauch, wenn du die Person siehst. Manchmal redest du auch totalen Unsinn, weil dein Gehirn aussetzt. Du bist mit deinen Gedanken nur noch bei der einen Person. 
„Und möchtest am liebsten nur noch bei dieser Person sein?“, fragte sie. 
„Ja, jede Trennung kommt dir dann vor wie eine Ewigkeit.“ 
„Wie war das bei Papa und dir? Also bevor ich da war? Papa spricht da nicht drüber.“ 
„Oh, dein Papa und ich hatten einen schwierigen und total verkorksten Start miteinander.“ 
„Wann hast du dich in ihn verliebt?“ 
„Also angezogen hat er mich vom ersten Moment, als wir uns sahen. Damals hatte er aber eine Freundin und ich einen Freund. Mein Freund war ja der Andreas.“ 
„Der Sohn vom Franz.“ 
„Richtig. Und der Andreas hing damals bei einem Einsatz beim Markus am Seil über dem Abgrund mit einem Mädchen. Markus hat verzweifelt versucht, beide wieder hochzuziehen, aber es war einfach zu schwer. Markus wäre mit den beiden in den Tod gestürzt, wenn Andreas damals nicht sein Seil durchgeschnitten hätte.“ Katharina schluckte, erzählte dann aber weiter. 
„Ich habe Markus lange Zeit die Schuld an Andreas Tod gegeben, was nicht fair von mir war. Irgendwie haben wir uns aber trotzdem angenähert. Also eigentlich hat dein Papa keine Gelegenheit ausgelassen, um mich zu ärgern. Das ist auch ein Ausdruck von verliebt sein: sich zu necken. Und dann kam der Heilige Abend, als ich bei einem Einsatz in eine Höhle gefallen bin. Markus ist ohne zu zögern zu mir geklettert und hat mich getröstet. Es war mein erster Unfall in den Bergen und ich war damals total in Panik. Aber er war die Ruhe selbst. Da habe ich zum ersten Mal seine Nähe genossen und dieses Kribbeln und Herzklopfen gespürt. Kurz danach hat er mich auf dem Scheunenfest einfach geküsst und wir wollten es miteinander versuchen. Aber es hat nicht funktioniert, weil alles andere wichtiger war als ich und ich mich total zurückgesetzt gefühlt habe. Aber ab da kennst du ja die Geschichte. Ich hab meinem Ex noch mal eine Chance gegeben, was absolut dumm war. Ich hätte auf mein Herz hören sollen damals. Da wäre uns vieles erspart geblieben.“ 
Mia griff nach Katharinas Hand. 
„Als dein Baby gestorben war, bist du mir aus dem Weg gegangen“, sagte sie leise. 
„Ja, das stimmt. Ich habe es nicht ertragen. Ich habe damals gedacht, dass ich niemals so ein tolles Mädchen zur Tochter haben würde. Und ich habe Markus Anwesenheit einfach nicht ertragen. Ich habe ihn immer geliebt, die ganze Zeit über, ich bin aus den falschen Gründen mit Thomas zusammen geblieben. Und kaum hatte ich dem ein Ende gesetzt, weil mir klar geworden ist, dass es keinen anderen Mann als Markus für mich geben würde, passierte der Unfall.“ 
„Er ist über die Klippe mit dem Auto.“ 
„Genau. Dein Papa war der erste, den ich angerufen habe. Und er hat mir noch gesagt: warte auf uns. Aber ich habe nicht auf ihn gehört. Ich war genau so leichtsinnig wie er und bin einfach alleine zum Wagen runter geklettert. Und dann gestürzt. Wenn ich doch nur auf ihn gehört hätte, dann würde deine kleine Schwester noch leben.“ 
„Das war doch ein Unfall und keine Absicht. Den Papa hab ich in der ganzen Zeit viel weinen hören. Aber er hat immer so getan, als wäre alles in Ordnung. Dabei hab ich genau gemerkt, dass er dich vermisst.“  
„Ach, Mia, ich wünschte, du hättest davon nichts bemerkt.“ 
Katharina strich Mia eine Haarsträhne aus dem Gesicht.  
„Wie bist du eigentlich zu Papa zurückgekommen, also was hat dich dazu gebracht?“ 
„Na ja, ich konnte mich einfach nicht mehr vor meinen Gefühlen verstecken. Es war mal wieder Heiligabend, als wir nach dem vermissten Baby gesucht hatten. Die Wochen vorher waren meine Gefühle für Markus schon wieder so überwältigend gewesen, dass jede Berührung mich bald in den Wahnsinn getrieben hat. Ich hab mir nichts mehr gewünscht, als in seinen Armen zu liegen. Und dann ist er in den eiskalten Bergsee gesprungen, um die Entführerin des Babys zu retten und ich dachte, er erfriert. Da wusste ich einfach, dass wir zusammen gehören. Ich wollte ihn aber nicht im Heli küssen, ich wollte einen besonderen Moment dafür. Na ja, abends war ich ja bei euch auf dem Hof eingeladen, dank dir, und als wir uns dann da sahen, konnten wir einfach beide nicht mehr anders, als uns unseren Gefühlen endlich hinzugeben. Wir haben viel zu viel Zeit verschwendet.“ 
„Woran hast du gemerkt, dass Papa dich liebt?“ 
„An seinen Blicken, daran, dass er mich immer zufällig berührt hat und der Tobi hat mich auch geschubst“, lächelte sie. „Also, du fragst das alles doch nicht ohne Grund. Max?“ 
Mia nickte. „Woher weiß ich, dass er mich mag?“ 
„Dein Papa hat schon bemerkt, dass der Max dich mag.“ 
„Echt?“ 
Katharina nickte. 
„Und was mach ich jetzt?“ 
„Berühr ihn zufällig und schau, wie er reagiert. Schaut einen Film an, bei dem du dich in seine Arme kuscheln kannst. Hör auf dein Herz, Mia, es leitet dich.“ 
„Ich hab aber Angst.“ 
„Du brauchst keine Angst zu haben, sich zu verlieben ist etwas wunderschönes, du wirst sehen. Und Markus und ich sind beide immer für dich da.“ 
„Und wenn ich zu dumm bin zum Küssen?“ 
Katharina musste grinsen. „Spatz, niemand ist zu dumm zum Küssen. Auch du nicht.“  
„Na hoffentlich.“ 
„Du schaffst das. Aber bevor es ernst wird, kommst du zu mir, dann gehen wir beide gemeinsam zu meiner Gynäkologin und holen dir die Pille, okay?“ 
Mia wurde leicht rot. 
„Das ist nix, wofür du dich schämen müsstest, Mia. Das ist ganz normal und gehört für alle Mädchen und Frauen dazu. Du musst auch keine Angst davor haben, denn das tut nicht weh und für die Ärztin ist es das Normalste von der Welt.“ 
„Die Felicitas im Internat hat erzählt, dass die Untersuchung der Horror wäre und wehtäte.“ 
„So ein Quatsch. Es ziept kurz bei der Untersuchung, ja, aber mehr nicht. Wenn du möchtest, nehm ich dich mit zur nächsten Vorsorge und dann kannst du erst einmal schauen, was da wirklich passiert. Und wenn du dich bereit fühlst, dann lässt du dich auch direkt untersuchen. Wie klingt das?“ 
Mia nickte. 
„Dann machen wir beide das gemeinsam und du wirst sehen, du brauchst keine Angst zu haben.“ 
„Danke“, flüsterte Mia, deren Handy gerade piepste. Mit einem Strahlen beim Blick auf den Absender öffnete Mia die Nachricht.

 

13. Liebe

Mia war schon früh wach am nächsten Morgen. Der erste Schultag in der Heimat machte sie ziemlich nervös. Katharina und Markus waren ebenfalls früh aufgestanden, um gemeinsam mit ihrer Tochter gemütlich zu frühstücken. Der Kaffee war gerade durchgelaufen, als es klopfte. Verschlafen öffnete Katharina die Tür und musste schmunzeln.  

„Mia, Besuch für dich“ rief sie. „Morgen, Max, komm rein.“ 
Mia strahlte über beide Ohren, als sie ihn entdeckte. 
„Ich dachte, du bist nervös vor deinem ersten Tag hier, da wollte ich dich nicht allein gehen lassen.“ Ein verlegenes Lächeln huschte über Max Gesicht. 
„Hast du schon gefrühstückt?“, fragte Markus. 
Der Junge schüttelte den Kopf. Blitzschnell stellte Katharina ihm einen Teller und eine Tasse samt Besteck vor die Nase.  
Das entspannte Familienfrühstück nahm Mia wirklich die Aufregung vor ihrem ersten Schultag. Auch das ehrliche Gespräch mit Katharina am Vorabend hatte ihr bezüglich Max Mut gemacht.  
„Ach, Papa, ich will auch wieder zu Lina und Felix zu den Jugendbergrettern. Kannst du mich da wieder anmelden? Der Max ist auch dabei.“ 
„Sehr gerne“, antwortete Markus stolz. 
„Wir brauchen dringend weibliche Verstärkung bei der Bergrettung, Mia. Ich muss mich immer alleine mit den Kerlen herumschlagen“, grinste Katharina und schaute Markus von der Seite an. 
„Glaub ihr kein Wort, Mia, in Wahrheit liebt sie nämlich ihren Sonderstatus als einzige Lady an Bord zu sein.“ 
„Ach? Tue ich das?“ 
„Ja, das tust du, sonst wärst du nämlich schon längst schreiend davongelaufen. Aber du bist immer noch da und hast auch noch keinen von uns aufgeknüpft.“ 
„Noch nicht“, sagte sie mit einem Augenzwinkern. „Der einzige echte Gentleman ist der Rudi.“ 
Markus verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. „Was hat Verena dir denn für Drogen gegeben?“ 
“Na, schau doch mal, der Rudi hat mir zum Beispiel die schönen Blümchen hier hinstellen lassen.” 
“Seit wann interessieren dich denn Blümchen?” Entgeistert sah Markus seine Freundin an. 
“Siehst du Mia, DAS meine ich.” 
Mia und Katharina mussten beide lachen bei Markus Anblick. “Mach dir nix draus, Papa, ich bring dir schon noch bei, wie du mit uns Ladys umgehen musst.” Mia warf Katharina einen schelmischen Blick zu und beobachtete Markus aus dem Augenwinkel. 
“Frauen… Max, hör dir das gut an, dann weißt du, was dich erwartet.” 
“Mir schwant böses”, lachte dieser und warf einen verliebten Blick zu Mia. 
“Kann es sein, dass ihr losmüsst?”, stellte Katharina bei einem Blick auf die Wanduhr fest. 
“Oh ja”, Mia griff nach Max Hand und zog ihn hinter sich her. “Bis später”, rief sie fröhlich. 
“So und nun zu dir, Frau Kofler.”  
“Ja, Herr Kofler.” 
“Blümchen? Echt jetzt?” 
Sie grinste ihn nur breit an. 
“Warum hast du mir denn nie gesagt, dass du auf sowas stehst?”  
“Ach, Markus, erstens sollt ihr Männer sowas auch mal von selbst checken und zweitens, wenn es mir wirklich sooo wichtig wäre, dann wüsstest du es. Eine Umarmung oder ein Kuss von dir sind mir wichtiger als alle Blumen dieser Welt.”  
“Das kannst du sofort haben.” Markus kam zu ihr herum und legte die Arme von hinten um sie. 
“Ich liebe dich, Katharina. Ich liebe dich so sehr”, flüsterte er in ihr Ohr und küsste sie zärtlich. 
“Und weil ich dich so liebe, kümmere ich mich jetzt mal um dein Knie.” 
“Du kannst aber auch jeden romantischen Moment zerstören”, murrte Markus und nahm noch einen Schluck Kaffee. 
Katharina schaute ihm amüsiert zu. Aber sie würde nicht nachgeben, egal wie anziehend sie ihren Freund auch gerade fand. Sie wollten nach seiner Physio doch zum Jugendamt und sich wegen Mias Adoption und der Namensänderung informieren. 

Als Katharina die Autotür ihres Wagens öffnete, trat sie einen Schritt zurück. “Ieh, was stinkt denn hier so?” 
Markus öffnete nun ebenfalls die Tür und auch ihm schlug ein Gestank entgegen. “Wer ist denn hier gestorben?” 
“Ich hab keine Ahnung, aber hier verfault doch was.” 
Plötzlich hatte Markus eine Eingebung und ein leises “Oooh”, kam über seine Lippen. 
“Markus?”, fragte sie mit einem Blick, bei dem er direkt daran dachte, dass sie bisher noch keinen aufgeknüpft hatte, aber es gleich durchaus soweit sein könnte. 
“Ja?”, fragte er leise und biss sich auf die Unterlippe, wie es Katharina immer machte. 
“Was ist das, was hier so mieft?” 
Markus ging zum Kofferraum und öffnete vorsichtig die Tür. 
Katharina kam ebenfalls herum und schloss die Augen. “Markus, was ist das da für eine Sauerei in meinem Auto?” 
“An dem Abend, als du… ich war einkaufen… und dann…” 
“Dann hast du mich aus dem Feuer geholt und die Einkäufe hier drin ganz vergessen, stimmt’s?” 
Er nickte und sah sie mit seinen treuen blauen Augen an. 
Katharina musste plötzlich laut lachen und schloss ihren Freund in die Arme. 
“Ich bring ihn zur Innenreinigung und die Tüte hier entsorgen wir jetzt ganz schnell.” 
Katharina griff nach der tropfenden Tüte und trug sie schnell nach draußen, wo die Mülltonnen des Hotels deponiert waren.  
Zum Glück hatten Tobias und Emilie auch Markus Auto zum Hotel gebracht, so dass sie nun diesen nehmen konnten.  

Der Besuch beim Jugendamt hatte gar nicht so lange gedauert, denn wie sie erwartet hatten, sah die zuständige Betreuerin bei der Namensänderung sowie bei der Adoption von Mia kein Problem. Markus und Katharina hatten direkt vor Ort die Formulare ausgefüllt und als nächster Schritt sollte Mia befragt werden. Dazu sollte es in den kommenden Tagen schon einen Hausbesuch im Hotel geben.  
Mit Erstaunen stellte Markus fest, dass das Jugendamt in der Region tatsächlich nicht so langsam war, wie er gedacht hätte. Frau Schlingmann, die für Mia zuständig war, erklärte, dass es bei den Jugendlichen schneller ginge, zumal Mia ja schon lange mit Markus und Katharina zusammenlebte, aber die meisten sich nur für Babys interessieren würden. Und sie bereitete Markus und Katharina auch darauf vor, dass die Wartezeit für ein Baby oder Kleinkind durchaus lang sein konnte, weil einer großen Nachfrage sehr wenig Kinder gegenüberstanden. Frau Schlingmann erkundigte sich auch nochmal, warum das Paar auf der Warteliste für eine Adoption stand. Markus erzählte kurz ihre Geschichte, während Katharina einfach nur auf ihre Hände sah und zwischendurch die Augen schloss. Noch immer fiel es ihr schwer darüber zu sprechen, wie sie ihr Baby verloren hatte und die Bilder in ihrem Kopf waren einfach direkt wieder präsent. Markus griff zärtlich nach ihrer Hand und streichelte mit dem Daumen sanft darüber. “Mias Schwester wäre heute 3 Jahre, 7 Monate, und 17 Tage alt”, sprach Katharina leise. “Und ich würde Mia wünschen, dass sie ein Geschwisterchen bekommt, solange sie noch jung ist. Ich habe meinen Halbbruder erst mit 30 kennengelernt und mir bis dahin immer einen Bruder oder eine Schwester gewünscht. Mia soll einfach Geschwister haben, sie soll niemals allein sein auf der Welt, falls uns etwas passiert. Sie soll eine Familie haben, einen Rückhalt, jemanden, der sie immer lieben wird, dem sie sich anvertrauen kann. Und Geschwisterliebe ist ein so besonderes Band, egal ob leiblich oder adoptiert.” 
Markus musste die Tränen bei ihren Worten wegblinzeln und drückte ihre Hand fester. 
Auch Frau Schlingmann schienen Katharinas Worte bewegt zu haben. 
“Wir schauen, was wir machen können, Frau Strasser”, ermutigte sie Katharina.  

Als Mia mittags mit Max ins Hotel kam, warteten Markus und Katharina schon am Eingang auf die Beiden. 
“Hey, ihr zwei”, rief Katharina und Mia fiel ihr in die Arme. “Das nenn ich mal eine Begrüßung.” 
Danach fiel sie Markus in die Arme. Mia strahlte wie ein Honigkuchenpferd und griff dann nach Max Hand. “Darf ich euch meinen Freund vorstellen?”, grinste sie. 
“Ja, super, Glückwunsch! Ich freu mich”, strahlte nun auch Katharina. 
“Ich freu mich auch für euch beiden”, fügte Markus dem zu. „Willkommen in der Familie, Max. Zur Feier des Tages laden wir euch zum Essen und ein Eis zum Nachtisch ein. Wir müssen nämlich auch noch was mit dir besprechen, Mia.” 
“So, was denn?”, fragte sie ungeduldig. 
“Katharina und ich waren beim Jugendamt.” 
“Uuuund?” 
“Also nächste Woche Mittwoch kommt um 15 Uhr die Frau Schlingmann vom Jugendamt hier hin und möchte mit dir sprechen. Sie wird dich ein bisschen was fragen, also sowas wie: Warum willst du adoptiert werden und so“, erklärte Markus. 
“Okay, das kann ich der ja dann erzählen”, sagte Mia vergnügt. 
“Und… sie hat gesagt, dass es wahrscheinlich gar nicht sooo lange dauert, bis zumindest schon mal dein Name auf Kofler geändert wird.” 
Mia nickte zufrieden und war einfach überglücklich. 
 
Nach dem Essen machten Katharina und Markus einen kleinen Mini-Spaziergang im Hotelgarten. Markus konnte schon erstaunlich gut gehen und die frische Luft tat beiden unglaublich gut. Die Schneeflocken fielen sachte herunter und die Luft roch nach verbranntem Kaminholz. Und es war still. So still, dass man nur das Knirschen unter den Schuhen und die Flocken auf den Jacken hörte. Markus hatte nur eine Krücke mitgenommen und sich mit dem anderen Arm bei Katharina eingehakt. Nachdem sie eine Runde durch den Garten gedreht hatten, befahl Katharina Markus eine kleine Pause. Er ließ sich auf die Bank fallen und zog Katharina auf seinen Schoß. Er drückte sie fest an sich, wie er es so oft tat, seit sie sich wiedergefunden hatten und ganz besonders, seit dem Brand auf ihrem Hof. Katharina kam es vor, als bräuchte er ihre Nähe mehr als sonst. Aber ihr ging es ja nicht anders. Auch sie brauchte seine Nähe, die Sicherheit, dass er da war und genoss jede Berührung, auf die sie nach wie vor mit Gänsehaut reagierte. 
„Keine zwei Monate mehr und du bist endlich meine Frau“, flüsterte er. „Weißt du, wie glücklich ich darüber bin?“ 
„Du hast es das eine oder andere Mal so beiläufig erwähnt“, neckte sie ihn. „Ich müsste mich mal mit Emilie weiter um die Planung kümmern“, stellte sie fest. 
„Haben wir nicht alles?“, fragte er unwissend. 
„Aufgebot, Ringe und Kleidung sind nicht alles, Schatz.“ 
„Was braucht’s denn mehr?“ 
„Zum Beispiel Einladungen, einen Brautstrauß, Essen, eine neue Location, Musik, etwas Deko. Und Schuhe habe ich auch noch keine.“ 
„Einladungen? Die wissen doch alle eh schon Bescheid!?“, fragte er verständnislos. 
„Markus, bitte. Wir heiraten zwar klein, aber das muss drin sein. Ich könnte die Einladungen aber mit Mia selbst basteln, das wird sicher lustig und solange mir Verena noch alles verbietet, habe ich was zu tun.“ 
Katharina deutete Markus wieder aufzustehen, da die Bank eiskalt war. Er wollte aber noch eine kleine Runde machen. 
„Wir könnten doch trotzdem in unserer Scheune feiern. Die hat nichts abbekommen. Ich spreche mal mit den Jungs, also mach mal in Sachen Location nichts. Und zuhause feiern fände ich super.“ 
„Aber wir haben dann doch noch kein neues Zuhause.“ 
„Aber das Haupthaus wird dann wohl fertig sein, da ziehen wir einfach solange mit ein.“ Markus begann wild zu überlegen. Und plötzlich hatte er auch schon eine Idee für die Hochzeitsnacht. Markus begann plötzlich zu grinsen. 
„Hast du dir gerade selbst einen Witz erzählt oder sagst du mir, warum du plötzlich so grinst?“ 
„Nee, das verrate ich nicht, das wirst du dann schon sehen.“ 
Skeptisch sah sie Markus an und sie dachte daran, dass sie noch gar kein Hochzeitsgeschenk für ihn hatte. Aber sie hatte schon eine Idee. Nun grinste auch sie Markus breit an. 
„Lass mich raten. Du verrätst mir nichts, ich werde es dann schon sehen?“ 
„Ganz genau, mein Schatz. Und jetzt rein, für heute bist du genug gelaufen.“ 
 
Katharina schüttelte den Schnee aus dem Kunstfell an ihrer Kapuze ihrer neuen weißen Jacke, als sie das Hotel betrat. “Hey Schwesterherz”, ertönte Tobias Stimme von der Rezeption aus. “Hey Tobi, mein Lieblingsbruder. Du strahlst ja so, was ist los?”  
“Hey Schwager”, rief Tobi Markus zu, der hinter Katharina die Lobby betreten hatte. 
Markus hob winkend die Hand. 
“Also, warum strahlst du so?”, fragte Katharina voller Neugier. 
“Na ja, ich war gestern Abend mit der Emilie essen.” 
Mit großen Augen sah Katharina ihn an. “Wusst ich’s doch. Das mit euch ist noch nicht vorbei.” 
“Hey, es ist noch überhaupt gar nichts passiert. Es war einfach ein schöner und lustiger Abend.” 
Markus grinste seinen besten Freund breit an. “Du und die Emilie, das find ich soo gut. Bemüh dich und verbock es nicht nochmal. Dann müsste ich dir nämlich leider den Hals umdrehen.”  
“Ey, keine Drohung, so weit sind wir auch noch lange nicht. Aber ich weiß selbst, was für ein riesiges Rindvieh ich war, sie damals gehen zu lassen.” 
“Schön, dass es dir auffällt”, erwiderte Markus frech. 
“Das kommt genau vom richtigen. Darf ich dich erinnern, was das für ein Leid war, bis Katharina und du endlich mal zusammen wart? Tust du IHR nochmal weh, werde ich dich leider auch umbringen müssen.”  
Die Steilvorlage musste Katharina nutzen. “Hör gut zu, Markus. Bist du nicht lieb, hol ich meinen großen Bruder.” Sie schlang ihre Arme um seinen Arm, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. “So, ich hüpfe jetzt unter die warme Dusche, quatscht ihr ruhig weiter. Essen wir nachher gemeinsam zu Abend?” 
“Klar, treffen wir uns um 7 am Stammtisch? Ich sag Emilie Bescheid”, lächelte Tobias selig. 
“Perfekt. Bis später.” 
Markus schaute Katharina noch nach, bis sie um die Ecke verschwunden war. 
Grinsend beobachtete Tobi seinen besten Freund. “Bei dir hätte echt keine Frau mehr eine Chance oder?” 
“Nee”, sagte Markus ehrlich. “Für mich gibt es keine andere als deine Schwester. Und es wird auch nie eine andere geben können. Bei ihr bin ich einfach zuhause.” 
“Das ist die schönste Liebeserklärung, die du ihr machen kannst. Und ich sage dir eins: Ihr geht das nicht anders.” 
“Was könnte ich auch mehr wollen? Sie nimmt mich, wie ich bin, sie hört mir zu, lacht und weint mit mir und mittlerweile spricht sie mit mir, wenn sie Kummer hat. Und obendrein ist sie auch noch die wunderschönste Frau der ganzen Welt.” 
“Und bevor dir der Sabber gleich aus dem Mund läuft, geh ihr mal nach. Duschen klingt gut”, grinste Tobi frech und auch Markus musste lachen.  
“Bis später.” 

Markus packte seine Jacke schnell an die Garderobe und warf einen Blick auf seine Uhr. Mia müsste noch mindestens eine Stunde mit Max im Kino sitzen. Er hörte das Wasser im Badezimmer rauschen. Schnell verschwand er im Schlafzimmer und holte sich den Air Walker, den Verena ihm extra für die Wasserübungen mit Katharina gegeben hatte und frische Kleidung. Leise schlich er ins Badezimmer. Er hörte Katharina vor sich hin pfeifen. Er erkannte sogar, was es war. Roxettes Joyride. Katharina war so vertieft, dass sie gar nicht mitbekam, wie Markus zaghaft die Duschtür öffnete und hineinschlüpfte. Erst als er die Arme um ihren Bauch legte, schreckte sie zusammen. “Markus”, entfuhr es ihr. Ihr Herz schlug bis zum Hals. “Musst du mich so erschrecken?”  
“Mhm”, murmelte er an ihr Ohr und nahm ihr das Haarshampoo aus der Hand.  
“Was wird das?”, fragte sie leise, obwohl sie sich genau denken konnte, was Markus vorhatte. 
“Genieß einfach”, flüsterte er und begann ganz vorsichtig ihre Haare einzuschäumen. Katharina schloss seufzend die Augen. Zu schön fühlten sich Markus Hände in ihren Haaren an. Eine Gänsehaut lief über ihren Körper, was Markus nicht verborgen blieb. Vorsichtig nahm er die Brause in die Hand und spülte den Schaum aus ihren Haaren. Danach hing er sie wieder zurück in die Halterung. Nun griff Katharina nach der Shampooflasche, drehte sich zu ihm um, stellte sich auf die Zehenspitzen und begann genauso zärtlich damit auch seine Haare einzuseifen. Auch Markus genoss die liebevollen Berührungen seiner Freundin, ließ aber den Schaum von der Dusche abwaschen, da Katharina einfach zu klein war, um es ihm gleichzutun. Dafür hatte sie schon nach dem festen Duschgel gegriffen und fuhr sanft damit über seinen Oberkörper. Markus lief bei ihrer Berührung ein Schauer nach dem anderen über den Rücken und Katharina hatte wohl bemerkt, dass ihr einseifen bei ihm nicht ohne Folgen blieb. Liebevoll sah sie ihm in die Augen, während sie mit dem Stück Seife vorsichtig über seine Erregung streichelte. Sanft drehte er sie herum, nahm ihr nun das feste Duschgel wieder aus der Hand und begann voller Liebe damit über ihren Oberkörper zu streicheln. Als er dabei ihre Brust berührte, spürte sie das Kribbeln in ihrem Unterleib immer mehr. Markus küsste ihren Hals und seine Hände wanderten mit der Seife in kreisenden, zarten Bewegungen über ihren Bauch. Katharinas Hände griffen nach seinem Po und zogen Markus näher an sie heran. Sie konnte seine Erregung ganz deutlich spüren. Als Markus mit dem Stück Seife zwischen ihre Beine glitt, entfuhr ihr ein leises, wohliges Stöhnen.  
“Das gefälllt dir, hm?”, flüsterte er in ihr Ohr und knabberte ein wenig an ihrem Ohrläppchen. 
Zu mehr als einem “Mhm” war Katharina in dem Moment nicht mehr fähig. Markus Berührungen zwischen ihren Schenkeln trieben sie beinah in den Wahnsinn. Ihr Griff in seinen Po verstärkte sich. Er warf das Stück Duschgel in den Halter und ließ eine Hand sanft über ihre Brüste gleiten, während die andere immer wieder ihre empfindlichste Stelle streichelte. Als Markus sie wieder zu sich drehen wollte, merkte er, dass ihre Beine ein wenig nachgaben. “Hoppla, hiergeblieben”, sagte er leise als seine starken Arme sie umfassten und so an sich zogen, dass sie den Bodenkontakt verlor. Sie spürte die harte und kalte Duschwand in ihrem Rücken und klammerte sich an ihren Freund. Markus küsste sie voller Verlangen und Katharina umschloss ihn mit ihren Beinen. Markus Erregung rieb dabei so an ihr, dass sie glaubte, gleich vor Verlangen durchzudrehen. Markus sah ihr tief in die Augen, als wollte er ihre Erlaubnis einholen, bevor er in sie glitt. Für beide fühlte es sich einfach so gut an, den anderen zu spüren und mit ihm verbunden zu sein. Und sich einfach völlig den Gefühlen füreinander hingeben zu können. Die Küsse waren so gierig, als bräuchten sie sie, wie die Luft zum Atmen. Direkt nacheinander kamen sie zum Höhepunkt. Katharina hatte vorher nie so guten Sex gehabt, wie mit Markus. Sie vertraute ihm blind, sie wusste, er würde nichts tun, dass sie auch nur angehend verletzen oder ihr irgendwie weh tun würde. Noch nie hatte sie sich bei einem Mann vorher so fallen lassen können. Und auch Markus hatte mit Katharina sein perfektes Gegenstück gefunden. Er hielt sie einfach in seinen starken Armen, bis sich ihrer beider Herzschlag wieder beruhigt hatte und er sich sicher war, dass sie wieder die Kraft hatte, allein auf ihren Beinen zu stehen.  
 
Bis zum Abendessen hatten sich Katharina und Markus noch einmal auf ihr Bett gekuschelt. Katharina lag neben Markus auf dem Bauch und blätterte durch einen Versandhauskatalog von Emilie, während Markus ihr mit einer Hand den Rücken kraulte und gedankenverloren nach draußen auf die Berge schaute. Der Schneefall hatte ein wenig nachgelassen und man konnte wieder ein wenig von der schönen Winterlandschaft erkennen. Wie gerne würde er jetzt seine Ski nehmen und durch den frisch gefallenen Schnee sausen.  
„Woran denkst du?“, fragte Katharina neben ihm. Erstaunt sah er zu ihr. 
„An die Berge. Ans Skilaufen.“ 
„Oh, das wird noch ein wenig dauern. 6 Wochen bestimmt.“ 
Markus seufzte. Katharina setzte sich auf und zog ihn in ihre Arme. 
„Tut mir leid, dass du wegen mir kein Skilaufen kannst diese Saison“, sagte sie bedrückt. 
„Um Gottes Willen, Katharina, was denkst du nur?“ Er küsste sie auf die Stirn. „Für dich würde ich doch mein Leben lang aufs Skifahren verzichten. Du, ich glaub, wir müssen uns umziehen.“ 
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung, Handy liegt im Wohnzimmer und meine Uhr ist verbrannt.“ 
„Sollen wir dir morgen eine neue kaufen fahren? Und danach könnten wir doch vielleicht mal in der Zentrale vorbeischauen.“ 
Katharina musste schmunzeln, sie hatte schon damit gerechnet, dass Markus irgendwann Sehnsucht nach der Bergrettung bekommen würde. Aber auch sie vermisste ihre Jungs. 
„Machen wir“, sagte sie und rollte aus dem Bett und verschwand kurz im Bad.  
Markus beobachtete sie, wie sie sich für das Abendessen umzog. Katharina schlüpfte in eine schwarze Leggins und ein Paar Ballerinas. Nun stand sie vor dem Kleiderschrank und ließ ihren Blick nach einem passenden Oberteil schweifen. Markus erhob sich nun auch aus dem Bett.  
„Soll ich dir was aussuchen?“, fragte er und trat neben sie. 
„Klar, ich kann mich gerade nicht entscheiden. So viel neues.“ 
Markus griff nach ihrer neuen weißen, leicht transparenten Bluse und reichte sie ihr zusammen mit einem passenden BH. „Und damit du nicht frierst“, grinste er und reichte ihr noch eine ihrer neuen Strickjacken dazu.  
Katharina zog die Kombination genauso an und bemerkte, dass Markus Blick auf ihr haftete. 
Fragend schaute sie ihn an. 
„Weißt du eigentlich, wie unglaublich schön du bist?“ 
Katharina hatte gerade nicht mit einem solchen Kompliment gerechnet und lächelte sanft.  
„Und weißt du das eigentlich auch von dir? Wie schön du bist?“, stellte sie die Gegenfrage und sah ihn liebevoll dabei an. 
Markus fand sich selbst nicht wirklich schön, aber er war glücklich, wenn seine Katharina das so sah. Für ihn war nur sie von Bedeutung, er wollte gar keinen anderen Menschen gefallen. Sie reichte ihm nun ein schwarzes Hemd zur blauen Jeans, was er grinsend entgegennahm. Er wusste, dass sie ihn darin unglaublich gern sah. Markus nahm Katharinas Handy vom Wohnzimmertisch und machte ein Selfie von ihnen beiden, bevor sie sich zum Restaurant begaben und stellte es ihr als Hintergrund ein. „Wir machen noch ein schöneres mit Mia, versprochen.“ 
 
Emilie und Tobias hatten bereits am üblichen Tisch Platz genommen und unterhielten sich angeregt, als Markus und Katharina dazu kamen. Die Kinder waren noch nicht aus dem Kino zurück. Mia hatte Katharina und Markus geschrieben, dass der Film länger gedauert hatte und sie einen Bus später kommen würden. Auch Andrea, die Mutter von Max, war noch nicht da. Allerdings war es auch erst zwanzig vor sieben. Sie nutzten die gemeinsame Zeit, bis die anderen kommen würden, um über die Zukunft und ihr geplantes Zusammenleben auf dem Hof zu sprechen. 
Plötzlich kam Julia, die Rezeptionistin, völlig aufgelöst an den Tisch gelaufen. „Katharina, bitte komm schnell, es gab einen Unfall vorm Haus.“ Katharina sprang direkt auf und folgte ihr. Sie hatte plötzlich wahnsinnige Angst, dass ihrem Kind etwas passiert sein könnte.

 

14. Polterabend

Katharina spürte es deutlich gegen ihre Rippen pochen. “Bitte nicht die Mia”, war ihr ständiger Gedanke, als sie hinter Julia herlief. Der Weg zum Haupteingang des Hotels kam ihr unendlich weit vor. Ihre Kondition ließ derzeit noch eindeutig zu wünschen übrig. Auch Markus, Tobias und Emilie folgten Katharina zum Hoteleingang. Vor der Tür versuchte gerade der Küchenchef samt Beikoch zwei Wagen, einen Transporter und einen Kleinwagen, auseinanderzuschieben, zwischen denen eindeutig eine Person eingeklemmt war. “Tobi, Markus, helft bitte den beiden beim Schieben und Emilie, du hilfst mir bitte die Frau zu sichern”, kam der direkte Befehl von Katharina. “Julia, ruf die Rettung, bitte und hol eine Decke.” “Rettung ist schon alarmiert, Decke kommt”, rief sie und war schon losgelaufen. “Scheiße, das ist ja die Andrea”, rief Emilie, als sie bei der Verletzten angekommen war. “  
“Emilie”, flüsterte Andrea, die eng an die Kofferraumhaube ihres Wagens gedrückt war. “Der Max.” “Der Max ist noch mit Mia im Kino, der kommt gleich.” Julia kam blitzschnell zurück und breitete die Decke auf dem Boden aus. Katharina umfasste Andrea von hinten, als die Männer das Auto ein Stück zurückgeschoben hatten. Offenbar stand Andrea so unter Schock, dass sie die Schmerzen nicht wahrnahm. Gemeinsam mit Emilie und Tobias legte Katharina Andrea auf die Decke. Emilie kniete neben ihrer Freundin und hielt ihre Hand. “Andrea, schau mich mal bitte an und folge meinem Finger”, bat Katharina. “Wo hast du Schmerzen.” “Brust”, stammelte sie. “Beine.”  
„Wahrscheinlich hat sie innere Blutungen, sie muss so schnell wie möglich ins Krankenhaus.“ Erschrocken schaute Emilie Katharina an. „Wird sie sterben?“, flüsterte sie kaum hörbar. Katharina schüttelte den Kopf. „Nein, der RTW muss jede Minute hier sein und der Unfall ist ja eben erst passiert“, flüsterte Katharina. „Max“, stammelte Andrea.  
„Keine Sorge, Andrea, wir passen auf ihn auf. Er kann bei uns bleiben“, beruhigte sie Katharina. Katharina zog ihre Strickjacke aus und legte sie unter Andreas Kopf. Dann sah sie nach ihren Beinen. Sie war sich sicher, dass sie einige Knochenbrüche davongetragen hatte. Als der RTW vorfuhr, übergab Katharina ihre Patientin. Emilie fuhr mit in die Klinik, während Katharina auf Max warten und dann gemeinsam mit dem Jungen nachkommen wollte. Plötzlich spürte Katharina, dass ihr jemand ihre Jacke über die Schultern legte. Wer dieser jemand war, wusste sie sofort. „Danke“, flüsterte sie ihm zu. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie kalt und nass sie mittlerweile durch die fallenden Schneeflocken geworden war. 

 
Nachdem der RTW abgefahren war, zog sich Katharina schnell etwas Trockenes und Warmes an und schnappte sich Markus Autoschlüssel, damit sie direkt mit Max zur Klinik fahren konnte, sobald er kam. Als Katharina ins Restaurant zurückkehrte, wo Tobias und Markus auf die Kinder warteten, stand schon eine Tasse heißer Tee auf dem Tisch. Markus schob ihn zu ihr rüber. “Der ist für dich, draußen war das ganz schön kalt, ich will nicht, dass du schon wieder krank wirst, bevor du überhaupt richtig gesund bist.”  
“Danke”, sagte sie und umschloss die warme Tasse mit ihren Händen. Markus legte den Arm um sie und zog sie ein wenig näher an sich heran. “Ob ich den Kindern entgegenfahren soll?”, fragte Katharina unsicher.  
“Nein, wir warten jetzt hier auf die Beiden und dann fahren wir gemeinsam mit ihnen nach Schladming. Mia wird Max sicherlich nicht allein lassen wollen.” 
“Andrea wird garantiert direkt operiert. Ich vermute, ihre Milz ist gerissen.” 
“Wer kümmert sich denn um den Hof und die Tiere”, fragte Tobias. 
“Andreas Vater wird bestimmt kommen, aber ich weiß nicht, ob er noch die Kraft hat, sich alleine um den Hof zu kümmern”, überlegte Markus. 
“Die Andrea wird auf jeden Fall lange ausfallen, sie hat mehrere Brüche in beiden Beinen.” Katharina schmiegte sich noch näher an Markus und genoss die angenehme Wärme, die von ihm ausging. 
“Die Emilie hat ihr öfter geholfen, als ihr Mann starb”, erzählte Tobias. 
“Wir werden ihr auch helfen”, sagte Markus. “Die Andrea müsste eigentlich die Ziegen abgeben. Der Max ist so ein wahnsinnig kluger Junge, der macht die Matura garantiert mit links. Außerdem ist der so verdammt geschickt mit Holz.” 
“Woher weißt du denn das?”, fragte Tobias erstaunt. 
“Jugendbergrettung. Der Max ist schon so lange dabei und ja auch schon mit der Mia befreundet, seit sie bei mir ist. Ich hätte mir keinen besseren Freund für meine Tochter wünschen können.” 
“Da kommen die Kinder”, sagte Katharina und löste sich ein klein wenig aus Markus Arm. Um ihn und seine Wärme direkt danach wieder zu vermissen. 
“Hey”, grüßte Mia und ließ sich auf den Stuhl fallen. “Sorry, dass wir zu spät sind, aber wir haben den Bus verpasst, der Film hatte Überlänge.” 
Max ließ sich auf den Stuhl neben Mia fallen. “Ist meine Mama noch gar nicht da?”, fragte er. 
Markus sah den Jungen ernst an. “Was ist mit meiner Mama?”, fragte er direkt alarmiert. 
“Max, Deine Mama hatte einen Unfall. Sie ist draußen von einem rollenden Auto eingeklemmt worden”, erklärte Markus. 
“Darum ist die Jessi da draußen, oder?”, fragte Mia und griff nach Max Hand. 
“Genau. Die Emilie ist mit Andrea ins Krankenhaus gefahren, nachdem wir sie befreit hatten und Katharina ihre Erstversorgung übernommen hat.” 
“Was hat sie, Katharina? Stirbt sie?” 
“Nein, Max, ich vermute, dass sie innere Blutungen hat und schon operiert wird. Aber ihre Beine sind mehrfach gebrochen. Sie wird eine Zeit lang nicht laufen können.” 
„Kann ich zu ihr?“ 
„Ja, wir haben nur auf euch gewartet“, sagte Katharina und lächelte dem Jungen aufmunternd zu. 
„Ich muss den Opa anrufen“, sagte er und sprang von seinem Stuhl auf. 
„Willst du den Opa unterwegs anrufen? Dann fahren wir sofort los“, fragte Markus. 
Max nickte. 
„Darf ich mit?“, fragte Mia.  
„Wir haben mit nichts anderem gerechnet“, lächelte Katharina. 
 
Emilie saß vor der Notaufnahme und erhob sich direkt von ihrem Stuhl, als sie Katharina und Markus mit den Kindern kommen sah. Vorsichtig strich sie über Max Haar. „Andrea wird gerade operiert. Die Milz ist wirklich gerissen, Katharina. Verena sagte aber, es dauert nicht sehr lange und dass keine Lebensgefahr besteht.“  
„Gott sei Dank“, erleichtert atmete Max aus und warf Mia ein Lächeln zu. 
„Dann warten wir jetzt hier, bis du zu deiner Mama darfst und dann fahren wir zu eurem Hof und holen dir ein paar Sachen. Dann bleibst du erst mal bei uns, okay?“ 
Der Junge nickte. 
„Du kannst bei Mia schlafen, aber unter einer Bedingung: ihr macht keinen Quatsch.“ 
„Beruhig dich, Papa, ich hab das alles schon mit Mama besprochen.“ Mia grinste Katharina zu, die den Arm um sie legte. 
„Genau das haben wir“, kicherte Katharina und streckte Markus die Zunge raus. 
„Hoffentlich bleibt es bei zwei Weibern in diesem Haus, mehr erträgt der stärkste Mann nicht.“ Markus grinste seine beiden Damen frech an, um ihnen kurz danach ebenfalls die Zunge herauszustrecken. 
Keine halbe Stunde später kam Verena und ließ Max zu seiner Mutter. Danach holten sie für ihn ein wenig Kleidung vom Hof und fuhren zurück zum Hotel Herbrechter. 

 
Am nächsten Morgen war Markus schon vor dem Wecker wach. Katharina schlief noch tief und fest und Markus entschied, sie schlafen zu lassen. Seine Freundin war definitiv eine kleine Langschläferin, ganz im Gegensatz zu ihm. Markus holte die Brötchen, die schon an der Wohnungstür hingen, herein und deckte den Tisch, während der Kaffee durch die Maschine lief. Dann klopfte er leise an Mias Tür und öffnete diese. Unweigerlich huschte ein Lächeln auf sein Gesicht. Mia hatte sich genau so dicht an Max gekuschelt, wie sich Katharina immer an ihn herandrückte. Kein Blatt hätte mehr dazwischen gepasst. Markus wurde richtig warm ums Herz. Hatte er vor ein paar Tagen noch Sorge gehabt, dass es ihn belasten könnte, wenn Mia ihren ersten Freund hatte, so fühlte er jetzt einfach nur unbeschreibliches Glück. Beide schliefen so entspannt, dass es ihm schwerfiel, sie jetzt wecken zu müssen. In diesem Moment wünschte er sich, dass die Liebe der beiden jungen Menschen genauso besonders war, wie seine zu Katharina und dass sie vielleicht ihr Leben lang zusammenblieben. 
 
Nachdem die Teenager die Wohnung verlassen hatten, belegte Markus ein Brötchen für Katharina und goss ihr einen Kaffee ein. Vorsichtig betrat er das Schlafzimmer und stellte Teller und Kaffee auf dem Nachttischchen ab. Katharina hatte sich ziemlich in die Mitte des Bettes gekuschelt und hielt Markus Kissen im Arm. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und begann sanft über ihren Arm zu streicheln. “Guten Morgen, schöne Frau”, sagte er leise.  
“Mhhhm”, murmelte sie.  
“Noch nicht aufstehen?”, fragte er. 
Sie schüttelte ihre Locken, die nun auf ihrem Gesicht lagen. 
Markus grinste. “Kuscheln?”, fragte er amüsiert. 
Sie nickte nur und Markus krabbelte zu ihr unter die Decke. Katharina schmiegte sich direkt an ihn heran. “Ich könnte ewig mit dir so liegen bleiben”, murmelte sie. 
“Du kleine Schlafmütze.” Zärtlich strich er ihr über das Haar. „Du bist wirklich geschafft, oder?“ 
„Total“, gab sie zu.  
„Was hältst du davon, wenn wir einfach hier im Bett bleiben?“ 
„Würde ich gerne, aber du kriegst gleich deine Physio von mir.“  
“Und schon wieder ist sie so ungemütlich”, grinste Markus. “Ich hab da übrigens noch was für dich.”  
Katharina schaute nun zu ihm. „Was denn?“, fragte sie mit einer gewissen Vorfreude in der Stimme. 
„Na ja, beim Feuer ist ja dein orangenes Armband verbrannt.“ Markus hielt seine Hand vor ihr auf. „Da war ich so frei, dir ein neues zu bestellen. Dein Altes habe ich aber nirgendwo gefunden, darum jetzt eben in hellgrau mit einem Kleeblatt. Damit es Dir immer Glück bringt.“ 
Katharina strahlte vor Freude übers ganze Gesicht. „Danke“, flüsterte sie. 
 

Nachdem Katharina sich um Markus Knie gekümmert hatte und alle Besorgungen erledigt waren, lenkte sie den Wagen auf den Parkplatz der Bergrettung. Freudig öffnete Markus ihr die Tür. „Franz?“, fragten beide gleichzeitig. „Was machst du denn hier?“ 
„Die ham an Einsatz und den Rudi mitgenommen. Und was macht’s ihr hier?“ 
„Eigentlich wollten wir nur Hallo sagen“, antwortete Markus. “Aber wenn du magst, leisten wir dir ein wenig Gesellschaft.” 
“Ihr könntet mal einen Kaffee kochen, diese Höllenmaschine, die ihr da hinten habt, kann das nicht.” 
Katharina warf Markus einen schmunzelnden Blick zu und verschwand mit den Worten “Ich koch uns einen” in der kleinen Kaffeeküche. 
Gemeinsam warteten sie mit Franz auf die Heimkehr der ausgeflogenen Kollegen.  

 
Rudi betrat als Erster nach dem Einsatz die Zentrale. Und er strahlte bis über beide Ohren, als er Katharina erblickte. Katharina tat es nach wie vor in der Seele weh, dass Rudi immer noch so in sie verschossen war, obwohl er wirklich keine Chance bei ihr hatte. Ihr Herz gehörte halt einfach Markus und daran würde sich auch nie etwas ändern. Der Bergretter drückte Katharina fest an sich. „Danke noch mal für die schönen Blumen, Rudi. Ich hab mich wahnsinnig darüber gefreut.“ 
„Das freut mich.“ Verlegen sah er sie an und seine Wangen wurden von einem leuchtenden Rot überzogen. 
„Hallo Rudi“, grüßte Markus seinen Kollegen. 
„Hey Markus“, Rudi drückte auch den Leiter der Bergrettung an sich.  
„Ja, wen seh ich denn da? Mein Schatz ist ja da“, begrüßte nun auch Michi seinen Kollegen. 
„Und die Schatzine ist auch da.“ Michi zog nach Markus auch Katharina in seinen Arm. „Wie gehts dir, meine kleine?“ 
„Viel besser, Michi, Danke. Bisschen schwach auf der Brust, aber es wird.“ 
„Wo ist denn Simon?“, fragte Markus. 
„Der hat ein Date mit Jessi und ist direkt heim“, antwortete Rudi. 
„Wie schaut’s aus, Spezi? Kannst ein bisschen Innendienst hier übernehmen? Wir brauchen echt jemanden, der uns wenigstens hier den Rücken freihält.“ Fragend schaute Michi Markus an. 
Markus warf einen Blick zu Katharina rüber.  
„Okay, Jungs, ihr könnt ihn haben. Nach seiner morgendlichen Physio und unter zwei Bedingungen: Ihr hängt ihn nicht ans Tau und er klettert nirgendwo herum. Sein Hintern bleibt in diesen Räumlichkeiten. Wenn nicht, kann er im März heiraten, wen er will: mich nicht. Habt ihr das verstanden oder soll ich es euch lieber noch mal schriftlich geben? Ich weiß ja, dass diesbezüglich eure Aufmerksamkeitsspanne ziemlich begrenzt ist.“ Katharina war durchaus bewusst, dass sie gerade sehr hart klang, viel härter als sie beabsichtigte, aber sie kannte Markus zu gut und sie wusste, dass er auch noch mit einem Fußbruch in die Berge marschieren würde. Ein Schmunzeln konnte sie allerdings nur schwer unterdrücken. 
„Also, wer beim Aufschneiden eurer Hochzeitstorte die Hand oben haben wird, ist eindeutig“, grinste Michi. 
„Kennst du doch aus eigener Erfahrung“, entgegnete sie frech und schaute ihn herausfordernd an, ehe sie anfing zu lachen. Wie hatte sie die Neckereien mit ihren Jungs vermisst. Manchmal war sie ja ein wenig traurig, die einzige Frau im Team zu sein, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie es dennoch absolut genoss. Sie liebte es, die Jungs zu ärgern und andersherum war es nicht anders. Und sie wusste, dass sie sich auf ihre Männerbande immer verlassen konnte. Die Jungs würden alles für sie tun und akzeptierten sie komplett. 
„So klein und doch so frech“, grinste Michi. „Ich hab dich echt vermisst, Mädel.“ 
 
 

Ein paar Wochen und viele Arbeitsstunden des Bergrettungsteams später war das Haupthaus auf dem Hof wieder bezugsfertig. Die Räume waren untereinander verteilt und auch Max und seine Mutter Andrea waren mit auf den Hof gezogen, da sich Andrea entschieden hatte, eine Stellung bei Tobias im Hotel anzunehmen, sobald sie wieder fit war und ihren Hof abzugeben. Markus und Katharina waren in eins der Gästezimmer gezogen und Mia mit Max unters Dach, bis ihr neues Heim endlich da war. Es war auch nur noch eine Woche bis zur Hochzeit und sowohl Markus als auch Katharina wurden langsam nervös. Markus hatte seine finale Anprobe bereits hinter sich, nachdem er endlich wieder ohne Air Walker laufen konnte. Seinen Anzug hatte er in Tobias Zimmer versteckt. Ebenso wie er die Ohrringe für Katharina, die er gemeinsam mit ihrer Tochter ausgesucht hatte, dort versteckte. Je näher der große Tag kam, je weniger bekamen sie Mia zu Gesicht. Ständig waren Max und sie unterwegs. Katharina und Emilie gaben sich derweil viel Mühe mit der Inneneinrichtung des Hofes. Der alte Charme sollte erhalten bleiben, aber manche Dinge mussten eben einfach erneuert werden. Franz pröttelte ein wenig, da er nur noch einen kleinen Teil der Scheune für seine Basteleien nutzen konnte. Nachdem ihm Emilie aber klar gemacht hatte, dass er lieber froh sein sollte, dass er überhaupt noch ein Zuhause hatte, war auch er ruhig und zufrieden. Hand in Hand hatten sie das Haus hergerichtet und den Hof wieder zu ihrem Zuhause gemacht. Die erste Feier sollte der Polterabend von Markus und Katharina am Wochenende vor ihrer Hochzeit werden. Die Jungs wollten unbedingt grillen und hatten zusammen mit Franz einen riesigen Schwenkgrill gebaut. Der Gedanke daran bereitete Katharina Unbehagen, aber sie wollte den Männern die Freude daran nicht nehmen. Mit Skepsis nahm sie das gewaltige Ding auf der schneebedeckten Wiese vor dem Hof zur Kenntnis und versuchte den Gedanken daran, dass Grillen unweigerlich etwas mit Feuer zu tun hatte, zu verdrängen. Gemeinsam mit Emilie, Jessi und Verena stand Katharina in der Küche des Haupthauses und bereitete Salate, Nachtisch und Kuchen vor. Andrea kümmerte sich um die Schnippelarbeiten und dabei floss schon das eine oder andere Glas. Bei den Herren sah es nicht anders aus. Michi, Tobias und Simon hatten spontan eine Schneebar gebaut und Rudi hatte ein paar Bierzeltbänke nach draußen getragen. Mia und Max kümmerten sich derweil um Musik. Franz hatte überall auf dem Hof Fackeln in den Schnee gesteckt und hatte schon die erste Flasche selbstgebrannten Haselnussschnaps nach draußen gebracht. 
Nach und nach sammelten sich Salate, Kuchen, Brot, Grillsoßen und diverser Nachtisch auf einem großen Bierzelttisch.  
„Könnte bitte einer von euch die Andrea mal eben die Treppe runtertragen?“, bat Emilie. Sofort war Rudi aufgesprungen.  
Michi flüsterte Tobi ins Ohr „Sag mal, wär die Andrea denn nix für unseren Rudi?“ 
Tobias musste lachen. „Hm, ich weiß nicht. Abwarten. Aber Rudi und eine Frau?“ 
„Na, die Katharina bekommt er ja net.“ 
„Keinesfalls, die gehört mir“, verkündete Markus voller Stolz. 
„Wer gehört dir?“, fragte Katharina und drückte sich an Markus. 
„Du. Und zwar für immer.“ Zärtlich küsste er sie und schloss sie in seine Arme. „6 Tage noch“, flüsterte er.  
„Mhm“, seufzte sie zufrieden. „Ich hab übrigens vorhin wieder mit Peter telefoniert.“ 
„Und?“ 
„Ich hab ihm offengelassen, ob er zur Hochzeit kommt.“ 
„Ich bin so wahnsinnig stolz auf meine schöne, intelligente, starke, mutige und tapfere Frau. Dass du deinem Vater diese Chance einräumst, ist wirklich ganz stark, Katharina.“ 
„Er ist eben immer noch mein Vater“, flüsterte sie leise. „Trotz allem. Aber es braucht einfach immer noch Zeit.“ 
„Das ist doch verständlich.“ 
In dem Moment klirrte es hinter ihnen. 
„Bereit zu feiern, Frau Kofler?“, lachte Markus. 
„Aber hallo, Herr Kofler.“ 
Tobias drückte seiner Schwester und seinem besten Freund frech grinsend einen Besen in die Hand. 
„Sag mal, Tobi, ich werde das Gefühl nicht los, dass du extra hier Schnee geschippt hast, um viel Platz für das Porzellan zu schaffen.“ Markus sah seinen Freund skeptisch an. 
„Wie du nur auf so etwas kommst“, grinste dieser. „Also los, wir wollen euch fegen sehen“, rief er. Unter lautem Gegröle ihrer Freunde wurde das Porzellan auf den Boden geknallt und die Beiden fegten, was das Zeug hielt, bis es ans Grillen ging. Als Franz das Feuer entfachte, krampfte sich in Katharina alles zusammen. Sie starrte teilnahmslos darauf, bevor sie sich umdrehte und davonlief. Katharina wollte einfach nur weg von den Flammen. Sie bekam kaum Luft und begann heftig zu husten. In ihrem Kopf wiederholte sich der Moment des Hausbrandes und sie war völlig gefangen in ihren Erinnerungen. 
Emilie hatte Katharinas Reaktion beobachtet und zog Markus alarmiert auf die Seite. 
„Schau bitte mal schnell nach Katharina. Sie ist gerade in Richtung Hauptstraße gelaufen.“ 
„Danke, Emilie.“ Markus lief in die angegebene Richtung. Unweit des Hofes fand er sie. Sie saß auf der kleinen Bank zwischen den Bäumen direkt an der Zufahrt zu ihrem Hof. Markus krampfte das Herz zusammen, als er seine Freundin schluchzen hörte. Er setzte sich direkt neben sie. „Hey“, flüsterte er und schloss die Arme um sie. „Was ist denn los?“ 
Katharina konnte gerade nur schluchzen. Markus wiegte sie sachte in seinen Armen hin und her. Sein gleichmäßiger Herzschlag, den sie durch seine geöffnete Jacke deutlich spüren konnte, beruhigte sie langsam. „Besser?“, fragte er. Katharina nickte nur. „Das Feuer unter dem Grill?“, fragte Markus zielgenau. Wieder nickte seine Freundin nur und drückte sich noch enger an seine Brust. Innerlich ärgerte es Markus, dass sie gar nicht darüber nachgedacht hatten, ob Katharina vielleicht nach dem Brand Probleme damit haben könnte. Sie hatte nicht viel darüber gesprochen. Eigentlich so gut wie überhaupt nicht und ihm hätte klar sein müssen, dass das bei Katharina nicht zwingend bedeutete, dass alles in bester Ordnung war. Denn das war es offensichtlich nicht. Katharina zog tief die Luft ein und Markus spürte, dass sie gleich etwas sagen würde. Also schwieg er und wartete geduldig. 
„Ich dachte, ich kann das“, stotterte sie. „Aber die Flammen, das hat mich gerade so an diesen Abend erinnert. Ich hab mich in diese Situation zurückgeworfen gefühlt.“  
„Warum hast du mir denn nichts gesagt? Ich hätte doch niemals diese Grillidee zugelassen.“ 
Zärtlich strich sie über sein Gesicht. 
„Ich weiß“, sagte sie leise. „Ich habe doch bis eben selbst nicht gewusst, dass ich damit so ein großes Problem habe. Denk bitte nicht, ich hätte dir das verheimlichen wollen. Ich wusste es wirklich nicht, ich dachte, es wäre in Ordnung, auch wenn ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hatte.“ 
„Shhht, alles okay. Es ist nicht lange her, da hättest du das jetzt mit dir alleine ausgemacht, ich bin froh, wenn du mit mir über deine Probleme sprichst. Und ich hätte ja auch mal von selbst darauf kommen können, dass dir Feuer jeglicher Art gerade Angst machen könnte. Ich sag Franz, er soll es wieder ausmachen.“ 
„Nein, Markus, mach das nicht. Ich muss mich dem stellen. Aber das kann ich nicht alleine.“ 
„Du bist nicht alleine. Ich bin bei dir. Und wir schaffen das gemeinsam.“ 

 
Gemeinsam liefen sie das Stück zum Hof zurück. Als das Grillfeuer in Sichtweite kam, blieb Katharina stehen. Markus verstärkte den Druck seines Armes um ihre Schultern. „Ich bin bei dir“, flüsterte er.  
Katharina fixierte das Feuer wie eine Schlange das Kaninchen. Markus ließ sie das Tempo selbst bestimmen, mit dem sie sich darauf zu bewegte. Katharina hörte ihre Freunde fröhlich lachen und spürte dabei Markus sicheren und festen Halt.  
„Katharina, hörst du unsere Freunde? Dir wird nichts passieren, ich passe auf dich auf. Und unsere Freunde auch.“ 
Markus nahm mit ihr auf einer der Bänke Platz. Er überlegte, ob die fröhliche Gesellschaft wirklich nichts von Katharina mitbekommen hatte oder ob sie einfach nicht drauf zu sprechen kamen, um ihr die Situation zu erleichtern. Tobias drückte seiner Schwester ein Brötchen mit Hähnchenbrust vom Grill in die Hand und Markus eins mit Steak. „Stärkt euch lieber, bevor ihr gleich weiter fegen dürft“, grinste er frech. Katharina hatte eigentlich gar keinen Appetit. Emilie reichte ihnen noch ein Glas Bier dazu. Markus hatte sein Brötchen blitzschnell aufgefuttert und schaute skeptisch zu Katharina. „Magst du nicht essen?“   
„Ich hab keinen Hunger“, sagte sie leise. 
„Komm mal her.“ Markus zog sie kurzerhand auf seinen Schoß, nahm ihr das Brötchen aus der Hand und fütterte sie damit. Markus merkte, dass Katharina mit der Zeit immer entspannter wurde. Nach dem Essen zogen die Freunde in die warme Scheune um, da es draußen ziemlich kalt geworden war. Franz Flaschen Haselnussschnaps kreisten um den großen Tisch. Je später der Abend wurde, je angeschickerter wurde die kleine Gesellschaft. Rudi unterhielt sich die ganze Zeit mit Andrea, was bei Michi schon für kleine Lästereien sorgte, welche Verena mit heftigen Fußtritten unter dem Tisch quittierte. Franz hatte mittlerweile so viel Haselnussschnaps intus, dass er auf dem Tisch eingedöst war. Den beiden Teenagern war es auf der Party mit den für sie schon steinalten Leuten zu langweilig geworden und sie verzogen sich ins Haus, um unbemerkt einen Horrorfilm anzuschauen. Somit übernahm Tobias das musikalische Zepter und warf eine 90er Dance CD in den Player. Mittlerweile waren zwar fast alle Anwesenden dieser Musikrichtung entwachsen, aber sie waren nun einmal die Altersklasse, die in diesen Jahren ihre Schulfeten mit dieser Art Musik verbrachten. Tobias zog Emilie auf die Tanzfläche. Michi griff direkt nach Verenas Hand und stürmte ebenfalls mit seinem Spatzl hinterher. Auch Doro und Lukas, die später zu der Truppe gestoßen waren, tanzten schon ausgelassen. Sogar Jessi ließ sich von Simon auf die Tanzfläche führen. Markus hob die Augenbraue hoch und sah Katharina fragend an. „Wir auch?“  
„Klar, komm.“ Katharina nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her. Im Gegensatz zum Rest ihrer Gäste waren beide nur leicht angeheitert.  

Emilie plumpste lachend auf die Bank, Katharina direkt neben sie. „Ich brauch ne Pause“, japste Emilie. 
„Und was zu trinken.“ Katharina griff nach ihrem Glas Bier und nahm einen großen Schluck. „Sag mal, Emilie, was geht denn da eigentlich mit dem Tobi?“ Katharina beobachtete amüsiert, wie Emilies Wangen noch roter wurden. 
„Nichts“, sagte sie, als müsste sie sich selbst davon überzeugen. 
„Nichts? Emilie, erzähl mir nix. Ihr flirtet die ganze Zeit.“ 
„Das bildest du dir ein.“ 
Katharina lachte nun laut und sah ihre Ex-Schwägerin belustigt an. „Nee.“ 
„Doch. Da ist nix. Wir sind nur Freunde.“ Emilie goss sich noch einen Haselnussschnaps ein und exte das Pinnchen in einem Zug. 

Markus und Tobias holten sich noch etwas zu essen, als Markus die Chance ergriff, seinen besten Freund ebenfalls auf Emilie anzusprechen. „Wie läuft es denn in Sachen Emilie?“, fragte Markus gespielt beiläufig. 
„Wenn ich das so wüsste. Sie flirtet zwar mit mir, aber sagen tut sie auch nix. Ich weiß nicht, woran ich bei ihr bin.“ 
„Frag sie doch, ob sie dir noch mal eine Chance gibt.“ 
„Und wenn sie nein sagt? Wir wohnen hier immerhin zusammen.“ 
„Wird sie bestimmt nicht.“ 
„Markus, der Frauenversteher. Oder hast du deine Glaskugel befragt?“ 
“Nee, aber ich hab doch Augen im Kopf. Hast Du mal ihre Blicke gesehen?” 
“Du? Ausgerechnet du denkst, dass dir so was auffällt?” Tobias sah Markus fassungslos an. “Wie lang hast du bitteschön gebraucht, um das mit Katharina auf die Reihe zu bringen? Wenn einer hier keine Ahnung von Frauen hat, dann du.” 
“Das ist halt einfach damals verzwickt gewesen mit uns.” 
“Verzwickt? Das ist milde ausgedrückt. Selten dämlich warst du. Und meine Schwester genauso. Zwei riesen Rindviecher. Ohne mich hättet ihr das bis heute doch nicht auf die Kette bekommen.” 
“Ohne dich wären wir verloren gewesen.“ 
“Aber sowas von! Pass immer gut auf meine kleine Schwester auf, ja?” 
“Das hab ich vor. Und du auf Emilie”, grinste Markus. 
“Dafür muss sie mich erst mal zurücknehmen”, seufzte Tobias. “Ich war so ein Volltrottel, diese Frau gehen zu lassen.” 
Markus sah ihn mit einem Schmunzeln an. „Tja, mein Freund, da kann ich nicht widersprechen.“ 
„Markus, ich schwör dir, wenn die Emilie mich wirklich noch einmal zurücknimmt, dann mach ich alles besser.“ 
„Ich werde dich dran erinnern. Und jetzt tanz mit ihr, ich such gleich mal was Ruhiges raus.“ Aufmunternd klopfte Markus dabei Tobias auf die Schulter, der sich wirklich auf den Weg zurück zu Emilie begab. 
Markus füllte noch einen zweiten Teller mit ein wenig Salat und einer gegrillten Hähnchenbrust und setzte sich neben Katharina auf die Bank. 
„Hey, schöne Frau“, fragte er schelmisch, „ist der Platz neben ihnen noch frei?“ 
„Wenn mein Mann das nicht sieht“, grinste sie. 
„Das muss ja ein feiner Kerl sein, eine schöne Frau so alleine hier sitzen zu lassen.“ 
„Tja, was soll ich machen?“ Sie zuckte gespielt mit den Schultern. 
„Erst einmal was essen. Sie sehen mir nämlich nicht so aus, als hätten sie heute schon richtig gegessen.“ Er schob den Teller samt Besteck zu ihr rüber.  
„Danke“, antwortete sie und begann sich über das Essen herzumachen. 
Markus war zufrieden, dass sie wirklich alles verputzt hatte und strahlte sie an. 
„Wie geht’s dir?“, fragte er nun ernsthaft. 
„Sehr gut.“ Sie schaute ihm liebevoll in die Augen und Markus wusste, dass es der Wahrheit entsprach.  
„Keine Angst mehr?“ 
Sie schüttelte den Kopf. „Jedenfalls nicht mehr vor dem Grill da draußen. Mehr Angst habe ich vor der Musikauswahl.“  
Markus lachte herzhaft. „Ich habe deinem Bruder versprochen, gleich was Romantisches aufzulegen. Hast du eine Idee?“ 
„Klar, Ed Sheeran. Perfect! Emilie liebt Ed Sheeran.“ 
„Du bist unbezahlbar“, strahlte er und begab sich zur Anlage. Als die ersten Klänge ertönten, stand er bereits wieder vor ihr. „Darf ich bitten?“, fragte er höflich. 
„Sehr gerne“, antwortete sie ihm mit einem Strahlen in den Augen. 
Markus spürte, wie sich ihr zierlicher Körper direkt an seinen drückte. Er genoss es, sie so in seinen Armen zu halten und sich sanft im Rhythmus der Musik zu wiegen. Und wieder spürte er, dass sich in den letzten Wochen etwas zwischen ihnen verändert hatte. Er konnte nicht beschreiben, was es war, aber er hatte das Gefühl, dass sich ihre Liebe füreinander noch einmal verstärkt hatte, obwohl er niemals geglaubt hätte, dass das in irgendeiner Form überhaupt noch möglich sein könnte. Seine Liebe für die blonde Bergretterin war immer schon größer gewesen als alles, was er davor erlebt hatte, aber jetzt mochte er am liebsten keine Sekunde mehr von ihr getrennt sein. Sobald er sie in seinen Armen hielt, breitete sich eine wohlige Wärme in ihm aus. 
„Woran denkst du?“, fragte sie leise an seiner Brust, ohne ihre Augen dabei zu öffnen. 
„Ach, an nichts.“ 
„Nicht lügen“, lächelte sie und sah ihrem zukünftigen Ehemann dabei in die Augen. „Also, ich höre?“ 
„Du willst die kitschige Antwort?“ 
Katharina nickte und sah ihn fragend an. 
„Ich habe daran gedacht, wie sehr ich dich liebe. Und dass ich nie wieder von dir getrennt sein möchte. Und wie gerne ich dich in meinen Armen festhalte.“ 
Katharina schlang ihre Arme nun ganz fest um Markus, der sich zu ihr herunterbeugte und liebevoll küsste.  
„Schau mal nach links zu deinem Bruder, das wird noch was mit den Beiden.“ 
Zufrieden beobachtete Katharina, wie Emilie sich in Tobias Arme gekuschelt hatte. 
„Das wär so schön“, seufzte sie. 
„Das wird passieren, ganz sicher. Tobias liebt Emilie noch.“ 
„Und Emilie den Tobias“, grinste Katharina. „Das ist so offensichtlich.“ 
Unbemerkt hatten Doro und Lukas für Musiknachschub gesorgt, als Ed Sheeran endete. Katharina hob die Augenbraue an, als Stevie B.s “Because I Love You” ertönte. „Zu dem Lied hatte ich meinen ersten großen Liebeskummer“, sagte sie leise.  
„Das war Doros und Lukas Hochzeitssong“, erzählte Markus. „Was soll denn unser Song werden, Katharina?“ 
„Eigentlich müssten wir “Winter Song” von Ronan Keating nehmen. Damit begann es hier auf dem Hof, weißt du noch?“ 
„Nach unserem Einsatz und der Suche nach dem entführten Baby, der Lotta. Emilie dachte, da käme Tobias, weil du mit dem Hotelwagen unterwegs warst, darum bin ich zur Tür.“ 
„Und als ich dich da an der Treppe stehen sah, da konnte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr weglaufen. Ich konnte mich nicht mehr vor meinen Gefühlen verstecken. Alles was ich wollte, warst du.“ 
„Und ich wollte dich einfach nur noch küssen und in den Arm nehmen. Alles in mir hat so nach dir geschrien, dass es mir fast körperlich weh tat.“ 
„Ich wollte dich am liebsten schon vorher küssen. Aber der Moment sollte passen. Es sollte nicht der Heli werden, als du so durchnässt und eiskalt neben mir lagst.“ 
„Also tanzen wir zu „Winter Song“ und danken Ö3 dafür, dass sie ihn zur rechten Zeit gespielt haben.“ 
Die ersten Töne von Winter Song erklangen und Markus und Katharina sahen sich erstaunt an und mussten lachen. Das konnte nur einer ihrer Freunde mit Absicht gemacht haben. Katharina legte ihre Hände genau wie damals an seine Wange und sie wiederholten ihren Kuss, als wären sie in der Zeit zurückgeworfen worden. „Frohe Weihnachten“, sagte Markus. Grinsend erwiderte Katharina ein „Frohe Weihnachten“, bevor sie sich wie damals an seine Brust und in seinen Arm kuschelte. Beide konnten ihre Emotionen von damals so deutlich spüren, als wäre es erst wenige Minuten her und sie genossen das gemeinsame Tanzen. Irgendwann stellten sie mit einem Schmunzeln fest, dass Emilie und Tobias verschwunden waren. Grinsend schaute Simon zu Markus und Katharina herüber, dem das Verschwinden der Beiden auch aufgefallen war. 
Später brachten Katharina und Markus gemeinsam Franz ins Bett, der immer noch am Tisch geschlafen hatte, aber weiterhin den Haselnussschnaps umklammerte. Rudi sorgte dafür, dass Andrea in ihr Zimmer kam. 
In den frühen Morgenstunden lagen schließlich alle im ganzen Haus verteilt in den Betten.  

 
Markus war als erster am folgenden Morgen wach und zauberte schon einmal Frühstück, welches er in der Scheune auffuhr. So viele Personen passten definitiv nicht in ihre Küche. So langsam trudelten die Ersten unten ein. Rudi, Andrea, Mia, Max, Doro und Lukas. Markus machte sich auf den Weg nach oben zu Katharina, als Tobias sich aus Emilies Zimmer schlich. „Ach nee“, erschreckte Markus Tobias fast zu Tode. Grinsend sahen sich die beiden Freunde an. „Darf ich gratulieren?“, fragte Markus und freute sich wahnsinnig für seinen besten Freund.  
„Ich glaube schon“, strahlte Tobi.  
Markus umarmte ihn. „Ich freu mich für euch.“ Gern hätte er nach den Details gefragt, aber das sparte er sich für später. 

Katharina schlief noch immer tief und fest. Markus überlegte kurz, ob er sie wecken sollte, aber er brachte es nicht übers Herz. Sie sah so friedlich aus und wie so oft stieg in ihm das Gefühl tiefer Liebe hinauf.  

Gegen Mittag saßen die Freunde gesammelt in der Scheune und schnatterten wild durcheinander. Es war das Thema aufgekommen, wie der Hof zukünftig genutzt werden sollte. Im Haupthaus würden Emilie, Tobias, Andrea und Max wohnen. Im Neubau, der laut Plan Ende Mai/Anfang Juni beginnen würde, würden Katharina, Markus und Mia einziehen. Somit blieb die Frage, welche Räume als Pensionszimmer vermietet werden sollten, neben den drei bestehenden Ferienwohnungen. Tobias schlug vor, den Hofgästen ein Paket für den Wellnessbereich im Hotel zu schnüren. „Ihr könntet doch auch eine Kinderpension machen“, schlug Mia vor. „Also eine Pension, wo Kinder ausdrücklich erwünscht sind.“  
„Die Idee ist gar nicht so schlecht, Mia“, sagte Tobi enthusiastisch. „Wir könnten einen großen Spielplatz hinterm Haus bauen.“ 
„Aber nur mit Seilrutsche“, grinste Mia. Sie hatte die Tage so geliebt, wenn sie mit Hanna und Lukas vom oberen Balkon des Haupthauses hinunterrutschen durfte.  
„Logisch. Und auch so, dass die Eltern mitmachen können.“ 
Markus sah Katharina fragend an. Er wollte ihr mit einer Kinderpension nicht wehtun. Katharina verstand seinen Blick auch ohne Worte und nickte ihm leicht zu.  
„Die Idee ist super, Mia“, sagte Katharina und drückte bestätigend Markus Hand. 
„Dann sollten wir uns an die Renovierung der Gästezimmer begeben. Helft ihr mir dabei?“ fragte Markus in die Runde und die Antwort war einstimmig. Max, der so geschickt mit Holz umgehen konnte und unbedingt eine Schreinerlehre machen wollte, bevor er sich überlegen würde, Architektur zu studieren, wollte gerne bei sämtlichen Holzarbeiten helfen. Auch Mia, die sehr geschickt war, wie sie beim Flugzeugbau mit Franz bewiesen hatte, wollte helfen. Tobias war Feuer und Flamme für die Mission Abenteuerspielplatz.  

Nachdem bis auf die Hofbewohner alle nach Hause verschwunden waren, stand die Reinigung der Gästezimmer an. Markus nutzte die Gelegenheit, Katharina auf das Thema Kinderpension anzusprechen. Er hatte Sorge, dass sie in ein Tief fallen könnte, falls es mit der Adoption eines Babys nicht so klappen würde, wie gewünscht und sprach sie offen und ehrlich auf seine Ängste an. 
„Markus, ich weiß, dass das nicht immer leicht für mich werden wird. Aber ich finde die Idee wirklich toll.“ 
„Und wenn es dir zu viel wird?“ 
„Dann schlaf ich im Hotel“, grinste sie. „Nee, im Ernst. Ihr plant den Spielplatz zum Toben doch hinter der Scheune, da hören wir wahrscheinlich nicht mal was bis in unser Haus. Und wenn wir mit der Adoption durchkommen, hat unser Kind doch ein supertolles Zuhause mit eigenem Spielplatz.“ 
„Du, Katharina?“ Markus druckste ein wenig herum. 
„Ja?“ 
„Wenn ich mich wirklich nochmal testen ließe und es einen Weg gäbe, dass wir doch noch ein eigenes Kind bekommen könnten. Würdest du den Weg mit mir gehen? Ich weiß, du hast Angst vor einer Schwangerschaft.“ 
Katharina stand nun direkt vor ihm und nahm seine Hände in ihre.“ 
„Ja, ich habe Angst. Aber ich würde den Weg mit dir gehen. Weil ich weiß, dass du auf mich aufpassen würdest und für mich da wärst.“ 
„Dann lasse ich mich nochmal testen. Und wenn es nur mit künstlicher Befruchtung ginge?“ 
„Versuchen wir es. Es ist zwar nicht der Weg, den ich mir wünschen würde, aber ich wäre dazu bereit, wenn du es auch bist.“ 
„Das klingt verrückt, aber ich merke langsam, wie toll ein Kind mit dir wäre. Eine kleine Mini-Katharina wäre einfach schön. Ich kann es mir immer besser vorstellen, seit wir hier am Hof arbeiten wird auch mein Wunsch danach immer größer. Eine eigene kleine Familie, MEINE eigene kleine Familie, die ich nie hatte. Für die ich sorgen kann, die ich beschützen muss, mit der ich alles meistern kann.“ 
„Dann lass uns für unseren Traum kämpfen. Du weißt, dass du 3, besser 5 Tage für die Testabgabe auf Sex verzichten musst?“ 
„Ich wusste, da war ein Haken an der Sache“, grinste er.  
„Am Dienstag hab ich noch einen Lungenfunktionstest bei Verena. Ich kann das Behälterchen mitbringen und du kannst es hier füllen, statt im Krankenhaus.“  
Markus nickte. „Im Krankenhaus könnte ich das auch niemals.“  
„Ich weiß.“ Sie küsste ihn liebevoll. „Das machen wir beide zusammen. Und wir bringen die Probe auch gemeinsam weg.“ 
Katharina legte ihre Arme um Markus und hielt ihn einfach fest. 

 
Am Montagmorgen waren Katharina und Emilie schon früh unterwegs, um Katharinas Brautkleid abzuholen. Die letzte Anprobe verlief reibungslos und war schnell erledigt. Danach holten die Beiden die Ringe ab. In Gedanken ging Katharina die Checkliste durch und ihr fiel auf, was sie vergessen hatte. „Scheiße, Emilie, ich hab die Brautschuhe vergessen“, rief sie erschrocken.  
„Ruhig Blut, Katharina. Dann besorgen wir die eben jetzt. Was möchtest du denn dazu haben? Du brauchst für die Kapelle was Dickes, oben liegt noch ne Menge Schnee. Und fürs Tanzen danach würde ich bequeme Ballerinas nehmen an deiner Stelle.“  
„Klingt nach einem Plan. Also auf zum Schuhe shoppen.“ 
Nachdem die Beiden mehrere Schuhläden anfahren mussten, um passendes Schuhwerk für den besonderen Tag zu finden, lud Katharina Emilie ins Eiscafé ein. „Nu erzähl mal, Emilie, was wird das mit meinem Bruder?“ 
„Könnte ein Neuanfang werden“, lächelte sie. „Wir haben die letzten beiden Nächte zusammen verbracht.“ Emilie errötete leicht. 
„Wie schön, ihr gehört auch zusammen. Ich könnte keine bessere Schwägerin bekommen.“ 
„Na ja, soweit sind wir ja noch lange nicht, aber ich würde es gern versuchen. Wir haben damals schließlich beide Fehler gemacht.“ 
„Und beide liebt ihr euch noch. Das ist unübersehbar. Ihr gehört zusammen, ganz bestimmt.“ 
„Wie Markus und du. Ihr gehört auch so offensichtlich zusammen. Ihr würdet beide mit niemand anderem glücklich werden.“ 
„Mhm, ich glaub auch. Ich kann nicht mehr ohne Markus, das hab ich deutlich gemerkt. Und ihm ging es ja nicht anders ohne mich. Und Tobi hatte auch keine Frau mehr seit eurer Trennung.“ 
„Nein?“ 
„Nein! Da war mir schon klar, dass er nur dich liebt.“ 
„Das tut gut, das zu hören. Du meinst also, ich kann mich guten Gewissens auf Tobi einlassen.“ 
„Oooh ja.“ 

Nervös fuhr Markus mit Katharina ins Krankenhaus nach Schladming. Immer wieder griff er während der Fahrt nach Katharinas Hand. Seine Hände waren eiskalt. “Markus, sei doch nicht so nervös.” 
“Du hast leicht reden, du bist ja nicht unfruchtbar”, sagte er traurig.  
“Nu komm, schlimmer als jetzt kann es doch nicht werden.” 
“Aber ich möchte gerne ein Kind mit dir, Katharina. Ich weiß, erst wollte ich es überhaupt nicht, aber jetzt…” 
“Wenn es nicht klappt, bleibt uns doch die Adoption.” 
“Und wenn wir nie drankommen?” 
“Das können wir doch gar nicht wissen.” 
Markus hatte das Auto direkt vor dem Krankenhaus geparkt und schaltete den Motor aus. 
“Komm mal her”, Katharina umarmte Markus. “Egal, was der Arzt gleich sagt, wir stehen das zusammen durch. Und übermorgen heiraten wir, denk immer daran. Wir schaffen das. Wir schaffen alles, hörst du?” 
Markus klammerte sich richtig an seine Freundin, bevor er sich löste und ausstieg. 

Nach einer kurzen Wartezeit wurde Markus in das Behandlungszimmer gerufen. Katharina wollte draußen warten, aber er zog seine Freundin mit sich. Er brauchte sie einfach. Dr. Sommerfeld begrüßte seinen Patienten und seine Begleitung freundlich. Für ihn war es nicht ungewöhnlich, dass die Partnerinnen seiner Patienten bei den Gesprächen anwesend waren. Markus fühlte sich einfach schrecklich und hielt Katharinas Hand.  
“Also, Herr Kofler, ihr Spermiogramm ist leider nicht gut. Sie haben zu wenig Spermien und sind als zeugungsunfähig eingestuft. Wir nehmen ihnen gleich noch Blut ab und untersuchen sie genau. Vielleicht können wir mit Hormonen dagegen ansteuern. Markus nickte nur stumm und schaute Katharina in die Augen. Liebevoll sah sie ihn an und streichelte beruhigend mit ihrem Daumen seine Hand. Markus wurde Blut abgenommen und während das im Labor direkt untersucht wurde, untersuchte Dr. Sommerfeld Markus. Katharina tat ihr Freund in der Seele leid. Wegen ihr musste er gerade so leiden, sie war es schließlich, die den Kinderwunsch geäußert hatte und Markus damit erst auf die Idee gebracht hatte. Sie wusste, wie sehr Markus Untersuchungen hasste.  
„Katharina?“ 
Erschrocken sah sie von ihren Händen, auf den sie ihren Blick gerichtet hatte, auf. 
„Ja?“ 
„Hör auf zu Grübeln. Du kannst nix für diese Situation.“ 
Katharina war verdutzt. Markus war bei der Untersuchung, abgeschirmt von einem Paravent. Er konnte sie gar nicht sehen. 
„Aber woher…“ 
„Ich spüre es, dass du grübelst und dich verantwortlich fühlst. Aber den Kinderwunsch haben wir beide.“ 
Katharina musste unweigerlich lächeln. Dieser Mann war einfach besonders. 

Nach der Untersuchung bekam Markus ein Hormonpräparat mit, da seine Werte in der Blutuntersuchung auch nicht optimal waren. Der Arzt machte ihnen allerdings wenig Hoffnung. Er ließ anklingen, dass eine künstliche Befruchtung mit 15% Erfolgsquote wohl der einzige Weg für eine Schwangerschaft sein würde. 15%. Was war das schon? Frustriert lehnte sich Markus an seinen Wagen.  
Katharina stellte sich genau vor ihn. „Markus?“ 
In seinen Augen hatten sich Tränen gebildet, die nun seine Wangen hinabliefen. Katharina strich ihm zärtlich die Tränen von den Wangen und drückte sich an ihn. „Ich liebe dich. Mit oder ohne Kind.“ 
„Du willst mich also immer noch heiraten?“, fragte er unsicher. 
„Ja, natürlich! Was denkst du denn?“ 
„Aber wenn wir kinderlos bleiben?“ 
„Dann wäre das eben so. Und außerdem haben wir doch die Mia. Und auch ich muss lernen, dass manche Wünsche eben unerfüllt bleiben.“ 
„Für mich wird übermorgen erst einmal der größte Wunsch wahr“, seufzte Markus und strich über ihre Wange. 
„Und alles andere findet sich“, lächelte sie. 
 

Den Vorabend ihrer Hochzeit verbrachten Markus und Katharina getrennt voneinander. Markus und Tobias schliefen in der Hütte von Markus Vater, da sie dort noch einiges zu tun gehabt hatten und Katharina blieb auf dem Hof.  
Tobias kam mit zwei Flaschen Bier und einer großen Tüte Chips und ließ sich neben Markus auf das Sofa plumpsen. „Na? Bist schon nervös?“ Frech grinste er seinen besten Freund an. 
„Ganz ehrlich?“  
Tobias hob die Augenbraue hoch.  
„Total. Ich kann es gar nicht erwarten, dass deine Schwester meine Frau wird.“ 
„Das wollte ich hören. Ich freu mich für euch.“ 
„Aber ich hab auch Angst.“ 
„Wovor? Dass sie dir die Pfanne über den Kopf zieht, wenn du wieder mal dein Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hast?“ 
Markus musste lachen. „Nee. Tobi, ich war gestern zur Untersuchung im Krankenhaus wegen meiner Zeugungsunfähigkeit.“ 
Tobi riss die Augen weit auf. „Willst jetzt doch ein Kind?“ 
Markus seufzte tief. „Ja. Je mehr ich darüber nachgedacht habe, je mehr kann ich mir vorstellen, mit Katharina ein Kind zu bekommen.“ 
„Okay. Das ist cool.“ 
„Aber das Spermiogramm war scheiße. Und die Blutwerte auch.“ 
„Scheiße. Und jetzt?“ 
„Jetzt krieg ich erstmal Hormontabletten. Aber ob das was bringt, ist fraglich.“ 
„Was ist denn mit künstlicher Befruchtung?“ 
„Hätte 15% Erfolgschancen. Aber will ich das deiner Schwester wirklich antun? Die Chance einer Fehlgeburt ist dabei so verdammt groß.“ 
„Puh, wenn sie noch ein Kind verlieren würde…“ Tobias dachte nach. 
„Würde sie das nicht verkraften. 15% ist so verschwindend gering.“ 
„Bleibt die Adoption.“ 
„Wir haben uns auch zusätzlich noch für eine Auslandsadoption angemeldet. Bis zu 7 Jahre kann das dauern. Dann sind wir aber zu alt.“ 
„So eine Scheiße. Und die Chance auf ganz natürlichem Weg bei euch?“ 
„Wie ein 6er im Lotto. Und da bliebe auch die Gefahr einer Fehlgeburt bei Katharina.“ 
„Boah, das tut mir so leid für euch. Aber gebt die Hoffnung nicht auf. Und vor allem seid füreinander da und redet immer miteinander. Den Fehler hab ich damals bei Emilie gemacht. Wir haben nicht geredet.“ 

Emilie, Mia, Andrea und Katharina saßen gemeinsam am Küchentisch. Katharina bekam ein komplettes Pflegeprogramm und da es gemeinsam mehr Spaß machte, saßen alle vier mit grüner Gesichtsmaske in der Küche.  
„Du, Emilie, wie war das, als du geheiratet hast?“, wollte Mia wissen.  
„Ich hab ja zwei Mal geheiratet. Einmal den Stefan, den Vater von Hanna und Lukas und dann den Tobi. Der Stefan ist am Tag nach der Hochzeit am Berg ums Leben gekommen. Und mein Kleid damals war dem von Katharina sogar ziemlich ähnlich. Und dann kam die Hochzeit mit Tobias, ein paar Jahre später.“  
„Und die war verdammt turbulent“, lachte Katharina. 
„Das war sie. Die Bergrettung hatte nämlich einen Einsatz.“ 
„Und die Emilie musste in den Berg mit ihrer Brautcorsage. Ohne dich hätten wir das damals nicht geschafft.“ 
„Und der Michi hat uns mit dem Heli, so wie wir waren, in die Kirche geflogen. Und danach haben wir dann alle ordentlich gefeiert. Das war ein schöner Tag.“ 
„Bis auf den tannengrünen Anzug deines Papas“, kicherte Katharina. „Hab ich dir den jemals gezeigt?“ 
Mia schüttelte den Kopf. 
„Warte mal.“ Katharina stand auf und holte ihr Portemonnaie aus dem sie ein Foto herauszog. „Da hab ich mich in deinen Papa verliebt.“ Sie hielt Mia ein Foto von Markus und sich beim Tanzen entgegen. „Da ist der tannengrüne Anzug.“ 
Mia lachte herzhaft los und reichte das Foto an Andrea weiter, die auch lachen musste. 
„Ich kann mich an das Ding erinnern. Du meine Güte, war das hässlich“, lachte sie. 
„Was hast du da noch für Fotos?“, fragte Mia neugierig. 
Katharina zog ein Foto von Mia und ihr heraus. „Das zum Beispiel.“ 
„Oh, da war ich noch klein.“ 
Katharina hatte eine ganze Menge Fotos in ihrer Geldbörse: Alleine drei Fotos von Mia, Markus und ihr, ein Foto von allen Hofbewohnern, ihre Mama Luise und eins von Markus und ihr auf der Zugspitze. 
„Das Foto vom Papa und dir ist aber neu“, stellte Mia fest. 
„Ziemlich, das ist von Silvester auf der Zugspitze, als wir in Tirol waren. Das schenk ich ihm übrigens zur Hochzeit. Eine Woche Tirol im Mai. Wer weiß, ab wann wir sonst wegkommen, wenn ich ab Juni in der Klinik arbeite.“ 
„Der wird sich freuen“, meinte Emilie. 
„Das hoff ich doch.“ 

Katharina lag schlaflos in ihrem Bett. Ohne Markus fehlte ihr einfach etwas. Ob er wohl noch wach war? Sie nahm ihr Handy in die Hand und schickte ihm eine Nachricht. <Noch wach?> Postwendend kam eine Antwort. <Kannst du auch nicht schlafen?>  
Grinsend hielt Katharina ihr Handy fest. <Das Bett ist so verdammt leer ohne dich.>  
<Und dein Bruder schnarcht!> 
<Mein armer Schatz. Bist du auch so aufgeregt?> 
<Frag lieber nicht. Ich freu mich auf morgen. Und ich bin so gespannt, wie du aussiehst> 
<Lass dich überraschen. Aber ich bin auch auf dich gespannt.> 
<Darf ich mir was wünschen?> 
<Was denn?> 
<Pack deine Locken nicht weg> 
Katharina schmunzelte. Sie wusste, dass er ihre Locken gern hatte und hatte nicht vor, sie in einem Dütt zu verstecken. 
<Nein, das verspreche ich dir.> 
<Ich wär jetzt gern bei dir. Du fehlst mir so.> 
<Ich wär auch lieber bei dir. Aber es ist halt Tradition und schürt die Vorfreude. Denkst du morgen an die Blumen?> 
<Ja, die holen Tobi und ich morgen früh ab. Wenn ich ihn nicht erschlagen habe.> 
<Lass ihn leben. Und jetzt versuch zu schlafen, ich versuche es jetzt auch.> 
<Okay, Chefin. Ich liebe dich! Schlaf gut, ich freu mich auf morgen> 
<Ich mich auch! Schlaf gut. Ich liebe dich!> 

15. Der Hochzeitstag  

Auf dem Hof herrschte am Morgen reges Treiben. Die Friseurin hatte Katharina spontan wegen einer Magen-Darm-Grippe versetzt und so war nun Emilie damit beschäftigt, Katharinas Haare mit dem Lockenstab zu bändigen und in Form zu bringen. Mia bekam im Gegenzug ihre Haare von Katharina gemacht, da sie gleich zum Dachstein Kircherl rauf wollte. Dass sie etwas ausheckte, hatte Katharina schon gemerkt. „Gut siehst du aus, Spatz“, lobte Katharina das Aussehen ihrer Tochter. Mia hatte von ihr extra ein Dirndl geschenkt bekommen für die Hochzeit und es stand ihr wahnsinnig gut. Max hatte passend dazu seine Lederhose angezogen und die Beiden Jugendlichen hatten es verdammt eilig.  

Katharina, nun halt doch mal still.“ Emilie steckte ihrer Freundin die letzten Blumen ins Haar. „Du siehst wunderschön aus.“ Katharina schaute noch einmal prüfend in den Spiegel. Sie war so schrecklich nervös. Sie fragte sich, wann sie eigentlich das letzte Mal so wahnsinnig aufgeregt und nervös gewesen war. Verena reichte ihr und Emilie einen Schnaps. „Prost Mädels!“ grinste Verena zufrieden. „Und jetzt los, sonst verpasst du noch deine Hochzeit.” 

Katharina musste lachen, als der gelbe Heli direkt neben dem Hof landete.  
“Das ist nicht euer Ernst oder?” 
“Klar, wir wollten keine Pferdekutsche und kein Auto, wir wollten dich stilecht einfliegen”, grinste Verena. “Und vorher nochmal deine Frisur ordentlich durchpusten.” 
“Mit der ich mir so viel Mühe gegeben habe”, gab sich Emilie gespielt empört. “Zum Glück hab ich alles eingepackt, um Katharina wieder aufzuhübschen”, lachte sie.  
„Ihr hängt mich jetzt aber nicht ans Tau oder?“, fragte Katharina irritiert. 
„Verdammt, das wär es gewesen“, grinste Verena.  
“Hey Kleine”, begrüßte Michi sie grinsend. 
“Hey Großer. Mit dem Heli? Echt jetzt?” 
“Klar! Womit sonst?” 
Katharina rollte die Augen. 
“Du schaust sensationell aus. Der Markus fällt hinten über.” 
“Danke. Das soll er ja auch”, grinste Katharina. 
“Und jetzt rein mit euch, Mädels, sonst kommt die Frau Kofler noch zu spät.” Katharina kletterte gekonnt in den Heli und setzte vorsichtig den Helm auf, um ihre Frisur nicht vollends zu ruinieren.
 

Vor dem Dachstein Kircherl tigerte Markus schon nervös umher. 
„Papa, ruhig jetzt“, tadelte ihn Mia. 
„Genau, sie wird schon nicht Nein sagen“, grinste Simon, “sonst heiratest du halt den Rudi.” 
„Haha, sehr witzig”, grinste Markus. “Wo bleibt denn eigentlich der Michi?” 
“Der hat da noch was abzuholen.” 
“Markus, nu sei mal nicht so nervös. Du musst nur ein Wort sagen: Ja. Den Rest macht die Standesbeamtin. Aber, wenn es dich beruhigt, dann schreibe ich dir gerne einen Spickzettel.” Jessi grinste ihn frech an. 
“Vielen Dank auch.” Frech streckte ihr Markus seine Zunge entgegen. 
„Komm, trink noch an Schnaps“, Franz hielt ihm das Glas hin. 
„Franz, wenn wir so weiter machen, bin ich besoffen, wenn die Katharina kommt.“  
Franz deutete auf den Heli, der direkt auf sie zusteuerte. „Das schaffen wir nicht mehr, da kommt sie schon, deine Braut.“  
“Mitm Heli?”, fragte Markus ungläubig. 
Mia kicherte und knuffte ihren Papa. “Papa, findest du, es gibt ein besseres Transportmittel für euch als den Heli?” 
“Du wusstest das oder?” 
“Türlich”, lachte sie. 
“Dann geh jetzt mal auf deinen Platz, mein Junge. Ich bringe dir deine Frau gleich.” Franz umarmte ihn herzlich, bevor er sich auf den Weg zum Heli begab. Emilie richtete im Helikopter noch schnell Katharinas Haare, ehe Verena und sie das gelbe Gefährt verließen. 

Katharina wurde von Franz in Empfang genommen, als sie den Heli verließ. Die Sonne hauchte die Kapelle in ein warmes Licht und zauberte ein Glitzermeer auf die erst in den frühen Morgenstunden gefallene Schneedecke. Mittlerweile war der Himmel aufgerissen und zeigte sich in strahlendem Blau. 
„Du siehst wunderschön aus“, stellte Franz sichtlich gerührt fest. 
„Danke, Franz.“ Katharina strahlte ihn glücklich an und ihre Wangen waren leicht errötet. 
„Bist du bereit?“, fragte er. Sie konnte nur noch nicken und hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten, denn da vorne stand Markus. Gekleidet in einem sehr schönem schwarzen Trachten-Anzug mit ihrem Brautstrauß, bestehend aus weißen und hellrosa Rosen, in den Händen und er wartete nur auf sie. Ihre Blicke trafen sich und Katharina wollte nur noch zu ihm. Sie raffte ihr Kleid ein wenig hoch, um besser durch den Schnee laufen zu können. Dabei blieb ihr Blick auf ihm haften. Wie gut er aussah. Die Haare hatte er sich definitiv gerichtet, aber eine vorwitzige Strähne fand immer wieder den Weg in sein Gesicht. Ihr Herz klopfte vor Aufregung bis zum Hals. Auch Markus Herz klopfte und pochte gegen seine Brust. Wie schön seine Braut war. Sie trug ein bodenlanges edles, aber schlichtes und wunderschönes Brautdirndl mit tiefem Dekolleté, genau wie er es sich insgeheim gewünscht hatte. Dazu hatte sie nur ein paar Haare zurückgesteckt und ihre goldenen Locken fielen über den perfekt zum Kleid passenden Janker, den sie aufgrund der kalten Temperaturen trug. Sie hatte dazu die schönen dezenten Perlen-Diamant-Ohrringe und die passende Kette ihrer verstorbenen Mutter angelegt, die ihr Outfit perfektionierten. Voller Stolz übergab Franz sie an Markus, der für ihn mittlerweile wie ein Sohn geworden war. Markus konnte nicht anders, er zog Katharina direkt in seine Arme. 
„Du siehst so wahnsinnig schön aus“, sagte er tränenerstickt. 
„Du doch auch“, schluchzte sie. 
“Und keine Spitze, die dein schönes Dekolleté versteckt”, schmunzelte er. 
“Die Spitze findest du heute Abend”, flüsterte sie in sein Ohr und sie konnte den Schauer, der über Markus Körper lief, deutlich spüren. Einen Moment hielten sie sich noch fest, ehe sie sich lösten und Markus ihr den Brautstrauß übergab. Plötzlich ertönte ein Klavier und eine wunderschöne, ihnen sehr vertraute Stimme sang das Lied “The Rose”. Weder Markus noch Katharina hatten etwas davon gewusst, aber die Person, die da so schön sang war ihre Tochter Mia, was beiden unweigerlich die Tränen in die Augen trieb. Markus klammerte sich regelrecht an Katharina fest, da seine Knie ordentlich zu zittern begannen. 
Mia, Emilie und Verena hatten ein paar Bänke vor der Kapelle aufgebaut, die sie mit Blumen dekoriert und aufgrund der Temperaturen mit Fellen bedeckt hatten. Neben der Kanzel hatte jemand, beide waren sich sicher, dass es Mia war, Fotos aufgestellt: Von Johanna, von Katharinas Mama Luise, Markus Vater Johann sowie von Mias Mutter Carola und auch von Franz Sohn Andreas.  

„Liebes Brautpaar, liebe Familie und Freunde, wir sind heute hier zusammengekommen, um Markus und Katharina in den heiligen Bund der Ehe zu führen. 
Liebe Katharina, lieber Markus, eure gemeinsame Reise begann vor mehr als 8 Jahren, als ihr euch bei einem Einsatz in den Bergen kennengelernt habt. Bei der Bergrettung habt ihr eine Menge erlebt, habt euch in manch brenzliger Situation wiedergefunden, euch nicht nur einmal gegenseitig das Leben gerettet, Freud und Leid geteilt, obwohl ihr euch anfangs gar nicht leiden konntet. Das hat sich aber schnell geändert und doch habt ihr nicht zueinander gefunden, obwohl für jeden hier offensichtlich war, dass ihr zusammengehört. Ihr habt einfach etwas länger gebraucht, um es wirklich zu merken und zu begreifen. Mittlerweile wisst auch ihr, dass ihr füreinander bestimmt seid und könnt euch ein Leben ohne einander nicht mehr vorstellen. Darum habt ihr euch entschieden, als Ehepaar durch euer weiteres Leben zu gehen. Und eure Freunde und Familie sind darüber unglaublich froh, ganz besonders aber eure Tochter Mia. Wie die Mia mir nämlich erzählt hat, geht damit ein sehr großer Wunsch für sie in Erfüllung. Ihr wart immer für sie da, wenn es ihr schlecht ging, habt mit ihr gelacht und geweint und ihr eine neue Familie gegeben. Ab heute werdet Ihr drei auch namentlich eine richtige Familie, denn eure Tochter hat einen neuen Nachnamen bekommen: Kofler. Und nun wollen wir dafür sorgen, dass auch die Katharina diesen Nachnamen bekommt. 

Von der Rede der Standesbeamtin bekamen weder Katharina noch Markus viel mit, beide waren so voller Emotionen und total überfordert damit. Erst beim Ja-Wort nahmen sie ihre Umwelt wieder richtig wahr. 
„Markus Kofler, möchtest du die hier anwesende Katharina Strasser zu deiner Frau nehmen, sie lieben und achten, bis das der Tod Euch scheidet, so antworte mit ja.“ 
Markus musste schlucken, ehe er mit einem kräftigen JA antwortete. Er sah Katharina dabei tief in die braunen Augen. 
„Katharina Strasser, möchtest du den hier anwesenden Markus Kofler zu deinem Mann nehmen, ihn lieben und achten, bis das der Tod Euch scheidet, so antworte mit ja.“ 
Nun hingen Katharinas Augen an denen von Markus, während sie laut und deutlich mit JA antwortete. 
„So reicht einander die rechte Hand.“ Tobias als Trauzeuge reichte ihm den Ring für Katharina. „Katharina, Du hast mir gezeigt, was Liebe wirklich ist. Du bist immer für mich da, hörst mir zu, hast Geduld mit mir, erträgst meinen Dickkopf, meine Macken und Fehler, bist immer ehrlich zu mir, gibst mir die Geborgenheit, die ich mein Leben lang vermisst habe. Du nimmst mich so, wie ich bin. Bei dir komme ich zur Ruhe. Du bist meine beste Freundin, meine Seelenverwandte, du bist mein Leben, du bist mein Zuhause. Ich liebe dich mehr als ich in Worte fassen kann und ich werde immer für dich da sein. Bitte, bleib immer bei mir!“ Markus streifte ihr den Ring über den Finger. Nun reichte Emilie Katharina den Ring für Markus. 
„Markus, du bist das Beste, was mir je passiert ist. Du fängst mich auf, wenn es mir schlecht geht. Du weinst und lachst mit mir, bist immer für mich da und passt stets auf mich auf. Du zeigst mir jeden Tag, wie sehr du mich liebst. Du bist mein bester Freund, du bist mein Leben, ich kann nicht mehr ohne dich und möchte immer an deiner Seite sein, denn da gehöre ich hin. Du bist mein Zuhause. Danke, dass du mich so liebst, wie ich bin.“ Sie schob Markus den Ring auf den Finger. 
„Ihr dürft euch jetzt küssen.“ Katharina legte ihre Hände vorsichtig um Markus Gesicht und küsste ihn zärtlich, während er sie direkt in eine Umarmung zog. Nach dem Kuss flüsterte er „Ich liebe dich, Frau Kofler.“ 
„Jetzt bitte ich euch noch zur Unterschrift, dann könnt ihr feiern.“  

Markus und Katharina umarmten zuerst ihre Tochter und bedankten sich für ihr wunderschönes Geschenk. Markus zog aus seiner Jackentasche ein kleines Säckchen und reichte es Mia. 
“Wir haben auch eine Kleinigkeit für dich. Johanna hat uns ja den Umschlag für die Hochzeit hinterlassen.” Mia nickte, sie wusste darüber Bescheid. “Und wir fanden, dass auch du etwas davon haben sollst.” Mia schaute nun zwischen ihren Eltern hin und her und öffnete vorsichtig das kleine Säckchen, aus dem eine wunderschöne Silberkette mit einem Sternchen hervorschaute. “Damit auch du etwas von deiner Oma bei dir hast.” “Danke”, schniefte sie und umarmte ihre Eltern. 

Von allen Seiten wurden Markus und Katharina liebevoll gedrückt und beglückwünscht. Als Peter plötzlich vor ihnen stand, hielt Katharina einen Moment inne. „Papa“, entfuhr es ihr.  
„Mein Mädchen“, sprach Peter leise und zog sie in seine Arme. Katharina ließ es geschehen. In diesem Moment freute sie sich wirklich, ihren Vater zu sehen. „Du siehst so wunderschön aus. Ich wünsche dir, euch, alles Glück der Welt. Der Markus ist der Richtige für dich!“ 
Peter drückte nun auch Markus an sich. 
„Pass gut auf mein Mädchen auf.“ 
„Das mach ich, Peter! Ich verspreche es.“ Markus legte den Arm um seine Frau. 
„Danke. Ich wünsche euch von Herzen nur das Beste.“ 
„Danke, Papa.“ 
„Hallo Peter“, begrüßte auch Mia ihren Opa.  
„Hallo Mia! Du hast wunderschön gesungen vorhin.“ 
„Danke“, lächelte sie und drückte ihm ein Glas Sekt in die Hand. Nun stießen sie alle gemeinsam an und der von Tobias gebuchte Fotograf machte einige Fotos von der Hochzeitsgesellschaft und von Mia mit ihren Eltern. Danach machte sich die Gesellschaft auf den Weg zum Hof, wo in der Scheune die Feier stattfand. Tobias hatte mit Michi, Rudi, Max und Simon alles geplant. Markus und Katharina hatten seit ihrem Polterabend „Scheunenverbot“ auferlegt bekommen und durften sich ihr nicht mehr nähern.  

Der Fotograf setzte Katharina und Markus vor der atemberaubenden Kulisse gekonnt in Szene. Eine Menge romantischer Bilder entstand, wobei Markus nur Augen für seine Katharina hatte. Verliebt sahen sich die Beiden immer wieder an und so entstand auch der ein oder andere ungeplante Schnappschuss. Schließlich flog Michi den Fotografen mit den Frischvermählten zum Dachstein-Gletscher. Tobias hatte ihn beauftragt unter anderem eine Session auf der Treppe ins Nichts zu machen, weshalb sich auch Winterjacken von Markus und Katharina bereits im Heli befanden. Tobias hatte wirklich an alles gedacht. Für gewöhnlich standen weder Markus noch Katharina gern vor der Kamera, aber heute war wirklich eine große Ausnahme und immer wieder vergaßen sie sie auch einfach, denn den Blick vom Dachstein genossen die Beiden immer noch sehr, wenn sie oben waren. Zwischendurch schickten Markus und Katharina immer wieder ein paar Bilder mit dem Handy an Mia. Insgesamt entstanden eine Menge wunderschöner Fotos, ehe auch sie, pünktlich zu Kaffee und Kuchen, auf dem Hof eingeflogen wurden.  

Mit großen Augen stellten sie fest, wie ihre Freunde die Scheune in einen wahren Traum verwandelt hatten. Sie hatten eine richtig romantische Berghüttenstimmung gezaubert. Natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken, denn die Aussicht auf die ein oder andere Party auf dem Hof, hatte sie zu Höchstleistungen motiviert. Eine richtige Theke hatten sie eingebaut und eine Tanzfläche gezimmert, die von Holzbalken und einem Zaun umrandet war, welche sie mit einem Meer aus Lichterketten geschmückt hatten, die eine tolle Atmosphäre schufen. Um die Tanzfläche herum hatten sie tolle rustikale Bänke und Tische aufgestellt und entlang der Wand standen Tische, auf denen diverse Torten und Kuchen standen. In Thekennähe standen auch einige Stehtische. 

Markus und Katharina strahlten um die Wette als sie die Kaffeetafel eröffneten. „Wir möchten uns bei euch bedanken“, legte Markus los. „Was ihr hier gemacht habt, ist der absolute Wahnsinn! Ohne euch wäre dieser Tag nur halb so schön. Danke für eure Unterstützung, eure Planungen, eure Überraschungen und dafür, dass ihr hier bei uns seid. Ihr seid die besten Freunde der Welt.“ „Ihr seid unsere Familie und wir lieben euch. Und nun feiern wir, was das Zeug hält“, fügte Katharina dem hinzu. Markus zog sie in seine Arme und küsste sie innig, bevor Mia Markus ein Messer in die Hand drückte. „Ihr müsst die Hochzeitstorte anschneiden.“ Grinsend schaute Katharina Markus an, als sie vor der Torte standen. Sie hatte sich rechts von Markus gestellt und den Arm um seine Hüfte gelegt. Markus hielt das Messer in der linken Hand und Katharina griff mit der rechten Hand dazu, so dass sie beide gleichberechtigt die Torte anschnitten. Liebevoll sahen sie einander dabei an. Gegenseitig fütterten sie sich nun mit der Torte und nur um Haaresbreite verfehlte ein Stück Katharinas Kleid. Gemeinsam versorgten sie schließlich alle ihre Gäste damit. 

Nach dem Kaffee sorgte Tobias für Musik und forderte das Brautpaar auf den Tanz zu eröffnen. Weder Markus noch Katharina hatten mit ihm einen Song dafür abgesprochen, aber es erklang tatsächlich „Winter Song“ von Ronan Keating. Grinsend griff Markus nach Katharinas Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Katharina sah ihm fest in die Augen und Markus schlang seine Arme um sie. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und spürte deutlich seinen Herzschlag. Markus Kinn lag nun auf ihrem Kopf und beide schienen die Welt um sich herum zu vergessen. Bis das Ende des Songs sie wieder ins Hier und Jetzt zurückbrachte.  

Nach dem Abendessen, einem großen Buffet aus dem Hotel Herbrechter, wurde ausgelassen gefeiert. Der kleine Kreis Menschen legte eine unglaubliche Stimmung an den Tag. Es wurde gesungen und getanzt was das Zeug hielt. Irgendwann bemerkte Katharina, dass sie ihren Brautstrauß noch nicht an die Frau gebracht hatte. „Emilie, Jessi, Andrea bitte zu mir“, rief sie. „Hey, das ist unfair“, protestierte Mia. „Ich will auch den Strauß fangen.“ „Na klar, Du auch, Mia.“ Katharina drehte sich um und warf den Strauß in die Höhe – und traf Emilie mitten auf den Kopf. Nachdem sie sich die Lachtränen aus den Augen gewischt hatten drückte Emilie Katharina an sich. „Ob dein Bruder ahnt, was ihm blüht?“ 
„Jetzt schon“, lachte sie und beobachtete amüsiert, wie Tobias Emilie ansah. 

„Was läuft denn da zwischen Tobias und Emilie?“, fragte Peter Franz, als sie sich gerade einen weiteren Schnaps einschütteten.  
„Tja, Peter, ich würde sagen, du hast mehr Glück als Verstand mit deinen Kindern, weil bessere Partner hätten beide nicht finden können.“ 
„Du meinst, Tobi und Emilie sind wieder zusammen?“ 
„Ich denke ja. Jedenfalls verbringen sie die Nächte zusammen.“ 
„Das ist ja wunderbar. Darauf noch einen Schnaps..“ 
 
Auch bei den Bergrettern floss der Schnaps.  
„Hopp, hopp, rinn in Kopp“, lachte Michi und stieß mit Simon und Rudi an. „Endlich hamses geschafft, die beiden Schnuckelhasen. Was ist denn mit dir und Jessi?“ Erwartungsvoll schaute er Simon an.  
„An mir liegt’s nit. Jessi will nicht heiraten.“ 
“Ach, wart mal ab, die kriegen wir schon soweit”, grinste Michi und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche.  
“Michi, die Jessi soll mich aus freien Stücken heiraten.” 
“Ich glaube nicht, dass die Jessi nochmal heiraten wird”, sagte Rudi. “Die ist nicht der Typ dafür.” 
„Das befürchte ich allerdings auch“, sagte Simon geknickt. 
„Wir fühlen ihr mal auf den Zahn“, lächelte Rudi seinem Kollegen aufmunternd zu. “Vielleicht überrascht sie dich ja.” 
„Hey, Michi“, rief Tobias und begann zu singen „Ich hab ‘nen Heli, Heli, Helikopter, Heli, Heli, Heli, Heli, hey.“ 
„Damit flieg ich über Berge, damit flieg ich übers Meer, ja ich flieg so gerne mit dem Hubschraubääääär“, sang Michi weiter.  
Ausgelassen tobte die Truppe durch die Scheune, sang und ließ die Finger kreisen. 
Mia verdrehte nur die Augen. „Komm, die drehen alle durch, lass uns abhauen.“ Sie schleifte Max hinter sich her. 
 
Bis zum Morgen feierte die Hochzeitsgesellschaft ausgelassen weiter. 
Katharina saß auf einem der Hocker vor der Bar und trank nach der Tanzerei ein großes Glas Wasser. 
Plötzlich umklammerte sie jemand von hinten und legte ihr den Kopf auf die Schultern. Katharina wusste sofort, wer sie so im Klammergriff hatte.  
“Na, Frau Kofler? Bist du müde?”  
“Ehrliche Antwort?” Entspannt ließ sie sich rücklings gegen ihn fallen. 
“Ich bitte darum.” 
“Ja. Meinst du, wir können uns ins Bett verkrümeln?” 
“Verkrümeln ja, ins Bett aber noch nicht. Ich bin gleich zurück, beweg dich hier nicht weg, ich hol dich gleich hier ab.” 
“Was hast du vor?” 
“Warte einfach hier auf mich.” 

Eine Viertelstunde später stand Markus wieder hinter ihr und hauchte ihr ins Ohr “Komm mit.” Er griff nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her nach draußen. Dort wartete ein Taxi. Fragend sah Katharina ihn an, während sie ihre Jacke anzog. “Was wird das?” 
“Eine ruhige Hochzeitsnacht und vor allem ein ruhiger Hochzeitsmorgen“, grinste Markus. 
Katharina raffte ihr Kleid zusammen und kletterte ins Taxi. 
Auf der Rückbank griff Markus direkt nach ihrer Hand. Katharina genoss seine kleinen Streicheleinheiten so sehr. Schnell hatte sie auch eine Idee, wo Markus mit ihr hinwollte: Zur Hütte seines Vaters. Als Katharina das letzte Mal dort gewesen war, hatte es dort ausgesehen, wie nach einem Bombenanschlag. Sie wusste nicht einmal, dass Markus die Hütte noch hatte.  
 
Das Taxi hielt genau vor der Tür der kleinen Hütte. Markus half Katharina aus dem Wagen und holte eine Reisetasche aus dem Kofferraum. Schnell bezahlte er den Fahrer und nahm Katharina an der Hand. Markus öffnete die Tür, warf die Tasche direkt um die Ecke und schaltete das Licht ein. Dann griff er um Katharinas Taille, zog sie zu sich und hob sie blitzschnell hoch. Sie konnte nur noch quieken und lachen und brachte ein „Markus“ hervor. 
„Ja?“, fragte er unschuldig. „Ich trag doch nur meine Frau über die Schwelle.“ 
Katharina hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt. „Deine Frau, wie gut sich das anhört“, seufzte sie. 
„Ich hoffe, dass sich das nicht nur gut anhört.“ 
„Es fühlt sich noch viel besser an“, grinste sie.  
Markus küsste sie zärtlich. „Ich liebe dich, Frau Kofler.“ 
„Und ich liebe dich, Herr Kofler.“ 
Markus stellte sie vorsichtig auf dem Boden ab und Katharina sah sich in der Hütte um.  
„Wow, was ist denn hier passiert?“ 
„Ich hab damals ein wenig aufgeräumt und renoviert, aber ich war nie hier. Zu viele Erinnerungen. Aber jetzt, mit dir, soll die Hütte neue, schöne Erinnerungen bekommen. Und sie soll unsere kleine Zuflucht werden. Tobi hat mir geholfen, hier sauber zu machen.“ 
„Die Hütte ist toll geworden. Hier möchte ich gerne mit meinem Mann die Welt vergessen.“ 
„Ich zeig sie dir. Komm.“ Markus führte Katharina herum. Die Wohnküche hatte Markus mit ein wenig warmem Grün verschönert. Es gab passend dazu ein apfelgrünes Sofa und eine kleine Eckbank mit ebenfalls apfelgrünen Polstern. An den Wänden hatte er ein paar Bilder von ihren gemeinsamen Ausflügen in die Berge gerahmt. Das kleine Schlafzimmer war ebenfalls urgemütlich. Das große Bett, in dem auch Mia bequem Platz finden würde, war in einer Nische untergebracht und ein Bauernschrank vom Hof stand dem gegenüber. Sogar ein kleines Bad gab es.  
„Markus, die Hütte ist so wunderschön geworden.“ 
„Gefällt sie dir?“ 
„Und wie!“ 
„Ich hab sie damals renoviert, bevor wir zusammen gekommen sind. Ich musste mich ablenken und auspowern. Das Bad hab ich jetzt erst zur Hochzeit machen lassen von Johannas Erbe.“ 
„Das ist wirklich toll. Ein richtig kleines Versteck für uns.“ 
„Genau.“ Markus zog sie in seine Arme und küsste sie. „Darf ich dir jetzt mein Hochzeitsgeschenk geben?“, fragte er leise. 
„Noch eins?“ 
Markus löste sich und stellte die Reisetasche auf den Tisch. „Emilie und Tobias haben für uns gepackt, ich muss es nur finden“, grinste er.  
Katharina trat neben ihn und gemeinsam packten sie die Tasche aus. 
„Haben die uns echt was vom Buffet eingepackt?“ Katharina musste lachen. 
„Sieht so aus. Immerhin haben sie auch an Wäsche gedacht. Ah, hier ist mein Geschenk.“ 
„Hoffentlich ist meins auch drin.“ Katharina schaute nun auch weiter in die Tasche und zog grinsend einen Kuvert und eine kleine Box heraus.  
Markus zog sie mit sich zum Sofa und ließ sich mit ihr auf seinem Schoß darauf fallen. „Es ist nur eine Kleinigkeit.“ Er hielt ihr die kleine Schatulle entgegen. Vorsichtig öffnete Katharina sie. Ungläubig sah sie Markus an. „Das sind ja passende Ohrstecker zu unserem Ehering. 
„Ganz genau. Mia hat mich auf die Idee gebracht.“  
„Unser Kind ist clever“, lachte Katharina. „Danke, Markus“, sagte sie aufrichtig und küsste ihn liebevoll. „Und jetzt meins.“ Markus öffnete zuerst die kleine Schatulle. Beinah ehrfürchtig nahm er das Lederarmband heraus, welches aus 2 Bändern bestand. Eins der Bänder hatte eine Gravur. 11.3.2022 • Markus, Katharina & Mia. „Jetzt sind wir richtig eine Familie“, flüsterte er und drückte Katharina fest an sich. 
„Das waren wir vorher doch auch?“ 
„Aber jetzt sind wir es auch nach außen. Familie Kofler. Meine eigene kleine Familie.“ 
Katharina strich ihm übers Haar. „Ja, Mia und ich sind deine Familie. Und wir lieben dich.“ 
„Ich kann dir gar nicht beschreiben, was das mit mir macht.“ 
Katharina legte ihren Kopf an seinen. „Ich kann meine Gefühle gerade auch kaum einordnen. Pures Glück, Aufregung, Dankbarkeit und eine große Portion Liebe für meinen Mann und meine Tochter. Das trifft es wahrscheinlich am Besten.“ 
Ergriffen schaute Markus sie an und lächelte selig. 
„Nu mach mal auf.“ Katharina deutete auf den Umschlag in seiner Hand. 
Vorsichtig öffnete er ihn und zog eine selbstgebastelte Karte heraus, die ein Foto von ihnen in Tirol zeigte. Aufmerksam las er, was Katharina ihm geschrieben hatte und begann zu grinsen. „Nur wir beide in Tirol? Eine Woche?“ 
„Mhm. Bevor ich im Krankenhaus anfange. Wer weiß, ab wann ich dann wieder Urlaub nehmen darf?“ 
„Ich freu mich. Dankeschön.“ 
Markus schaute sie voller Liebe an. 
„Markus?“, fragte sie. 
„Mhm. Ich könnte dich einfach stundenlang ansehen. Du siehst so schön aus. Und das Kleid hast du so gut ausgesucht.“ 
„Es gefällt dir also wirklich?“ 
„Und wie. Hast du jetzt nur wegen mir auf Spitze verzichtet?“ 
„Nein, Spitze mag ich nur in kleinen Mengen. Du kennst doch meine Klamotten. Aber das Dirndl ist schon wegen dir. Du liebst meins so sehr, da dachte ich, es macht dir eine Freude.“ 
„Das tut es. Aber gleich werde ich es dir trotzdem ausziehen.“ Frech grinste er seine Frau an. 
„Ach ja? Dir ist klar, dass ich dir dann auch deinen feinen Zwirn ausziehen muss, in dem du so verdammt gut ausschaust oder?“ 
Grinsend stand Markus auf und trug seine Frau ins Schlafzimmer. Vorsichtig setzte er sie auf dem Bett ab. „Du hast ja immer noch die dicken Kloben an den Füßen“, lachte er. 
Sie zuckte mit den Schultern und antwortete nur: „Kalte Füße.“  
Markus kniete sich vor sie und zog ihr die Schuhe und die dicken Wollsocken aus.  
„Wie krieg ich dich denn jetzt hier ausgepackt?“, fragte er etwas hilflos und zog sich die Jacke seines Anzugs aus. Lachend stand Katharina auf und deutete auf ihren Rücken. „Reißverschluss? Wie bei meinem anderen Dirndl auch. Und wie das aufgeht, das hattest du verdammt schnell raus.“ Katharina konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Markus drehte sie herum und griff ihr um die Taille. Zärtlich küsste er ihren Hals und beobachtete wie Katharina dabei ein Schauer über den Rücken lief und sich Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete. Mit einer Hand fuhr er an ihrer Seite entlang. Vorsichtig öffnete er die Schleife ihrer Schürze und warf diese zur Seite auf den Boden. Langsam zog er den Reißverschluss hinunter. Katharina zog ihre Arme aus dem Dirndl und ließ es zu Boden gleiten. Markus hob sie einfach aus dem Kleid hinaus. „Du bist ja wie eine Matroschka“, kicherte er in ihr Ohr. Katharina hatte ja noch einen Unterrock unter dem Kleid getragen, um eine gewisse Weite zu bekommen. Zuerst streifte er aber ihre Dirndlbluse über ihren Kopf hinweg und drehte sie wieder zu sich, um sie zu küssen. Dann grinste er sie frech an und tippte auf ihren BH. „Ich hab die Spitze gefunden.“ Katharina schmunzelte und begann sein Hemd aufzuknüpfen. Zärtlich streichelte sie über seine Brust, bevor sie es ihm liebevoll auszog. Immer wieder küssten sie sich. Markus streifte seine Schuhe ab und Katharina öffnete betont langsam den Knopf seiner Hose. Ihre Augen hatten sich jeweils in denen des anderen verloren. Ohne den Blick zu lösen, zog Markus an Katharinas Unterrock und ließ ihn zu Boden fallen. Auch ihre Strumpfhose wanderte hinterher, genau wie seine Hose. Küssend zog Markus Katharina auf das Bett. Einen Arm hatte er um ihren Rücken gelegt um sie nah an sich zu haben, mit dem anderen Arm begann er sie zu streicheln. Seine zarten Berührungen jagten ihr eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Markus begann sie zärtlich überall zu küssen und jeder Kuss war wie ein kleiner Stromstoß in ihrem Körper. Sie lag dicht an Markus und ihr Bein berührte seine Männlichkeit. Markus spürte jede Bewegung seiner Frau an sich und der Anblick ließ ihn ungeduldig werden. Er streichelte über den BH aus weicher Spitze und öffnete ihn geschickt in ihrem Rücken, um ihn ihr auszuziehen. Wieder fuhr er zärtlich mit seiner Hand über ihren Körper, während er sie immer leidenschaftlicher küsste. Zärtlich ließ er seine Hand über ihren Slip wandern und spürte, wie sie immer erregter wurde. Katharina verschaffte sich ein klein wenig Raum, um auch Markus streicheln zu können. Als sie mit der Hand über seine Shorts fuhr, konnte sie deutlich spüren, wie erregt auch Markus mittlerweile war. Sie zog ihm die Shorts vorsichtig aus und begann ihn zärtlich zu massieren. Markus konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken und schloss die Augen. Ihre Berührungen brachten ihn beinah um den Verstand. Bevor er jegliche Kontrolle verlor, widmete er sich wieder Katharina und entledigte sie gekonnt ihres Slips, um sie an ihrer intimsten Stelle zu küssen. Sie wand sich unter seinen Berührungen und Markus wusste, dass auch sie nicht mehr lange brauchte. Vorsichtig schob er sich in sie und genoss ihre Enge. Er begann sich leicht zu bewegen, immer im Augenkontakt mit Katharina. Markus hatte stets im Blick ihr niemals weh zu tun. Katharina wusste das und konnte sich darum bei ihm fallen lassen. Kurz vor dem Höhepunkt wechselte Katharina gekonnt die Position und übernahm die Führung. Markus genoss ihren Körper auf sich und kurz hintereinander erreichten beide ihren Höhepunkt. Erschöpft lag Katharina auf ihm und ihre Hand kraulte seinen Oberkörper, während Markus Hände über ihren Rücken und ihren Po streichelten. Sie hatte die Augen geschlossen und Markus griff nach der Decke und zog sie über sie. „Ich liebe dich“, sagte er leise. „Ich liebe dich auch, Markus. So sehr“, murmelte sie leise. Markus wusste, dass sie gleich einschlafen würden und genoss es, seine Frau in seinen Armen zu haben. Er freute sich auf das weitere Leben mit ihr und schwor sich, alles dafür zu tun, dass diese Ehe für immer halten würde. 

16. Herr und Frau Kofler 

Die Sonnenstrahlen fielen auf das kleine Häuschen, das Markus für seine Frau und sich als kleine Zuflucht hergerichtet hatte. Noch lag eine geschlossene Schneedecke auf der Wiese davor und auch der kleine Teich neben der Hütte lag unter einer dicken Eisschicht.  
Im Inneren des Hauses lag das frischvermählte Ehepaar noch eng aneinander gedrückt im Bett. Eine kleine Lücke zwischen den Gardinen ließ einen Sonnenstrahl herein, der Katharinas Locken golden schimmern ließ. Markus war schon wach und betrachtete einfach seine schlafende Frau. Der kleine Sonnenstrahl schien sie im Schlaf zu stören, denn sie bewegte ihre Nase ganz leicht und Markus hätte darauf gewettet, dass sie davon erwachen würde. Stattdessen rümpfte sie nur ihre Nase, drehte sich etwas und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Die Locken fielen nun wirr über ihren Kopf und Markus musste grinsen. Da sie sich ein bisschen aufgedeckt hatte, legte Markus sanft die Decke über sie und schaute sie verträumt an. Sie war nun wirklich seine Frau. Wie gut sich das anhörte, seine Frau. Seine Katharina. Für ihn die schönste Frau der Welt. Er schaute auf seinen Ehering, den er ja von nun an täglich tragen würde. Etwas ungewohnt war es für ihn, aber er war auch total stolz. Nun war er nicht nur ein Vater für Mia, er war auch ein Ehemann. Dass Mia und Katharina beide ab jetzt seinen Nachnamen trugen, machte ihn unendlich glücklich. Nun waren sie richtig offiziell miteinander verbunden, nicht nur in ihren Herzen, sondern auch auf dem Papier. Markus dachte darüber nach, wie sich ihr Leben verändern würde, wenn es doch mit einem Kind klappen würde. Sein eigener Wunsch nach einem Baby mit der zarten Person neben ihm war mittlerweile schon so groß, dass er Katharina immer besser verstehen konnte. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn Katharina tatsächlich schwanger werden würde. Würde alles glatt laufen? Ihm war klar, wenn einem möglichen Baby etwas zustoßen würde, dass es Katharina niemals verkraften würde. Die Decke neben ihm bewegte sich und die goldenen Locken wiegten ein wenig hin und her. 
“Guten Morgen, schöne Frau”, sagte er liebevoll. “MEINE schöne Frau.” 
Katharina war definitiv noch nicht richtig wach. Sie rollte sich auf den Rücken und hielt ihren Arm vor die Augen. 
“Du Schlafmütze”, grinste er. 
“Guten Morgen mein schöner Ehemann”, nuschelte sie. “Wieso bist du eigentlich schon wach?” 
Markus grinste sie breit an. “Weil ich Parties und Alkohol einfach besser wegstecken kann als du.” Frech streckte er ihr die Zunge raus und begann sie zu kitzeln. 
Katharina war nun hellwach und quietschte. 
„Und außerdem musste ich meine Frau ein wenig beobachten. Und erstmal begreifen, dass sie jetzt wirklich meine Frau ist und ich nicht geträumt habe gestern.“ Sanft streichelte er über ihre Wange und küsste sie liebevoll.  
Katharina wurde ganz warm ums Herz beim Gedanken an den gestrigen Tag.  
„Mia hat uns geschrieben, wir sollen einfach hierbleiben. Unsere Gäste wären alle gut versorgt. Sie hat uns ein Foto und einen Gruß von allen geschickt.“ 
„Gestern war der schönste Tag meines Lebens“, seufzte Katharina und kuschelte sich an Markus Brust, der sogleich seine Arme um sie schlang. 
Markus lächelte glücklich. „Nicht nur deiner. Du warst die hübscheste Braut, die ich jemals gesehen habe.“ 
„Und du erst. Du hast wirklich großartig ausgehen. Chic und elegant, aber trotzdem warst du einfach du.“ 
Markus spielte mit einer ihrer Locken und ließ sie immer durch seine Hände gleiten, dabei ließ er seine Frau aber keine Sekunde los. “Ich bin so glücklich, Katharina, ich könnte die Welt umarmen. Lass mich nie, nie, nie allein.” 

Erst am frühen Nachmittag verließen sie das kleine Häuschen für einen kleinen Spaziergang. Hand in Hand schlenderten sie durch den Wald hinter ihrer Hütte. Sie hatten beschlossen auch die folgende Nacht noch in ihrem kleinem Zweitwohnsitz zu verbringen. Genug Essen vom Buffet hatten ihre Freunde ihnen eingepackt, ebenso hatten sie den Kühlschrank mit reichlich Getränken und weiteren Lebensmitteln gefüllt. Oberhalb der Ramsau ließ sich das Ehepaar auf einer Bank nieder.  
“Immer wieder schön hier”, seufzte Katharina. 
Markus grinste. “Nicht so schön wie du.” 
“Ja ja”, lachte Katharina und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Die Sonne würde nicht mehr lange scheinen und sie mussten sich bald auf den Weg herunter begeben. 
“Das gibt gleich einen schönen Sonnenuntergang”, flüsterte Markus. “Sehen wir uns den noch an?” 
“Okay”, flüsterte sie und wusste, dass ihr Mann sie auch im Dunkeln sicher vom Berg bringen würde.  
Markus sah sie an und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund. Katharina erwiderte den Kuss, der immer leidenschaftlicher wurde.  
Sie griff nach Markus Hand und streichelte sanft mit dem Daumen darüber. 
“Du hast ganz kalte Hände, du frierst”, stellte dieser fest und schloss seinen Arm um sie. “Lass uns gehen.” 
“Nee, schau mal”. Katharina löste ihre Hand und deutete in die Ferne. Der Himmel schien förmlich in Flammen zu stehen und leuchtete in den schönsten Farben. 
“Wow”, flüsterte Markus und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. Ergeben erhoben sich beide von der Bank. Sofort spürte Katharina zwei Arme, die sie von hinten umschlangen und den Kopf ihres Liebsten auf ihrer rechten Schulter.  
“Ich könnte ewig mit dir hier stehen bleiben”, stellte Markus fest. 
Bestätigend lehnte Katharina ihren Kopf an seinen. Auf einer Glücksskala von eins bis zehn war dies für die Beiden eine glatte 15. 

Durchgefroren kamen sie zurück in ihre kleine Hütte. Markus schob Katharina direkt vor den Kamin. “Du bist ein Eisklumpen. Du solltest erstmal unter die heiße Dusche springen.” 
Katharina fror wirklich entsetzlich und entschloss sich, Markus Vorschlag zu folgen. 
„Kommst du mit?“, fragte sie mit einem verschmitzten Grinsen. 
Markus Gesichtszüge erhellten sich noch mehr. „Klar. Ich bin ja verantwortlich dafür, dass es meiner Frau gut geht.“ 

17. Gefühle, Sorgen und Ängste 

Einige Monate waren inzwischen vergangen und die Adventszeit stand kurz bevor. Katharina hatte ihre Assistenzarztstelle in der Klinik in Schladming angetreten und das erste halbe Jahr hinter sich gebracht. Markus tat sich auch nach dieser Zeit immer noch schwer damit, dass Katharina nicht mehr bei jedem Einsatz dabei war. Er vermisste sie und in den Nächten, in denen sie Dienst hatte, schlief er teilweise überhaupt nicht. Auch für Katharina war es eine Umstellung, am Tag und ohne Markus an ihrer Seite schlafen zu müssen und sie vermisste ihn nicht weniger als er sie. Mittlerweile hatten die Beiden schon zwei Versuche einer künstlichen Befruchtung über sich ergehen lassen, doch beide waren in einer Fehlgeburt geendet. Für Katharina war nach jedem Abgang eine Welt zusammengebrochen. Markus konnte sie nur schwer auffangen und es hatte ihm das Herz zerrissen, sie so leiden zu sehen. Tagelang hatte sie kaum ein Wort gesprochen und war regelrecht apathisch. Sie hatten sich schließlich gemeinsam dazu entschieden auf eine Adoption zu hoffen und es kein weiteres Mal mehr zu versuchen und Markus nicht weiter mit Hormonen vollzupumpen. Sein Spermiogramm hatte sich dadurch auch nicht nennenswert verbessert. Katharina versuchte einfach nach außen hin stark zu sein, aber in ihrem Inneren sah es anders aus und nur bei Markus mit seiner Engelsgeduld und Liebe für sie ließ sie schließlich ihren Gefühlen wirklich freien Lauf. Mia, deren Adoption von Katharina kurz bevor stand, hatte den Beiden in der schweren Zeit auch eine Menge Kraft gegeben. Sie hatte viel beim Einzug in ihr neues Haus geholfen und sich um banale Dinge wie die Balkonbepflanzung gekümmert. Sie zauberte Katharina immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und Katharina war unendlich froh, dass sie nicht mehr in Zürich, sondern wieder bei ihnen in der Ramsau war. Mia gab ihr einfach immer wieder neuen Auftrieb und sie liebte das Mädchen aus tiefstem Herzen. Auch Markus genoss die Momente mit seiner Tochter sehr. Insgeheim hoffte er aber doch noch auf eine Adoption, weil ihm ein Geschwisterchen für Mia wirklich gefallen würde, aber das wollte er Katharina nicht zeigen. Sie litt schon genug unter der Situation. 

Katharina kam gerade aus dem Krankenhaus nach Hause, als Emilie schon auf sie wartete.  
„Hey Katharina!“  
„Hey Emilie. Na? Alles klar?“ 
„Unsere Männer verbringen die Nacht am Berg.“ 
„Waaas? Wieso das denn?“ Katharina war traurig und enttäuscht. Sie sehnte sich so sehr nach Markus starken Armen. Der Dienst heute war so wahnsinnig kräftezehrend gewesen und die Totgeburt einer Patientin hatte ihr alles abverlangt. Sie wollte sich einfach nur in seinen Arm kuscheln und die Welt vergessen.  
„Sind vom Gewitter überrascht worden bei einem Einsatz, meinte Rudi. Und nu sitzen sie wohl ohne Handynetz in einer Höhle und warten, dass es hell wird und Michi sie morgen vom Berg holen kann.“ 
„Ach Mensch, gerade heute“, seufzte sie.  
„Komm doch rein. Ich hab noch genug Essen da. Mia hat auch schon gegessen und ist mit Max im Jugendtreff. Ich müsst eh mal mit dir reden.” 
Katharina folgte der Einladung ihrer Freundin und sank auf den Stuhl am Esstisch.  
„Du siehst erschöpft aus, Katharina“, stellte Emilie fest. 
„War ein harter Tag. Wir hatten eine Totgeburt“, sprach sie leise und ihr Herz wurde ganz schwer. 
Emilie wusste von den Qualen, die Katharina wegen der Fehlgeburten ausstand. Umso schwerer fiel es ihr, mit ihrer Freundin zu sprechen. Aber es musste sein. Sie schob es schon viel zu lange vor sich her und ihr schlechtes Gewissen erdrückte sie beinahe.  
„Du, Katharina, ich muss dir was sagen.“ Emilie druckste herum.  
„Was ist los, Emilie?“ 
Emilie sah sie beinahe hilflos an. „Ich… ich bin schwanger.“ 
Mit großen Augen sah Katharina nun wiederum ihre Freundin an. 
„Wow, das ist großartig.“ Katharina schloss Emilie fest in ihre Arme. „Wie weit bist du?“ 
„4. Monat. Ende April ist es soweit.“ 
„4. Monat schon? Wow.“ 
„Ich hab mich einfach nicht getraut, es dir zu sagen“, sagte Emilie leise. „Du und Markus, ihr hattet eure eigenen Kämpfe auszutragen. Und euch genau dann fröhlich zu erzählen, dass wir Nachwuchs bekommen, empfanden wir beide einfach nur als herzlos.“ 
„Aber wir freuen uns doch mit euch. Ihr seid doch unsere Familie und unsere Freunde.“ 
„Ja, und ihr unsere. Da kann man auch mal Rücksicht nehmen, wenn es den anderen schlecht geht.“ 
„Das ist süß von euch. Ich freu mich aber mit euch. Sehr sogar.“ Katharina freute sich wirklich sehr für Emilie und ihren Bruder, auch wenn es ihr natürlich weh tat, dass es bei ihr und Markus einfach nicht geklappt hatte. 
„Danke. Das bedeutet mir viel. Ich hatte wirklich Angst, es dir zu sagen, darum hab ich das immer wieder geschoben. Ich will dir nicht wehtun. Das Kind war nicht geplant.“ 
„Hey, nur weil wir keine Kinder bekommen können, müssen doch nicht alle anderen darauf verzichten.“ 
„Trotzdem ist es ein blödes Timing. Dabei wollte ich doch eigentlich gar kein Kind mehr.“ 
„Aber jetzt freust du dich doch oder? Und der Tobi ist sicher auch überglücklich.“ 
„Ja, ich freu mich drauf und der Tobi ist sehr glücklich. Aber er macht sich wirklich große Sorgen um dich. Er liebt dich und will dir damit nicht wehtun. Und dem Markus auch nicht.“ 
„Das ist lieb von euch, aber wir packen das schon, der Markus und ich.“ 
„Wir hätten euch beide gerne als Paten für die Kleine, wenn ihr euch dazu bereit fühlt.“ 
„Ein Mädchen“, lächelte Katharina und dachte an ihr eigenes Sternenkind. „Sehr gerne, Emilie. Ich wäre sehr gerne eine gute Patentante für eure Tochter.“ 
„Ich könnte mir keine bessere wünschen“, lächelte Emilie und drückte Katharina. 
 
Im Höhleneingang saßen Tobias und Markus gemeinsam am Feuer. 
„Du, Markus, ich muss dir da was sagen. Und wahrscheinlich hätt ich das auch schon viel früher tun sollen.“ Tobias hielt die Hände übers Feuer.  
„Ja?“ Fragend schaute Markus seinen besten Freund an. 
„Die Emilie und ich… also wir… also die Emilie…“ Tobias stotterte herum und fand einfach keinen richtigen Ansatz. 
„Kommt da noch was?“, grinste Markus. „Was ist mit Emilie?“ 
„Die Emilie ist schwanger“, brachte Tobi leise hervor. 
„Aber das ist doch toll! Gratuliere.“ 
„Danke. Ich freu mich auch total darüber, damit hab ich nicht gerechnet. Du weißt ja, sie wollte kein Kind mehr. Im 4. Monat ist die Emilie jetzt, so langsam sieht man auch was.“ 
„Ui. So weit schon?“ 
„Ja, wir wollten Katharina und dir nicht noch mehr wehtun, darum haben wir es so lange für uns behalten. Der Katharina vor die Nase zu halten, was sie wahrscheinlich niemals haben wird, das wird sie quälen. Sie leidet doch eh schon so sehr.“ 
Markus nickte traurig. „Das tut sie. Aber trotzdem wird sie sich für euch freuen, da bin ich ganz sicher.“ 
„Wir hätten euch beide gern als Paten für unser Baby.“ 
„Wow, ich wollte schon immer ein Patenkind, mit dem ich Fußball spielen und in die Berge klettern kann. Und die Katharina macht das sicherlich auch sehr gerne.“ 
„Es wird übrigens ein Mädchen, aber vielleicht spielt sie ja auch mit dir Fußball.“ 
„Dann hoffe ich, dass die Kleine nach der Emilie kommt.“ Markus grinste Tobi frech an. 
„Arsch!“ 
„Soll doch ein hübsches Mädchen werden oder?“ 
„Das wird das hübscheste Kind der ganzen Ramsau, mein Freund“, grinste Tobias Markus an. 
„Aber die Katharina…“, seufzte Tobias. 
„Tobi, die Katharina liebt dich. Du bist ihr Bruder. Natürlich wird sie sich freuen, Tante zu werden.“ 
„Ja, natürlich wird sie sich freuen, daran zweifle ich auch nicht, aber sie selbst wird trotzdem leiden.“ 
„Das befürchte ich allerdings auch. Vielleicht klappt es ja doch mit einer Adoption. Im Januar beginnt unser Adoptionskurs. Wenn wir den bestehen, kommen wir auf die Liste für ein Kind. Es wäre übrigens lieb, wenn du und Emilie auch ein Auge auf Katharina haben könntet. Seit sie in der Klinik arbeitet sehen wir uns manchmal einfach nur ganz kurz.“ Markus seufzte. 
„Natürlich tun wir das! Und hoffen so sehr auf ein Kind für euch!“ 
 

Katharina hatte sich früh bei Emilie verabschiedet. Sie stand unter der Dusche und das heiße Wasser lief über ihren Körper. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie freute sich, dass ihr Bruder endlich seinen Wunsch nach einem Kind erfüllt bekommen würde. Und sie freute sich für Emilie. Aber gleichzeitig kamen die trüben Gedanken. Markus und sie würden wohl niemals ein Baby bekommen. Vorsichtig fuhr sie über die Narbe an ihrem Bauch. Ihre Tochter wäre mittlerweile 4. Sie würde in den Kindergarten gehen und die Welt entdecken. Katharina kamen unweigerlich die Tränen. Sie fühlte sich so leer. Und gerade auch schrecklich einsam. Katharina stellte das Wasser ab und machte sich bettfertig. 

Katharina kuschelte sich auf Markus Seite des Bettes. Warum war er nur ausgerechnet heute nicht da? Sie umarmte sein Kissen und fiel in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte wirres Zeug und schreckte schließlich hoch. Immer noch hallte diese Stimme in ihren Ohren nach, die sagte „du wirst nie eine Mutter sein, du hast dein Kind auf dem Gewissen“. Was für ein Albtraum. Katharina stand auf, sah zuerst in Mias Zimmer und beobachtete ihre Tochter einen Moment beim Schlafen. Sie war unendlich dankbar, dass das Mädchen bei ihnen war. Katharina ging schließlich hinunter in die Küche. Sie kochte sich einen Tee und setzte sich an den Küchentisch. Ihr Blick schweifte durch den Raum. Markus, Mia und sie hatten sich ein wirklich schönes neues Zuhause aufgebaut. Sie war dankbar, dass Mia sich so eingebracht hatte, als es ihr schlecht gegangen war. Das Ergebnis war ein Traum von Küche. Modern, aber doch der Umgebung angepasst, mit viel Holz und hellen, freundlichen Wänden. Es war schon schön, etwas mehr Platz zu haben für Dinge wie einen großen Küchentisch, an den auch ihre Freunde bequem passten. Die Wand zierten wieder Bilder aus der Gegend und als Highlight hatte Max ein Passepartout aus Holz von den Bergen der Umgebung angefertigt und mit LEDs unterlegt. Katharina nahm ihre Teetasse und wanderte durch den Durchbruch ins Wohnzimmer. Sie setzte sich auf das große Sofa und schaltete den Fernseher an. Sie zappte durch die Programme und blieb an einem Bericht über die Zugspitze hängen. Katharina dachte zurück an ihre Urlaube in Tirol. Und mit einem Schmunzeln an ihre Hochzeitsreise. Es waren wieder so schöne Tage gewesen, voller Liebe und einer Entspannung, die sie zu Hause aufgrund ihrer aufregenden Jobs selten hatten. Sie dachte daran, dass sie in eineinhalb Jahren ganz andere Möglichkeiten in ihrem Beruf haben würde. Und der Gedanke an eine eigene Praxis auf dem Hof gefiel ihr immer mehr. So hätte sie geregelte Arbeitszeiten und könnte die Nächte immer bei Markus sein. Diese Zeit musste sie durchhalten. Irgendwie. Katharina zog die Beine hoch auf die Couch und legte ihren Kopf auf die Knie. Sie hatte einfach Sehnsucht nach Markus und Angst. Angst vor dem Zusammenleben mit einem Baby auf dem Hof. Es würde sie unweigerlich immer wieder an ihre Fehlgeburten und ihren Kinderwunsch erinnern. Und nicht nur sie, auch Markus und Mia würden immer daran erinnert werden. Nachdem sie ihren Tee getrunken hatte, ging sie zurück ins Bett und versuchte wieder einzuschlafen.  

„Oh man, Tobi, guck dir das Wetter an. Der Michi wird uns nicht holen können.“ Frustriert sah Markus auf den wolkenverhangenen Himmel und den fallenden Regen. „So eine Scheiße. Ich wollte doch wenigstens mit meinen beiden Mädels frühstücken.  
„Das kannst vergessen, mein Freund.“ Tobi klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. 
„Und das nur wegen dieser leichtsinnigen Vollidioten von gestern“, seufzte Markus sichtlich frustriert. 
„Ärger dich nicht, das bringt doch nix. Aber besuch meine Schwester doch in ihrer Mittagspause. Die freut sich bestimmt wahnsinnig darüber.“ 
„Guter Plan. Die isst mir eh zu wenig, seit sie im Krankenhaus arbeitet. Manchmal den ganzen Tag nichts“, sagte er gedankenverloren. 
Gemeinsam packten sie ihre Rucksäcke und überlegten welche Route sie hinunter ins Tal nehmen wollten. Der Klettersteig schied bei dem Starkregen aus. 
„Sag mal, Markus, habt ihr Probleme, weil Katharina im Krankenhaus arbeitet?“, fragte Tobias nachdem sie ein ganzes Stück stillschweigend nebeneinander hergegangen waren. Ihm war Markus Kommentar einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Und ihm war schon vorher aufgefallen, dass Markus manchmal abwesend und unausgeschlafen gewesen war. Für seinen besten Freund war das sehr ungewöhnlich, aber er hatte es auf die Fehlgeburten seiner Schwester geschoben. 
„Nee, also nicht wirklich. Ich vermiss sie halt.“ 
Fragend schaute Tobias Markus an. „Hä? Sie ist doch bei dir?“ 
„Das schon. Aber manchmal seh ich meine Frau einfach so selten. Bin ich weg, ist sie zuhause, bin ich zuhause ist sie weg. Und wie Kacke die Nächte ohne sie sind, brauch ich dir wohl nicht erst zu sagen.“ 
„Hast du mal mit ihr darüber gesprochen?“ 
„Um ihr das Leben noch schwerer zu machen? Sie muss jetzt ihren Facharzt einfach durchziehen. Ich will nicht auch noch der Grund dafür sein, dass sie unglücklich wird, weil sie ihren Beruf am Ende wieder aufgibt.“ 
„Markus, hör auf dir einzureden, dass du sie unglücklich machst. Unglücklich machst du sie, wenn du aufhörst sie zu lieben und nicht mit ihr über deine Probleme sprichst. Dann machst du sie unglücklich.“ 
Markus zog tief die Luft ein. „Sie ist doch jetzt schon unglücklich wegen der Fehlgeburten.“ 
„Für die du nichts kannst und für die sie dir auch niemals die Schuld geben würde. Also hör auf so zu denken.“ 
„Ich will doch einfach nur, dass sie glücklich ist.“  
„Hey, auch wenn sie traurig ist wegen eures Kinderwunsches, umso glücklicher ist sie, weil sie dich hat! Du bist der richtige Mann für sie, also rede mit ihr. Versprich mir das!“ 
Markus musste leicht grinsen. „Okay, Schwager, ich verspreche es dir. Aber was mach ich, wenn sie im Krankenhaus aufhören will deswegen?“ 
„Dann sagst du ihr, dass sie das durchziehen muss, aber ihr gucken müsst, wie ihr wieder mehr Zeit füreinander bekommt. Gemeinsam findet ihr schon eine Lösung dafür.“ 

„Hey Mama“, rief Mia fröhlich, als sie die Treppe runterhoppste. 
„Hey Mia, na? Wie war es gestern im Jugendtreff?“ 
„Super. Wir haben da Isas Geburtstag gefeiert. Und gleich wollen wir Skilaufen.“ 
„Dann frühstücke jetzt ordentlich. Ich hab uns Brötchen aufgebacken.“  
„Mhm.“ Mia goss ihnen beiden eine Tasse Kaffee ein und strahlte Katharina an.  
„Du, Katharina? Woher wusstest du, dass du Ärztin werden möchtest?“ 
„Poah, das ist eine gute Frage. Woher wusste ich das? Ich glaube, als meine Mama krank wurde, da wollte ich ihr so gerne helfen. Ich hab mich da so reingeackert und dann war plötzlich klar, was ich werden will. Wie kommst du denn jetzt darauf?“ 
„Ich bin noch nicht sicher, was ich werden will.“ 
„Mia, Du bist erst 15. Mach dir keinen Stress deswegen. Was ist denn aus deinem Wunsch Architektin zu werden geworden?“ 
„Ich weiß nicht, aber irgendwie nur am Schreibtisch sitzen, das ist nix für mich, glaub ich. Mir hat in Zürich die Natur gefehlt. Und da habe ich nur am Schreibtisch herumgesessen.“ 
„Dann überlegen wir einfach gemeinsam, wohin deine Reise gehen soll.“ 
„Der Max weiß ganz klar, was er werden will. Schreiner. Und vielleicht nach der Ausbildung studieren. Und ich bin noch so unentschlossen. Eigentlich wär es ja schön mit ihm zusammen zu arbeiten.“  
„Such deinen Job nicht nach Max aus, Mia. Er muss dir Spaß machen.“ 
„Vielleicht möchte ich sogar was mit Kindern machen.“ 
„Unter anderen Umständen wäre ich wohl Kinderärztin geworden“, seufzte Katharina. 
„Hat Emilie mit dir gesprochen?“, fragte Mia vorsichtig. 
Katharina nickte nur. 
Mia legte ihre Hand auf Katharinas. 
„Wir schaffen das, Mama.“ 
Katharinas Augen füllten sich unweigerlich mit Tränen. Mia stand von ihrem Stuhl auf und nahm Katharina in den Arm. 
„Nicht weinen, Mama. Papa und ich sind doch bei dir und zusammen packen wir das.“ 
„Ich hab dich so lieb, Mia“, flüsterte Katharina. 
„Ich dich doch auch. Und ich verspreche dir, wenn ich mal Kinder hab, darfst du die so oft hüten, dass du froh sein wirst, wenn du sie wieder abgeben darfst.“ 
Nun musste Katharina doch lachen. Der Gedanke an Enkelkinder war ihr bisher noch nie gekommen.  
„Na bitte, ist viel schöner, wenn du lachst“, sagte Mia und drückte ihre Mutter nochmal fest an sich. 

Der Weg hinab ins Tal führte durch unwegsames Gelände. Durch den Starkregen der letzten Stunden war der Boden aufgeweicht und ziemlich rutschig und die beiden Bergretter mussten sich genau auf ihren Weg nach unten konzentrieren. Zudem waren die Felsen teilweise glatt wie Schmierseife. Markus schaute auf die Uhr. Katharina war schon wieder auf der Arbeit. Er würde wirklich gleich bei ihr vorbeischauen. Bis zum Abend wollte er einfach nicht warten, er wollte sie unbedingt vorher in den Arm nehmen.  
„Na? Denkst schon wieder an meine Schwester?“ 
Markus grinste sichtlich ertappt. „Klar. Ich werde wirklich direkt zu ihr fahren, wenn wir unten sind.“ 
Tobias grinste. „Mach das. Die freut sich. Bei der Bergrettung wird heut eh nix passieren. Bei dem Wetter ist keiner am Berg. Nur wir zwei Doofen hier“, lachte er. 
„Aber auch nur wegen der Hirnakrobaten von gestern“, grummelte Markus. „Der Rudi kann denen mal eine gepfefferte Rechnung schreiben.“ Markus stellte seinen Rucksack auf den Boden und griff nach seiner Flasche, um einen Schluck zu trinken. 
„Das sag ich dir. Ich wär auch lieber bei Emilie gewesen, das kannst mir glauben.“ Tobias zog sein Handy aus der Tasche. Genervt seufzte er. „Immer noch kein Empfang.“ Tobias friemelte gerade das Handy zurück in seine Jackentasche und passte dabei nicht auf, wohin er trat. Sein rechter Schuh rutschte an einem nassen Stein ab und im nächsten Moment fand er sich am Boden wieder. Ein kurzer scharfer Schmerz fuhr durch sein Bein und ihm entfuhr ein Schrei. Markus war sofort an seiner Seite. „Tobi, was ist passiert?“, fragte er besorgt. „Ich bin abgerutscht!“, murmelte sein Freund und versuchte aufzustehen, doch sein Schuh war zwischen zwei Steine gerutscht und jetzt bekam er ihn nicht heraus. Sein Schuh hatte sich irgendwo verklemmt. „Verdammt, ich hänge fest!“ Er versuchte, sich irgendwie zu befreien, aber es funktionierte nicht. „Warte, ich helfe dir! Du bist aber auch echt ein Trottel manchmal!“ Markus bückte sich kopfschüttelnd und versuchte den Schuh von Tobias irgendwie zu befreien. In diesem Moment hörten beide ein leises Grollen, welches dann immer lauter wurde. Markus sah auf und mit Entsetzen sah er eine Gerölllawine auf sie beide zukommen. „Scheiße!“ Er versuchte sofort panisch, Tobias irgendwie freizubekommen, doch es misslang ihm. Tobias, der das Geröll natürlich auch entdeckt hatte, versuchte ebenfalls alles, um seinen Fuß zu befreien. „Bring dich in Sicherheit, Markus! Verschwinde!“, rief Tobias, als es einfach nicht zu gelingen schien. „Auf keinen Fall!“ Markus zog panisch immer stärker. Ihm ging durch den Kopf, dass Tobias bald Vater werden würde und bemühte sich noch einmal mit voller Kraft. Tobias schrie auf vor Schmerz, doch dann schaffte es Markus irgendwie seinen Fuß zu befreien, wobei Tobias Schuh steckenblieb, doch das war in diesem Moment völlig egal. Das Geröll hatte die beiden fast erreicht und Markus tat, was ihm als erstes in den Sinn kam. Er gab Tobias einen kräftigen Stoß, der ihn unter einen kleinen Felsvorsprung taumeln ließ, der seinem Freund hoffentlich Schutz vor dem Gestein bieten würde. Er versuchte hinterher zu hechten, doch er schaffte es nicht mehr sich selbst zu schützen und Tobias konnte nur hilflos zusehen, wie Markus von einem großen Stein erfasst wurde und den Abhang hinab rutschte. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was da gerade geschehen war. Sein bester Freund hatte ihm soeben das Leben gerettet und sein eigenes dafür aufs Spiel gesetzt. 

Tobias rappelte sich auf und suchte den Berg nach Markus ab. Der Regen erschwerte alles nur noch mehr. Das Prasseln der Tropfen auf seinen Anorak hatte plötzlich einen ohrenbetäubenden Lärm für ihn angenommen. Noch immer war das Walkie zu weit von der Basis entfernt und auch ein Handynetz war weiterhin nicht verfügbar. Er entdeckte die gelbe Jacke und humpelte unter Schmerzen den Berg hinab zu seinem Freund. 

Katharina hatte gerade in der Klinik ihren Wochenbericht verfasst und saß nun bei Verena zur Besprechung. „Super, Katharina. Das mit Frau Bauer und der Totgeburt war wirklich eine starke Leistung. Ich hab schon gehört, wie liebevoll du mit der Patientin warst und wie du sie durch die stille Geburt begleitet hast. Dr. Ludwig war von deiner Arbeit total begeistert. Du machst dich hier echt verdammt gut.“  
„Danke“, Katharina errötete leicht. Mit Komplimenten umzugehen gehörte definitiv nicht zu ihren Stärken. „Aber jetzt mal was Privates. Irgendwas bedrückt dich doch. Du hast Angst um Markus, stimmt’s?“ 
„Der ist die Nacht mit Tobi am Berg geblieben, wegen des Unwetters gestern. Und ich hab noch immer nichts von den Beiden gehört. Die müssten doch schon lange auf dem Rückweg sein und längst wieder Handyempfang haben. Bei dem Wetter da draußen kann Michi sie ja wohl nicht vom Berg holen.“ 
„Nee, der kann heute nicht fliegen. Dazu schüttet es viel zu sehr.“ 
„Eben. Ein Lebenszeichen würde mir gerade schon reichen.“ Katharina hatte ein ungutes Gefühl. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie fröstelte plötzlich.  

Markus schlug benommen die Augen auf. Wo war er? Er versuchte ein wenig Klarheit in seine Gedanken zu bringen, doch es gelang ihm nicht wirklich. Da waren Steine auf Tobi und ihn gefallen. Tobi! Wo war Tobi? Wie lange lag er denn schon hier? Wie spät war es? Katharina würde sich bestimmt schon große Sorgen um ihn machen. Er musste zu ihr. Aber er konnte sich nicht bewegen. „Katharina“, krächzte er verzweifelt.  
„Markus“, er hörte Tobias Stimme neben sich. „Alles in Ordnung?“ 
Tobias räumte schnell die Steine, die auf Markus lagen, beiseite. 
„Ich… ich weiß nicht.“ Markus versuchte sich zu bewegen, aber es ging nicht. „Ich kann mich nicht bewegen“, flüsterte er und sah seinen Schwager hilflos an. 
Erschrocken schaute Tobias auf Markus und schluckte schwer.  
„Es kribbelt alles, aber ich kann mich einfach nicht bewegen, Tobias.“ 
„Das kommt wieder in Ordnung, Katharina und Verena kriegen dich wieder hin. Ich muss weiter runter um Hilfe zu holen, ich darf dich jetzt nicht bewegen.“ 
„Bitte beeil dich“, flüsterte Markus.  

Katharina hatte bereits vor ihrer Schicht schon unzählige Male versucht Markus und Tobias anzurufen und war auch schon mehrmals an ihrem Spind gewesen, um auf ihr Handy zu schauen. Sie hatte das Gefühl, dass etwas passiert war. Sie spürte es einfach. Nachdem sie gerade ein kleines Mädchen versorgt hatte und auf den Flur trat, hörte sie Verena nach ihr rufen. „Katharina?“, rief sie über den Gang. Katharina wusste sofort, dass ihr Gefühl sie nicht getäuscht hatte. „Was ist passiert?“, fragte sie geradeheraus. 
„Der Simon ist auf dem Weg, um dich abzuholen. Sie haben immer noch nichts von Markus und Tobias gehört und starten jetzt einen Sucheinsatz.“  
„Ich wusste, dass was passiert ist. Ich hab’s gespürt.“ Verena drückte sie einmal fest an sich. 
„Komm, zieh dich um und geh deinen Mann und deinen Bruder suchen.“ 
Katharina nickte nur und eilte zum Spind, um sich umzuziehen. Sie hatte immer eine komplette Montur für spontane Einsätze im Schrank hängen.  

Nervös wartete Katharina vor der Klinik auf Simon und war froh, als sie endlich das Auto der Bergrettung erblickte. Simon hielt direkt vor ihr und sie sprang in den silbernen Geländewagen. „Hey Simon“, begrüßte sie ihren Kollegen und schnallte sich an.  
„Hey Katharina. Hast du schon was von den Beiden gehört?“ 
„Nein, nix. Ich hab schon zig Mal versucht anzurufen, aber ich komm nicht durch, keine Chance.“ 
„Dasselbe bei uns. Die müssten längst unten im Tal angekommen sein. Weiß die Emilie Bescheid?“ 
„Ich hab ihr nichts gesagt.”  
Simon sah Katharina streng an. 
“Katharina, die Emilie sollte wirklich Bescheid wissen. Stell dir vor, mit dem Markus ist etwas und wir würden dir nichts davon sagen. Wie würdest du dich da fühlen?” 
Katharina schaute Simon einen Moment an und überlegte. 
“Du hast Recht, ich rufe sie an.” 

Nur wenig später waren Simon und Katharina bereits auf dem Weg zur Höhle hinauf, in der Tobias und Markus die Nacht verbringen wollten.  
„Wir finden sie, Katharina“, versuchte Simon sie zu beruhigen.  
Katharina schluckte und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. „Das müssen wir. Ich will die Beiden nicht verlieren.“  
Simon legte seine Hand auf ihren Arm. „Das wirst du nicht.“ 
“Hoffentlich hast du Recht”, flüsterte sie leise. 
“Katharina?” 
“Ja?”, fragend schaute sie Simon in die Augen. 
“Du hast doch noch etwas. Dich bedrückt etwas. Und ich meine nicht, dass wir gerade nach deinem Bruder und deinem Mann suchen.” 
Katharinas Blick wanderte suchend umher, blieb dann aber doch an Simon hängen. 
Sie wusste, dass sie sich ihm anvertrauen konnte und begann zu erzählen.  
„Die letzte Zeit ist einfach so schwer gewesen. Seit ich in der Klinik arbeite, sehe ich den Markus teilweise kaum noch. Ist er zuhause, bin ich in der Klinik und bin ich dann zuhause, ist er weg. Und gestern hätte ich ihn echt gebraucht.“ Katharinas Augen hatten sich mittlerweile mit Tränen gefüllt. 
„Hast du mal mit ihm gesprochen?“ Simon beäugte seine Kollegin und gute Freundin und kannte ihre Antwort. „Man, Katharina, du musst mit ihm über sowas reden.“ 
„Ich weiß, aber die Fehlgeburten waren doch auch für Markus alles andere als einfach. Der hatte so viel Sorgen um mich, dass ich ihm nun damit nicht auch noch das Herz schwer machen wollte.“ 
„Egal, wieviel ihr um die Ohren habt oder wie schwer es für euch gerade ist, redet miteinander. Ihr nehmt immer beide so viel aufeinander Rücksicht, aber auf die Idee, dass ihr vielleicht die gleichen Probleme haben könntet, kommt ihr einfach beide nicht.“ 
„Du meinst…“ 
„Dass den Markus dasselbe Problem bedrückt. Ja. Der ist teilweise so extrem unkonzentriert, das kenn ich so nicht von ihm. Bist du dabei, ist er hochkonzentriert, aber ohne dich ist er oft abwesend und nicht bei der Sache. Aber jetzt wird ein Schuh draus. Der sagt ja auch nix, wenn ihn was bedrückt, dabei sind wir doch immer für ihn da.“ 
Katharina schluckte schwer, während sie neben Simon den Berg hinauflief. „Ich hatte keine Ahnung“, sagte sie leise. 
„Wie auch, wenn du nicht mit deinem Mann oder deinen Freunden sprichst?“ Simon grinste sie dabei schräg an. 
Auch Katharina musste grinsen. „Ist angekommen, Herr Plattner.“ 
„Ich bin immer für dich da, das weißt du. Du bist doch auch immer für mich da.“ 
„Und das bin ich auch weiterhin.“ 
„Das will ich hoffen, Frau Kofler. Du bist mittlerweile meine beste Freundin geworden und ich brauch dich. Und ich werde dich treten, wenn du nicht redest, klar?“ 
Katharina grinsten ihren Freund liebevoll an. „Verstanden. Danke, Simon! Für alles.“ 
Plötzlich blieb Simon stehen und deutete etwas bergauf. „Katharina, schau mal, da ist der Tobi.“  
Simon hatte Katharinas Bruder entdeckt, der auf sie zugehumpelt kam. 
„Aber Markus ist nicht dabei“, sagte sie leise. „Dem ist was passiert, mein schlechtes Gefühl war doch richtig.“ 
Simon legte vorsichtig seine Hand auf ihren Arm. „Bleib ruhig, Katharina.“ 

Tobias war sichtlich aufgelöst und fiel seiner Schwester direkt in die Arme. „Der Markus“, stammelte er.  
„Was ist mit Markus?“ Katharinas Stimme war ganz zittrig. 
„Tobi, was ist mit Markus“, fragte nun auch Simon aufgeregt. 
Tobi holte tief Luft. „Der lebt. Liegt weiter oben. Wir sind in einen Steinschlag gekommen. Der Markus kann sich nicht bewegen. Wir brauchen Krankenwagen und Trage.“ 
„Ich muss zu ihm.“ Katharina löste sich von ihrem Bruder und rannte förmlich den Berg hinauf. Sie hatte Tobias gar nicht mehr richtig bis zum Ende zugehört. 
Simon informierte Rudi und gab ihm die Koordinaten durch, bevor er mit Tobi Katharina folgte. Michi war glücklicherweise auch bereits mit der Trage unterwegs. 
 
Katharina hatte Markus gelbe Jacke entdeckt und beschleunigte ihren Gang ein weiteres Mal. „Markus“, rief sie völlig außer Atem.  
Erleichtert flüsterte er ihren Namen, als er ihre Stimme hörte.  
Katharina plumpste vor Markus auf den Boden. 
„Bin ich froh, dass du da bist“, sagte er leise. 
„Und ich bin froh, dass ich dich wiederhabe.“ Vorsichtig strich sie über seine zerkratzte Wange. Am liebsten hätte sie ihn geküsst, aber er lag seitlich, mit dem Rücken zum Tal, dicht an den Fels gedrückt, der ihn offenbar gebremst hatte. 
„Markus, wo hast du Schmerzen?“, fragte Katharina.   
„Mein Rücken tut so weh. Ich spüre sonst nichts mehr, nur noch kribbeln“, sagte er leise. 
Katharinas Herz sackte eine Etage tiefer. Eben noch war sie froh, dass ihr Mann lebte und schon hatte sie die nächsten Sorgen. Was war mit seinem Rücken? Sein Helm war auch gesprungen, aber Markus konnte klar mit ihr sprechen, somit war sie sicher, dass er keine schwerwiegende Kopfverletzung erlitten haben konnte. 
„Das kriegen wir wieder hin“, sprach sie nicht nur Markus, sondern auch sich selbst Mut zu. „Wir bringen dich gleich ins Krankenhaus, der Michi ist mit der Trage unterwegs.“ Vorsichtig streichelte sie wieder über seine Wange. „Und ich geb dir jetzt erst einmal was gegen deine Schmerzen.“ 
„Katharina?“  
„Ja?“ 
„Bitte schick mich in keine Klinik weg von euch.“ 
Katharinas Herz krampfte sich zusammen bei seiner Bitte. „Niemals! Markus, du gehörst zu uns, Mia und ich schicken dich nicht weg. Das verspreche ich dir.“ 

Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis Michi samt Trage bei ihnen angekommen war, dabei handelte es sich um nicht einmal zwanzig Minuten. Katharina, die an Markus Kopf kniete, stabilisierte diesen, während Simon vorsichtig den Helm abnahm und das Stiffneck anlegte. Vorsichtig bugsierten sie ihn auf die Trage. Markus und Katharina konnten sich nun endlich richtig ansehen. Ihre Blicke verfingen sich ineinander und Katharina konnte in seinen Augen lesen wie in einem offenen Buch. Sanft küsste sie ihren Mann. „Alles wird gut, wir schaffen das“, flüsterte sie, während sie ihre Stirn an seine legte. „Und jetzt ab ins Krankenhaus.“ Schnell hauchte sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn, ehe sie Markus gemeinsam vorsichtig nach unten brachten.  
 

Im Krankenwagen saß Katharina direkt neben ihrem Mann und hielt seine Hand. Zärtlich strich sie mit dem Daumen über seine Finger. „Merkst du das?“, fragte sie.  
„Du hältst meine Hand.“  
Ein Lächeln huschte über Katharinas Gesicht. „Mhm.“  
„Ich spüre es ganz leicht. Katharina, was ist, wenn das so bleibt?“ 
„Dann schaffen wir auch das. Ich hoffe, dass einfach nur deine Titanplatte neu gesetzt werden muss. So wie du da oben gelegen hast, hat es dich wohl seitlich erwischt. Das kann sie verschoben und dadurch deine Nerven eingeklemmt haben.“  
„Ich bin froh, dass du hier bist“, flüsterte er. „Ich hab eine Scheißangst.“ 
„Ich weiß, ich auch. Aber ich bin bei dir und werde immer bei dir sein, hörst du? Mich wirst du nicht mehr los. Das mag ja bei dieser doofen Lisa damals geklappt haben, aber bei mir wird das nicht klappen, das sag ich dir. Also komm gar nicht erst auf komische Ideen!“ 
Katharinas Ausspruch von der doofen Lisa brachte ihn dann doch zum Grinsen. Sie war tatsächlich auch nach all den Jahren immer noch eifersüchtig auf seine Ex-Freundin. „Niemals. Was auch immer passiert, ich brauche dich an meiner Seite, ich kann nicht mehr ohne dich. Du bist doch auch was ganz anderes als Lisa. Du bist meine Frau, ich liebe dich über alles und ich will am liebsten jede Minute bei dir sein.“ 
Katharina lächelte ihn an. Ihr in dieser Situation so eine Liebeserklärung zu machen, brachte sie beinah aus der Fassung. „Das hast du schön gesagt.“ 
„Ja, ich werde langsam besser mit Worten oder?“, grinste er. 
„Mhm“, gab sie nickend zurück. 
„Wirst du da sein, wenn ich aufwache? Ich will nicht allein sein, wenn Verena meinen Rücken aufgeschnitten hat wie eine Bachforelle.“ 
„Natürlich werde ich da sein, Du Bachforelle.“ 
„Weiß die Mia schon Bescheid?“ 
Katharina nickte. „Franz bringt sie nach der Schule zum Krankenhaus. Und dann werden wir zusammen auf dich warten.“ 
„Danke“, seufzte er dankbar. 
 
Am Krankenhaus ging alles schnell. Es war tatsächlich Verena, die Markus und Katharina in Empfang nahm. Michi hatte sie schon angerufen und sie hatte alles für Markus Ankunft vorbereitet. Katharina gab ihr einen kurzen Lagebericht und Verena hielt ihre Theorie für nicht unwahrscheinlich. Im Schockraum befreiten sie Markus vorsichtig von seiner Kleidung. „Meine schönen Sachen“, versuchte er zu witzeln. 
„Bekommst neue“, antwortete Katharina mit einem liebevollen Lächeln. Sie spürte, wie unangenehm Markus diese Situation war. Und auch Verena war es nicht entgangen. „Katharina, kannst du deinen Mann alleine ausziehen?“ Sie zwinkerte ihr zu und Katharina verstand. „Danke“, flüsterte sie Verena zu.  
Beherzt schnitt Katharina Markus Kleidung auseinander. „Muss das echt sein?“ 
„Ja, Schatz, das muss sein. Ich kauf dir neue. Wie sollen wir dich denn sonst untersuchen, hm?“ 
„Ich weiß“, seufzte er. „Wenn du das mit mir im Schlafzimmer machen würdest, wäre das was anderes.“ 
„Stell dir doch vor, wir wären im Schlafzimmer“, grinste sie ihn frech an und schnitt seinen Pullover auseinander. „Ach guck mal, der Pulli ist doch eh alt, den wollte ich schon lange heimlich entsorgen.“ 
Schnell schnitt Katharina noch sein Shirt auseinander. „Geschafft.“ Ihr Blick wanderte über den geschundenen Körper ihres Mannes. Vorsichtig tastete sie über seinen Oberkörper. „Innere Verletzungen hast du wohl nicht, so wie es aussieht. Aber wenn ich dich so ansehe, eine ganze Menge Hämatome und Prellungen. Und ich würde sagen, eine Rippenprellung oder ein Bruch ist dir auch sicher.” Vorsichtig tastete sie nun über seine Arme und Beine.  
„Ich kann dich spüren“, sagte er plötzlich. „Es kribbelt und fühlt sich weit weg an, aber ich weiß, wo deine Hände gerade sind.“ 
Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Zärtlich strich sie über seinen Oberkörper und gab ihm einen liebevollen Kuss. „Alles wird gut, ich glaube fest daran. Und das solltest du auch.“ Vorsichtig breitete sie eine Decke, die sie aus einem der Schränke gezogen hatte, über ihm aus, woraufhin er ihr einen dankbaren Blick zuwarf. 
„Na, wie weit seid ihr?“, fragte Verena als sie den Raum betrat.  
„Fertig“, war die einstimmige Antwort. 
„Dann los ins CT mit dir, Markus. Und du gehst erstmal unter die warme Dusche und ziehst dir trockene Sachen an, Katharina. Ich pass schon auf deinen Kerl auf.“ 
„Aber…“ protestierte Katharina. Sie wollte Markus jetzt einfach nicht alleine lassen. Sie wollte bei ihm sein, sie wollte doch wissen, was er für Verletzungen davongetragen hatte. 
„Alles gut, Katharina. Verena hat Recht, du holst dir den Tod. Bitte nicht nochmal so eine schlimme Lungenentzündung.“ 
„Nu los, beeil dich. Ich schieb ihn nicht in den OP, ohne dich vorher zu ihm zu lassen. Versprochen.“  
Geschlagen begab sich Katharina auf den Weg zu ihrem Spind, um trockene Sachen zu holen, bevor sie unter die Personaldusche sprang. Jetzt merkte sie erst, wie kalt ihr eigentlich gewesen war. Auf dem Weg zurück zu Markus holte sie sich noch einen großen Thermobecher mit Tee aus dem Schwesternzimmer.  

Vorsichtig betrat Katharina den Behandlungsraum. Markus Augen begannen sofort zu strahlen, als er sie erblickte. Verena musste schmunzeln. „Du hattest Recht mit deiner Vermutung. Wir zimmern deinem Liebsten hier gleich eine neue Titanplatte in seinen Rücken. Danach sollte es ihm bald wieder besser gehen.“ 
Katharina atmete erleichtert aus. „Ich lass euch noch ein paar Minuten alleine und dann nehme ich Markus mit in den OP. Du wartest dann bitte bei den anderen, Katharina.“ 
„Aber Verena“, Katharina wollte gerade protestieren als Markus sie bremste. 
„Es ist okay, Katharina. Bleib bei Mia, die macht sich bestimmt Sorgen und braucht dich.“ 
Katharina blickte Markus traurig an und nickte. Sie wusste ja, dass er Recht hatte. Trotzdem hatte sie Angst um ihn. 
„Ich schlaf doch gleich sowieso“, tröstete er sie. 
„Und träumst hoffentlich von uns“, lächelte sie. 
„Natürlich. Hoffentlich ist es wirklich mit der neuen Platte getan.“ 
„Das muss es einfach.“ Vorsichtig beugte sich Katharina über ihren Mann und küsste ihn. 
Markus seufzte. Liebevoll strich Katharina über seine Wangen. 
„Passt du auf meinen Ehering auf?“, fragte Markus.  
„Na klar.“ Katharina griff an ihre Kette, öffnete den Verschluss und hielt sie Markus entgegen, der sie fragend anschaute. Dann griff sie nach seiner Hand und zog den Ring von seinem Finger, um ihn dann vor seinen Augen mit an ihre Kette zu hängen. Mit einem Lächeln schaute Markus zu, wie sie ihre Kette wieder anlegte. „So gut?“, fragte sie ihren Mann mit einem Lächeln. 
„Perfekt, Frau Kofler. Aber den will ich wiederhaben.“ 
„Das will ich hoffen, ich hab doch selbst einen.“ 
„Ich liebe dich, Rina“, lächelte er. „Und sollte das hier schief gehen…“ 
„Bin ich bei dir. Immer. Weil ich dich liebe. Aber über das Rina reden wir noch.“ 
„Klingt aber schöner als Kat“, nöselte er. 
Katharina musste lächeln. Markus war einfach unglaublich. Er musste doch eine Scheißangst haben, so wie sie auch und was machte er? Blödelte immer wieder mit ihr herum. Selbst wenige Minuten vor dieser alles entscheidenden OP.  

18. Schnabeltasse  

Mittlerweile war es Abend geworden. Katharina saß vor dem OP-Bereich, Mias Kopf auf ihrem Schoß gebettet. Das Mädchen war eingeschlafen und lag auf der Stuhlreihe. Zärtlich strich Katharina ihrer Tochter über das Haar. Ihre Freunde hatte sie alle nach Hause geschickt. Ihr Bruder hatte sich einen Knöchelbruch samt Bänderriss eingefangen und musste dringend den Fuß hochlegen. Er hatte zwar nur unter Protest das Krankenhaus verlassen, aber Katharina hatte versprochen, ihn anzurufen, wenn sie wusste, wie es Markus ging. Katharinas Gedanken flogen wild umher. Einerseits sollte es Markus mit dem Einsetzen einer neuen Titanplatte wirklich besser gehen. Andererseits gab es immer die Möglichkeit, dass die Platte seine Nerven getroffen hatte. Verena hatte ihr Markus Aufnahmen gar nicht gezeigt. Was würde passieren, wenn Markus Zustand wirklich so bliebe? Wie sollte er so leben können? Markus war ein Mensch, der die Bewegung in den Bergen brauchte. Für Katharina stand jedenfalls ganz klar fest, dass sie Markus niemals verlassen würde. Niemals könnte sie das. Aber würde er ihre Hilfe wirklich zu lassen? Oder würde er sie doch am Ende von sich stoßen wie Lisa damals? Katharina spürte plötzlich eine unendliche Angst.  
„Mama?“ rekelte sich Mia. „Ja, Spätzchen?“ 
„Schon was Neues vom Papa?“ 
„Nee. Schlaf ruhig weiter. Ich weck dich dann.“ 
„Du machst dir aber Sorgen.“ Mia hatte einen unfassbaren Scharfsinn und Katharina wusste, es brachte nichts jetzt zu leugnen. 
„Ja. Ich habe eben darüber nachgedacht, wie es weitergehen soll, falls dein Papa… also falls die OP nicht den gewünschten Erfolg bringt.“ 
„Dann kümmern wir uns um ihn“, sagte Mia mit einer absoluten Selbstverständlichkeit und setzte sich auf. 
„Natürlich tun wir das. Aber was, wenn er unsere Hilfe nicht zulässt?“ 
„Dann bringen wir ihn dazu, sie zuzulassen. Der Papa hat uns doch lieb, der muss einfach auf uns hören.“ 
„Das sollte er“, lächelte Katharina und legte den Arm um ihre Tochter. „Was wir für eine kluge Tochter haben. Ich hab dich lieb, Mia.“ 
„Ich dich auch. Und ich hoffe, der Papa kommt bald heim. Ich hasse Krankenhäuser.“ 
„Ich weiß, Spätzchen. Aber hier tun wirklich alle ihr Bestes, das kannst du mir glauben.“ 
„Du musst das ja wissen“, grinste Mia.  

Als sich nach Stunden endlich die OP-Tür öffnete und Verena auf sie zukam, klopfte Katharinas Herz schneller. Auch Mia war sichtlich angespannt. 
„Was ist mit’m Papa“, fragte Mia als erste. 
„Er hat alles so weit gut überstanden. Die neue Titanplatte sitzt und wir mussten noch ein wenig drumherum zusammenzimmern. Da hatte sich wirklich ein bisschen was verschoben. Aber wir konnten keine Verletzung des Rückenmarks feststellen, so dass er eigentlich schnell wieder auf den Beinen stehen sollte. Aber genau wissen wir das erst in ein paar Tagen, wenn die Schwellungen ein wenig zurückgegangen sind.“ 
Katharina nickte und versuchte die Informationen in ihrem Kopf zu verarbeiten.  
„Wir bringen ihn gleich in den Aufwachraum, dann könnt ihr zu ihm. Aber es wird noch ein bisschen dauern, bis er aufwacht.“ 
„Danke, Verena.“ 
„Ich schreib schnell dem Tobi.“ Mia hatte schon ihr Handy in der Hand und schrieb ihrem Onkel, was Verena eben erzählt hatte.  

Ein paar Minuten später stand Verena wieder vor den Beiden. „Kommt ihr mit?“ 
Mia sprang direkt hoch und sah Katharina fordernd an. Katharina lächelte ihrer Tochter zu und erhob sich ebenfalls. Allerdings schwankte sie bedenklich und Verena eilte zu ihrer Freundin herüber. „Katharina?“, fragte sie besorgt. „Wooow“, antwortete sie leise und sank zurück auf den Stuhl. Die Welt um sie herum drehte sich. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Hast du heute überhaupt mal was gegessen?“, fragte Verena und war sich sicher, dass sie die Antwort kannte. Leicht schüttelte Katharina ihren Kopf. „Ich geh was holen“, rief Mia aufgeregt und lief los Richtung Kantine. 
„Mensch, Katharina.“ Verena zog ein Traubenzucker aus ihrem Kittel und stopfte ihn Katharina in den Mund. „Ich will mir nicht auch noch um dich Sorgen machen. Du wirst eh immer dünner seit du hier arbeitest.“ 
„Der Markus hat auch schon mit mir geschimpft“, erwiderte sie ergeben. 
„Zu Recht. Aber da ist doch noch mehr und nicht nur der Stress hier. Stress kennst du doch von der Bergrettung zu genüge. Also. Was ist los?“ 
Katharina überlegte kurz, ob sie Verena die Wahrheit anvertrauen sollte, als Mia um die Ecke gelaufen kam. 
„Da hast jetzt aber Glück gehabt“, flüsterte Verena. „Aber glaub nicht, ich vergesse das Thema.“  
Mia kniete sich vor Katharina und stapelte Schokolade, Brötchen und einen Apfel auf ihrem Schoß. Und zwei Flaschen Cola hatte sie auch noch in der Tasche ihres Hoodies gebunkert.  
„Danke, Mia“, flüsterte Katharina und strich ihrer Tochter über die Wange. 
„Und nun essen, Frau Kollegin, dann darfst du zu deinem Mann.“ Verena stuppste sie in die Seite und Katharina biss ins Brötchen. Sie hatte tatsächlich wahnsinnigen Hunger. Mia tat es ihr gleich und biss ebenfalls in ein Brötchen. Beide beeilten sich, um schnell zu Markus zu kommen, was Verena mit einem Schmunzeln beobachtete. Manchmal beneidete sie die kleine Familie, die zwar ständig irgendwelche Schläge einstecken musste, aber stets zusammenhielt und einfach nicht unterzukriegen war. Ihr Leben dagegen war richtig langweilig, fand sie. Aber ihr tat es auch leid, wie sehr Katharina und mittlerweile auch Markus unter dem unerfüllten Babywunsch litten. Da waren zwei Menschen, die sich sehnlichst ein Baby wünschten, aber keins bekommen konnten und sie konnte zwar mit Michi eins bekommen, wollte es aber gar nicht.  

Nachdem auch die Schokolade verschlungen war, begleitete Verena Mia und Katharina zum Aufwachraum. Katharina kannte zwar den Weg dorthin, da sie ja im Krankenhaus arbeitete, aber Verena wollte ihre Freundin im Auge halten und einen Blick auf ihr Sorgenkind Markus werfen.  
„Er dürfte bald aufwachen“, sagte Verena leise.  
Mia schob einen der beiden Besucherstühle direkt vor Markus und drückte Katharina darauf. „Hinsetzen, Mama“, befahl sie streng. Katharina tat ihr den Gefallen. Grinsend beobachtete Verena Mia und Katharina. Man konnte förmlich spüren, wie wichtig die Beiden füreinander waren und sie wusste auch, wie wichtig die Beiden für Markus waren. Verena hatte ein wenig Sorge, wenn Markus beim Aufwachen seine Beine vielleicht noch nicht spüren würde. „Katharina, willst du einen Blick auf Markus Aufnahmen werfen, bevor er gleich aufwacht?“ Sie nickte und Verena reichte sie ihr an. “Also meiner Meinung nach, sollte er bald wieder auf seinen Beinen stehen.”  
“Das seh ich genauso.” Katharina atmete erleichtert aus und nahm zärtlich Markus Hand in ihre.  
“Braucht unser Spezi hier nur ein bisschen Geduld.”  
“Die hat der Papa doch nicht”, grinste Mia.  
“Die muss er haben, Mia”, sprach Verena ernst. “Aber dabei kannst du ihm doch helfen.” 
Fragend schaute Mia Verena an. 
“Glaubst du, den behalte ich auch nur einen Tag länger hier als nötig?”, grinste sie den Teenager an. “Der kann mal schön euch wahnsinnig machen. Ich bin froh, wenn der hier wieder raus ist.” 
Katharina musste grinsen. Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, wie wahnsinnig Markus Verena machen würde, weil er sich entweder einfach selbst entlassen würde oder ihr so lange den letzten Nerv rauben würde, bis sie ihn freiwillig entlassen würde. 
„Also wir wollen den Papa auch ganz schnell zuhause haben. Oder, Katharina?“ 
„Aber ganz schnell“, lächelte sie ihrer Tochter sanft zu. 
„So schnell es geht, versprochen, Mia.“ 
„Die Mama und ich kümmern uns auch gut um ihn.“ 
„Kochst du mir Lasagne?“, ertönte eine kratzige Stimme.  
„Papa“, rief Mia freudig. „So viel du willst.“ 
Mia strahlte Markus an. „Wie geht’s dir?“, fragte sie aufgeregt. 
„Ich glaube, ganz gut.“ Er drückte dabei sanft Katharinas Hand, die er in seiner spüren konnte und die sich zurückhielt, um Mia den Moment mit ihrem Papa zu gönnen. Katharina lächelte ihn liebevoll an. Dass er ihre Hand drücken konnte, erleichterte sie so wahnsinnig. Bevor Katharina etwas sagen konnte, war schon Verena an die andere Seite seines Betts getreten.  
„Hey Markus, willkommen unter den Lebenden“, grinste sie. „Kannst du mir bitte sagen, was du fühlst?“ 
Markus schluckte, sein Hals war einfach unglaublich trocken. „Durst“, sagte er leise. Verena nickte. „Ich bring dir gleich was. Was spürst du?“ 
„Kats Hand“, sagte er leise und drückte sie erneut. 
„Das ist sehr gut. Kannst du deine andere mal heben, bitte?“ 
Markus hob die andere Hand ein Stück hoch. 
„Perfekt. Was ist mit deinen Beinen? Spürst du da was? Wenn nicht, ist das noch gar nicht schlimm.“ 
„Hm, kribbelt.“ 
„Okay, wir haben dir die Platte neu gesetzt und mussten noch ein wenig drum herum zimmern. Dein Rücken ist arg geschwollen gerade, darum ist es nicht verwunderlich, dass es nur kribbelt, das wird wieder“, erklärte Verena. 
Markus schaute zu Katharina, er brauchte einfach die Bestätigung seiner Frau. Sie schloss kurz die Augen und nickte bestätigend.  
„Kann ich jetzt nach Hause?“, fragte er Verena. 
Die Ärztin rollte mit den Augen. „Was ich euch gesagt habe. Der hat kaum die Döppen auf und nervt schon herum.“ Kopfschüttelnd verließ sie den Raum, um für den Patienten etwas zu trinken zu holen. Mia umrundete Markus Bett und stellte sich an die Stelle, wo eben noch Verena gestanden hatte, und nahm Markus Hand.  
Katharina lächelte ihren Mann sanft an und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.  
„Kuss“, flüsterte er. 
Katharina grinste und beugte sich zu ihm herunter. Zärtlich und zaghaft berührten ihre Lippen seine. 
„Dem geht’s wirklich schon besser“, kommentierte Verena, als sie mit einer Flasche Wasser und einer Schnabeltasse zurückkam.“ 
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Markus schielte auf das Gefäß. „Du spinnst wohl.“  
„Gut, dann verdurste doch,“ Verena schielte ihn frech an. 
„Ey, komm, Verena, bitte.“ Hilfesuchend schaute er Katharina an. 
Verena drückte ihr die Flasche und die Tasse in die Hand. 
„Dein Mann, viel Spaß.“ 
Mia prustete und giggelte.  
Katharina schüttete einen Schluck Wasser in die Tasse und wartete auf Markus Reaktion. Ungläubig sah er seine Frau an und konnte nicht verstehen, wieso sie ihn so quälte. Aus Schnabeltassen tranken nur alte Menschen. Er war nicht alt. Er war zwar gerade nicht fit, aber doch noch lange kein Fall für eine Schnabeltasse. Dann griff seine Frau zielsicher in eine Schublade und holte einen Strohhalm heraus, den sie in die Öffnung steckte. Grinsend hielt sie ihrem Mann den Strohhalm an die Lippen. „Kleine Schlucke, hörst du!? Ganz kleine Schlucke.“  
Markus hielt sich an Katharinas Worte und seine Augen wurden langsam kleiner.  
„Geht nach Hause, ihr beiden“, flüsterte er. 
„Morgen früh kommen wir wieder“, sagte Mia direkt. 
„Das ist schön. Ich freu mich auf euch.“ 
„Und wir uns auf dich“, sagte Katharina leise und gab ihm einen Kuss. Natürlich wäre sie lieber bei Markus geblieben, aber mittlerweile war es mitten in der Nacht und Mia gehörte langsam auch ins Bett. 
 

Mia hatte die Nacht bei Katharina im Ehebett geschlafen. Sie wollte nicht allein sein. Katharina hatte ihr auch eine Entschuldigung für die Schule geschrieben. Sie konnte verstehen, dass Mia mit zu Markus fahren wollte. Gemeinsam hatten sie eine Tasche für ihn gepackt und ihm ein leckeres Frühstück gemacht. Markus war mittlerweile auf Station und freute sich, als seine beiden Frauen durch die Tür kamen. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass Mia statt in der Schule, bei ihm sein wollte. Er kannte seine Tochter und er wusste, wie sehr sie litt, wenn jemand aus ihrer Familie im Krankenhaus lag. Der Tod ihrer Mutter hatte einfach zu tiefe Narben hinterlassen. Aber er konnte nicht leugnen, dass er gerade wirklich die Anwesenheit von beiden brauchte. Er brauchte seine Frau, die für ihn ein Fels in der Brandung war, aber er brauchte auch seine Tochter, die ihn mit ihrer jugendlichen Leichtigkeit stets auf andere Gedanken brachte und ihm zeigte, dass es für alles Lösungen gab. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er Angst. Angst, was passieren würde, wenn seine Beine doch nicht mehr wollten. Er wusste zwar, dass Verena und Katharina sicher waren, dass alles gut werden würde, aber was wäre, wenn nicht? Was würde aus ihm werden? Katharina musterte ihren Ehemann. Sie wusste genau, was er dachte. 
„Du, Mia, könntest du bitte mal eben einen Teller und Besteck für den Papa holen?“, bat Katharina. 
Blitzschnell war Mia verschwunden. Katharina wusste, es würde nicht lange dauern, bis sie zurück war, darum kam sie direkt zum Punkt. „Markus, mach dir bitte keine Sorgen. Egal, was passiert, wir sind für dich da. Immer. Und wir schicken dich niemals weg! Mia und ich lieben dich, hörst du?“ Markus zog Katharina zu sich herunter und nahm sie fest in seine Arme. Er klammerte sich regelrecht an ihr fest. „Alles wird gut“, murmelte sie an seine Brust. Natürlich hatte auch sie ein wenig Angst, dass es nicht der Fall sein würde, aber seine Aufnahmen stimmten sie positiv. Sie mussten jetzt einfach Geduld haben, bis die Schwellung zurück gegangen war.  
Mia kam mit Teller und Besteck zurück in Markus Zimmer und begann seinen Teller zu füllen. Der Geruch von frischem Rührei brachte Markus direkt Appetit. Katharina fuhr sein Bett in eine aufrechte Position und Markus schob genüsslich die erste Gabel voll Ei in seinen Mund.  
„Scheint zu schmecken“, grinste Mia zufrieden. 
„Mhm“, kam es von Markus, während er von der Laugenbrezel mit Käse abbiss. 
Während Katharina sich für ihren Dienst umzog, blieb Mia noch ein wenig bei Markus. Tobias und Emilie wollten später vorbeikommen und würden Mia dann mit heim nehmen. 

Gegen Mittag steckte Tobias, gefolgt von Emilie, seine Nase durch die Tür. “Hey”, rief Mia und schob Tobias einen der Besucherstühle entgegen. Tobias nahm ihn dankbar an und plumpste direkt vor das Bett seines besten Freundes.  
“Das sieht aber auch geschmeidig aus”, grinste Markus, während Tobias seine Krücken auf den Boden plumpsen ließ. 
“Ohne dich würde das noch ganz anders aussehen. Danke, Markus. Ohne dich wär ich sicher nicht mehr am Leben.” 
„Jederzeit, Mann. Dafür hat man Freunde.“ 
Emilie warf Markus einen dankbaren Blick zu. “Ich hab dir was zu essen mitgebracht”, grinste sie. “Frikadellen und Kartoffelsalat.” 
“Mmmmhmmm, ich werde hier heute total verwöhnt”, lächelte Markus. 
“Wir haben ihm Frühstück mitgebracht”, erklärte Mia. 
“Ach so”, lachte Emilie. “Sollst halt schnell gesund werden, Markus.” 
“Ich geb mir Mühe. Was wird denn jetzt aus der Bergrettung? Wir fallen beide aus, die Katharina ist maximal mit 50% dabei. Simon und Michi können doch nicht alleine raus. Der Rudi muss mit.” 
“Markus, nu bleib mal locker. Die Schladminger und Gröbminger sind doch auch noch da. Und obendrein mit viel mehr Personal als wir. Das läuft alles schon. Der Rudi hat alles im Griff und eingestielt.” 
“Aber…” Markus wollte gerade ansetzen. 
“Markus, es ist alles in Ordnung. Bitte glaub mir.” Tobias grinste seinem Freund aufmunternd zu. “Sieh du mal lieber zu, dass du deinen Hintern aus diesem Bett schwingst.” 
“Ich krieg am Nachmittag schon die erste Physio. Der Scheiß da hinten im Rücken muss abschwellen, dann kann ich endlich nach Hause.” 
“Ah, quengelt er wieder, dass er nach Hause möchte?” Lachend kam Verena durch die Tür.  
„Lieg du mal hier rum“ schmollte Markus. 
„Ich würd gern mal kurz nach deiner OP-Wunde gucken, wenn das okay ist. Damit du auch nachher die erste Physio wirklich machen kannst.“ 
„Willst ihn los werden?“, fragte Emilie breit grinsend. 
„Oh ja. Der quengelt doch immer nur herum, dass er heim will.“ 
„Der quengelt, weil er meine Schwester so vermisst. Aber jetzt hast sie doch hier im Krankenhaus. Jetzt siehst du sie doch.“ Tobias hatte Markus wunden Punkt getroffen und Verena gab die Bemerkung zu denken. Katharina hatte wirklich eine ganze Menge Nachtschichten geschoben, wenn sie das richtig in Erinnerung hatte. Sie würde das mal nachschauen, aber jetzt war erst mal Markus dran.  
„Die Mama vermisst den Papa aber auch. Wenn der nicht da ist, tigert sie oft nur herum und schläft schlecht. Und dann sagt sie immer, dass nix wäre. Aber ich bin nicht blöd. Ihr vermisst euch alle beide.“ Alle Augen waren nun auf Mia gerichtet. 
„Na, ist doch wahr. Die Mama schläft schlecht ohne den Papa und der Papa schläft schlecht ohne die Mama. Und Zeit zusammen haben wir auch kaum noch. Immer fehlt einer.“  
Mias Worte hatten allen die Sprache verschlagen. Dass Mia die Situation auch zusetzte, war weder Markus, noch irgendjemand anderem aufgefallen.  
„Komm mal her, meine Große.“ Markus streckte die Arme nach seiner Tochter aus. „Das pendelt sich alles irgendwann ein.“ Sanft drückte er sie an sich.  
„Wir finden eine Lösung“, versprach auch Verena, der Mia schrecklich leidtat. Das Mädchen war aus Heimweh wieder zurück nach Hause gekommen und jetzt hatte sie kaum Zeit mit ihren Eltern. 
„Aber die Mama muss das hier einfach machen, damit sie endlich eine eigene Praxis bekommt. Sonst wär doch ihre ganze Mühe umsonst gewesen. Sie darf jetzt nicht aufhören.“ 
„Da hast du Recht, Mia. Die Katharina braucht nur noch eineinhalb Jahre, dann hat sie es geschafft. Und dabei helfen wir ihr jetzt gemeinsam. Ich werde mir ansehen, was sie schon an Nachtschichten abgerissen hat und sie weniger dafür einteilen lassen. Und dafür wieder mehr für Bergrettungsschichten, wenn du wieder fit bist, Markus. Und dann schauen wir mal, dass sie auch mal ein paar Wochenenden komplett frei hat und ihr wieder ein bisschen Familienzeit bekommt.” 
Markus huschte ein Lächeln übers Gesicht. 
“Warum hat sie denn nur nichts gesagt?”, flüsterte er leise. 
“Aus demselben Grund, warum Du nichts gesagt hast?”, stellte Mia die rhetorische Gegenfrage und schaute Markus herausfordernd an. 
“Ich wollte ihr nicht noch mehr Kummer machen”, antwortete Markus ehrlich. 
“Und sie dir offensichtlich auch nicht. Das ist so typisch für meine Schwester.” 
“Die Mama hat immer noch so richtig Kummer wegen der Fehlgeburten, im Moment braucht sie halt einfach den Papa.” 
“Tja, die Mia hat mehr Feingespür als wir alle hier”, stellte Verena fest. “Vielleicht solltest du später mal Psychologin werden.” 
“Meinst du?”, fragte Mia mit großen Augen. 
“Ja, das mein ich ernst. Du bist erst 15 und hast eher begriffen was los ist, als wir alle zusammen. So Leute braucht es in dem Beruf. Wenn du willst, dann erzähl ich dir ein bisschen was darüber und wenn du magst, dann kannst du auch dein Schülerpraktikum hier machen. Nächsten Sommer hast du doch eins, oder?” 
Mia nickte. “Da hab ich noch nie drüber nachgedacht, aber Menschen helfen ist cool. Das macht ihr ja alle.” 
Voller Stolz schaute Markus seine Tochter an.  
“Und jetzt zu dir, Papa”, grinste Verena.  

Markus hatte seine Therapiestunde schon längst beendet, als Katharina vorsichtig ihre Nase durch die Tür steckte. Bis eben hatte sie bei einer OP assistiert und hatte nun ein bisschen Pause.  
“Hey, schöne Frau.” Markus hatte sie sofort bemerkt.  
“Hey, na? Wie war die erste Physio?”, fragte sie und stellte ihre Wasserflasche auf seinem Nachttisch ab.  
“Gut, ich spür langsam mehr.” 
Katharina setzte sich vorsichtig auf die Bettkante und gab ihrem Mann einen Kuss. 
“Mhhhhm, kann ich mehr haben? Ich hab dich vermisst.” 
Markus strich liebevoll über ihr Gesicht. 
“Du siehst müde aus”, stellte er fest. 
“Bin ich auch. Die OP war echt anstrengend. Aber es sind nur noch 2 Stunden, dann hab ich frei für heute. Jetzt hab ich aber erstmal eine halbe Stunde Pause.” Katharina biss in die Laugenbrezel in ihrer Hand und Markus wusste sofort, dass sie seit dem Frühstück wieder nichts gegessen hatte.  
“Komm her, das Bett ist groß genug”, grinste er. 
Aber ich muss gleich wieder los. 
“Ich weiß, in 30 Minuten, aber bis dahin bist du jetzt einfach nur meine Ehefrau.” 
Grinsend kuschelte sich Katharina an Markus Brust. “Und du spürst heute schon mehr?”, wollte sie nun genauer wissen. 
“Ja, ich hab alles spüren können.” 
“Gott sei Dank”, erleichtert kuschelte sie sich noch dichter an ihn. „Dann ist es bald überstanden.“ 
“Essen nicht vergessen”, mahnte er und Katharina nahm noch einen Bissen von der Brezel. 
Markus spürte wie erschöpft sie war und streichelte ihr vorsichtig über den Rücken. Bevor Katharina noch einen weiteren Bissen nehmen konnte, war sie eingeschlafen und die halbe Stunde schneller vorbei als erwartet. Vorsichtig griff er nach seinem Handy und schickte Verena eine Nachricht, dass sie bitte leise in sein Zimmer kommen sollte. 
Keine zwei Minuten später öffnete sich zaghaft die Tür. Sie schüttelte nur mit dem Kopf und trat leise an Markus Bett. 
“Sie hat gesagt, sie hat 30 Minuten Pause und ich bring es gerade nicht übers Herz sie zu wecken.” 
Verena sah die angebissene Brezel in ihrer Hand. 
“Gegessen hat sie auch nicht”, flüsterte sie. 
“Sie ist beim Essen eingeschlafen.” 
“Lass sie schlafen. Es ist eh ruhig. Und nach fast 8 Stunden im OP hat sie sich das verdient. Hast Du schon Abendbrot bekommen?“ 
„Ja, ich hab schon gegessen.“ 
„Dann geb ich Bescheid, dass man euch in Ruhe lässt.“ 
„Danke, Verena.“ 
 

Katharina schlief mehr als drei Stunden neben Markus, ehe sie sich leicht rekelte. Markus war sofort wach und beobachtete seine Frau, die ganz verschlafen blinzelte.  
„Hey du Schlafmütze.“ 
Etwas orientierungslos sah sie sich um und musste erst begreifen, wo sie war. 
„Hey. Ich bin eingeschlafen.“ 
„Das kann man wohl sagen. Es ist halb zehn.“ 
Katharina schreckte auf. „Um Himmels Willen, ich hab verschlafen.“ 
„Alles gut, Verena weiß Bescheid. Nach der langen OP hatte sie vollstes Verständnis für dich und gesagt, du sollst liegen bleiben. Also entspann dich.“ 
„Aber ich kann doch nicht einfach…“ 
„Doch, du kannst. Katharina, es ist alles in Ordnung, glaub mir.“ 
„Die Mia wartet doch bestimmt auf mich.“ 
„Keine Sorge, die ist mit Andrea, Rudi und Max im Kino.“ Markus zog sie wieder an sich. „Du kannst also ruhig noch bei mir liegen bleiben.“ 
„Du bist unmöglich.“ 
„Nee, ich bin einfach immer noch verliebt in dich.“ 
Katharina kuschelte sich wieder an ihn. Eine Weile lagen sie einfach nur beieinander, ohne ein Wort zu sagen. 
„Du, Markus?“ 
„Ja?“ 
„Das hat mir gefehlt. Es macht mich verrückt, dass wir uns kaum mehr sehen. Ich will in deinen Armen einschlafen und neben dir aufwachen. Stattdessen wache ich fast nur noch alleine auf“, sagte sie traurig. 
„Ich weiß. Ich will doch auch neben dir aufwachen und bei dir sein. Die Nächte ohne dich sind auch für mich total Kacke.“ 
„Dabei will ich das nicht. Markus, ich will nicht klammern. Aber irgendwie war dieses Jahr einfach so anstrengend. Und ich weiß nicht, wie ich ohne dich klargekommen wäre.“ 
„Du klammerst nicht. Mir geht es doch genauso. Dieses Jahr hat uns Beiden eben einiges abverlangt. Aber es hatte doch auch so viel Schönes. Unsere Hochzeit, die Hochzeitsreise und die Mia ist wieder zuhause, bei uns. Wir müssen beide versuchen, das Positive zu sehen.“ 
“Unsere Hochzeit und die Reise”, seufzte sie nachdenklich. “Das war so schön.” 
“Oh ja. Und ich finde, wir sollten auch bald wieder in die Einsamkeit abhauen. Was meinst du?” 
“Gute Idee. Aber ich möchte Mia gerade ungerne allein lassen. Wir hatten viel zu wenig Zeit für sie in den letzten Monaten. Sie soll nicht denken, dass wir sie nicht bei uns haben wollen.” 
“Wir könnten ja vielleicht mit ihr zusammen wegfahren? Fragen wir sie einfach.” 
“Aber erstmal musst du gesund werden und auf die Beine kommen.” 
“Ich bemüh mich. Was denkst du, wie lange muss ich hierbleiben? Wie lang dauert das?” 
“Das hängt davon ab, wann du deine Beine wieder richtig spürst.” 
“Ich will Weihnachten bei euch sein.”  
„Das bist du so oder so. Oder glaubst du, ich würde zulassen, dass du hierbleibst? Mein kleiner Zottel gehört Weihnachten zu seiner Familie.” Katharina grinste ihn frech an. 
„Nirgendwo anders will ich sein.“ 
„Schaffen wir. Verena jagt ja schon Entzündungshemmer durch deinen Zugang hier. Und wenn du heute schon mehr spürst als gestern, dann hab ich wirklich Hoffnung, dass du ganz bald wieder fit bist.“ 
„Vor allem möchte ich nach Hause. Zu euch.“ 
„Kommst du ja, aber es geht auch nicht schneller, wenn du quengelst.“ 
„Kannst du nicht heute Nacht einfach hierbleiben?“ 
„Ach, Markus, mach es mir doch nicht noch schwerer. Die Mia wartet doch bestimmt gleich auf mich.“ 
Markus nahm sein Handy und grinste. „Tut sie nicht.“ 
„Wieso?“ 
„Guck hier.“ Grinsend hielt er Katharina sein Handy unter die Nase. <Hey Papa, ich kann die Mama nicht erreichen. Sagst du ihr, ich schlaf drüben bei Max heute Nacht. Sie kann also lange bei dir bleiben ;-)> 
Grinsend gab sie Markus sein Handy zurück.  
„Aber nicht in Arztkittel und Jeans. Ich zieh mir was anderes an.“ Katharina schälte sich aus dem Bett und verschwand. Kurze Zeit später kam sie in Leggins und T-Shirt zurück.  
„Aber zur Gewohnheit wird das nicht“, sagte sie streng.  
„Komm schon her“, grinste Markus zufrieden. „Emilie weiß schon, dass du heute hierbleibst.“ 
„Du bist unmöglich. Aber vielleicht liebe ich dich genau deswegen?“ 
Vorsichtig kletterte Katharina in Markus Bett. Sofort spürte sie Markus Arm, der sie an sich zog. 
„Und weil du mich so liebst, isst du jetzt was. Emilie hat so viel mitgebracht.“ Er griff nach der Gabel auf seinem Nachttisch und der Tupperdose und begann damit Katharina den Kartoffelsalat in den Mund zu stopfen.  
„Das erinnert mich an Tirol“, lachte sie. „Nur mit Frikadelle statt Würstchen.“ 
Nachdem Katharina eine ordentliche Portion und ihre Brezel verdrückt hatte, spielte sie gedankenverloren mit seiner Hand. Voller Zärtlichkeit drückte sie sie leicht, um sie dann wieder zu streicheln oder seine Finger zu greifen. 
„Sag mal, wenn du deinen Facharzt hast, wie soll das dann eigentlich weiter gehen?“, fragte er vorsichtig. „Bleibst du dann hier im Krankenhaus?“ 
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie ehrlich. „Mir macht die Arbeit viel Spaß. Aber ich habe das Gefühl, ich verpasse zuhause alles, also euch. Und wenn wir im Frühjahr unseren Adoptionskurs erfolgreich beenden, dann könnte es ja auch jederzeit passieren, dass wir ein kleines Würmchen bekommen. Und wenn das Wunder passiert, dann möchte ich definitiv zuhause sein.“ 
„Das musst du dann auch. Katharina, ich kann das nicht alleine mit Baby.“ 
Katharina konnte seine Panik deutlich spüren. 
„Keine Sorge, du bist nicht allein. Eine eigene Praxis wär toll. Oder noch besser eine Gemeinschaftspraxis. Da ginge auch noch die Bergrettung. Aber dafür brauche ich dann wirklich geregelte Zeiten.“ 
„Auf dem Hof ist Platz genug für deine eigene Praxis”, grinste er. 
“Ich weiß. Aber erstmal muss ich den Facharzt haben. Und dann kann ich mich als Orthopädin selbstständig machen. Oder eben im Krankenhaus arbeiten.” 
“Aha, meine Frau hat sich also jetzt auf eine Fachrichtung festgelegt”, grinste er. Er wusste, dass Katharina nicht sicher war, ob sie lieber als Orthopädin oder Allgemeinmedizinerin arbeiten wollte. 
“Ja, ich habe mich entschieden. Hat ja auch lang genug gedauert, oder?” 
“Hauptsache, du bist glücklich, Katharina.” Markus hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. 
“Ich glaub einfach, dass ich in dem Bereich ganz gut aufgehoben bin. Immerhin haben wir ja hier genug Knochenbrüche und ich bin schließlich auch ausgebildete Physiotherapeutin.” 
“Der Michi fliegt die dann alle zu dir”, lachte er. 
“Dann bekommt er aber garantiert Ärger mit Verena.” 
“Das glaub ich allerdings auch. Sie würde ihn teeren und federn. Aber lustig wär es schon.” 
“Ob du das alles auch noch lustig findest, wenn du irgendwann mal mein Patient bist, bleibt abzuwarten.” Katharina biss sich auf die Lippe und schaute ihren Ehemann mit einem verschmitzten Grinsen an. 
„Warst du eigentlich immer schon so ein kleines Biest?“, grinste Markus.  
„Iiiiiich? Niiieeemaaaals.“ Scheinheilig schaute sie ihn an, ehe sie ihm einen zarten Kuss auf die Lippen hauchte. 
 
Katharina und Markus hatten beide tief und fest dicht aneinander gekuschelt geschlafen. Katharina wie so oft länger als Markus, der ihr einfach beim Schlafen zusah, seitdem er aufgewacht war. Plötzlich öffnete sich mit einem Poltern die Tür und Katharina zuckte in sich zusammen. 
“Hey Spezi”, polterte Michi durch die Tür. Ihm folgten Rudi, Simon und Tobias auf Krücken. 
“Schaut euch das an, dem geht’s gut, der liegt nur faul im Bett herum. Und dann noch nicht mal alleine. Hey Kleine.” 
“Guten Morgen”, gähnte Katharina. 
„Na? Wir wollten nur mal kurz schauen, wie es dem Irren hier geht“, grinste Simon. 
„Mir geht’s so weit gut. Ich warte, dass die Schwellung geht, damit ich laufen und hier abhauen kann.“ 
„Gefällt es dir etwa nicht hier in der Luxussuite, Schatz?“, grinste Michi. 
„Ich möchte lieber in meine Luxussuite zuhause, Liebling“, grinste Markus. 
„So schlecht kann’s dem echt nicht gehen“, folgerte Rudi.  
„Der hat alles hier, was er braucht.“ Grinsend schaute Simon Katharina an. 
„Und ich hab das, was ich brauche“, lächelte Katharina.  
„Wie lang muss dein gelber Gott denn eigentlich noch hierbleiben?“, fragte Simon Katharina lachend. 
Katharina rollte nur gespielt mit den Augen und musste lachen. 
„Bis meine rote Göttin mich mit nach Hause nimmt. Spätestens zu Weihnachten kratz ich hier die Kurve.“ 
Grinsend schaute Tobias zwischen seiner Schwester und seinem besten Freund hin und her. „Dann können wir ja alle zusammen Weihnachten auf dem Hof feiern, was meint ihr?“ 
Rudi wurde leicht rot. Der Gedanke, Weihnachten bei Andrea zu sein, gefiel ihm. „Gute Idee. Aber was mach ich mit der Mama?“ 
Mit vielsagenden Blicken schauten sich die Freunde an. „Bring sie halt mit“, sagte Markus mit einem schelmischen Grinsen. 
„Sie kann gerne was zum Essen beisteuern“, stellte Tobias nicht ganz uneigennützig fest. Er wollte nicht, dass sich Emilie übernahm.  
Rudi strahlte erleichtert. „Klar, ich frag sie.“ 
Katharina gefiel der Gedanke an ein Weihnachtsfest mit all ihren Freunden unheimlich gut. Ihre Freunde waren ja auch ihre Familie. „Wir machen uns einen richtig schönen Abend.“ Ihre Augen strahlten richtig. 
„Ich wusste, dir würde die Idee gefallen, Schwesterchen.“ Tobias grinste sie verschmitzt an.  
„Vielleicht hab ich ja Glück und mein Dienst liegt so, dass ich den ganzen Abend bei euch sein kann. Silvester müssen Verena und ich arbeiten, aber über Weihnachten weiß ich noch nichts.“ 
„Wieso an Silvester?“, fragte Markus traurig. 
„Da arbeiten wir hier alle. Wegen der vielen Feuerwerksunfälle und Schnapsleichen. In der Nacht herrscht hier meistens Hochbetrieb, sagte Verena.“  
„Die Böllerei sollte verboten werden“, grummelte Rudi. 
„Hauptsache, du bist Weihnachten bei uns“, flüsterte Markus in Katharinas Ohr. „Ich brauch dich, Rina.“ Markus umklammerte ihre Hand dabei wie einen Rettungsring. Michi hatte Markus Worte wohl gehört und wollte dringend mit Verena sprechen. Vielleicht konnte seine Frau ja was drehen.

19. Bekanntschaften  

Katharina hatte Markus am Abend nur schweren Herzens verlassen. Das Gefühl in seinen Beinen kehrte langsam zurück und sie war einfach so glücklich darüber. Aber sie hatte Tobias versprochen, auf dem Heimweg am Hotel ihres Vaters vorbeizuschauen. Katharina war zwar nicht, wie ihr Bruder Tobias, im Hotel aufgewachsen, aber dennoch wusste sie, wie der Hase lief. Peter kam erst in ein paar Tagen aus einer weiteren Kur nach Hause zurück und da Katharina Prokura hatte, konnte sie die nötigen Bestellungen unterschreiben und ein paar Fragen der Angestellten beantworten. Katharina wollte gerade weiter nach Hause fahren, als Rezeptionistin Julia sie zu sich rief. 
“Katharina, warte mal bitte. Ich brauch deine Hilfe.” Die hübsche Frau mit den langen braunen Haaren lief der Tochter ihres Chefs nach. 
“Was ist passiert?”, fragte Katharina, die sofort sah, dass Julia ganz rot im Gesicht war und sich ziemlich aufgeregt haben musste. 
“Wir haben hier eine Männergruppe aus Finnland, die benehmen sich wie die Holzfäller. Die toben hier durch das Hotel wie die Kinder. Es haben sich schon einige Gäste beschwert. Ich hab die jetzt schon ein paar Mal gebeten, leiser zu sein, aber die hören überhaupt nicht auf mich. Jetzt sind sie gerade im Schwimmbad und toben da.” Julia schaute Katharina beinahe flehend an. 
“Okay, ich geh mal runter”, beruhigte Katharina die ziemlich aufgebrachte Julia, drückte ihr ihre Jacke in die Hand und machte sich auf den Weg ins Schwimmbad. Sowas hatte ihr ja gerade noch gefehlt. Erwachsene Kerle die meinen, sie hätten das Hotel für sich alleine. Ausgerechnet, wo es derzeit schon ziemlich ausgebucht war. Katharina konnte die Schreie schon bis auf den Flur des Spa-Bereiches hören und öffnete seufzend die Tür des Bades. Fünf Finnen sprangen unter lautem Grölen in den Pool und planschten wie kleine Kinder. Katharina trat an das Becken und versuchte sich Gehör zu verschaffen. Doch die Männer registrierten sie überhaupt nicht. Plötzlich klatschte ihr ein riesiger Schwall Wasser entgegen. „Ruhe“, rief sie nun richtig laut aus und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Entsetzt starrten sie 5 Augenpaare an. „Das hier ist ein Hotel und kein Spaßbad!“  
Katharina stemmte ihre Hände in die Hüften. „Nehmen sie doch Rücksicht auf die anderen Gäste.“ 
„Welche anderen Gäste?“, fragte ein schelmisch grinsender Blondschopf und sah sie herausfordernd an. 
„Die, die sie aus dem Wellnessbereich vertrieben haben und sich zu Recht über ihr unmögliches Verhalten beschweren“, antwortete Katharina und warf ihm einen bösen Blick zu. „Das hier ist kein Freizeitpark, sondern ein Spa-Bereich.“ 
„Sagt wer?“, fragte der Blondschopf erneut grinsend.  
In Katharina begann es zu brodeln. „Ich sage das“, zischte sie und warf ihm erneut einen bitterbösen Blick zu. 
„So. Und wer bist du? Komm lieber zu uns ins Wasser. Nass bist du ja schon.“ Ihm machte es sichtlich Spaß Katharina zu ärgern. 
„Nein Danke! Und jetzt benehmen sie sich gefälligst wie erwachsene Menschen.“ 
„Was willst du denn machen, wenn wir nicht tun, was du willst, Lady?“ 
„Ganz einfach: dann packt ihr eure Sachen“, flötete sie ihm entgegen. 
„Wie kann ein so niedliches Girl so streng sein?“ 
Katharina blinzelte ihm wütend zu. „Ich bin kein niedliches Girl, verstanden!?” 
“Oh doch, das bist du. Ein sehr niedliches und hübsches Girl sogar.” 
Genervt verdrehte Katharina die Augen. Sich von diesem Finnen jetzt auch noch hochnehmen zu lassen passte ihr überhaupt nicht. 
“Ja ja”, stöhnte sie genervt. Sie hatte jetzt wirklich keine Lust auf Diskussionen, nass war sie Dank dieses finnischen Idioten ja auch schon. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie spürte, wie sich zwei Hände um ihre Beine legten, sie den Halt verlor und ins Wasser fiel. 

Prustend kam Katharina wieder an die Wasseroberfläche. Der blonde Finne lachte laut los. “Na, Lady, jetzt spielst du ja doch mit uns.” 
Katharina war so wütend auf diesen Idioten, dass sie kurzerhand ausholte und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste. Erschrocken sah sie der Finne an. Mit dieser Reaktion der zierlichen blonden Frau hatte er keineswegs gerechnet. Seine Mitreisenden brachen in schallendes Gelächter aus. 
“Möchte noch jemand?”, fragte Katharina scharf und sofort war absolute Stille. Katharinas Wangen glühten förmlich, so sehr regte sie sich auf. Schnell schwamm sie zum Beckenrand und kletterte aus dem Wasser. Mit stapfenden Schritten und voller Wut im Bauch marschierte sie in den Physiobereich und fischte sich dort ein Handtuch und einen Bademantel aus dem Schrank und machte sich damit auf den Weg unter die Personaldusche. Den Chlorgeruch wollte sie schnell wieder loswerden. Dann führte sie ihr Weg in die Personalumkleide, wo sie einen Spind besaß. Hier hing stets etwas Wechselkleidung und ein Badeanzug, da Katharina gern das Schwimmbad benutzte. Sie schlüpfte in eine ihrer unzähligen Thermoleggings, die sie einfach überall deponiert hatte und einen trockenen Hoodie. Katharina schnappte ihre nassen Sachen und machte sich damit auf den Weg zur hauseigenen Wäscherei. Kaum war sie um die nächste Ecke des Flures gebogen, rauschte jemand in sie hinein. Katharina knallte gegen die Wand und fiel zu Boden.  
“Oh, sorry”, hörte sie eine dunkle Stimme. Eine sehr schöne Stimme, die sie doch schon mal gehört hatte. “Hast du dir weh getan?” 
Etwas benommen sah Katharina auf die Hand, die sich ihr entgegenstreckte, um ihr aufzuhelfen. Als sie sah, wem diese Hand gehörte, schlug sie sie weg. Der unverschämte Finne aus dem Schwimmbad. 
“Spinnst du eigentlich?” fuhr sie ihn an. “Ich kann das alleine, ich brauch deine Hilfe nicht.” 
“Na dann”, schulterzuckend wandte er sich ab und verschwand. 
Kopfschüttelnd rappelte sich Katharina hoch und sortierte sich. Was bildete sich dieser unverschämte Kerl eigentlich ein? Einfach hier nass und in Badehose über den Hotelflur zu rennen? Hatte der eigentlich überhaupt gar kein Benehmen? Zum Glück hatte sie sich nicht wirklich weh getan bei ihrem unfreiwilligen Fall auf den Boden, so dass sie ihren Weg in die Wäscherei fortsetzte und sich dann schnell auf den Heimweg machte. 

Mia hatte inzwischen Bolognese gekocht und wartete schon sehnsüchtig mit dem Abendessen auf Katharina. Sie hatte entschieden, dass mal wieder ein Mutter-Tochter-Abend angesagt war und es außerdem an der Zeit war, endlich die Weihnachtskarten zu basteln. Seit Mia bei Markus lebte, hatte sie jedes Jahr zusammen mit Katharina Karten gebastelt und für sie gehörte das einfach zur Adventszeit dazu. Gemeinsam telefonierten sie noch mit Markus, ehe sich der Küchentisch in einen Basteltisch verwandelte. Mia hatte ihren USB-Stick in die kleine Mini-Anlage in der Küche geschoben. Mit einem frechen Grinsen verkündete sie: “Ich hab ein bisschen Musik für Rentner zusammengemischt.” 
Katharina musste lachen und gab sich gespielt empört. “Du kleines Luder, Du.” 
Mia musste so lachen, bis ihr die Tränen aus den Augen liefen.  
“Glaubst du, ich pfeif mir hier Musik rein, die ich selbst nicht leiden kann? Vergiss es!” 
“Da bin ich aber beruhigt. Ich bin zwar mittlerweile ganz nah an der 40, aber die Rente ist doch noch weit weg, findest du nicht?” 
“Kommt schneller als du denkst”, giggelte sie wieder los. “Aber ich hab uns wirklich einfach was Nettes zusammengestellt. Bisschen Ed Sheeran, Pink, Sunrise Avenue und so Zeug halt.” 
“Das klingt doch gut.” 
“Klar, entspannte Rentnermusik eben, sag ich doch die ganze Zeit.” 
Katharina konnte sich das Grinsen nicht verkneifen und war einfach froh, dass Mia wieder bei ihnen lebte. 
“Ach, guck mal, Katharina, ich bin gerade dabei, was für meine kleine Cousine was zu häkeln.” Mia war vom Tisch aufgestanden und holte ihren Rucksack aus dem Flur. Aus dem vorderen Fach zog sie ein Wollknäuel heraus. “Ein Bein fehlt noch.”  
“Oh wow, wie schön, das ist ja ein kleines Lama. Woher kannst du denn sowas?”  
“Hab ich im Internat gelernt. Gefällt es dir?” 
“Sehr sogar. Mia, das ist wunderschön! Deine Cousine wird es lieben. Den Hals kann sie sicher als erstes greifen.” 
Mia strahlte. “Es bekommt noch einen Schal um und eine Pudelmütze auf.” 
“Das ist eine tolle Idee.” 
“Das näh ich auch nur fest, dann kann sie es im Sommer abmachen.”  
Katharina war beeindruckt, worüber sich Mia alles Gedanken gemacht hatte. 
“Und wenn wir mal ein Baby bekommen, dann bekommt es auch eins”, strahlte sie. 
“Unbedingt”, lächelte Katharina, die einen Moment lang wieder dieses dumpfe Gefühl in der Magengegend verspürte. Wie gerne hätte sie ein Geschwisterchen für Mia. Sie wäre so eine tolle große Schwester. 
“Du wirst eine tolle Cousine sein. Und auch eine tolle große Schwester, wenn es mit einem Baby klappt.” 
Mia lächelte selig. 
“Und jetzt ran an die Karten”, drängelte sie und griff nach einem großen Stück Pappe mit Schneeflockenmotiven. 
“Und morgen früh gehen wir zusammen Skilaufen, ja? Sind doch Zeugniskonferenzen.” Mit großen bittenden Augen sah Mia Katharina an. “Oder lieber Snowboarden?” 
“Warum gehst du denn nicht mit Max?”, fragte Katharina, die ein wenig überrascht war, dass Mia sie fragte. 
“Weil ich finde, dass wir zu wenig Zeit miteinander verbringen und du viel zu wenig rauskommst, seit du im Krankenhaus arbeitest. Wann warst du das letzte mal mit dem Papa Skilaufen? Oder mit Emilie Schlittschuhlaufen? Oder in Salzburg shoppen? Hmmmm?” 
Einen Moment lang überlegte Katharina. Wie Recht ihre Tochter hatte. Als sie im Hotel ihres Vaters gearbeitet hatte, hatte sie eindeutig mehr Zeit gehabt, trotz Bergrettung. Sie liebte zwar ihren Beruf, aber jetzt hatten sich einfach doch ihre Prioritäten verschoben. Mia und Markus waren eindeutig wichtiger für sie als ihr Berufsziel. So richtig realisierte sie es erst jetzt, wo die Arbeit im Krankenhaus sie beinahe auffraß. Und sie verstand auch Michi immer besser, der sein Spatzl auch oftmals schmerzlich vermisste. Der Arztberuf war einfach total programmfüllend und für sie war immer klarer, dass es auf eine kleine Gemeinschaftspraxis hinauslief, die ihr Zeit für ihre kleine Familie lassen würde. Und wenn wirklich ein kleiner Mini-Kofler ihr Leben bereichern dürfte, dann wollte sie auch genug Zeit für den kleinen Erdenbürger haben.  
“Woran denkst du”, fragte Mia ihre Mutter. 
“Ach, nur daran, dass du recht hast. Alles kommt zu kurz”, seufzte Katharina. “Du, dein Papa, unsere Freunde.” 
“Es ist doch nicht mehr so lange, Mama. Das kriegen wir hin. Wenn Du fertig bist, dann kannst du direkt aufhören.” 
“Es war immer mein Traum Ärztin zu sein und als Ärztin zu arbeiten. Jetzt ist das wahr geworden und ich bin trotzdem nicht glücklich.” Katharina blätterte durch die Bastelbögen und seufzte. “Das ist doch total verrückt, oder?” 
Mia ließ ihre Karte sinken. “Das ist überhaupt nicht verrückt. Mein Traum war es Architektin zu werden. Und? Ich bin auch wieder hier. Zuhause, bei euch. Weil hier mein Platz ist. Man darf seine Träume und Wünsche ändern.” 
Mit einem sanften Lächeln sah Katharina ihre Tochter an. “Du bist so verdammt gescheit.” 
Mia grinste ihre Mutter zufrieden an. “Klar, was denkst du denn?” 

Mit Schwung sauste Katharina an Mia vorbei zur Talstation und wirbelte ihr dabei etwas Schnee mit dem Snowboard entgegen. “Ieh, Mama”, quietschte Mia. 
Katharina lachte herzhaft und nahm den Helm ab. “So, ich muss leider aufhören, Mia.” 
“Och nööö, schon so spät?”  
“Leider ja.” Der traurige Blick ihrer Tochter tat Katharina in der Seele weh. “Aber was hältst du davon, wenn wir Montagabend zum Nachtskilaufen gehen würden? Ich hab um 16 Uhr Feierabend, das sollte zu schaffen sein, solange kein schwieriger Notfall reinkommt.” 
Mia strahlte. “Tolle Idee. Und dann seif ich dich ein”, kicherte der Teenager. “Und nu los, hau schon ab. Ich fahr noch ein bisschen.” 
“Pass auf dich auf, ich hab dich lieb.” Katharina strich ihrer Tochter über die Wange und schnallte ihr Snowboard ab.  
Auf dem Weg zum Auto klingelte ihr Handy in der Jackentasche. Ein Blick aufs Display verriet ihr, dass ihr keine Zeit zum Umziehen bleiben würde. Schnell nahm sie das Gespräch entgegen. “Hey Rudi, was gibt’s?” Aufmerksam lauschte sie ihrem Kollegen. “Du, ich bin noch an der Planai, ich war mit Mia snowboarden. Schick mir die Koordinaten und bring meine Sachen mit, dann fahr ich schon mal hin.” Noch während sie mit Rudi sprach, war sie bereits umgedreht und wieder auf dem Weg zum Lift. 
Mia sah Katharina ungläubig an. “Da bist du ja wieder.” 
“Einsatz”, lächelte Katharina und zuckte mit den Achseln. “Verena hat mir den Vortritt gelassen.” 
“Wie immer: ihre Flugangst”, lachte Mia. “Aber mit dem Snowboard?” 
Katharina nickte ihrer Tochter zu. “Was soll ich machen? Meine Ski sind nicht hier.” 
“Kann ich mit?” 
“Mia, ich weiß nicht.” Katharina hatte mit der Frage ihrer Tochter nicht gerechnet. 
“Ach bitte, Mama.”  
Mias bittendem Blick konnte Katharina nicht standhalten. 
“Dann komm. Aber Du hörst auf mich, verstanden? Ohne Wenn und Aber und ohne Diskussion”, sagte Katharina ernst. 
“Versprochen. Vergiss nicht, ich bin Jugendbergretterin”, grinste sie schelmisch und reihte sich neben Katharina in den Lift. 
“Mein 1. Einsatz”, strahlte sie. “Worum geht es denn?” 
“2 Snowboarder sind kollidiert und beide sind bewusstlos. Du weißt, wie Du 1. Hilfe leistest?” 
“Na klar. Du bist ja bei mir. Wir schaffen das schon.” Mia war zuversichtlich und freute sich darauf, helfen zu können. Mit Katharina an ihrer Seite konnte doch nur alles gut gehen. 
Nachdem sie den Lift verlassen hatten, checkte Katharina die Koordinaten, die Rudi ihr geschickt hatte und fuhr voraus. Mia folgte ihr. 
Ihr Weg führte sie abseits der Piste ins steile Gelände. Immer wieder vergewisserte sich Katharina, dass ihre Tochter noch hinter ihr war, bis sie schließlich die beiden kollidierten Snowboarder am Boden liegen sahen. Zwischen ihnen stand eine wild winkende junge Frau.  
„Hilfe, hierher”, rief sie aufgeregt. “Die sind beide immer noch bewusstlos.” 
Katharina schaute sich kurz beide Verletzte an. “Mia, du kannst ihn bitte erstversorgen.” 
Vorsichtig befreite Mia den Verletzten von seinem Helm und brachte ihn in die stabile Seitenlage. Dann legte sie die Wärmedecke über ihn. Die junge Frau stand völlig geschockt daneben. Mia packte auch sie in eine Wärmedecke, während Katharina den offenen Bruch ihres Verletzten mit ihrem Schal abband. Beim Abnehmen des Helmes hatte sie schon gesehen, wen sie da vor sich liegen hatte. So schnell sah man sich also wieder. Gestern hatte er sich ihr gegenüber wie das letzte Arschloch benommen, dieser blonde, völlig überdrehte und arrogante Finne. Wenn der so auf der Piste unterwegs war, wie im Schwimmbad, dann wunderte sie überhaupt nichts. Sein Bein sah aber nicht gut aus, so schnell würde er nicht mehr durch den Wellness-Bereich des Hotels toben. Katharina bemerkte, dass der Verletzte anfing zu zittern. Sie breitete eine Wärmedecke über ihm aus und merkte, dass er langsam das Bewusstsein wiedererlangte. Benommen blinzelte er Katharina an. Es dauerte einen Moment, bis er halbwegs klar war und Katharina ungläubig anschaute. “Träum ich?” nuschelte er. “Die süße Lady von gestern.” 
Katharina kniff die Augen zusammen. “Schade, dein Gehirn scheint doch noch zu funktionieren”, funkelte sie ihn böse an. “Für einen Moment warst du mir glatt sympathisch. Schlaf doch einfach weiter.” 
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des blonden Finnen. “Was ist passiert?”, fragte er nun leise, aber ernst. 
“Tja, offensichtlich bist du mit einem anderen Snowboarder kollidiert, mehr weiß ich leider auch nicht.” 
Dass der Finne sich nicht an den Unfallhergang erinnern konnte, war nicht ungewöhnlich nach einem Zusammenstoß auf der Piste. Katharina hörte bereits den Heli ganz in der Nähe und erwartete jede Minute ihre Kollegen zu sehen. 
Simon und Rudi kamen mit zwei Akjas, da der Heli etwas weiter oben stand. 
Nach einer kurzen Begrüßung begannen sie, die beiden Verletzten in die Akjas zu betten.  
„Wen sollen wir zuerst nach Schladming fliegen?“, fragte Simon seine Kollegin.  
„Meinen Freund“, rief die junge Frau, die bisher kein weiteres Wort gesagt hatte und schaute Katharina flehend an.  
„Eigentlich wär er hier dringender“, antwortete Katharina und sah auf den großen blonden herab. 
„Schon gut, Lady“, flüsterte er. „Lass ihn fliegen.“ 
„Bitte“, flehte die Begleiterin des anderen Verletzten. 
„Na gut“, gab sie sich geschlagen. 
Simon und Rudi zogen den Verletzten mit dem Akja zum Heli. 
„Das hast du super gemacht, Mia“, lobte sie nun ihre Tochter. 
Mia lächelte glücklich.  
Katharina bemerkte, dass ihr Patient immer mehr zitterte. „Ist dir kalt?“, fragte sie besorgt. 
Er nickte und kniff die Augen zu. Sein Kreislauf schien wegzubrechen. „Hey, hierbleiben. Schau mich an. Nicht einschlafen. Bleib bei mir.“ 
Katharina griff in ihren Rucksack und zog blitzschnell eine Spritze auf, während Mia versuchte, ihn bei Bewusstsein zu halten und ihm Fragen stellte. 
„Wie heißt du?“, fragte sie.  
„Samu“, antwortete er leise. 
„Und woher kommst du?“ 
„Helsinki.“ 
Aha, Samu hieß also dieser unmögliche Mensch. Vorsichtig setzte Katharina ihm die Spritze, während Mia weiter mit ihren Fragen dabei war, ihn wach zu halten. 
“Und was machst du hier, Samu?”, fragte Mia weiter. 
Samu hatte wirklich Mühe, die Augen geöffnet zu halten. “Urlaub”, murmelte er. 
“Hey Samu, wach bleiben, hörst du?” Katharina sprach nun auch auf ihn ein. Auch wenn er sie in den Wahnsinn getrieben hatte, hatte sie die Hoffnung, dass er sich wachhalten würde. 
“Wenn du dann mit mir essen gehst?”, flüsterte er. 
Sofort ärgerte sich Katharina. “Vergiss es. Ich gehe ganz sicher nicht mit dir essen”, schnaubte sie. Wie unmöglich war dieser Kerl? Katharina war froh, als sie endlich die roten Jacken von Rudi und Simon auf sich zukommen sah und die Beiden den Verletzten übernahmen. 
“Was ist mit euch beiden?”, fragte Simon. “Du solltest mitfliegen, Katharina. Irgendwie schaut er aus, als würde er gleich wegsacken.”  
Katharina verdrehte die Augen. “Nicht schon wieder”, murmelte sie und trat an den Akja. “Hey, Samu. Nicht wieder wegtreten, bleib jetzt hier.” 
Sein Blick wirkte gequält. Hilflos sah Katharina zwischen Simon und Mia hin und her.  
Simon lächelte sie sanft an. “Flieg mit, ich fahr mit Mia runter. Und dein Auto bring ich dir zum Krankenhaus nach. Du hast doch eh gleich Dienst, oder?” 
“Danke Simon.” Katharina nickte, fischte ihren Autoschlüssel aus der Tasche und gab ihn Simon.  
“Nicht dafür, ich will eh deinen Mann besuchen und mit dir muss ich auch sprechen. Aber nix ernstes, keine Sorge.” 
Katharina nickte erneut und drückte schnell noch ihre Tochter. “Das hast du super gemacht, Schatz.” 
“Ich bin gleich zurück, Mia. Warte hier auf mich, dann fahren wir gemeinsam hier runter.” Simon mochte das Mädchen und freute sich auf eine kleine Abfahrt. 

Katharina hatte sich gerade ihren Kittel übergezogen und machte sich auf den Weg zu Markus. Eigentlich hatte sie noch schnell etwas essen wollen, aber das konnte jetzt auch noch bis später warten. Erst wollte sie kurz ihren Mann sehen, bevor sie in den OP verschwand. Das war ihr eindeutig wichtiger als das Butterbrot, das sie auch noch nach der OP essen konnte. Leise klopfte sie an die Tür. “Komm rein, Katharina”, flötete eine Stimme. Grinsend öffnete sie die Tür. “Hallo schöne Frau”, begrüßte Markus Katharina mit einem strahlenden Lächeln.  
“Was bist du denn so gut gelaunt?”, fragte sie und trat an sein Bett, auf dessen Kante er gerade saß 
Markus grinste sie breit an. “Dann pass mal auf.” Markus deutete auf seine Füße und baumelte damit. “Ich kann sie spüren und bewegen. Bisschen Kraft fehlt mir jetzt noch, aber das kommt schon wieder. Na? Was sagst du, Frau Doktor? Bist du zufrieden mit mir?” 
Katharina fiel Markus einfach um den Hals. Freudentränen schossen ihr in die Augen. Dann löste sie sich etwas, legte beide Hände um sein Gesicht und gab ihm einen Kuss, bevor sie ihn wieder an sich drückte. “Ich bin so glücklich”, murmelte sie in seine Halsbeuge. 
“Und wo warst du so lange?” 
“Im Einsatz. Zwei Snowboardfahrer haben sich im Tiefschnee auf der Planai duelliert. Ich muss auch gleich weiter in den OP, der eine hat sich einen offenen Bruch zugezogen, dem darf ich gleich das Bein zusammenschrauben.”  
“Oh, dann bist du ja gleich schon wieder verschwunden”, seufzte Markus traurig. 
“Aber ich komme direkt danach wieder. Versprochen. Meine Pause mach ich nachher bei dir.” Sie gab Markus einen liebevollen Kuss, ehe sie sich auf den Weg in den OP machte. 
 

Am Nachmittag betrat Simon Markus Krankenzimmer. “Hey”, begrüßte er ihn fröhlich. 
“Hey Simon, schön dich zu sehen.” Markus strahlte übers ganze Gesicht. Er freute sich einfach wahnsinnig, wenn einer seiner Jungs zu Besuch kam.  
“Kann ich dir Katharinas Autoschlüssel geben? Ich hab den Wagen unten ins Parkhaus gestellt.” 
“Na klar. Die ist gerade im OP. Offener Beinbruch.” 
“Etwa unser Spezi, mit dem sie heut Mittag hier hergeflogen ist? 
“Japp. Genau der. Schöne Grüße übrigens von der Mia. Ich war bis gerade noch mit ihr auf der Piste, sonst wär ich schon früher hier gewesen. Aber sie hat mich so lieb gebeten und Einsatz hatten wir auch keinen.” 
“Oh, da hat sie sich sicher gefreut. Sie mag dich sehr gern.” 
“Und ich mag sie. Ich hab ihr versprochen, ich geh im Sommer auch wieder mit ihr klettern.” 
“Ein bisschen neidisch bin ich ja schon, dass sie das fast lieber mit dir macht als mit mir.” 
“Logisch, oder? Ich seh erstens besser aus und zweitens bin ich auch noch kein so alter Sack wie du”, grinste Simon. 
“Und vor allem bist du nicht ihr Vater, das macht dich cooler.” 
“Ich bin generell cooler, mein Freund”, lachte Simon. 
“Aber ich wollte noch was mit Katharina und dir besprechen. Hast du eine Ahnung, wie lang sie im OP hängen wird?” 
Simon setzte sich zu seinem Freund aufs Bett.  
“Ich denke, nicht mehr lange. Sie ist jetzt schon drei Stunden drin.” 
In dem Moment öffnete sich die Tür und Katharina kam herein. 
“Hey Simon”, begrüßte sie ihren Kollegen fröhlich. 
“Na, hast du deinen Pflegefall verarztet”, fragte Markus zwinkernd. 
“Natürlich. Und wenn der zurück nach Hause fliegt, dann bekommt der richtig Freude bei der Sicherheitskontrolle.” Katharina konnte sich ein wenig Schadenfreude nicht verkneifen. Dazu hatte sie dieser Vollpfosten auch einfach viel zu sehr geärgert. 
Simon musste lachen. 
“Wo ich euch jetzt beide zusammen habe. Ich würde euch gerne was fragen.” 
Gespannt blickten Markus und Katharina auf ihren Freund. Katharina hatte eine Idee, was es sein konnte und begann schon leicht zu schmunzeln.  
“Du ahnst es schon, Katharina, oder?”, fragte Simon seine Freundin. 
“Ich glaube schon”, grinste sie. 
“Könntet ihr mich dann auch bitte einweihen?” Markus verschränkte die Arme vor der Brust und sah zwischen Simon und Katharina hin und her. 
“Also, um es kurz zu machen. Was macht ihr beide am 25.8.? Die Jessi und ich könnten nämlich ein paar Trauzeugen gebrauchen.” 
Katharina strahlte und fiel Simon um den Hals. “Oh wow, natürlich. Ist das schön.” 
Auch Markus hatte mittlerweile verstanden, was sein Freund von ihm wollte. “Hey, herzlichen Glückwunsch. Natürlich sind wir am 25.8. dabei.” 
Katharina kam gar nicht dazu, in ihr Brötchen zu beißen, da verlangte ihr Pieper nach ihr. 
“Sorry, Jungs, ich muss wieder los.” 
Katharina drückte Markus einen schnellen Kuss auf den Mund. “Bis später, mein Schatz”, flüsterte sie ihm ins Ohr. “Bis morgen, Simon, ich hab Bereitschaft, wir sehen uns in der Bergrettung.” 

Simon hatte kaum das Krankenzimmer von Markus verlassen, da brachte Schwester Karin Markus einen Zimmergenossen. 
“Du, Markus, dürfen wir dir vorübergehend jemanden mit aufs Zimmer legen? Wir sind total voll.” 
“Na klar.” Markus freute sich sogar ein wenig, dass er Gesellschaft bekam. 
“Ich glaub, der junge Mann hier ist etwa in deinem Alter und wurde von deinen Jungs angeliefert. Er ist frisch operiert und schläft noch.” 
“Ich pass ein wenig auf”, grinste Markus. 
“Bist ein Schatz. Danke, Markus.” Karin schob den jungen Mann direkt neben Markus Bett. 
“Wo steckt denn meine Frau?” 
“Im OP. Gab einen Busunfall auf dem Weg nach Ramsau hoch. 23 Verletzte. Darum brennt hier so der Baum, wir kommen nicht mehr nach.” Karin war schon wieder verschwunden und Markus war klar, dass es dauern würde, bis er seine Frau wiedersah. Er vermisste sie gerade einfach und würde sie so gern an sich drücken. Markus seufzte leicht, griff nach dem Bergsteiger Magazin und las ein wenig, telefonierte kurz mit Mia, die den Nachmittag mit Max, Andrea und Emilie beim Plätzchen verbracht hatte und versprach, Markus am nächsten Tag Plätzchen vorbeizubringen.  
Neben Markus begann sich sein neuer Mitbewohner zu rekeln. Markus ließ sein Magazin sinken und sah zu dem Blondschopf herüber, der ein wenig desorientiert schaute. 
Markus lächelte ihm freundlich zu. “Hey, ich bin Markus. Du bist im Krankenhaus, erinnerst du dich?” 
Samu überlegte einen Moment, dann nickte er. 
“Ich war snowboarden. Und dann … ist einer in mich gekracht.” 
Markus musste leicht grinsen bei Samus Aussprache. “Du kommst nicht von hier.” 
“Nein, ich bin Finne. Aus Helsinki. Ich heiße Samu.” 
“Hallo Samu, schön dich kennenzulernen, auch wenn der Umstand kein schöner ist. Wie geht es dir, soll ich eine Schwester rufen?” 
“Alles gut, danke. Aber meine Jungs, meine Kumpels sollen Bescheid wissen.” 
“Wo wohnt ihr denn?” 
“Herbrechter.” 
“Ah, beim Peter. Das Hotel gehört meinem Schwiegervater. Ich schick ihm eine SMS, dass er deine Leute benachrichtigt.” 
“Danke. Wenn du kennst das Hotel, kennst du auch die Ladys da?” 
“Schon ja, warum? Hast dich in eine verliebt? Peter hat nur nette Leute bei sich.” 
“Eine blonde Engel. So eine hübsche Lady, aber richtig tough, also kein Mäuschen.” 
“Blond? Hm, der Peter hat eigentlich nur dunkelhaarige an der Rezeption. Oder vielleicht hat die Emilie ausgeholfen? Aber die gehört schon meinem besten Freund. Und Emilie ist schwanger, das solltest du dann aber bemerkt haben.” 
“Nee, die war nicht schwanger. Aber so schön”, schwärmte er. 
“Du wirst sie ja dann im Hotel wiedersehen.” 
“Hoffentlich. Ich hab mich total blamiert, weißt du?” 
“Was hast angestellt?” 
“Ich hab sie erst ins Wasser gezogen und dann hinterher hab ich sie noch umgerannt auf dem Flur. Sie ist gefallen und war so böse mit mir. Aber selbst böse war sie noch umwerfend.” 
Markus musste leicht schmunzeln. “Das hast du ja super hinbekommen.” 
“Absolut. Und ich hab sie noch geärgert, weil sie sich so herrlich aufgeregt hat. Aber ich glaub, sie mag mich auch.” 
“Dann zeig ihr halt mal auf dem netten Weg, dass du sie magst, wenn du wieder im Hotel bist. Aber ich hab echt gerade keine Ahnung, wen der Peter da gerade im Einsatz hat. Aber das werden wir schon herausfinden. Vielleicht weiß meine Frau da mehr. Jetzt erhol dich erstmal, du siehst müde aus.” 

Samu war schnell eingeschlafen. Markus sah rüber zu dem blonden Mann und fand ihn richtig sympathisch. Markus versuchte auf Katharina zu warten, aber irgendwann fielen ihm die Augen zu.  
Es war bereits in den frühen Morgenstunden, als Katharina leise in das Zimmer ihres Ehemannes schlich. Sie war fix und fertig, hatte seit dem Frühstück weder etwas gegessen und kaum etwas getrunken. Aber sie wollte unbedingt noch kurz nach Markus schauen, ehe sie nach Hause zu Mia fuhr. Mia hatte sie zwischen zwei Operationen kurz angerufen und ihr Bescheid gesagt, damit sich ihre Tochter keine Sorgen machte. Ihr Mann schlief tief und fest. Für einen Moment wünschte sie sich, dass er sie bemerken würde und einmal fest in die Arme nehmen würde. Markus gab ihr immer die Kraft zurück, wenn sie sich selbst kraftlos fühlte. Ihr Blick schweifte zum Nachbarbett herüber. Doch bevor sie sich näher mit der Person darin beschäftigen konnte, piepte schon wieder ihr Pieper. Katharina drückte ihn hastig aus und eilte aus dem Zimmer. Sie hoffte, dass sie die beiden nicht geweckt hatte. 

Als sie das nächste Mal das Zimmer ihres Mannes betrat, war es schon Nachmittag. Markus sagte nur ein kurzes “Hey” und ihr war sofort klar, dass er sauer auf sie war. Er hatte ja nicht mitbekommen, dass sie in der Nacht bei ihm war und musste nun denken, dass sie einfach nach Hause gefahren war. Dabei war sie weder zuhause gewesen, noch hatte sie auch nur eine Minute bisher geschlafen. Während ihr Mann ihr keine Beachtung schenkte, rief dafür der Finne aus dem Nachbarbett quer durch den Raum. 
“Hey, hübsche Lady. Wie schön, dass du da bist.” Er grinste sie glücklich an. “Ey, Markus, das ist sie. Das ist meine Traumfrau.” Verwirrt sah Katharina zwischen Markus und dem total aufgeregten Samu hin und her.  
“Du!?”, fragte Katharina fassungslos und rollte die Augen. 
Samu strahlte sie glücklich an. Er freute sich, Katharina wiederzusehen. “Danke, dass du und deine Tochter mir geholfen habt gestern. Deine Tochter hat das echt gut gemacht, du kannst stolz sein.” 
Nun sah Markus zwischen Samu und Katharina hin und her. Katharina konnte fast schon Rauchwölkchen aus Markus Ohren aufsteigen sehen, so aufgebracht und eifersüchtig war er. 
“Was hat meine Tochter gut gemacht?”, wollte er nun wissen. 
“Deine Tochter? Wieso deine Tochter?”, fragte Samu verwirrt. 
“Das da ist MEINE Frau. Und ihre Tochter ist also auch meine Tochter. Und ich möchte wissen, was MEINE Tochter bei einem Einsatz der Bergrettung zu suchen hatte?” Markus sah Katharina böse an. 
Katharina schnappte nach Luft. Was passierte hier denn gerade?  
“Ich höre, Katharina. Wieso war Mia mit am Berg?” Markus Ton gefiel Katharina gerade überhaupt nicht. “Erklärst du mir das jetzt mal bitte, aber ein bisschen zackig, wenn ich bitten darf?” 
“Geht das auch in einem anderen Ton?”, fragte sie scharf zurück. 
“Nicht, wenn du MEIN Kind mit auf Einsätze schleppst. Wie kommst du bitte auf diese Schwachsinnsidee? Mia ist ein Kind, verdammt nochmal. Bist du eigentlich völlig bekloppt? Was da alles hätte passieren können? Ist dir das eigentlich klar? Was bist du denn für eine Mutter?” 
Katharina schossen die Tränen in die Augen. Dass Markus schlechte Laune hatte, das hatte sie ja schon beim Betreten des Zimmers bemerkt, dass er sie aber so derbe zurechtwies, das tat einfach nur weh. Mia war doch kein Kleinkind mehr. Mia war Jugendbergretterin und eine verdammt gute noch dazu. Sie schüttelte nur den Kopf und warf Markus einen bitterbösen Blick zu, ehe sie sich umdrehte und das Zimmer verließ. 

Katharina rannte die Stufen der Treppe hinunter. Sie musste einfach raus aus diesem Gebäude. Raus an die Luft. Die eiskalte Winterluft traf sie kurz darauf wie ein Schlag. Katharinas Kopf fühlte sich plötzlich an, als wäre er in Watte gehüllt. Die Welt drehte sich und ihr wurde schwarz vor Augen. Katharina sank vor dem Krankenhaus zu Boden. Nico, der Fahrer einer der Rettungswagen hatte glücklicherweise Katharinas unfreiwilligen Fall auf den Asphalt gesehen und eilte zu ihr.  
„Katharina? Hey, Katharina?“ Nico kniete sich neben sie und klopfte an ihre Wangen. Doch die Ärztin kam nicht zu sich. Schnell hob er sie hoch vom kalten Boden und trug sie zurück ins Gebäude. In der Notaufnahme kümmerte sich ihre Kollegin Dr. Seebacher um sie. Die Ärztin mit den großen graugrünen Augen und den langen dunklen Locken, die ihr fast bis zum Po reichten, war irritiert, dass Katharina offensichtlich immer noch im Einsatz gewesen war. Sie war gegangen, als Katharina angefangen hatte und ihre eigene Schicht war schon in 2 Stunden wieder zu Ende. Wenn Katharina immer noch im Dienst war, hatte sie nun eine 28 Stunden Schicht gewuppt. „Katharina?“, fragte sie ihre Kollegin. „Hörst du mich?“  
Katharina kam langsam zu sich. „Hey, Katharina. Was ist passiert?“ 
Katharina legte ihre Hand an die Stirn. „Nix gegessen“, murmelte sie benommen. 
„Ich geb dir eine Infusion. Bleib brav liegen.“ 
Katharina nickte nur. „Warst du die ganze Zeit hier?“, fragte Silvia Seebacher ihre Kollegin. 
„Ja. Der Busunfall hat uns auf Trab gehalten. 5 OPs hatte ich“, seufzte sie erschöpft.  
„Dann bleib jetzt mal ruhig liegen und lass die Infusion durchlaufen. Und dann ruhst du dich zuhause aus.“ 
„Meine nächste Schicht beginnt in 2 Stunden”, legte Katharina Einspruch ein. 
“Für dich nicht. Du bleibst jetzt erstmal hier liegen, ich komm gleich wieder. Soll ich dem Markus Bescheid sagen?” 
Katharina schoss in die Höhe und rief laut “nein!”. Sofort wurde sie mit Schwindel bestraft. “Der macht sich nur Sorgen, kein Wort zu Markus.” Katharina klang fast panisch. Auf keinen Fall wollte sie, dass Markus ihren Ausfall mitbekam. Er hatte sie gerade so verletzt, dass sie ihn gar nicht sehen wollte. Stirnrunzelnd, aber nickend, verließ Katharinas Kollegin den Raum. 

Samu schaute Markus fassungslos an. “Bist du irre, Mann? Wie hast du denn bitte gerade mit deiner Frau gesprochen?” 
“Ist doch wahr. Weißt du, wie gefährlich solche Einsätze sein können? Es reicht, wenn ich mir um Katharina Sorgen mache, da muss ich nicht auch noch Angst um mein Kind haben.”  
“Also ich kann dir sagen, dein Kind und deine Frau haben das großartig gemacht. Deine Frau hat mir so professionell geholfen, obwohl ich sie so geärgert habe. Und deine Tochter auch. Du hättest sie gerade nicht so anranzen dürfen. Und schon gar nicht als schlechte Mutter darstellen dürfen. Hast du denn nicht gesehen, wie sehr du sie damit verletzt hast?” 
Markus musste schlucken. Er hatte Katharina nicht verletzten wollen. Er wusste selbst nicht, was ihn gerade geritten hatte. Er hatte so sehr auf sie gewartet und war einfach so enttäuscht, dass sie nicht zu ihm gekommen war. Und dann hatte ihn die Eifersucht total erfasst. 
“Du hast echt einen Traum von Frau und dann bist du so garstig zu ihr? Was stimmt nicht bei dir?” Samu schimpfte weiter mit ihm. Markus sah ihn hilflos an. “Was soll ich denn jetzt machen?” 
“Wie wär es denn einfach mal mit: entschuldigen? Du hast dich echt kacke benommen gerade.” 
“Ich ruf sie an.” Markus griff nach seinem Handy und ließ es enttäuscht sinken. “Mailbox.” 
“Vielleicht ist sie ja noch hier?” 
“Hm, ich frag mal, ob sie zuhause ist.” Markus wählte direkt Mias Nummer.  
“Hey Papa”, meldete sich seine Tochter fröhlich. 
“Hey Schatz, sag mal, ist die Katharina zuhause?” 
“Nee, die hatten doch den riesigen Busunfall mit den vielen Verletzten. Die war noch gar nicht hier.” 
“Welcher Unfall?” 
“Man, Papa, da ist ein Bus die Serpentinen runtergeplumpst. Katharina hat erzählt, sie hatten über 23 Verletzte. Sie hat mich zwischen zwei Operationen angerufen gestern ganz spät am Abend, damit ich mir keine Sorgen mache, aber seitdem hab ich nichts mehr von ihr gehört.” 
Markus bekam ein flaues Gefühl in der Magengegend. Er hatte einfach angenommen, dass sie ihn vergessen hätte und sich absolut kindisch benommen, dabei hatte doch auch Karin was vom Busunfall erzählt. Darum hatte er doch so lang auf Katharina warten müssen und darum teilte er doch sein Zimmer jetzt mit Samu. Was für Trottel er doch war. Er musste das wieder geradebiegen. 
“Ah, dann muss sie noch hier im Krankenhaus sein. Danke dir, Mia. Ich muss jetzt aufhören, wir sprechen später nochmal. Ich hab dich lieb.” 
“Ich dich auch, Papa. Bis später.” 
Samu sah Markus fragend an. “Sie ist noch hier? Man, dann such sie, los.” 
“Das mach ich jetzt auch. Ich war so doof, Samu.” 
“Was soll ich dir darauf antworten? Du warst ein riesiges Rindvieh. Und ich beneide dich, dass so ein Rind wie du so eine Frau hat.” 
“Manchmal hab ich sie auch einfach gar nicht verdient.” 
“Das seh ich genauso. ICH hätte sie verdient.” 
“Vergiss es, ich liebe sie und das muss ich ihr jetzt auch ganz dringend sagen.” Markus schob seine Beine übers Bett und griff nach den Krücken. Markus schleppte sich zur Tür und trat auf den Flur. Er überlegte, in welche Richtung er jetzt gehen sollte und entschied sich für den Weg Richtung Notaufnahme.  
“Hey, Markus, was wird das hier, wenn es fertig ist?”, fragte Verena ihren Freund, als sie um die Ecke bog und beinah mit ihm zusammenstieß.  
“Wo ist Katharina”, fragte er total außer Atem. 
“Keine Ahnung? Zuhause wahrscheinlich, sie hat doch laut Plan erst in 2 Stunden Dienst.” 
“Da ist sie nicht. Verena, ich hab Scheiße gebaut, ich muss mit ihr sprechen. Jetzt. Sofort.” 
Verena hatte keine Ahnung, was Markus angestellt hatte, und es ging sie ja auch eigentlich nichts an, aber sie sah Markus Verzweiflung.  
“Pass auf, du setzt dich erstmal hierher und ich finde raus, wo deine Frau ist. Deal?” 
Markus nickte. 
“Und wehe, du bewegst dich hier weg, hast du das verstanden?” 
“Jawohl, Chefin.” Markus musste schmunzeln. Er mochte Verena so gern, sie war einfach der beste Kumpel überhaupt und auch sie hatte es immer wieder geschafft, dass sich Markus ihr mit seinen Problemen anvertraute. 

Verena machte sich direkt auf den Weg ins Ärztezimmer, wo sie auf Silvia traf. “Hey Silvi, sag mal, hast du Katharina gesehen?” 
“Ja, die liegt im U3, wieso?” 
“Im U3?”, fragte Verena alarmiert.  
Silvia nippte an ihrem Kaffee. “Keine Sorge, geht ihr gleich besser. Ich hab ihr schon eine Cola und Traubenzucker gebracht. Der Tropf ist bestimmt auch bald durch.” 
“Was ist mit Katharina?”, fragte Verena energisch. 
“Umgekippt, vorm Portal. Nach 28 Stunden Dienst mit 5 OPs ohne Essen und mit kaum Flüssigkeit wäre ich das auch. Ich hab ihr verboten, gleich ihren Dienst wieder anzutreten. Die gehört erstmal ins Bett und vor allem muss sie gleich mal richtig was essen.” 
“Ich kümmer mich drum, okay?” 
“Danke, hier ist aber auch gerade so viel los wegen des Unfalls gestern.” 
 
Markus wartete sehnsüchtig auf Verena. Er fühlte sich schlecht. Wieso hatte er nur den Menschen verletzt, den er so sehr liebte und brauchte. Markus war total in seinen Gedanken, als Verena vor ihm stand mit einem Rollstuhl.  
“Einmal Platz nehmen bitte, ich bring dich jetzt zu deiner Frau.” 
Markus kletterte in den Rollstuhl und ließ sich ohne Widerrede schieben. Das Laufen strengte ihn doch noch sehr an. 
“Ich weiß ja nicht, was gestern und heute hier los war, während ich auf dem Kongress in Salzburg war, aber Katharina ist wohl vorhin umgekippt. Du hättest sie also lange suchen können.” 
Markus drehte sich erschrocken zu Verena. 
“Wie umgekippt? Verena, was ist mit ihr?” 
“Beruhig dich, nix schlimmes. Sie hat einfach nix gegessen und offensichtlich eine OP nach der anderen mit abgerissen hier. Sie wird einfach total kaputt sein. Keine Sorge, Markus, das wird wieder.” 
Er nickte nur. 
“So, da sind wir, U3.” Verena klopfte vorsichtig an die Tür, ehe sie eintrat und Markus hinter ihr in den Raum rollte.  
“Mensch, Katharina, was machst du denn?”, fragte Verena leise. 
Katharina seufzte. “Weiß ich auch nicht.” 
“Ich hab dir jemanden mitgebracht, der dich ganz verzweifelt gesucht hat.” Erst jetzt bemerkte Katharina, dass Markus mit im Raum war und gerade aus dem Rollstuhl aufstand, um zu ihr zu kommen. “Markus”, flüsterte sie leise.  
“Katharina, entschuldige bitte. Ich war so fies zu dir vorhin. Das wollte ich nicht.” 
“Oh, ihr habt etwas zu klären, dann lass ich euch besser mal alleine. Vertragt euch.” Verena zwinkerte ihren Freunden zu und verließ den Raum. Markus setzte sich auf die Kante von Katharinas Liege und nahm ihre Hand. “Ich wollte wirklich nicht so ein Arsch sein. Ich hab das überhaupt nicht so gemeint, ich war unfair.” 
“Das warst du”, flüsterte sie. “Du findest, ich bin keine gute Mutter”, sagte sie traurig. 
“Du bist eine wunderbare Mutter, aber ich, ich bin ein Rindvieh. Kannst du mir verzeihen?” 
Katharinas Augen hatten einen verräterischen Schimmer angenommen. “Ich weiß nicht”, sagte sie leise. “Warum hast du das gesagt?” 
“Weil … weil ich Angst hab”, sagte Markus kleinlaut.  
Fragend sah Katharina ihren Ehemann an. 
“Ich hab immer Angst um dich, wenn du ohne mich im Einsatz bist. Sonst kann ich auf dich aufpassen, jetzt aber nicht. Du bist mit den Jungs alleine. Nicht, dass ich den Jungs nicht zutraue, dass sie es können, aber ich kann einfach nicht anders. Ich will dich beschützen, weil du mein Ein und alles bist. Und wenn jetzt auch noch die Mia mit auf den Berg geht, dann ist da die zweite Person, die ich nicht beschützen kann. Wenn einem von euch beiden etwas passieren würde, wüsste ich nicht, wie ich damit leben sollte. Und dann erzählt mir Samu auch noch, dass du seine Traumfrau bist und von der Geschichte, dass er dich ins Wasser gezogen und umgerannt hat, davon hast du mir kein Wort erzählt. Oder dass er der Gerettete war, den ihr von der Planai geholt habt. Ich war einfach total eifersüchtig auf Samu.” 
Katharina drückte seine Hand. “Markus, du hast überhaupt keinen Grund zur Eifersucht. DU bist mein Mann. Du bist der Mann, den ich liebe. Und die Mia ist eine ganz tolle Bergretterin. Ich würde sie doch niemals mitnehmen, wenn es gefährlich für sie wäre. Es war nur ein Snowboardunfall auf der Planai. Ja, im offenen Gelände, aber dein Kind fährt besser Ski und Snowboard als wir beide zusammen. Und die Mia wird erwachsen, Markus. Damit musst du klarkommen.” 
“Ich weiß. Aber das ist nicht immer so leicht. Ich brauche euch und wenn euch was passieren würde.” 
Katharina setzte sich auf die Liege und legte ihre Arme um Markus. “Wir sind bei dir. Und wir passen auf uns auf. Aber glaubst du, uns würde es anders gehen, wenn du am Berg herumturnst? Waghalsig bis zum gehtnichtmehr. Uns geht es nicht anders. Und wenn du nochmal sowas gemeines zu mir sagst, dann kannst du dir eine andere Frau suchen.” Mit einem Lächeln drückte Katharina Markus einen Kuss auf die Wange. 
„Das hab ich nicht vor.“ Markus klammerte sich an Katharina wie ein Ertrinkender und ließ sie gar nicht mehr los. “Du verzeihst mir also?” 
“Ja, aber nichtsdestotrotz: es hat weh getan, Markus. Sehr weh sogar. Tu sowas nie wieder.” 
 
Verena öffnete die Tür des Untersuchungsraums 3. “Na, alles gut bei euch?”, fragte sie vorsichtig. 
“Jetzt wieder”, lächelte Markus und strich Katharina, die neben ihm lag, über die Wange. 
“Dann ist ja gut. Ist die Infusion durch?” 
Katharina nickte. “Ja, die ist durch.” 
“Und wie fühlst du dich?”  
“Besser.” 
“Dann nehm ich dich jetzt mit zu Markus aufs Zimmer, denn der hat gleich seine Physio. Und wenn ich nachher nach Hause fahre, setze ich dich am Hof ab. Ich will nicht, dass du selbst fährst. Und Emilie fühlt sich nicht so gut, sagte Tobias gerade, nach der schau ich dann auch direkt.” 
Verena schob Markus den Rollstuhl vor Katharinas Liege. 
“Wenn ich bitten dürfte.” 
“Och nö, Verena”, quengelte Markus. 
Diese sah ihn strafend an und Markus wusste, es war besser, brav einzusteigen. 
Katharina war immer noch ganz blass im Gesicht und stand wackelig auf ihren Beinen. 
“Markus?” Verena deutete ihm auf Katharina und Markus verstand. Blitzschnell zog er seine Frau zu sich, die quiekte, als sie auf dem Schoß ihres Mannes landete. “Du hast ein Taxi bestellt?” 
“Du spinnst doch”, schimpfte sie und wollte wieder aufstehen. 
“Oh nein, du bleibst schön auf deinem Mann sitzen. Hier, halt das.” Verena drückte Katharina Markus Krücken in die Hand und schob ihre beiden Freunde über den Flur zurück zu Markus Zimmer. Markus drückte Katharina fest an sich und vergrub seine Nase in ihrer Halsbeuge, die er vorsichtig küsste und sie zum Kichern brachte. Verena musste schmunzeln. 
“Nehmt euch ein Zimmer”, gluckste sie und Markus schaute sie erst erschrocken an, musste dann aber vor Lachen prusten. Katharina hatte plötzlich leuchtend rote Wangen, schloss die Augen mit einem leichten Kopfschütteln und drückte ihre Wange an Markus Wange. 
 
“Hey, schöne Frau, da bist du ja wieder”, grinste Samu, als Verena mit ihren beiden Freunden das Zimmer betrat. Katharina rollte genervt mit den Augen. 
“Kannst du auch was anderes als rumnerven?”, fragte sie ihn frech. 
Samu lächelte sie breit an und Katharina musste selbst leicht schmunzeln. Wie konnte eigentlich jemand mit so einem charmanten Lächeln so eine Nervensäge sein? 
“So, den Markus nehm ich mit zur Physio und du, Katharina, du nimmst so lange sein Bett”, sagte Verena streng. Katharina wollte gerade zum Widerspruch ausholen. 
“Ö ö ö, vergiss es, Katharina. Hinlegen! Ausruhen!” 
“Sie ist die Chefin, Rina”, sagte Markus und zog die Achseln hoch. 
“Schön, du hast es endlich erkannt. Und jetzt hopp, ich will gucken, ob ich dich nächste Woche nach Hause schicken kann.” 
Markus Gesicht strahlte über beide Ohren, bevor er schlagartig wieder traurig aussah. Verena nahm das Verhalten direkt wahr und nahm sich vor, ihren Freund direkt darauf anzusprechen, sobald sie alleine waren. Katharina schien sich jedenfalls zu freuen und strahlte überglücklich. 

Katharina legte sich wirklich in Markus Bett und spürte, dass Samu sie beobachtete. 
“Samu!? Hör auf mich zu beobachten!” 
Ertappt blickte Samu zu Decke. 
“Tut mir leid”, sagte er leise.  
Katharina antwortete nicht und schloss die Augen. 
“Auch mein Verhalten dir gegenüber”, sagte er leise. “Ich wollte dich nicht so ärgern.” 
Nun drehte sich Katharina zu ihm herüber. 
“Es tut mir leid. Wirklich.” Schuldbewusst sah er der blonden Ärztin in die Augen. 
Katharinas Groll gegen den großen blonden Finnen bröckelte. Er hielt ihrem Blick stand und meinte es wirklich ernst, das spürte sie.  
“Entschuldigung angenommen”, sagte sie sanft. 
“Danke. Aber eins stimmt wirklich.” 
Fragend sah Katharina ihn an. 
“Du bist wirklich schön, weißt du das eigentlich?” 
“Quatsch, es gibt so viele viel schönere Frauen als mich.” Katharina war leicht rot geworden. Außer von Markus und Rudi hatte sie das noch nie gehört und es war ihr auch ganz recht so. Ihr waren solche Aussagen unangenehm.  
“Du siehst müde aus. Was war los vorhin?” 
Einen Moment lang überlegte Katharina, ob sie Samu etwas erzählen wollte. Entschied sich aber dafür, dass ein wenig Smalltalk ganz okay wäre. 
“Ein Bus ist verunglückt und es gab einfach so viele Verletzte. Ich hab 5 OPs am Stück gehabt.” 
Katharina bemerkte jetzt erst, was für einen Hunger sie eigentlich hatte. Ihr Magen knurrte.  
“Und gegessen hast du offensichtlich auch nicht”, stellte Samu schmunzelnd fest. 
Katharina nickte zustimmend. “Stimmt.” 
“Guck mal unten in Markus Schrank. Der hat dir extra Nudelsalat und Frikadellen aufgehoben.” 
“Ich glaub, mein Mann lebt hier von Emilies Frikadellen und sämtlichen Salaten vom Hof.” Schnell fischte sie die Tupperdose aus dem Schrank, griff nach dem Löffel, der noch in Markus mittlerweile kaltem Kaffee steckte und tauchte ihn in den Salat. Genüsslich ließ sie sich das Essen auf der Zunge zergehen. 
“Siehst mit jedem Bissen besser aus”, kommentierte Samu lachend. 
“Danke.” 
Zufrieden sank Katharina zurück in Markus Kissen. 
“Jetzt kannst du schlafen.” Samu hatte eine sehr beruhigende und schöne Stimme, stellte Katharina fest.  
“Ich glaub nicht”, seufzte Katharina. “Was machst du eigentlich hier?” 
“Hm, also ich bin im Skiurlaub mit meinen Kumpels. Oder sagen wir besser, ich war. Die Jungs sitzen gerade im Flieger nach Helsinki. Ich muss ja noch hierbleiben und darf auch noch nicht fliegen.” 
“Ach darum stehen diese Gepäckberge hier im Raum?” 
“Ja, das Hotel war nur bis heute gebucht. Mikko versucht schon verzweifelt eine Bleibe hier für mich zu finden, aber es ist alles belegt.” 
“Klar, es ist Weihnachtszeit, da sind die ganzen Urlauber und Familienbesucher da. Da muss man früh sein. Und mein Vater hatte kein Zimmer mehr frei im Hotel?” 
“Leider nicht, nein.” 
“Wir finden schon eine Lösung, ich hör mich mal um. Auf der Straße musst du kein Weihnachten feiern.” 
Dankbar sah Samu Katharina an, die ihm aufmunternd zulächelte. 
“Was ist denn mit deiner Familie?” 
“Da hab ich meine Mutter, meinen Bruder und meine Schwester mit den beiden Mädchen. Die müssen halt einmal ohne mich feiern dies Jahr.” 
Betroffen sah Katharina ihren Bettnachbarn an. Sie würde gleich Emilie fragen, ob noch Gästezimmer auf dem Hof frei waren. Und zur Not, würde sie Samu in das kleine Zimmer neben Mia unterbringen. 
“Du solltest jetzt aber endlich schlafen, sonst ist Markus gleich schon wieder da”, grinste Samu. “Ich sing dir auch was vor, okay?” 
Überrascht sah sie ihn an. “Du willst mir vorsingen!? Oha, das kann ja was werden.” 
“Ey, sooo schlecht bin ich nicht. Also, entspann dich.” 
Leise begann Samu zu singen. 
“Boots underneath my bed, tired and worn 
Don’t remember where they’ve been 
Still wet from the storm 
Strangers outside my door 
Voices I don’t know 
No one will miss or think of me 
Whenever I am gone” 
Schon beim ersten Ton überzog Katharina eine Gänsehaut.  
“The moment I close my eyes 
And you come to me 
I know that I am not alone 
And never will be 
Home is where ever I am 
I feel you with me 
They’ll never take that away 
‚Cause you are home to me” 

Katharina hatte richtig feuchte Augen bekommen, während sie Samus Gesang lauschte.  
“Mach die Augen zu und hör einfach zu”, sagte er. 
Und tatsächlich schaffte er es, Katharina in kürzester Zeit ins Land der Träume zu befördern. 

“Sag mal, Markus, möchtest du gar nicht nach Hause?”, fragte Verena den befreundeten Bergretter, als sie ihn zur Physio brachte. 
“Doch schon.” 
“Begeisterung sieht aber anders aus.” 
“Mhm.” 
“Was ist los? Markus, du weißt, du kannst über alles mit mir sprechen. Ist es wegen Katharina?” 
Markus senkte den Blick. “Hier seh ich sie mehr als zuhause”, murmelte er. 
“Ach, Markus.” 
“Na ist doch so. Hier kommt sie immer zwischendurch mal rein. Zuhause seh ich sie wieder gar nicht.” 
“Du vermisst sie sehr, oder?” 
“Ja. Ich dachte, ich gewöhn mich dran, wenn sie nachts arbeitet, aber das tu ich nicht. Wir haben nie aufeinandergegluckt, aber wir haben immer zusammengearbeitet. Sie war immer bei mir. Und jetzt ist sie nicht da.” 
“Du weißt, dass ich ihr den Nachtdienst nicht ersparen kann.” 
“Ich weiß. Ich will einfach, dass diese Monate, bis sie fertig ist, vorbei sind. Dann kann sie eine eigene Praxis auf dem Hof machen mit geregelten Zeiten. Und wenn unsere Adoption klappt, dann muss sie einfach da sein. Alleine mit Kind kann ich das nicht.” 

“Sie hat doch schon vieles in München abgerissen, somit ist sie wirklich auf der Zielgeraden. Und ich habe euch versprochen, dass ich sie mehr für die Bergrettung einteile. Das will hier sowieso niemand. Und ich schon gar nicht. Ich ahne schon fürchterliches, wenn sie wegen des Babys ausfallen wird.” 
Nun musste Markus doch schmunzeln. Niemand hasste fliegen mehr als Verena. 

“Aber du weißt schon, dass Katharina ab Januar auch wieder Urlaub nehmen darf oder? Vielleicht nehmt ihr euch ja mal ein paar Tage frei und haut einfach ab. Das tut ihr auf jeden Fall gut. Euch beiden. Besonders wegen der Fehlgeburten. Sie sagt ja nichts, aber Mia hat es ja schon richtig erkannt. Und Weihnachten hab ich sie übrigens nicht eingeteilt, du hast sie also zum Fest komplett zuhause.” 
Verena hatte es geschafft, Markus wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ihre Freunde hatten einfach schon so viel Schlimmes erlebt, dass ihnen einfach ein bisschen Glück zustand. 
 

“Woran denkst du?”, fragte Samu, als er Markus beobachtete, der gedankenverloren an die Decke starrte. 
“Hm”, erwiderte dieser ertappt. “An Katharina. Ich überlege, wohin ich sie mal entführen könnte, was nicht viel Geld kostet, aber trotzdem Erholung bietet.” 
“Wart ihr schon mal in Finnland?” 
“Finnland? Öhm, nö. Das kostet doch wahnsinnig viel.” 
“Das kostet euch keinen Cent.” Samu grinste den sichtlich irritierten Markus breit an. 
“Hä?” 
“Ihr kommt einfach zu mir nach Helsinki. Platz hab ich wirklich mehr als genug. Und den Flug bekommt ihr von mir.” 
“Nee, das können wir nicht annehmen.” 
“Oh doch. Das könnt ihr. Ich hab deine Frau echt sehr geärgert, sie ins Wasser gezogen, ich schulde ihr was. Und außerdem hilft sie mir gerade dabei, ein Zimmer hier zu finden, wenn ich hier raus darf. Nach Hause fliegen kann ich noch nicht und mein Hotel ist ausgebucht.” 
“Du, die Katharina verzeiht dir auch ohne Gegenleistung.” 
“So schätze ich sie ein. Trotzdem. Und wenn ich es nicht könnte, würde ich euch das nicht anbieten.” 

“Hey Schwesterchen”, fröhlich humpelte Tobias auf Katharina zu und schloss sie in seine Arme. 
“Hey, Großer”, lachte sie.  
“Hallo Tobi”, grüßte nun auch Verena fröhlich. 
“Sorgst du mal bitte dafür, dass sich deine Schwester ein bisschen schont. Sie ist nämlich heute umgekippt.” 
Entgeistert sah Tobias seine Schwester an. “Du bist was?”  
“Ich hatte halt nix gegessen”, sagte sie kleinlaut. 
“Sie hat 5 Operationen gewuppt und gemeint, sie wäre Superwoman, die nix zu Essen und zu trinken braucht, weißt du?” 
Strafend sah Tobias seine Schwester an. ”Dann schau du doch bitte mal nach der Emilie, die ist so verschnupft und fiebrig, und ich kümmere mich darum, dass meine kleine Lieblingsschwester hier jetzt was trinkt und isst.” 
“Guter Deal. Ist sie oben?” 
“Japp.” 

Tobias zog Katharina hinter sich her in die Küche. 
“Also, worauf hast du Hunger? Ich hätte anzubieten: Champignonrahmsuppe als Vorspeise und als Hauptgang hätte ich gefüllte Paprikaschoten mit Reis.” 
“Mhhhm”, seufzte Katharina. “Ich will beides.” 
“Das wollte ich hören.” Tobias humpelte zur Mikrowelle und schob einen Teller Suppe für seine Schwester hinein. 
“Wo ist denn die Mia?” 
“Oben bei Max, was für eine Frage. Die beiden sind einfach so niedlich miteinander.” 
“Das sind sie. Ihre erste große Liebe und ich bin froh, dass sie so glücklich ist. Gerade, wo Markus und ich so wenig Zeit für sie haben. Ich hab so ein schlechtes Gewissen, Tobi. Ich liebe die Mia so sehr und wäre so gern öfter für sie da.” 
Tobias reichte seiner Schwester den Teller Suppe an und schüttete ihr ein Glas Wasser dazu ein. 
“Die Mia kann das schon einsortieren. Klar vermisst sie euch, aber sie wird erwachsen. Und sie weiß doch, dass sie immer auf euch zählen kann. Würde sie das nicht, wollte sie doch nicht von dir adoptiert werden, oder?” 
“Ja, mein großes Mädchen”, seufzte Katharina und genoss die warme Suppe. 
“Wann bringst du denn eigentlich meinen Spezi mit nach Hause? Ich vermiss den Blödmann total.” 
“Wahrscheinlich nächste Woche. Zu Weihnachten ist der definitiv zuhause.” 

“Servus, Katharina.” 
“Servus Franz. Na? Was machst du?”, fragte Katharina und strahlte den älteren Mann an. 
“Ich hab mir was überlegt für Weihnachten. Die Mia, der Max und ich kümmern uns in diesem Jahr um den Weihnachtsbaum. Und wir haben überlegt, ob wir nicht draußen grillen wollen? Da haben alle wenig Arbeit und jeder könnte etwas beisteuern und mithelfen. Und feiern könnten wir in der Scheune. Was meint ihr?” 
Nun kam auch Mia mit Max im Schlepptau um die Ecke geschossen. 
“Hi Mama”, rief sie. “Geile Idee von uns oder?” 
Mia tänzelte im Türrahmen umher und sah ihre Mutter mit Hundeaugen an. 
“Sehr gute Idee. Mir gefällt’s. Was meinst du, Tobi?” 
“Bin ich sofort dabei.” 
“Wann kommt denn der Papa endlich nach Hause”, fragte Mia und kletterte auf einen der Hocker, die um den Tisch herumstanden.  
“Nächste Woche”, lächelte Katharina ihrer Tochter zu.  
“Oh fein.” 
“Sag mal, Brüderchen, kannst du mal gucken, ob wir hier ein Zimmer frei haben für die nächsten Tage? Der Spezi, der beim Markus liegt, Samu – Mia, du kennst den ja -, der braucht ein Zimmer, wenn der entlassen wird. Und der ist sicherlich auch nächste Woche soweit.” 
“Kann ich dir so sagen, wir haben nämlich fast alles frei, weil die Truppe aus München heute abgesagt hat. Die haben einen Todesfall und kommen nicht.” 
“Ups, na dann kann ich ja Samu erlösen.”

20. Heiligabend 

Franz, Mia und Max wuselten schon seit dem frühen Morgen über den Hof. Die Scheune war wieder einmal zur Tabuzone erklärt worden. Emilie hatte gerade einen Kuchen in den Ofen geschoben, bevor sie nochmal ins Gästezimmer verschwand, um zu schauen, ob denn für den Besuch alles hergerichtet war. Tobias war zum Einsatz mit der Bergrettung ausgerückt. Katharina hatte Nachtschicht und würde Samu und ihren Mann aus dem Krankenhaus mit nach Hause bringen. Markus saß auch schon unruhig auf seinem Bett und wartete auf die Abschlussuntersuchung. Samu war schon seit einer halben Stunde weg und Markus war richtig langweilig ohne ihn. Er hatte sich an den blonden Finnen gewöhnt, der immer lustige Geschichten erzählte und mit dem er sich so wunderbar unterhalten konnte. Markus mochte Samu wirklich und freute sich, dass er noch bei ihnen auf dem Hof bleiben würde. Als sich die Tür zu seinem Zimmer öffnete und ein blonder Lockenschopf zum Vorschein kam, begann Markus zu strahlen. Auch Katharina strahlte ihren Ehemann glücklich an. „Na? Freust du dich auf zuhause?“, fragte sie grinsend. 
„Oh ja.“ Markus streckte die Hände nach ihr aus und Katharina bewegte sich auf sein Bett zu, nahm seine Hände und blieb genau vor ihm stehen. 
„Hast du schon deine Papiere?“, fragte Katharina und küsste Markus liebevoll.
„Ich warte noch“, sagte er mit einem ungeduldigem Unterton. „Samu ist gerade dran.“
„Dann leiste ich dir solang Gesellschaft und geh mich danach umziehen.“
„Nimm den Arztkittel doch mit, Frau Doktor. Du siehst sexy darin aus.“
Katharina rollte die Augen und lachte herzhaft. Dann löste sie ihre Hände aus Markus Händen, der sofort protestierte. „Was machst du?“, quengelte er. 
„Mir den Besucherstuhl holen?“ 
„Nix da, du bleibst hier.“ Markus zog sie neben sich aufs Bett. 
„Was ist denn zuhause los?“, fragte er und sah Katharina forschend an.
„Wieso?“, fragte sie leicht überrascht.
„Na, weil ich weder Mia, noch Tobias oder Emilie ans Telefon bekommen hab.“
„Markus, es ist Heiligabend. Die werden alle herumwuseln. Emilie ist garantiert mit Andrea in der Küche, was kochen oder backen. Mia bereitet mit Max und Franz etwas vor. Wir dürfen seit Tagen nicht mehr in die Scheune. Und mein Brüderchen ist mit Michi und Simon im Einsatz. Die haben uns heut schon 6 Verletzte hergeflogen und es ist erst 12. Aber was war denn so wichtig?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich muss was abholen.“
Katharina grinste. „Mein Weihnachtsgeschenk?“
Markus sah sie betreten an. „Ja. Ich bin schon wahnsinnig geworden, weil es nicht da war und nun liegt es laut Benachrichtigung in der Poststation, weil gestern keiner da war.“ 
„Die hat nur bis 1 auf.“
Markus nickte.
„Schick mir mal den Abholschein, ich fahr schnell hoch nach Ramsau.“
Katharina warf ihren Kittel auf sein Bett. „Bin gleich zurück.“ Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss und beeilte sich nach Ramsau zu kommen.

Katharina schaffte es gerade noch rechtzeitig den dicken Umschlag abzuholen. Es fühlte sich an wie ein Buch. Am liebsten hätte sie reingeschaut, aber das hätte sie Markus nicht antun können. Kurz überlegte sie, warum der Postbeamte das Päckchen denn nicht einfach an die Tür gestellt hatte, aber wahrscheinlich war es Peter gewesen. Der war stets überkorrekt und trieb damit die Gemeinde bisweilen in den Wahnsinn. Bevor sie wieder zurück nach Schladming fuhr sprang sie noch schnell in den Spar, die letzten Dinge einkaufen. Eine Stunde später betrat sie erneut das Krankenzimmer ihres Mannes. Samu grinste sie glücklich an. „Guten Morgen, hübsche Frau.“
Katharina rollte die Augen. Er konnte es einfach nicht lassen, ihr immer wieder zu sagen, dass er sie hübsch fand. 
„Dein Mann ist noch bei der Abschlussuntersuchung.“
„Morgen, Samu. Super, dann können wir ja gleich endlich hier abhauen.“
„Du siehst müde aus“, stellte er fest.
„Nachtschicht“, antwortete sie und musste gähnen. „Ich leg mich gleich zuhause ein bisschen hin. Mia hält mir den Rücken frei und passt auf Euch auf“, grinste sie.
„Wer passt auf wen auf?“ Markus war unbemerkt ins Zimmer gekommen und hatte nur den letzten Satz gehört.
„Die Mia auf euch, weil ich muss schlafen“, sagte sie grinsend.
„Kann ich mitkommen?“, fragte Markus sofort.
„Nö. Weil du lässt mich dann nicht schlafen“, konterte sie augenzwinkernd.
Markus grinste sie schief an. „Kommt, lasst uns hier abhauen.“
Katharina war froh, dass Tobias die Gepäckberge am Vorabend geholt hatte und Katharina diese nicht tragen musste. Ihr reichte es, die beiden Männer mit ihren Krücken in ihr Auto zu bugsieren. Samu schob sich mit seinem Gips seitlich auf die Rückbank, während Markus neben Katharina kletterte. Immer wieder berührte er ihre Hand und genoss die Heimfahrt in vollen Zügen. Vom Himmel fielen nun wieder dicke Schneeflocken. Und obwohl es erst 14 Uhr war, war es schon so dunkel, dass die Weihnachtsbeleuchtungen überall schon herrlich zu sehen waren. Die Läden waren alle geschlossen, die Bordsteine hochgeklappt. 

Als Katharina ihr Auto auf den Hof fuhr, begann Markus unweigerlich zu strahlen. Sofort kamen die Hofbewohner gesammelt aus dem Haus, um Markus und auch Samu zu empfangen. Mia kuschelte sich dicht an ihren Papa, der seine Gehhilfen Katharina in die Hand gedrückt hatte, damit er seine Tochter richtig umarmen konnte. 
„Komm, Samu, ich zeig dir dein Zimmer. Ich hab dich extra hier unten einquartiert, damit du nicht immer die Treppe nehmen musst.“ Emilie half ihrem Gast ins Haus.
„Und ich bring dich ins Haus“, rief Mia und griff nach den Krücken und schob Markus Richtung Haustür.
Katharina öffnete den Kofferraum und holte die Einkaufstüten heraus. Die Getränkekisten ließ sie einfach drin. Franz stand immer noch am Hof und beobachtete sie. „Du siehst müde aus, Katharina.“
Mit einem Lächeln sah sie Franz an. „Bin ich auch“, gab sie zu. „In der Klinik ist einfach immer so viel los“, seufzte sie. „Meine Schicht könnte 7 Tage dauern und ich hätte immer noch nicht allen Patienten geholfen. Wir sind einfach viel zu wenig Leute und nach und nach wird einer nach dem anderen krank, weil er nicht mehr kann. Versteh mich nicht falsch, ich liebe diese Arbeit, ich kann mit Stress umgehen, aber irgendwann brauche ich einfach auch einen Ausgleich. Zeit mit meiner Familie hier, die Berge.“
„Was sagt Verena dazu?“
„Die Klinik sucht händeringend Personal, seit Monaten, aber sie finden keinen, obwohl unsere Gehälter richtig gut sind. Und wir können die ganzen Abgänge und Ausfälle nicht mehr auffangen. Verena ist mittlerweile auch mehr in der Klinik als zuhause.“
„Und jetzt hast du erstmal frei, oder? Also zumindest morgen auch noch?“
„Sogar übermorgen noch“, strahlte sie.
„Dann werden wir dich ein bisschen verwöhnen und machen uns schöne Tage“, lächelte Franz. „Und jetzt ab zu deinem Mann. Der wartet sicher schon.“
Katharina musste lachen. „Bestimmt sogar.“
„Na endlich“, rief Markus, als er Katharina hörte.
Franz hatte Recht gehabt: Markus wartete. Katharina stellte die Tüten auf den Küchentisch und bewegte sich zu ihm rüber ins Wohnzimmer. Mia saß neben ihm.
„Du, Mia, könntest du bitte mal eben die Einkäufe ausräumen?“, bat sie ihre Tochter. 
„Klar.“ Der Teenager stand auf und kümmerte sich darum, während Katharina ihre Jacke auszog und einfach auf das Sofa legte. 
„Komm her“, sagte Markus liebevoll. 
Katharina setzte sich zu ihm und spürte direkt seinen Arm um ihre Schultern.
„Du siehst total müde aus.“
Sie lachte. „Genau dasselbe hat Franz auch eben gesagt. Bist du mir böse, wenn ich nach oben ins Bett gehe?“
Sanft lächelte Markus sie an. „Nein. Ruh dich aus.“ Dann gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und zog sie in seinen Arm. Sofort kuschelte sich Katharina an seine Brust. 
„Das ist unfair“, murmelte sie. „ Wie soll ich mich denn jetzt von dir lösen können?“
Ein paar Minuten blieb sie wirklich einfach in seiner Umarmung, bis sie sich nach oben ins Bett bewegte.

„Mia, ich brauche deine Hilfe.“
Sofort kam Markus Tochter angelaufen.
„Die Mama hat ein Päckchen für mich abgeholt. Kannst du mal gucken, wo das ist?“
„Das war mit in den Einkaufstüten.“ Mia wusste sofort Bescheid.
Markus strahlte zufrieden. „Kannst du mir helfen, das einzupacken?“
„Klaro“, grinste sie und holte das Päckchen aus der Küche. Markus öffnete es und holte sein Geschenk heraus. Neugierig sah Mia dabei zu.
„Oh, wie cool“, kommentierte sie das Geschenk in Markus Hand. „Darf ich mal schauen?“
„Klar.“
Mia holte schnell Geschenkpapier, Tesa und eine Schere und setzte sich dann schmunzelnd neben Markus.
„Schön, dass du wieder hier bist, Papa. Ich hab dich vermisst. Und die Mama auch.“
„Und ich euch.“ Markus drückte seine Tochter fest an sich. 
Gemeinsam sahen sie sich das Geschenk für Katharina an und packten es im Anschluss ein. Mia reichte Markus danach ein paar ihrer selbstgebackenen Waffeln, die sie gemeinsam auf dem Sofa mit einem großen Becher Kakao verputzten. Als Markus danach herzhaft gähnte, ordnete Mia ein Nickerchen auch für ihn an. Mittlerweile war es auch schon 16 Uhr durch und lange würde Markus eh nicht mehr schlafen können. 

Katharina schlief tief und fest als Markus das Schlafzimmer betrat. Einen Moment blieb er im Türrahmen stehen und beobachtete sie. Sie hatte sich richtig zusammengekugelt und die Decke bis zur Nasenspitze gezogen. Sie bemerkte nicht einmal, als Markus sich zu ihr legte. Normalerweise reagierte sie sofort. Markus lauschte ihrem Atem. Sie säuselte leicht vor sich hin. Offensichtlich war sie wirklich todmüde. Die vertrauten Geräusche seiner Frau beruhigten ihn so sehr, dass er kurz darauf ebenfalls eingeschlafen war. 

Als Mia gegen 18 Uhr die Nase ins Zimmer steckte, schliefen ihre Eltern immer noch. Mittlerweile hatte sich Katharina an Markus Brust gerollt und er hatte seinen Arm um sie geschlungen. Schmunzelnd machte sie sich auf den Weg ins Haupthaus.

„Hey Mia, wo hast du meine Schwester und Markus gelassen?“, fragte Tobi, als er sie erblickte. Er war gerade dabei, den Tisch zu decken.
„Die pennen so tief und fest. Du hättest die mal sehen sollen, wie die sich aneinander gekuschelt haben“, lachte sie.
„Lass sie schlafen“, meinte Emilie. „Katharina arbeitet so viel und dein Papa ist eben noch nicht fit. Die anderen kommen eh erst um 8. Bescheren können wir auch dann.“
„Seh ich auch so, lass die zwei noch schlafen. Reicht, wenn Du sie um halb 8 aufweckst.“
„Aber der Rudi ist schon da“, grinste Mia. „Sein Fahrrad steht draußen im Schnee.“
„Der ist bei Andrea oben“ grinste Emilie.
„Da läuft doch was“, meinte Mia. „Der ist oft da. Ist dem Max auch schon aufgefallen.“
„Ist doch schön, wenn der Rudi auch mal unter die Haube kommt.“ Tobi grinste. Es wurde auch wirklich Zeit, dass Rudi mal das heimische Nest verlassen würde. 
“Vor allem voll überfällig”, kicherte Mia.
Tobi konnte sich sein Grinsen kaum verkneifen. “Sag da bloß heut Abend nix zu, der feiert das erste Mal Weihnachten ohne die Mama.”
“Naja, so mit Mitte 30 kann man das ja auch mal machen, oder?” Mia hatte sichtlich Spaß in den Backen.
Emilie warf ihr einen mahnenden Blick zu.
Mittlerweile hatte Emilie schon einen richtigen Babybauch, der Mia total faszinierte. 
“Du, Emilie?”
“Ja, Mia?”
“Ist das Baby eigentlich schon schwer?”
„Joah, schon ganz ordentlich. Mittlerweile spürt man auch, wenn es sich bewegt. Magst mal fühlen?
Mia nickte und legte vorsichtig ihre Hand auf Emilies Bauch. 
„Katharinas Baby war etwa auch soweit, oder?“, fragte Mia vorsichtig.
Emilie nickte. „Das war es.“
„Jetzt kann ich mir das viel besser alles vorstellen, was die Mama da erlebt hat.“
„Das war keine leichte Zeit damals. Deine Mama hat entsetzlich gelitten. Und dein Papa auch. Der hätte ihr so gern beigestanden, aber sie hat niemanden an sich herangelassen.“
„So typisch. Ich freu mich auf dich, kleines Cousinchen.“ Liebevoll streichelte Mia über den Bauch.
„Du wirst eine tolle Cousine für sie sein.“
Tobias lächelte Mia zu. „Das glaub ich auch. Du wirst eine super Cousine. Ich hab nur Sorge wegen Katharina.“
„Wir schaffen das“, meinte Mia optimistisch. „Und jetzt geh ich die zwei mal aus dem Bett werfen.“
„Hoffentlich klappt das wirklich mit Katharina. Ich will nicht, dass sie leidet“, seufzte Emilie und sah gedankenverloren auf den Hof. Tobi trat hinter sie und schlang seine Arme um Emilie.
„Die Katharina schafft das schon, kein Zweifel. Sie wird unsere Kleine lieben. Aber sie wird auf jeden Fall leiden. Und wir können nicht einmal was dagegen tun. Wir müssen liebevoll mit ihr sein.“
„Oh ja. Sie wird Markus definitiv sehr brauchen, um damit klar zu kommen.“
„Das weiß der auch. Ich hab doch schon längst mit ihm drüber gesprochen. Und jetzt lass uns hier schnell den Rest erledigen.

Mia stand in der Tür des Schlafzimmers ihrer Eltern. Ihre Eltern hatten sich tatsächlich noch enger aneinander gequetscht und schliefen immer noch. Zu gerne hätte sie sie schlafen lassen, aber es half ja nichts. Sie mussten langsam aufstehen. Sie holte tief Luft und rief: „Aufstehen, ihr Penntüten!“
Markus war sofort hellwach, während sich das blonde Bündel Frau an seiner Brust nur müde rekelte und murmelte „nur noch fünf Minuten.“
Mit einem breiten Lächeln küsste Markus Katharina Stirn. „Na komm, morgen schlafen wir mindestens bis 12.“
„Versprochen?“, murmelte sie müde.
„Ganz fest.“


Zwanzig Minuten später fand sich Familie Kofler im Haupthaus ein. Der Baum leuchtete, die Geschenke lagen bereits alle darunter und auf dem Tisch standen Unmengen an Getränken und Plätzchen. Auch Rudi, Andrea und Max waren mittlerweile unten.
„Wo steckt denn Samu?“, fragte Katharina.
„Ich bin hier“, ertönte seine Stimme gleichzeitig mit dem Betreten des Raums.
Auch Jessi, Verena, Simon, Michi und Gert folgten ihm. „Wir haben den Herrn Holzer mitgebracht“, lächelte Jessi breit, während Simon und Michi ihre Geschenke mit unter den Baum legten. Alle Geschenke trugen Namensschildchen, um die Bescherung schneller zu gestalten. Und dann wurde gezogen, wer zuerst seine Geschenke bekam. Dabei wurde viel gelacht und auch einige Freudentränen flossen. Als Markus an der Reihe war und sein Geschenk von Katharina auspackte, war auch er gerührt. Sie hatte ihm eine neue Iso-Flasche mit Familienfotos bedrucken lassen. “Wenn wir nicht mit dir auf dem Berg sind, hast du uns immer dabei und wir passen auf dich auf”, hatte sie ihm dazu ins Ohr geflüstert. Dazu bekam Markus ein richtig teures neues Survivalmesser für seine Einsätze in den Bergen. Katharina wusste zwar, dass er stets das Messer von Andreas bei sich hatte und es nach dem Benutzen auch schon aus den abgelegensten Felsspalten zurückgeholt hatte, aber bei der Waghalsigkeit ihres Mannes fühlte sie sich wohler, wenn er ein zweites bei sich trug. Markus freute sich sehr darüber und freute sich, gleich auch Katharina ihr Geschenk übergeben zu dürfen. Aber zuerst war Mia an der Reihe, die ein Geschenk für Markus und Katharina hatte, das sie ihnen unbedingt gleichzeitig geben wollte. Sie holte zwei weiche Päckchen unter dem Baum hervor und drückte ihren Eltern je eins in die Hand. “Und jetzt öffnet das gleichzeitig.” Gespannt schaute Mia zwischen ihren Eltern hin und her. Als Katharina erkannte, was Mia ihr geschenkt hatte, musste sie lachen. Sie schaute rüber zu ihrem Mann, der mittlerweile auch erkannt hatte, was ihre Tochter gemacht hatte. Neugierig lagen die Blicke ihrer Freunde auf ihnen. Markus und Katharina sahen sich in die Augen, nickten und hielten ihre Geschenke hoch. Zwei Kopfkissen auf denen einmal Markus und einmal Katharina an ihrem Hochzeitstag zu sehen war. Unter lautem Lachen erklärte Mia ihr überlegtes System. “Also, das funktioniert so. Papa, du schläfst auf dem Kissen mit deinem Bild und du, Mama, auf dem Bild von dir. Wenn jetzt einer von euch nicht da ist, dann tauscht ihr natürlich die Kissen und schlaft jeweils auf dem des anderen. So habt ihr euch immer.”
Markus schmunzelte und nahm seine Tochter in den Arm. “Das ist eine ganz tolle Idee, Mia.”
“Das find ich auch. Danke, Schatz, das ist toll. Aber was ist denn mit dir?”
Nun lachte Mia, flitzte noch einmal zum Baum zurück und holte eine Tüte hervor. Nun stand sie damit vor ihren Eltern und mit einem lauten “Taaadaaaa” zog sie ebenfalls ein Kissen hervor. Auf dem Kissen lachten alle drei Koflers in die Kamera. Es war ein Foto vom Hochzeitstag ihrer Eltern. Katharina im Brautdirndl, Markus in seinem feinen Anzug und zwischen ihnen eine glücklich strahlende Mia in einem Festtagsdirndl. Den Hintergrund zierte der Dachstein. Lachend fiel das Mädchen ihren beiden Eltern in die Arme. “Ich hab euch lieb”, sagte sie. 
“Und wir haben dich lieb. So sehr”, seufzte Katharina. “Euch beide”, schob sie nach.
“Ich euch auch. Meine beiden Frauen”, sagte Markus verträumt und glücklich. Dass ihm Familie irgendwann einmal die Welt bedeuten würde, hätte er niemals gedacht. Aber so war es. Er liebte seine Frau und seine Tochter so sehr und war dankbar für jeden Tag mit ihnen.
“Und jetzt ist die Katharina dran, damit wir das Familiengesülze hinter uns haben”, sagte Michi frech. 
Verena boxte ihm in die Seite, doch der Rest der Truppe konnte über Michi nur lachen. Sie alle kannten ihren Piloten und wussten genau, dass er immer einen lockeren Spruch parat hatte.
Tobias reichte Katharina das Geschenk mit ihrem Namen. Mit leicht zittrigen Händen öffnete Katharina das Papier. In ihren Händen hielt sie ein Fotobuch. Tirol 2021/2022. Vorsichtig öffnete sie es. “Unsere Wiedervereinigung…”, flüsterte sie. “Und unsere Hochzeitsreise.” Katharinas Augen schimmerten und Markus sah, wie gerührt sie war. 
“Ich hatte Zeit genug im Krankenhaus”, sagte er sanft.
“Darum wolltest du dein Notebook unbedingt haben”, lachte sie nun laut.
Markus nahm sanft ihre Hand und legte ihr einen schlichten goldenen Armreif ums Handgelenk. 
“Wow”, flüsterte sie beim Anblick des Schmuckstucks. Katharina rutschte von der Bank, die um den Kamin führte und wo Markus und sie am liebsten saßen, direkt auf den Schoß ihres Mannes und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Danke“, nuschelte sie und er wüsste, dass sie gerade mit den Tränen kämpfte. Markus drückte sie fest an sich und strahlte bis über beide Ohren.

Nach der Bescherung zogen die Freunde in die Scheune. Mia, Max und Franz hatten sich wieder einmal selbst übertroffen. In der Scheune stand ein riesiger Weihnachtsbaum, der wunderschön geschmückt worden war und eine Schicht Kunstschnee auf sich trug. Die Scheune war nach wie vor im Berghüttenstil gehalten, wie schon zur Hochzeit von Katharina und Markus. Überall lag der Kunstschnee auf dem Boden verteilt und in allen möglichen Ecken hatten die Drei Laternen verteilt, Sterne an die Wände gehängt, alles, was möglich war, war mit frischer Tanne und Tannengirlanden verziert, so dass es in der Scheune einen herrlichen Duft verbreitete. 

Gemeinsam aßen die Freunde zu Abend und redeten wild durcheinander. Nicht unbemerkt blieb, dass Rudi immer den Arm um Andrea legte. 
„Was haltet ihr von ein bisschen Singen?“, fragte Samu und erntete ein paar fragende Blicke. Mia grinste nur, weil tatsächlich niemand in der Gruppe eine Ahnung hatte, wer da eigentlich mit ihnen am Tisch saß.
Katharina war sofort begeistert und klatschte fröhlich in die Hände. „Oh ja, Samu soll singen. Er singt so schön.“
„Wieso weißt du, wie Samu singt“, fragte Markus sofort alarmiert.
„Ich weiß es eben“, neckte sie ihren Mann, ehe sie ihm einen schlichtenden Kuss gab, der Markus sofort wieder entspannte. 
„Er hat mich in den Schlaf gesungen, als ich umgekippt bin im Krankenhaus“, erklärte sie leise in sein Ohr.
„Was haltet ihr von ein bisschen Singen?“, fragte Samu und erntete ein paar fragende Blicke. Mia grinste nur, weil tatsächlich niemand in der Gruppe eine Ahnung hatte, wer da eigentlich mit ihnen am Tisch saß.
Katharina war sofort begeistert und klatschte fröhlich in die Hände. „Oh ja, Samu soll singen. Er singt so schön.“
„Wieso weißt du, wie Samu singt“, fragte Markus sofort alarmiert.
„Ich weiß es eben“, neckte sie ihren Mann, ehe sie ihm einen schlichtenden Kuss gab, der Markus sofort wieder entspannte. 
„Er hat mich in den Schlaf gesungen, als ich umgekippt bin im Krankenhaus“, erklärte sie leise in sein Ohr.
Mia reichte Samu seine Gitarre. „In Finnland singen wir immer zusammen an Weihnachten. Und da ich immer viel in Deutschland bin, kann ich auch deutsche Lieder. Also, was wollt ihr hören? Ist Stille Nacht okay?“
Ein Nicken der Personen am Tisch reichte aus.
Dann begann Samu sanft „Stille Nacht“ zu singen. Mit den ersten Tönen hatte er die Menschen am Tisch erobert. Jessi lehnte sich an Simon, der selig grinste. Tobias legte seinen Arm um Emilie und zog sie an sich. Zärtlich strich er über ihren Babybauch. Verena griff nach Michis Hand und spielte gedankenverloren mit seinen Fingern. Markus hatte seinen Arm ebenfalls um Katharina gelegt und gleichzeitig hatten sie ihre Hände miteinander verschlungen. Ja, und Rudi? Der küsste Andrea ganz vorsichtig, liebevoll und zärtlich auf den Mund. Gert wusste nicht mehr, wo er bei all den Paaren noch hinsehen sollte und warf Franz einen hilfesuchenden Blick zu. Leise betrat nun auch Peter Herbrechter die Scheune. Er hatte erst noch im Hotel sein müssen, aber jetzt kamen seine Angestellten auch gut alleine klar. Er setzte sich zu Franz und Gert auf die Bank und lauschte der Musik. Katharina lächelte ihrem Vater zu. Dieser beobachtete seine beiden Kinder und genoss es, alle beide so glücklich zu sehen.

Nachdem Samu „Stille Nacht“, „Let it snow“ und noch ein paar andere Songs zum Besten gegeben hat, stellte Michi geradeheraus die Frage, die nicht nur ihn beschäftigte. „Sag mal, Spezi, zum Hobby machst des aber nicht. Du bist ein richtiger Sänger.“
Mia konnte sich vor Lachen nicht mehr halten.
„Ihr habt alle keine Ahnung, wer hier gerade bei uns wohnt, oder!?“ Sie zwinkerte Samu zu. „Und Mama, du solltest es erst recht wissen.“
Erstaunt sah Katharina ihre Tochter an. „Ich?“
„Ja, du“, lachte Mia. „Weißt du, Samu, normalerweise trällert sie mit, wenn du im Radio läufst, darum ist das gerade besonders lustig.“
Sie flüsterte Samu etwas ins Ohr, woraufhin er grinste und nickte.
„Also, aufgepasst jetzt, ihr alten Leute“, giggelte sie frech.
Samu begann mit den ersten Zeilen. 
„Now this is not the time or the place
For a broken-hearted
′Cause this is the end of the rainbow
Where no one can be too sad“

Sofort begann Katharina zu lachen: „Hollywood Hills!“, rief sie laut. „Du bist von Sunrise Avenue!“
Samu setzte aus. „Dass ausgerechnet du meine Musik hörst. Damit hätt ich nicht gerechnet.“
„Nicht nur sie“, kam es von Emilie und Andrea gleichzeitig. 
„Na, dann muss ich euch aber dringend mal zum Konzert einladen.“ 
„Au ja“, quiekte Mia aufgeregt. „Ich war noch nie auf einem echten Konzert.“
„Dann wird das aber Zeit.“
Sie nickte eifrig.
“Jetzt will ich auch das ganze Lied”, forderte Verena lachend.
“Okay. Singt ihr mit?”
Samu begann noch einmal von vorne und tatsächlich waren alle weiblichen Anwesenden in der Lage den Song mitzusingen. 

“Wir haben euch übrigens noch was zu erzählen”, grinste Tobias zu vorgerückter Stunde. “Die Emilie und ich… wir heiraten.” Verliebt sah Tobias Emilie an.
“Ja, in 3 Wochen. Am 15.1.”, fügte Emilie zu und nahm zärtlich seine Hand.
“Und wir am 25.8.”, verriet nun auch Jessi.
Perplex sahen die Freunde sich untereinander an.

“Mein Bruder heiratet und erzählt mir nix?” Katharina lachte fröhlich und ihre Wangen wurden direkt ganz rot vor Vorfreude.
“Und Simon, du Depp? Uns hast auch noch nix erzählt”, mischte sich nun Michi ein.
“Und wo wir dabei sind”, ertönte nun auch Andreas Stimme. “Der Rudi und ich heiraten zwar nicht, aber wir sind zusammen.” Nun wurde Rudi hochrot im Gesicht und schaute verlegen auf die Tischdecke. 
Mia grinste schelmisch. “Ach, der Max und ich, wir heiraten auch.”
Entsetzt sahen Katharina und Markus ihre Tochter an.
“In 4 Jahren”, giggelte sie und knuffte Max in die Seite.
“Was sagst dazu, Peter? Die Kinder sind glücklich. Und mir zwei alten? Mir ham uns”, lachte er.
“Du, Samu? Kannst du noch ein Lied singen, das auch auf Mamas und Papas Hochzeit lief?”
“Klar”, der Finne fühlte sich so wohl bei diesen Menschen, die er zum Teil noch nie vorher gesehen hatte, dass er das gerne tat.

Nach einem wunderschönen Abend fielen Katharina und Markus in der Nacht todmüde ins Bett.
Katharina kuschelte sich an seine Brust, murmelte noch etwas, was Markus aber nicht verstand und war in Sekundenschnelle eingeschlafen. 

21. Weihnachten

Friedlich lag die Ramsau unter einer dichten Schneedecke. Es hatte die ganze Nacht geschneit und pünktlich zum Morgen des ersten Weihnachtstages hatte sich die Wolkendecke am Himmel aufgerissen und die Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel herunter. Mia war schon vor ihrem Wecker aufgewacht und blitzartig aus dem Bett gestiegen. Sie verschwand schnell im Bad, zog sich an und flitzte die Treppen herunter. Sie hatte keinerlei Zweifel daran, dass ihre Eltern noch schliefen und so passierte sie die Tür ohne anzuhalten. Blitzschnell schlüpfte sie in ihre Moonboots und ihre Jacke und rannte hinüber ins Haupthaus. Auch hier schienen alle noch zu schlafen. Leise stieg sie die Stufen zu Max Zimmer hinauf, der auch fertig angezogen bereit stand. Gemeinsam verließen die Teenager das Haus und holten ihre Schlitten aus dem Schuppen. Hand in Hand schlenderten sie Richtung Rodelhang, wo sich die Dorfjugend verabredet hatte.  

Als Markus am Morgen aufwachte, schlief Katharina, wie so oft, noch tief und fest und dicht an ihren Mann gedrückt. Markus war klar, dass seine Frau dringend Schlaf benötigte. Er genoss ihre Nähe, ihr gleichmäßiges Atmen und das Kitzeln ihrer goldblonden Locken an seinem Arm. Das war für ihn einfach ein Gefühl von zuhause. Von seiner Überraschung am Nachmittag hatte Katharina noch keine Ahnung und so ließ er seine Frau einfach schlafen. Tobias und Emilie hatten für den Tag einen Ausflug geplant. Tobias hatte Musicalkarten besorgt und die beiden waren sicherlich schon Richtung Salzburg unterwegs, wo sie die Nacht verbringen würden. Eigentlich hatte Markus überlegt, Katharina Konzertkarten zu schenken, aber die Karten für P!nk überschritten definitiv das Budget. Stattdessen hatte er nun eine romantischere und kostengünstigere Alternative gefunden. Zufrieden kuschelte sich Markus ganz dicht an seine Frau und schlief auch nochmal ein. 

Als Markus das nächste mal die Augen öffnete, war es tatsächlich schon fast 12 Uhr mittags. Katharina blinzelte ihn verschlafen an. „Guten Morgen“, sagte sie lächelnd und streckte sich.  
„Guten Morgen“ erwiderte er liebevoll. „Wie hast du geschlafen?“  
Katharina seufzte. „Wunderbar.“  
„Es ist auch schon nach 12.“ 
„Was?“ Überrascht sah sie Markus an.  
„Ich hab auch bis eben geschlafen“, sagte er grinsend.  
„Die Mia haben wir gar nicht gehört.“  
„Die ist doch rodeln heute.“  
„Ach ja. Was hältst du von Frühstück? Gemütlich unten vorm Weihnachtsbaum?“ Voller Tatendrang sah Katharina ihn an.  
„Gleich, erst noch kuscheln.“ Markus zog seine Frau wieder eng in seine Arme und genoss ihren zierlichen Körper an seinem. Katharina genoss ebenfalls die Nähe ihres Mannes und schlief tatsächlich noch einmal ein. 

Markus sah ihr einfach beim Schlafen zu. Und dachte nach. Er wünschte sich so sehr, dass Katharina glücklich war. Und es tat ihm so leid, dass immer neue Steine auf ihrem Weg lagen. Markus schwor sich, sie immer zu beschützen und sie nie allein zu lassen. Der Anblick seiner Frau in seinem Arm erfüllte sein Herz so mit Wärme. Er war glücklich. Er hatte eine intelligente, warmherzige und wunderschöne Frau, eine unglaublich tolle Tochter, die besten Freunde, die man sich wünschen konnte, ein wunderschönes Zuhause und bald könnte er wieder in seinem Traumjob arbeiten. Jeden Tag ging das Laufen besser. Aber er dachte auch daran, dass er übermorgen seine Frau wieder mit der Klinik teilen musste. Dann bekam er sie wieder kaum zu Gesicht. Aber diese Zeit mussten sie einfach irgendwie schaffen. Sie hatten schließlich schon ganz andere Dinge überstanden. Bald würde auch der Adoptionskurs beginnen und danach würde sich entscheiden, ob sie auf die Warteliste für ein Baby kämen. Wenn sie wirklich eins bekämen, würde Katharina sofort aufhören im Krankenhaus zu arbeiten. Markus hatte extra schon für diese Zeit Geld gespart und Katharina tat es ebenfalls. Immerhin lagen auch die Kosten für eine Adoptiert locker bei 5000€ und mehr. Er hoffte so sehr, dass Katharinas größter Wunsch wahr werden würde. Die Haustür holte Markus aus seinen Gedanken. Mia war vom Rodeln zurück. Er hörte die Tür auch schon wieder ins Schloss fallen. Sein Kind war offensichtlich auch schon wieder unterwegs. Markus schmunzelte. Es war schön, dass sie wieder zuhause war, in Ramsau. Ungern dachte er an die Zeit ohne sie. Markus verstärkte den Griff um Katharina und driftete ebenfalls noch einmal kurz weg.  

„So lange haben wir ewig nicht geschlafen“, lachte Katharina fröhlich und nippte an ihrem heißen Kaffee. Beide Hände hatte sie dabei um die Tasse gelegt. Markus beobachtete sie schmunzelnd, denn seine Frau hatte wirklich ihre eigene Technik, Kaffeetassen zu halten. Katharina stellte die Tasse auf den Couchtisch, rutschte auf dem Sofa zurück und zog die Beine an. Schelmisch grinsend schaute sie zu Markus herüber.  
„Was machen wir jetzt mit dem angefangenen Tag?“, fragte sie. 
„Was möchtest du denn machen?“ Markus schaute sie liebevoll an und schenkte ihr ein ebenso schelmisches Lächeln. 
„Hmmm, kochen müssen wir schon mal nicht, es ist noch mehr als genug von gestern übrig. Das könnte ich uns gleich mal aufwärmen, weil frühstücken brauchen wir jetzt wohl nicht mehr. Und ansonsten möchte ich nur eins.“
Markus sah sie fragend an. 
„Dich“, strahlte sie. „Endlich hab ich mal wieder Zeit mit dir.“ Katharina krabbelte über das Sofa zu Markus herüber und kuschelte sich an seine Brust. Sanft küsste Markus ihre Stirn und schloss die Arme um sie.  
„Ich bin so froh, wenn das endlich vorbei ist und du nicht mehr im Krankenhaus arbeiten musst.“ Markus seufzte tief. 
„Ich auch. Manchmal kann ich einfach nicht mehr und Verena ist auch total fertig.“ 
„Das hab ich gemerkt. Sie ist gestern bald vor Erschöpfung eingeschlafen. Und ich mach mir wirklich Sorgen um dich, Rina. Das Krankenhaus, die Prüfungen, die Bergrettung, jetzt kommt noch der Adoptionskurs.“ 
„Ich schaff das schon, solange du bei mir bist.“  
„Katharina…“, setzte Markus leicht verzweifelt an. 
„Da muss ich einfach jetzt durch. Aber ich hab die Bitte um Stundenreduzierung eingereicht, ich denke, dann kriegen wir alles besser geregelt, auch wenn es länger dauert. Und wenn wir einen Zwerg bekommen, unterbreche ich halt. Weißt du, mir war es immer so wichtig, in der Medizin zu arbeiten, aber jetzt merke ich, dass sich mein Fokus verschoben hat. Du und Mia, ihr seid einfach das Wichtigste für mich.“ 
„Und du für uns.“ Markus küsste sie zärtlich. „Und jetzt ziehen wir uns dick an und gehen raus, okay?“ 
Katharina nickte und rutschte von ihrem Mann. 
„Das wird schon gleich dunkel, wir haben den ganzen schönen Tag verbummelt“, sagte Katharina etwas traurig. 
„Du brauchtest den Schlaf so dringend. Und mir tat er auch richtig gut. Morgen soll das Wetter auch wieder so schön sein.“ 
„Hörst du das?“ Katharina schaute Markus irritiert an. „Kommt da eine Kutsche?“ 
Markus grinste sie nur verschmitzt an und schon kam eine Pferdekutsche um die Ecke. „Frohe Weihnachten, Rina“, flüsterte er ihr ins Ohr. 
Katharina umarmte ihn fest. „Frohe Weihnachten.“ 

Dicht aneinandergekuschelt und unter dicken Decken vergraben genossen die beiden eine romantische Kutschfahrt in die Abenddämmerung hinein. Katharinas Wangen glühten richtig vor Kälte und Aufregung. Sie genoss die Fahrt so sehr und ließ Markus Hand gar nicht mehr los. „Das ist ein so schönes Geschenk“, freute sie sich. 
„Schön, dass es dir gefällt. Eigentlich wäre ich gerne richtig mit dir ausgeritten, aber das geht ja nun gerade nicht.“ 
„Du kannst reiten?“, fragte Katharina sichtlich überrascht. „Das wusste ich ja gar nicht.“ 
Markus grinste. „Das kann ich tatsächlich, aber darüber haben wir ja nie gesprochen bisher.“ 
„Dann reiten wir aus, wenn du wieder fit bist.“ 
„Versprochen. Und zu unserem Häuschen müssen wir auch mal wieder, nach dem Rechten schauen. Morgen vielleicht?“ 
„Ja, warum nicht? Schauen wir mal, was unser Kind für Pläne hat.“
Die Fahrt führte auch am Friedhof vorbei, wo Markus kurz darum bat, anzuhalten. Gemeinsam besuchten sie zuerst Johannas Grab. Markus war erstaunt, dass ein kleiner Weihnachtsbaum bei ihr stand und schon eine Kerze brannte. „Wo kommt denn der Baum her?“, fragte er verwundert. 
„Das waren Mia, Franz und ich.“ 
„Wie lieb von euch.“ 
Katharina lächelte sanft. Sie griff nach Markus Hand. „Wo sie schon nicht bei uns sein kann.“ 
„Ich hab viel zu spät begriffen, wie lieb ich sie habe.“ 
„Sie hat es gewusst, Markus. Sie war deine Mutter.“ 
Gemeinsam besuchten sie noch Katharinas Sternenkind, dessen Grab ebenfalls liebevoll dekoriert worden war.  Katharinas Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Sie fühlte immer wieder diese Trauer und diese Schuldgefühle. Wenn sie damals auf Markus gehört hätte, würde ihr kleines Mädchen noch leben. Markus wusste sofort, was in seiner Frau los war, ließ die Krücken einfach zu Boden fallen und schloss sie in seine Arme. Er wusste, dass manche Tage für Katharina besonders hart waren. Weihnachten, Todestag und eigentlicher Geburtstag der Kleinen waren so Tage. Markus war froh, dass Katharina es mittlerweile zuließ, dass er sie zum Grab begleitete. Anfangs wollte sie stets alleine dort sein. Und auch Katharina war froh, dass sie Markus nicht mehr ausschloss. Sie wollte ihren Kummer nicht mehr vor ihm verstecken und Markus fing sie einfach immer wieder auf. Er war auch der einzige Mensch, dem sie den Vornamen ihrer Tochter anvertraut hatte. Niemandem hatte Katharina anvertraut, dass sie ihrem Kind einen Namen gegeben hatte. Elin. Die Strahlende. Katharina fand, dass der Name perfekt zu ihrem Sternenkind passen würde. Markus hauchte Katharina einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: „Frohe Weihnachten, kleine Elin. Grüß meine Mama von mir.“ Katharina lächelte. Der Gedanke, dass ihr Sternenkind nicht allein war, gefiel ihr, er wirkte tröstlich. „Komm, Katharina, wir fahren nach Hause. Zu Mia.“ 

Nach der Kutschfahrt sah das Ehepaar im Haupthaus vorbei, nachdem sie Mia in ihrem Häuschen nicht vorfanden. Diese hatte es sich mit Samu, Franz, Rudi, Andrea und Max im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Gemeinsam spielten sie Tutto. Markus und Katharina spielten noch mit und verbrachten einen schönen und lustigen Abend gemeinsam. 

Der zweite Weihnachtstag brachte ebenfalls viel Sonne. Mia und Max verbrachten den Vormittag beim Skilaufen, während Markus und Katharina nach ihrem kleinen Häuschen sahen. Am Mittag backten Mia und Katharina für alle einen Kuchen. Der Himmel hatte sich ordentlich zugezogen und es hatte angefangen zu schneien. Markus, Katharina und Mia hatten sich auf ihr Sofa gekuschelt und Mia hatte einen Weihnachtsfilm ausgesucht. Der Kamin knisterte vor sich hin und Katharina lag gedankenverloren mit dem Kopf auf Markus Schoß. 
„Woran denkst du?“, fragte er sie. 
„Ich hab gerade überlegt, wie der Adoptionskurs wohl sein wird.“ 
„Ich hab schon voll Schiss davor.“  
„Mehr als nein sagen können sie nicht“, lächelte Katharina. „Ich hab mehr Sorge, dass wir die Zeiten nicht schaffen. Wenn Du am Berg festhängst oder ich in der Klinik. Über unsere Berufe sind die definitiv nicht glücklich.“ Katharina seufzte.  
„Aber wieso?“, fragte nun Mia. „Ihr habt tolle Berufe und um mich kümmert ihr euch doch auch.“ 
Katharina sah ihre Tochter liebevoll an. „Du bist ja auch schon groß.“ 
„Klar. Und ich kann euch helfen. Und mit dem Baby spielen und es füttern und so.“ 
Markus lächelte. „Perfekt. Eine bessere große Schwester gibt es nicht.“ 
Mia grinste zufrieden und schob sich ein Plätzchen in den Mund. Mit vollem Mund legte sie nach: „Und irgendwann werdet ihr ja auch Oma und Opa, falls es wirklich mal nicht klappt.“ 
Erschrocken sah Markus seine Tochter an. Daran hatte er ja noch überhaupt nicht gedacht.  
Katharina lachte nur herzhaft. Sie kannte ja bereits Mias Idee mit dem Enkelkind und amüsierte sich über Markus erschrockene Reaktion. 
„Auf den Tag freu ich mich jetzt schon, Spätzchen.“ 
Markus schaute Katharina entsetzt an. „Aber bis dahin hast du noch Zeit. Viel Zeit. Sehr viel Zeit, hörst du?“ 
Mia kicherte. „Ich weiß, Papa.“ 

22. Hofhochzeit

„Katharina?“ 
„Ja, ich bin in der Küche.“ 
Emilie kam mit einem Kuchen bewaffnet durch die Tür. „Der ist für heute Abend“, erzählte sie fröhlich. „Hier riecht es aber lecker, was kochst du?“ 
Katharina stellte den Kuchen auf die Anrichte. „Also eigentlich kocht die Mia, aber die hat sich nochmal zu Max verkrümelt, bevor es nachher los geht. Sie hat ihre berühmte Lasagne im Ofen. Und dann haben wir noch ein bisschen Fingerfood gemacht.“ 
„Wie lieb von Euch.“ Emilie strich sanft über ihren stetig wachsenden Babybauch. „Ich kann es kaum glauben, morgen zu heiraten.“  
„Und zum 2. Mal meinen Bruder“, grinste Katharina. 
„Dein Bruder ist der richtige und niemand sonst. Das weiß ich jetzt so sicher.“ 
„Und er weiß das auch. Wo steckt der überhaupt?“ 
„Der hat für die Jungs Riesenpizzen bestellt und holt die im Hotel ab.“ 
„Kaaathaaaariiiiinaaaa“, ertönte Markus Stimme aus dem Obergeschoss.  
„Geh zu ihm, wir sehen uns nachher.“ 
Katharina stellte schnell den Ofen aus. „Bis später.“ 


Markus stand vor dem Schrank im Schlafzimmer und rief erneut Kaaathaaaariiiiinaaaa.“ 
„Mensch, Markus, was schreist du denn so?“ 
„Ich find meine Krawatte nicht.“ Verzweifelt sah er sie an. 
„Wie wär es denn, wenn du mal in der kleinen Lade ganz unten schaust?“ Grinsend hockte sie sich vor den Schrank, zog das Schoss auf und hielt ihm seine Krawatte vor die Nase.  
„Das ist viel zu tief unten, wie soll ich die denn da sehen?“ Hilflos sah er sie an und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, nur um sie dann in seine Arme zu ziehen. Markus schlang die Arme um ihre Taille und begann sie küssen. Erst auf den Mund, dann über den Hals abwärts. „Wir haben noch Zeit“, flüsterte er und warf mit einer Hand die Tür zu. Schnell drehte er den Schlüssel herum.  
„So, wir haben also noch Zeit?“, fragte sie zwischen den Küssen. 
„Mhm, haben wir.“ Markus griff spontan unter ihre Knie und nahm sie auf den Arm. Katharina schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte sich an seine Brust. Markus trug sie rüber zum Bett, setzte sich darauf, aber ließ sie nicht los. Er hielt sie weiter fest umschlungen und küsste sie zärtlich und liebevoll, ehe er sie schließlich aufs Bett legte. „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“, flüsterte er und streichelte ihr Gesicht. Verliebt sah Katharina ihn an.  
„Nicht so schön wie du“, sagte sie leise und streichelte voller Liebe über seinen Oberkörper… 


Später lagen die beiden kuschelnd beieinander. „Weißt du noch unsere Hochzeit?“, flüsterte Katharina. 
Markus grinste. „Als du mit dem Heli zu mir geflogen wurdest.“ 
„Die Mia für uns gesungen hat.“ 
„Und wir hier auf dem Hof gefeiert haben, bis wir abgehauen sind in unser Häuschen.“ 
„Das war so ein schöner Tag.“ 
„Wollen wir zum 1. Hochzeitstag nicht abhauen? Irgendwohin? Nur wir beide? Trag doch mal Urlaub ein.“ 
Katharina begann zu strahlen. „Das mach ich.“ 
„Ich hab auch schon eine Idee, wohin.“ 
Fragend schaute Katharina ihren Mann an. 
„Lass dich überraschen.“ 
„Dann sind wir auch zurück, wenn das Baby von Emilie und Tobi kommt.“ Markus konnte Wehmut in ihrer Stimme ausmachen und hatte ein flaues Gefühl im Magen. Nun würde es nicht mehr sehr lange dauern, bis das Kind da wäre. Wie würde Katharina damit klar kommen? Markus machte sich große Sorgen.  
„Markus?“, sprach Katharina leise. „Ich schaff das schon.“ 
Tief schaute Markus in ihre Augen. Sie wusste einfach genau, was ihn gerade beschäftigte. „Wir schaffen das. Und wir werden die besten Paten der Welt werden.“ 
Katharina lächelte. „Das werden wir.“ 
“Sag mal, kann ich nicht doch heute Abend hier bei dir schlafen? Wir haben doch schließlich schon geheiratet.” Markus schaute Katharina enttäuscht an. 
“Nein. Du bist heute für meinen Bruder verantwortlich”, grinste sie. “Was aber nicht heißt, dass ich ohne Gute-Nacht-Kuss schlafen möchte.” 
“Dann treffen wir uns heimlich heut Nacht auf dem Hof?” 
Katharina nickte nur lächelnd. “Das tun wir.” 
Zufrieden sah Markus seine Frau an. Langsam wurde es Zeit, sich etwas anzuziehen und den Abend mit den Freunden zu verbringen. Markus ging herüber zu Tobias, wo er mit Michi, Rudi, Simon, Franz, Max und Samu den Abend verbrachte, während Emilie, Verena, Jessi und Andrea den Abend bei Katharina und Mia verbrachten. 

Zu weit vorgerückter Stunde bekam Katharina eine SMS von ihrem Mann. Grinsend stahl sie sich davon. Vor der Haustür lauerte schon Markus und lehnte an seinem Wagen.  
„Hey“, sagte er leise. 
„Hey“, antwortete seine Frau, bevor Markus sie schon an sich zog.  
Es war eine sternenklare wunderschöne Nacht. Markus nahm Katharinas Hand und zog sie hinter sich her. „Komm.“ 
Katharina folgte Markus um das Haupthaus herum zur Bank, die auf der Rückseite des Hauses stand und von wo aus man den Dachstein herrlich sehen konnte. Markus hatte schon vorher eine Decke auf die Bank gelegt und setzte sich darauf. Katharina zog er auf seinen Schoß. „Die Nacht ist so wunderschön, lass uns ein paar Minuten Sterne gucken.“ 
Katharina lehnte ihren Kopf an seinen und je länger sie in der Dunkelheit saßen, je klarer und schöner wurden die Sterne.  
„Dir ist kalt, geh wieder rein“, flüsterte Markus nach einer Weile. „Die werden eh schon alle gemerkt haben, dass wir weg sind“, lachte er. 
Katharina lachte. „Ich glaub auch. Aber es ist gerade so schön hier.“ In Markus Armen fühlte sie sich einfach so wohl und geborgen. Sie genoss seine Nähe so sehr. „ Wie geht’s denn meinem Brüderchen?“ 
Markus lachte. „Der ist so nervös, das glaubst du gar nicht.“ 
„Die Emilie auch.“ 
„War ich aber auch vor unserer Hochzeit. Ich hatte echt Angst, dass ein Einsatz kommen und alles zerstören würde. Als wir dann beide oben an der Kapelle waren und du bei mir warst, da war es dann gut. Ab dann war ich einfach nur noch glücklich.“ 
„Ging mir auch so. Morgen darf auch einfach kein Einsatz dazwischen kommen. Tobi und Emilie verdienen diese Hochzeit so sehr.“ 
„Ich hab versucht alles abzuwenden. Unsere Gröbminger Freunde sind mit bei uns. Die Kutsche für unsere beiden ist auch rechtzeitig da. Mein Anzug liegt auch bereit und er ist nicht tannengrün.“ Markus grinste frech und Katharina lachte laut los.  
„Tannengrün“, kicherte sie. „Der hässlichste Anzug dieses Planeten, aber der Mann darin hat alles aufgewogen. Obwohl er mich ständig geärgert und aufgezogen hat.“ 
„Du hast mir einfach so schöne Steilvorlagen geliefert.“  
Katharina musste schmunzeln. Es war wirklich im Nachhinein betrachtet sehr witzig gewesen. Doch dann hatte das Schicksal ihnen einfach kein Glück gegönnt. Ständig war irgendetwas, so dass sie einfach nicht richtig zueinander fanden, obwohl sie sich immer geliebt hatten. Heute ärgerten sich beide über die verlorene gemeinsame Zeit und versuchten so viel wie möglich davon aufzuholen.  
„Ich glaub, wir müssen jetzt wirklich wieder rein“, sagte Katharina leise. Sie legte dabei ihre Hand an Markus Wange und küsste ihn zärtlich.  
„Ich glaub auch.“  
Katharina rutschte vom Schoß ihres Mannes und zog ihn hinter sich her.  
Markus brachte seine Frau bis vor die Haustür, küsste sie noch einmal und ging dann ebenfalls zu seiner Männertruppe zurück. 


„Katharina?“, rief Markus verzweifelt. „Wo ist denn meine Krawatte jetzt wieder?“  
Katharina kam im Bademantel aus dem Bad zu ihrem Mann ins Schlafzimmer. „Die hab ich dir doch gestern gegeben.“ 
„Ich find sie aber nicht.“ 
„Weit weg sein kann sie ja nicht.“ 
Katharina half Markus beim suchen. „Was haben wir denn gestern gemacht?“ 
„Das hier.“ Markus zog seine Frau in seine Arme und küsste sie.
„Ach ja“, seufzte sie. „Ich erinnere mich wieder“, meinte sie grinsend. „Schauen wir mal unterm Bett.“ 
Markus sah sie fragend an. „Unterm Bett?“ 
Auch wenn Markus wieder ohne Krücken lief, hinknien konnte er sich noch nicht so gut, darum sah Katharina nach. Grinsend holte sie die gesuchte Krawatte hervor. „Taaadaaaa.“ 
Markus reichte ihr die Hand zum Aufstehen. „Danke. Du bist die Beste.“ 
„Ich weiß.“ Mit einem Lachen küsste sie ihren Mann flüchtig. „Und jetzt muss ich mich weiter fertig machen.“ 
„Warum? Du siehst doch gut aus.“ 
„Blödmann. Jetzt geh dich anziehen.“ 
„Jawohl, Frau, ich gehe ja schon.“ 
Katharina kicherte vergnügt. „Brav, Mann.“ Dann verschwand sie Richtung Badezimmer. 
Durch eine gut organisierte Arbeitsteilung unter den Damen, waren sie wirklich pünktlich fertig. Emilie sah entzückend aus. Sie trug ein langes weißes, schlichtes, aber wunderschönes Umstandsbrautdirndl. Die Haare hatten ihre Freundinnen in Wellen gelegt und mit kleinen Röschen verziert. Dazu hatte sie einen Brautstrauß mit weißen und rosafarbenen Rosen. 
„Mein Bruder fällt steif nach hinten, wenn der dich sieht, Emilie.“  
Emilie strahlte glücklich. Sie konnte es gar nicht erwarten, Frau Herbrechter zu werden. „Das war mein Plan.“ 
„Ist aufgegangen“, lachte Mia. „Du siehst mega aus.“ 
„So, die Jungs sind weg“, Verena schaute um die Ecke in die Küche, wo Emilie saß und auf ihren Auftritt wartete.  
„Dann fahren wir jetzt auch. Verena, Andrea, fahrt ihr bei mir mit?“ Jessi hatte schon ihren Autoschlüssel in der Hand. 
Nervös tänzelte Tobias vor dem Standesamt von einem Bein aufs andere.  
„Ruhig, Tobi.“ Markus legte seinem besten Freund den Arm auf die Schulter. „Du kennst das doch.“ 
„Diesmal muss es aber wirklich für immer sein.“  
„Das wird es.“Markus war sehr zuversichtlich. „Emilie wird begeistert sein, wie gut du ausschaust in deiner Tracht.“ 
„Aber eigentlich wollte ich eine ausgefallene Hochzeit und jetzt stehen wir ganz normal am Standesamt.“ 
„Weil deine Frau schwanger ist, darum habt ihr das Standesamt gewählt. Vergiss nie, dass der Grund, warum ihr so entschieden habt, ein ganz toller ist.“ 
„Du hast ja Recht.“ 
„Und jetzt lass uns mal rein gehen zu den anderen. Es ist arschkalt und die Mädels brauchen sicher eh noch.“ 


Es dauerte nicht lange, als die beiden Wagen mit den Frauen auf den Parkplatz fuhren. Die Gesellschaft wartete bereits im Saal auf die Ankunft des Brautpaares. Markus und Tobias warteten noch vor dem Saal. Als Tobias Emilie erblickte, war er ganz hin und weg. Sie sah so schön aus. Liebevoll schloss er sie in seine Arme und küsste sie. Auch Markus war total vom Anblick seiner Frau überwältigt. Katharina trug ein dunkelblaues Festtagsdirndl mit hellblauer Schürze. Markus hatte keine Ahnung gehabt, dass sie sich ein neues Kleid gekauft hatte. Aber jetzt verstand er, warum sie ihn so vehement zum dunkelblauen Anzug gedrängt hatte. Und sie trug tatsächlich die Trachtenjacke, die sie auf ihrer eigenen Hochzeit schon getragen hatte. Sie passte perfekt. Markus sah sie mit strahlenden Augen an und legte die Arme um sie. „Frau Kofler, du siehst umwerfend aus. Wenn du nicht schon meine Frau wärst, würde ich dich vom Fleck weg heiraten.“ 
Katharinas Wangen erröteten leicht. 
Markus nahm sie an die Hand und gemeinsam betraten sie den Saal, um als Trauzeugen vorn Platz zu nehmen.  
Die Standesbeamtin führte sie durch eine wunderschöne Trauung, bis sie das Wort an den Bürgermeister übergab. Peter hatte eine herzergreifende Rede für das Brautpaar geschrieben, mit der er die Anwesenden sehr verblüffte. Er war schließlich auch derjenige, der die Trauung vollzog. Markus hatte Katharinas Hand die ganze Zeit über in seiner gehalten.  

Vor dem Rathaus wartete schon die Hochzeitskutsche auf Emilie und Tobias, welche die beiden erst zu einem Photoshooting und dann zum Hof brachte. Der Hof war pünktlich zur Ankunft der Eheleute wunderschön geschmückt und statt Sekt gab es einen Umtrunk mit Punsch und Glühwein.  Zur Feier gesellten sich alle in die Scheune, wie schon zur Hochzeit von Katharina und Markus vor einigen Monaten. Samu sang dem Brautpaar ein paar gefühlvolle Lieder, die alle berührten. Markus stand hinter Katharina und hatte beide Arme um sie gelegt. 

„Er singt einfach wunderschön.“ 
Katharina nickte. „Das tut er“, sagte sie leise. 
„Und jetzt hab ich noch einen Song für euch, den tatsächlich bisher nur Katharina kennt. Er ist im Krankenhaus entstanden.“ 
Erstaunt sah Katharina Samu an. „Home“, sagte sie nur und Samu nickte. 
Katharina drückte sich noch näher an Markus und umklammerte seine Arme noch mehr. 
Aufmerksam hörten sie Samu zu und Katharina hatte wieder Gänsehaut bekommen. 
Samu musste schmunzeln. Auch wenn Katharina für ihn unerreichbar war und sie einen schlechten Start hatten, umso besser kamen sie jetzt miteinander aus.  
„Schade, dass wir dich zu unserer Hochzeit noch nicht kannten“, sagte Katharina wehmütig. „Du singst einfach so schön, Samu.“ 
„Danke. Es bedeutet mir viel, wenn du das sagst. Bei dir weiß ich, dass du es auch so meinst.“ 
„Das meine ich auch genau so.“ 
„Schau mal kurz weg, Markus, ich muss deine Frau einfach mal drücken.“ 
Markus lachte. „Solange ich sie zurückbekomme.“ 
„Aber wenn du sie mal nicht mehr willst, dann schick sie zu mir.“ Samu grinste. 
„Vergiss es, meine Kathi gehört zu mir.“ 

Zu späterer Stunde hatte Peter ein riesiges Feuerwerk mit passender Musikuntermalung arrangiert. Begeistert stand die Gesellschaft auf der Rückseite des Hauses und sah das Feuerwerk vor der Kulisse des Dachsteins, der in der hellen Winternacht gut zu erkennen war, an.  

Bis in die frühen Morgenstunden feierten die Freunde ausgelassen auf dem Hof ein rauschendes Fest. Und es würde sicherlich nicht das letzte sein, da waren sich alle sicher. Schließlich kam in wenigen Monaten eine kleine neue Erdenbürgerin dazu, die getauft werden musste. 

23. Helsinki

„Markus, nun verrat mir doch endlich, wo wir hinfahren.“ Katharina war ganz nervös, als sie in Markus Auto kletterte.

„Nö“, sagte er nur grinsend. „Nu lass dich doch einfach überraschen.“

„Ich hasse Überraschungen“, quengelte sie leicht ungehalten.

„Man, Katharina, nu stell dich nicht so an.“

Schmollend saß sie auf dem Beifahrersitz, was Markus schmunzelnd zur Kenntnis nahm.

„Lachst du mich gerade aus?“, fragte Katharina.

„Nein, ich lache dich an, du kleine Nervensäge.“

Katharina schob die Unterlippe leicht vor.

„Bald weißt du es doch.“

„Ich weiß ja nicht mal, ob ich richtig gepackt habe, weil du nix sagst.“

„Katharina. Ist es nicht eigentlich total egal, WO wir unseren Hochzeitstag verbringen? Ist es nicht viel wichtiger, dass wir ihn zusammen verbringen?“

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Du hast Recht. Das Wichtigste ist, dass ich dich hab.“

Markus lenkte den Wagen auf die Autobahn Richtung Salzburg. „Schlaf doch ein bisschen, es ist doch erst 4 Uhr und du hattest bis eben Dienst.“

„Dazu bin ich viel zu aufgeregt.“

Markus lachte. „Eine Woche nur für uns. Da kann man natürlich aufgeregt sein.“

„Eben.“

„Ach, ich wollte dir noch was erzählen. Wir haben Post vom Jugendamt.“

„Und?“ Katharina war sofort in Alarmbereitschaft.

„Wir stehen jetzt auf der Liste für ein Kind. Wir haben tatsächlich alle Hürden genommen. Jetzt muss nur noch eins zu uns passen.“

Katharina begann zu strahlen. „Das ist ja wunderbar.“

„Ich freue mich auch so sehr auf eine kleine Katharina oder einen kleinen Markus.“

„Hast du schon Ideen für Namen, falls wir selbst bestimmen dürfen?“

„Nö. Du?“

Katharina überlegte. „Also Elin wäre eigentlich eine Lina oder Luisa geworden, wenn sie kein Sternenkind geworden wäre.“

„Mit den Namen wäre ich total einverstanden.“ Markus war froh, dass sie geschmacklich gleich tickten. „Und für einen Jungen?“

Katharina seufzte. „Ich weiß es tatsächlich nicht. Felix oder Elias vielleicht. Auf jeden Fall etwas klar verständliches.“

„Genau. Nichts, wo der Kleine seinen Namen zig mal wiederholen oder buchstabieren muss.“

„Eben. Über Jungennamen habe ich damals nicht nachgedacht, weil ich ja wusste, dass es ein Mädchen werden würde.“

„Ich bin gespannt, was wir für ein Kind bekommen.“

„Ich auch.“ Katharina seufzte. „Bisschen Angst hab ich aber auch“, gab sie zu.

„Das wird schon werden“, meinte Markus.

Markus steuerte den Wagen auf den Langzeitparkplatz des Flughafens Salzburg.

„Wir fliegen?“ Katharina war kurz weggedöst und hatte das Abfahren von der Autobahn gar nicht mitbekommen.

„Wir fliegen. Und hast du auch schon eine Idee wohin?“

Markus sah sie forschend an.

„Ans Meer“, lachte sie. „In die Sonne.“

„Na ja, also eins davon stimmt. Und jetzt komm.“

Katharina hüpfte aus dem Wagen, nahm ihren Rucksack von der Rückbank und half Markus mit dem Gepäck.

Neugierig sah Katharina auf die Abflugzeiten.

„Helsinki?“, fragte sie und begann zu lächeln.

Markus  grinste sie zufrieden an.

„Woah, wie cool. Besuchen wir Samu?“

„Japp. Der zeigt uns ein bisschen von Helsinki und hat uns eingeladen.“

„Da hat der nix von gesagt. Ich hab gestern noch mit dem telefoniert.“ Katharina schüttelte lachend den Kopf.

„Na, dann lass mal einchecken.“ Markus freute sich auf die kommende Woche. Plötzlich musste er grinsen.

Katharina sah ihn fragend an.

„Weißt du, woran ich gerade denken muss?“

„Ähm, nee?“

„An Verena!“

Irritiert sah Katharina Markus an. „Du denkst an Verena?“

„Ja. Kannst du dir die nächste Woche nicht bildlich vorstellen? Sie wird einfach nur zum Himmel beten, dass sie nicht in den Heli klettern muss.“

Nun musste Katharina lachen. „Oh ja, das wird sie. Sie hasst die gelbe Mühle so sehr.“

„Und trotzdem vertritt sie dich immer.“

„Wahrscheinlich tut sie das eher Michi zuliebe“, grinste sie.

Im Flugzeug überließ Markus Katharina den Fensterplatz, den sie dankend annahm. Sie freute sich so sehr auf die Reise, dass sie ganz rote Wangen bekommen hatte. Markus beobachtete sie von der Seite, wie sie aufgeregt durchs Fenster schaute und sich wie ein kleines Kind freute.

Der Sonnenaufgang über den Wolken war so schön, dass Katharina ein paar Fotos mit ihrem Handy machte. Markus nahm ihre Hand in seine und lehnte seinen Kopf an ihren.

Die zweieinhalb Stunden Flug vergingen rasend schnell. Genauso schnell hatten die beiden ihr Gepäck und als sie aus dem Sicherheitsbereich kamen, stand ein breit grinsender Samu vor ihnen, der ihnen ein Schild entgegen hielt. Bergrettung Ramsau stand da mit großen Lettern geschrieben. Lachend umarmten die beiden den großen blonden Finnen.

„Schön, dass ihr beiden da seid.“ Samu freute sich aufrichtig, das konnten die beiden Bergretter deutlich spüren. „Kommt, ich zeige euch meine Heimat.“

Samu führte die beiden zu seinem BMW, lud das Gepäck ein und düste Richtung Stadtzentrum.

„Du wohnst mitten in der Stadt?“ Katharina war irritiert. Ein Promi, der mitten in der Stadt wohnte. „Aber hier finden dich doch deine Fans sofort.“

„Ach, Prinzessin, die finden mich doch überall.“

„In Ramsau nicht“, lachte Markus.

„Das stimmt. Da kannte mich niemand.“ Wehmütig dachte Samu an die Zeit zurück.

„Du kannst immer zu uns kommen, das weißt du!?“ Markus wies noch einmal auf sein Angebot hin.

„Danke. Ich werde kommen. Wenn das Baby da ist, zur Taufe. Emilie hat mich so darum gebeten.“

„Mach das, wir freuen uns“, strahlte Katharina.

„Dann lasst uns mal hoch gehen. Oder ihr fahrt besser mit dem Aufzug mit dem Gepäck.“

Oben angekommen öffnete Samu die Wohnungstür. Die Wohnung war ganz offensichtlich riesig. Der Flur war hell und einladend. Dahinter lag ein riesiges Wohnzimmer. Katharina entfuhr nur ein „Wow.“.

„Ich zeig euch mal alles.“

Samu führte seine Gäste zuerst durch das Wohnzimmer an das eine große Küche angrenzte. Hinter der Küche führte ein kleiner Gang in den Gästebereich. Samu hatte ein großes Gästezimmer mit eigenem Balkon und eigenem Bad. In der anderen Hälfte der Wohnung gab es ein großes Musikzimmer, ein kleines Büro, ein Gäste-WC, ein Bad, ein  großes Schlafzimmer, einen Haushaltsraum, ein kleines Wohnzimmer und eine große Dachterrasse. Katharina war sprachlos. Die Wohnung war sehr geschmackvoll eingerichtet.

„Und? Glaubst du mir endlich, dass ich genug Platz für euch beide hier habe?“ Samu grinste Markus breit an.

„Absolut, ja. Das ist irre.“ Katharina kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Das ist wirklich gewaltig“, meinte Markus.

„Wollen wir gleich eine Kleinigkeit essen?“

Samu grinste, er wusste, dass Katharina nicht nein sagen würde, denn sie aß wirklich gern.

Schnell brachte das Paar ihr Gepäck in Samus Gästezimmer und schon zogen sie los.

„Wo wollen wir denn was essen?“, fragte Samu seine Gäste.

„Am Meer“, rief Katharina freudig.

„Ich glaube, meine kleine Badenixe hier möchte unbedingt das Meer sehen.“

„Dann laufen wir jetzt dahin. Es ist aber noch teilweise zugefroren. Und zum Essen fahren wir rüber nach Uunisaari und laufen rüber nach Liuskasaari.“

Irritiert sah Markus Samu an. „Wir essen bitte wo?“

„Liuskasaari. Das ist eine ganz kleine Insel direkt um die Ecke.“

Bis dorthin war es tatsächlich nicht weit, wenige Minuten später standen sie schon am Meer. Die Eisplatten schwammen noch darauf umher. Der Wind wehte durch Katharinas Locken.

„Bleib mal so stehen, Katharina.“ Samu zog sein Handy aus der Tasche und ging in die Knie, um Katharina abzulichten. „Stell dich mal dazu, Markus.“

Samu schob Markus daneben und machte ein weiteres Foto.

„Darf ich euch beide mal so richtig fotografieren?“, fragte Samu das Paar.

Katharina grinste. „War das Foto jetzt unrichtig, oder was?“

Markus schaute Samu fragend an.

Der lachte nur. „Mit richtig mein ich doch mit ner richtigen Spiegelreflexkamera. Ich hab ewig nichts mehr fotografiert, aber ihr seid ein klasse Motiv.“ Er hielt sein Handy hoch und präsentierte seine Schnappschüsse.

„Oh, wow, da seh ich ja richtig gut aus“, strahlte Katharina.

„Hahahaha. Fishing for compliments“, lachte Samu.

Markus grinste in sich hinein. Katharina hasste es fotografiert zu werden und fand Fotos von sich grundsätzlich nie gut.

Entrüstet sah Katharina Samu an und stemmte die Hände in die Hüfte.

Der sah ihr fest in die Augen. „Ich hab dir schon mal gesagt, dass du eine wunderschöne Frau bist. Das hab ich auch so gemeint.“

Katharinas Wangen erröteten leicht.

„Was meinst du, wie oft ich ihr das sage“, seufzte Markus. „Aber, Samu, denk dran: meins.“

Grinsend griff Markus nach Katharina und warf sie sich über die Schulter. Katharina quietschte und giggelte.

„Gegen dich hab ich eh keine Chance“, lachte Samu und zog an der Glocke, um das Schiff anzufordern, das sie zur Insel Uunisaari hinüberbrachte.

„Wow, ist das schön hier“, Markus Blick schweifte über die Ostsee. „Diese Felsen überall sind echt cool.“

Breit grinsend sah Samu seine Besucher an.

„Ich hab euch doch gesagt, Finnland ist toll.“

Katharina steckte ihre Hand in die kalte See.

„Traust du dich rein?“, fragte Samu.

„Klar“, kam die Antwort der jungen Frau wie aus der Pistole geschossen.

Irritiert schaute Samu sie an, dann sah er zu Markus, der breit grinste und ihm trocken antwortete: „Wenn sie das sagt, kannst du davon ausgehen, dass sie das tut.“

„Hast du gedacht ich trau mich nicht oder was?“ Herausfordernd sah Katharina den blonden Finnen an.

„Jetzt oder nach dem Essen?“

„Du meinst das wirklich ernst?“

Katharina lachte nur herzhaft. „Klar.“

„Okay, aber nach der Sauna. Morgen im Löyly.“

„Abgemacht“, sagte sie kichernd und entfernte sich vom Wasser.

„Die meint das wirklich ernst oder?“ flüsterte Samu Markus ins Ohr.

„Oooh jaaa, das tut sie“, grinste Markus.

Über den schmalen Stieg machten sich die drei auf den rüber zur Nachbarinsel Liuskasaari. Umgeben von Meer und wilden Felsformationen kletterten sie auf die Insel.

„Ich glaube, der Mia würde das hier auch gefallen. Das nächste Mal muss sie einfach mit.“ Katharina vermisste ihre Tochter schon.

„Kommt doch in den Sommerferien, dann können wir auch in mein Sommerhaus fahren. Platz hab ich mehr als genug und es ist herrlich da draußen.“

„Werden wir dir sicher nicht zu viel?“, fragte Katharina nachdenklich.

„Hey, ich würde es nicht anbieten, wenn es ein Problem wäre. Und im Sommer haben wir so viel mehr Möglichkeiten als ihr jetzt hier habt. Finnland ist wirklich ein Sommertraum.“

„Ich fänds schon cool“, meinte Markus.

„Also wär das geklärt, ihr kommt! Und jetzt ab ins Warme.“

Am nächsten Nachmittag schneite es dicke weiße Flocken vom Himmel. Entlang der Küste spazierten die drei Freunde zum Löyly. Katharina und Samu hatten da ja noch etwas zu erledigen und Markus beschloss, dass er es den beiden gleichtun wollte. Eigentlich hatte er mit Sauna nichts zu tun, aber es gehörte schließlich auch irgendwie zu Finnland.

In der Sauna schnaufte er ordentlich.

„Ich weiß nicht, was ihr daran gut findet“, sagte Markus sichtlich fertig.

„Du solltest auch besser rausgehen, Du siehst fertig aus.“ Besorgt sag Katharina ihren Mann an, stand auf und nahm seine Hand. „Komm“, sagte sie sanft und führte ihn, gefolgt von Samu, raus auf die Terrasse.

Die kühle Winterluft tat Markus augenblicklich gut.

„Na, spring schon ins Meer“, sagte er grinsend.

Katharina düste augenblicklich zur Leiter und plumpste fröhlich in die eiskalte Ostsee.

Samu sah ihr ungläubig hinterher. „Das hat die jetzt nicht wirklich gemacht.“

Markus lachte. „Na klar. Das ist eben Katharina. Es gibt nichts, was sie nicht macht.“

„Wo bleibt ihr zwei denn?“, rief sie leicht ungeduldig zwischen den Eisschollen.

„Bleibt uns wohl nix anderes übrig“, lachte Markus und folgte seiner Frau.

Samu sprang direkt ins Wasser und nach einem kurzen Bad ging es zurück ins Löyly, wo sie noch gemeinsam etwas aßen und den Nachmittag bei tollen Gesprächen genossen.

Die nächsten Tage waren gespickt mit Sightseeing. Dombesichtigung, die Innenstadt, der Hafen samt Markthallen und frischen Lachsbagels, Seurasaari und den heutigen Tag, ihren Hochzeitstag verbrachten Katharina und Markus allein auf Suomenlinna. Die Sonne schien von einem blauen Himmel auf die beiden herab. Hand in Hand schlenderten sie über die verschneite Festungsinsel und erkundeten jeden Winkel.

„Echt schön hier“, sagte Katharina und lehnte sich an Markus, der sofort seine Arme um sie schlang.

„Total.“

Markus legte sein Kinn auf Katharinas Kopf ab. Immer wieder fiel ihm auf, wie perfekt seine Frau größentechnisch eigentlich dahin passte.

Die Ostsee plätscherte leicht auf die Felsen und die Möwen kreisten auch im Winter auf der Jagd nach Futter über die Insel.

“Wollen wir noch was für die Mia holen, bevor wir

 wieder zurück zum Boot gehen?”, fragte Katharina.

“Machen wir.”

Gemeinsam schlenderten sie zurück Richtung Bootsanleger, besuchten den Souvenirladen am Museum für ihre Tochter, die sich natürlich gewünscht hatte, dass ihre Eltern ihr etwas mitbrachten. Schnell hatten sie sich auf einen dezenten Helsinki-Hoodie für Mia festgelegt von dem sie sich sicher waren, ihren Geschmack hundertprozentig getroffen zu haben.

Danach liefen sie noch zum Cafe Vanille, um sich ein bisschen bei einem heißen Kaffee und einem Stück Kuchen aufzuwärmen.

In der Dämmerung nahmen sie das Schiff zurück zum Festland und bestaunten die Lichter der Stadt, die sich in der Ostsee spiegelten.

“Das war ein toller Hochzeitstag”, sagte Katharina nachdenklich. Ihre Wangen glühten richtig und Markus liebte es so an ihr, wenn ihr Gesicht diese Farbe hatte.

“Absolut. Kein Einsatz, kein Krankenhaus, einfach nur wir beide. Ich hab übrigens noch etwas für Dich.”

Überrascht und sichtlich aufgeregt sah Katharina ihn mit ihren großen Augen an.

“Gleich, wenn wir wieder bei Samu sind.” Markus grinste. Er wusste, dass sie ungeduldig war, wenn es um Überraschungen ging.

“Aber wir wollten uns doch nichts schenken.”

“Ich weiß, aber es ist unser erster Hochzeitstag und da konnte ich nicht anders.”

Katharina lächelte ihn sanft an und nahm seine Hand.

„Ich hab aber auch noch eine Kleinigkeit für dich im Koffer.“

Grinsend sah Samu seine Gäste an, als sie in die Wohnung kamen. „Na, ihr beiden, wie war euer Tag.“

„Herrlich“, sagte Katharina mit einem strahlenden Lächeln. „Es ist so schön hier.“

„Wo sie Recht hat“, meinte Markus und er strahlte nicht weniger.

„Wollen wir nachher gemeinsam essen gehen oder wollt ihr lieber für euch bleiben heute?“, fragte Samu.

Markus und Katharina waren sich einig, dass sie gern den Abend mit Samu verbringen würden.

„Dann reserviere ich uns einen Tisch.“

„Und wir gehen schnell duschen und ziehen uns um.“ Markus schob Katharina in Richtung ihres Zimmers.

Katharina warf ihre Winterjacke aufs Bett und zog die dicken Schuhe aus. „Ich düs schnell als erstes unter die Dusche“, rief sie lachend.

„Stopp, ich komm mit.“ Markus grinste breit, warf seine Sachen achtlos auf den Boden und folgte ihr ins Bad.

Am nächsten Tag machte Samu noch die angekündigten Bilder mit seiner Spiegelreflexkamera, bevor es für die beiden Bergretter wieder zurück in die Ramsau ging.

Samu versprach sehr bald zu kommen. Es dauerte nun wirklich nicht mehr lange bis Emilie und Tobias Eltern eines kleines Mädchens werden würden. Katharina freute sich wahnsinnig darüber bald Tante zu werden, auch wenn sie immer wieder ein Gefühl von Angst überkam. Aber mit Markus würde sie das schon meistern.