Für die Bergretter-Meisterin am Zeichentisch: Julia. Ich bin echt froh, dass der kleine große Luise-Traum sich doch noch erfüllt hat. Wenn er auch nur kurz war. 😘
Und Luise: Vergib mir, was ich immer mit Katharina anstelle 🫣
Wine: Irgendwann wird alles gut!!!
Katharina sank erschöpft in den Sitz des gelben Helikopters. Die Aktion gerade war haarscharf gewesen. Noch immer sah sie ihren Bruder die Steilwand hinabstürzen. In letzter Sekunde war Michi ihr zur Hilfe geeilt, da sie allein ihren Bruder nicht lange halten konnte. Mit vereinten Kräften hatten sie ihn wieder hinaufgezogen. Nicht viel hatte gefehlt und sie wären gemeinsam gestorben. Katharina hätte das Seil niemals losgelassen. Lieber wäre sie mit Tobias zusammen in den Tod gestürzt.
Der Schreck steckte noch in ihren Gliedern und ihre Hände zitterten. Wäre Markus bei dem Einsatz dabei gewesen, wäre es wahrscheinlich nicht so brenzlig geworden. Und das alles für einen Fehlalarm. Es hatte nie einen Verletzten gegeben und Katharina hatte eine unbändige Wut auf den Anrufer, der sie grundlos alarmiert und in die Schlucht geschickt hatte. Und sie hatte Wut auf Markus. Markus war der Leiter der Bergrettung, doch seit er mit Alex zusammen und Nina aus dem Himalaya zurückgekehrt war, hatte er keinen Kopf mehr für seine Arbeit. Ständig musste er sich um Nina kümmern oder Alex kleinen Sohn Ben hüten. Katharina war klar, dass sich Markus für Ninas Unfall verantwortlich fühlte. Sie kannte ihn nicht anders und eigentlich liebte sie ihn dafür. Doch momentan brachte er sie damit auf die Palme. Ständig tänzelte er um Nina herum und es war nicht zu übersehen, wie sehr Nina es genoss, von Markus umsorgt zu werden. Katharina übte jeden Tag mit ihr das Laufen und sie konnte schon sehr gut mit Krücken gehen. Und wenn Markus nicht für Nina sorgte, war da noch Alex. Die neue Frau an Markus Seite. Die Frau, die er nun mehr liebte, als er sie jemals geliebt hatte, wie sie bitter erkennen musste. Mit ihr war er nicht bereit, über eine Adoption auch nur nachzudenken. Kind oder ich, war seine Ansage. Katharina hatte es das Herz gebrochen. Schweren Herzens verließ sie letzten Endes ihre große Liebe. Die große Liebe, die jetzt mit Freude vor ihrer Nase ein fremdes Kind großzog. Sie hätte einfach wegziehen können, aber sie wollte bei ihrem Bruder und Emilie bleiben. Die beiden waren ihre Familie und gerade jetzt brauchte sie den Halt, den sie ihr gaben, auch wenn der Ort dafür sehr unglücklich war. Innerlich verfluchte Katharina sich jeden Tag für ihren Kinderwunsch. Wenn der sie nicht so gequält hätte, wäre sie noch an Markus Seite und er würde sich nicht wie ein verliebter Gockel aufführen. Katharina spürte wieder diese Wut aufsteigen, als Michi sie ansprach. „Erde an Katharina. Sag mal, träumst du?“ Ertappt drehte sie sich um. „Was?“ „Ich sagte, Türe zu, wir fliegen mit dem Spezi hier ins Krankenhaus.“ Katharina nickte nur und schloss die Tür.
Katharina lenkte den schwarzen Jeep auf den Hof. Tobias hielt seine verletzte Hand, als er aus ihrem Wagen kletterte. Sofort kam Emilie aus dem Haus. „Tobias“, rief sie und eilte die Treppen herunter, um ihren Lebensgefährten in eine Umarmung zu ziehen. „Was ist passiert?“, fragte sie nach einem Blick auf seine Hand.
„Abgerutscht. Aber zum Glück war meine Schwester da. Und der Michi. Ist aber nix gebrochen. Nur eine kleine Verstauchung.“
„Gott sei Dank“, atmete Emilie erleichtert auf.
„Die nächsten Tage hast du ihn erstmal bei dir“, grinste Katharina.
„Da habe ich nix gegen“, lächelte Emilie.
„Bekomm ich ein Verwöhnprogramm?“, fragte Tobi schelmisch.
„Na klar.“ Emilie drückte ihm liebevoll einen Kuss auf die Lippen.
Katharina seufzte und musste lächeln. Es war so schön zu sehen, dass ihr Bruder und Emilie wieder zueinander gefunden hatten. Die Beiden waren einfach ein absolutes Traumpaar. Ihr Blick wanderte rüber zu dem kleinen Häuschen mit den roten Fensterläden. „Markus zuhause?“, fragte sie möglichst emotionslos.
„Nee, der ist mit Nina und Ben spazieren.“
„Natürlich, was für eine Frage.“ Katharina rollte genervt die Augen.
„Kennst ihn doch, der fühlt sich verantwortlich“, sagte Emilie beschwichtigend.
„Aber er übertreibt“, wandte nun auch Tobi ein. „Die Bergrettung interessiert den gar nicht mehr. Soll er sie aufgeben und sich doch nur noch um seine Weiber kümmern. Meine Schwester hat er immer hintenangestellt, jetzt sind plötzlich alle anderen wichtiger.“
Katharina schluckte den Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, herunter. Sie wollte nicht schon wieder weinen, weil es einfach so verdammt weh tat zu merken, dass Markus sie wohl nie wirklich geliebt hatte. Immerhin war sie der Grund, warum Markus kein Kind mit ihr wollte. Sie hatte so gehofft, dass Markus seine Entscheidung noch einmal überdenken würde, aber er hatte sich in Alex verliebt. Daran gab es nichts zu rütteln. Sie musste das akzeptieren, egal, wie schwer es ihr auch fiel und in Zukunft auch fallen würde. Mittlerweile war sie sich dessen bewusst, dass sie nie wieder einen Mann so lieben können würde, wie Markus. Seit Markus mit Alex glücklich war, hatte auch der Schmerz über den Verlust ihrer ungeborenen Tochter wieder Oberhand genommen. Wenn ihre Kleine das Licht der Welt erblickt hätte, wäre er ein Vater für sie gewesen. Ganz selbstverständlich. Und genau dieser Gegensatz ließ sie immer wieder zweifeln. Vielleicht hatte Markus sie doch geliebt. Damals. Wann er wohl damit aufgehört hatte? Als Mia fortging? Jedenfalls hatten da ihre Probleme angefangen. Markus hatte sie in keine seiner Entscheidungen einbezogen und sie ständig vor vollendete Tatsachen gestellt, als wäre sie kein Teil dieser Familie. Wie sehr er sie damals damit verletzt hatte, hatte sie ihm nie gesagt. Und doch vermisste sie ihn. Ihre Gespräche, seine Fürsorglichkeit, seine Berührungen. Einfach alles.
Katharina war nur noch kurz unter die Dusche gesprungen und hatte sich in ihre Schlafsachen geworfen. Draußen war es noch warm und hell. Sie setzte sich in den Liegestuhl, den sie auf ihrem Balkon im Dachgeschoss stehen hatte. Sie steckte ihre AirPods in die Ohren und tippte auf ihrem Handy. Sie fühlte sich schrecklich unglücklich und wählte eine Playlist, die zu ihrer Stimmung passte. Eigentlich hätte auch Heavy metal heute gut gepasst, denn die Wut auf Markus war noch immer in ihr. Ihr war klar, dass sie gar kein Recht dazu hatte, aber sie empfand es so. Plötzlich huschte eine WhatsApp-Nachricht hoch. Als Katharina den Namen der Absenderin las, begann sie zu lächeln. Mia. Sofort öffnete sie die Nachricht. Mia schrieb, dass sie so gern kommen würde in den Ferien, aber Markus ihr gesagt hatte, dass er nicht viel Zeit für sie haben würde, wegen Ben, Alex und Nina. Mia wollte wissen, ob es bei Katharina anders aussah. Katharina konnte zwischen den Zeilen der Jugendlichen so viel Enttäuschung ausmachen. Sie ging in ihr Zimmer zurück, schloss die Balkontür und rief ihre Ziehtochter an. Eine knappe Stunde hatte Katharina mit ihr telefoniert und sie freute sich, dass das Mädchen nach Hause kam. Auch, wenn Markus keine Zeit hatte, sie wollte sie sich unbedingt nehmen.
Schnell flitzte sie zu Tobi runter und kündigte schon mal an, dass sie zwei Wochen Urlaub für Mia nehmen wollte. Der grinste nur und sagte lächelnd „Das kriegen wir wohl hin.“ Katharina drückte ihn fest.
„Sie fehlt dir sehr, oder?“ Katharina nickte nur und begann zu schluchzen. Tobi zog sie erneut in seine Arme. Als sie sich beruhigt hatte, erzählte sie Tobi von ihrem Gespräch. Tobi verstand nicht, dass Markus sie offenbar nicht dahaben wollte. „Kann es sein, dass Ben Mias Zimmer bekommen hat?“, fragte Tobi seine Schwester.
„Das kann der doch nicht machen.“ Mit großen Augen sah sie sichtlich entsetzt ihren Bruder an.
„Traust du ihm sowas wirklich zu?“, fragte sie. Tobias sah ihr tief in die Augen und nickte nur zaghaft.
„Alex hat ein eigenes Haus, da muss er doch nicht Mias Zimmer weggeben. Aber Mia kann bequem bei mir oben schlafen.“
„Bereust du, dass du das Appartement oben gemietet hast?“, wollte Tobi von seiner Schwester wissen.
„Manchmal schon. Ich fühl mich super wohl oben, die Wohnung ist so schön geworden, ich hab euch um mich, aber jeden Tag die Happy Family zu sehen, das tut schon weh. Alex ist ja gar nicht mehr zuhause. Aber ansonsten ist mein Reich da oben ein wahrer Traum geworden. Und ich bin gespannt, was die Mia sagt.“
„Na, die wird sich freuen, dass du extra ein Schlafsofa gekauft hast.“ Tobi grinste seine Schwester an. „Willst was essen? Emilie hat Gemüsesuppe gekocht.“
Katharina schüttelte nur den Kopf.
„Katharina“, mahnte Tobi. „Du wirst immer dünner. Du musst essen!“
Gequält sah Katharina ihren Bruder an. „Ich hab keinen Hunger.“
„Komm, für mich. Nur ein bisschen.“
Geschlagen sah Katharina ihren Bruder an. „Na gut, dir zuliebe.“
Tobi hangelte einen Teller aus dem Regal und stellte ihn neben den Ofen. Mit der gesunden rechten Hand schippte er ordentlich Einlage auf den Teller. Mit einem Grinsen nahm Katharina den Teller und brachte ihn zum Tisch. Tobi setzte sich neben sie. „So ist brav“, sagte er schelmisch. Aber er war wirklich erleichtert, dass sie aß, denn immer, wenn sie Kummer hatte, blieb die Nahrungsaufnahme bei ihr auf der Strecke. Und bei einer zierlichen Person wie Katharina fiel es erst recht auf, wenn sie Gewicht verlor. Die Suppe und das Gespräch mit Tobi taten ihr gut. Katharina spülte gerade ihren Teller ab, als Markus durch die Tür kam.
„Hey“, grüßte er fröhlich. „Ich wollte nur sagen, ich komme morgen erst mittags. Alex muss zu Gericht und ich hab Ben.“ Markus wollte schon wieder abrauschen, als Tobias ihn zurückpfiff.
„Nee, das geht nicht.“
„Was? Warum nicht?“ Markus sah erstaunt auf seinen besten Freund.
Katharina warf Markus ihren gefürchteten Killerblick zu. „Weil dein bester Freund heute am Berg beinahe abgerauscht wäre“, zischte sie und stellte ihren Teller lauter als geplant auf die Anrichte. Fragend sah Markus zwischen Tobi und Katharina hin und her.
„Weil sich ein Haken gelöst hat. Und wir ständig einer zu wenig sind mittlerweile“, sagte Tobias ernst. Wenn Michi nicht so schnell gewesen wäre, dann wären Katharina und ich jetzt nicht mehr hier.“ Katharina warf Tobi einen mahnenden Blick zu. Er sollte Markus nicht erzählen, dass sie mit über den Abgrund gegangen wäre. Markus sollte nicht denken, dass sie ihn brauchen würde. Sie kam allein klar.
„Warum habt ihr denn nicht angerufen?“, sagte er kleinlaut.
„Wann denn? Als sich der Fels gelöst hat, während du dich um Ben, Alex und Nina kümmern musstest?“
„Man, Tobi, das ist nicht fair. Ich bin jetzt Familienvater und muss mich da rein finden.“
„Und Mia darüber vergessen?“ Katharina sah Markus strafend an. „Ich hab eben mit unserer Tochter gesprochen. Sie kommt in den Ferien. Wenn nicht zu dir, dann zu mir. Urlaub im Hotel hab ich mir bereits genommen. Bei der Bergrettung brauche ich den dann ebenfalls.“
Markus sah sie verständnislos an. „Denkst du nicht, das hättest du mit mir absprechen müssen?“
„So wie du mit mir abgesprochen hast, dass sie von hier fortgeht?“ Katharina war immer noch tief verletzt darüber, obwohl es mittlerweile zweieinhalb Jahre zurücklag.
„Mia ist meine Tochter“, sagte Markus trocken.
„Keine Sorge, das werde ich schon nicht vergessen, du erinnerst mich ja immer wieder dran. Aber vielleicht lässt es ja dein Terminplan zu, auch mal etwas mit deiner Tochter zu unternehmen? Die war nämlich zutiefst enttäuscht, dass du sie nicht hier haben möchtest.“
„Aber das stimmt doch so gar nicht. Ich hab halt einfach keine Zeit, mich wirklich um sie zu kümmern. Ich hab doch den Kleinen, der meine Aufmerksamkeit braucht und Nina kommt auch nicht allein klar. Außerdem hat Alex Ben in ihrem Zimmer einquartiert. Der Kleine braucht sein eigenes Reich, sagt sie.“ Tobi sah Markus strafend an und schüttelte nur den Kopf.
Katharina wurde langsam richtig sauer. „Du hast bitte was!? Mias Zimmer weggegeben? Sag mal, spinnst du eigentlich komplett?“
„Mia ist eh kaum hier.“
„Aber das ist doch kein Grund deiner Tochter ihr Zimmer wegzunehmen. Bist du irre!? Was soll sie denn denken, wenn sie herkommt?“ Katharina knallte das Handtuch auf die Anrichte und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. „Was stimmt mit dir nicht?“
„Du bist doch nur frustriert, weil ich jetzt genau das habe, was du immer wolltest. Eine Familie mit einem zuckersüßen Kind. Und genau darum bist du jetzt böse mit mir. Aber du bist gegangen, meine Liebe. Du hast alles zerstört. Und jetzt stell dich hier nicht als die Supermama hin, das bist du nämlich nicht und das warst du auch nie.“
Katharinas Augen füllten sich mit Tränen. Wortlos verließ sie die Küche. Das hatte gesessen. Katharina rannte die Treppen zu ihrem Appartement hinauf, warf die Tür ins Schloss und fiel weinend auf ihr Bett. Der Vorwurf von Markus, sie war keine gute Mutter für Mia, hatte sie zutiefst verletzt. Sie hatte immer versucht, Mia eine gute Mutter zu sein. Mia wandte sich auch heute noch mit ihren Problemen an sie. Seit sie weg war, schickten sie sich jeden Abend eine Gute-Nacht-SMS.
Etwas später klopfte es an ihrer Tür. „Katharina? Ich bin’s, Tobi. Darf ich reinkommen?“
Verweint öffnete Katharina die Tür und fiel ihrem Bruder in die Arme.
„Hey, nicht weinen. Der Markus spinnt doch.“
„Tobi, war ich wirklich eine so schlechte Mutter?“, schluchzte sie. „Vielleicht ist mein Baby deshalb gestorben, weil ich ihm keine gute Mutter gewesen wäre.“ Katharina weinte verzweifelt.
Tobi strich ihr immer wieder beruhigend über den Rücken. „Du bist eine gute Mutter.“ Tobias blieb noch bei seiner Schwester, bis die sich beruhigt hatte und er ihr erzählen konnte, wie sehr er sich eben mit Markus gestritten hatte.
Am nächsten Morgen war Markus nicht in der Bergrettung. Er hatte keinen Babysitter für Ben und Nina gefunden. Rudi und Katharina hielten allein die Stellung, Michi am Heliport. Katharina saß auf Rudis Schreibtisch und gemeinsam tranken sie ihren Morgenkaffee.
Rudi war sofort aufgefallen, dass Katharina etwas bedrückte. „Was ist los, Katharina? Du hast doch was.“
Mit einem Lächeln sah sie Rudi an. Er hatte so feine Antennen, wenn es um sie ging, dass es fast unheimlich war. „Glaubst du, dass ich eine schlechte Mutter bin?“
Entsetzt sah Rudi sie an. „Wer erzählt denn so einen Scheiß?“
Katharina seufzte nur und Rudi verstand sofort. „Der Markus spinnt. Du warst und bist ne tolle Mama.“
Dankbar warf sie Rudi ein Lächeln zu.
„Ich wär jedenfalls gern dein Kind.“
Nun lachte Katharina. „Ach, Rudi.“
„Auf das von Alex und Markus darf ich noch nicht mal aufpassen.“
„Was?“
„Weil Alex ihn mir nicht anvertraut.“
„Sollte ich doch jemals ein Kind bekommen, darfst du es hüten, Rudi.“
Rudi begann breit zu grinsen. „Echt jetzt?“
„Ganz echt!“ Das Telefon klingelte und riss die beiden Bergretter aus ihrer Unterhaltung.
„Oh, top Besetzung“, rief Michi, der schon den Heli startklar gemacht hatte. „Wo ist denn der Markus?“
„Ich hab ihn angerufen, aber der hat noch Kinderbetreuung und kommt eventuell nach, wenn Alex wieder da ist“, antwortete Rudi. „Ich komm mit.“
„Wir schaffen das auch ohne den Markus“, sagte Katharina mit diesem gewissen Unterton. Katharina zeigte Michi die Karte. „Also, hier ist die kleine Emma, 5 Jahre, in die Höhle gelaufen. Das ist der Eingang des alten Stollengeflechts. Und da alles so porös ist, ist der Eingang vorhin verschüttet worden, ehe die Eltern die Kleine zurückholen konnten. Das wird die Sache nicht unbedingt einfacher machen, wenn die Kleine da tiefer hinein gelaufen ist. Da gibt es unzählige Wege.“
„Schauen wir uns das mal an. Dann mal alle einsteigen, holen wir das Kind da raus.“
Michi flog seine Kollegen zum verschütteten Höhleneingang. Gemeinsam checkten sie die Lage, aber der Eingang war von dicken Felsen verbaut.
„Wir könnten von oben in die offene Spalte hinein. Aber das ist verdammt riskant.“ Michi schaute zwischen seinen Kollegen hin und her. „Wenn das Gestein in Bewegung kommt, sind wir am Arsch.“
„Ich geh ans Tau“, sagte Katharina. „Lass mich vorsichtig runter.“
„Katharina, das ist lebensgefährlich“, wandte Rudi ein.
„Ich weiß, aber wir können das Kind nicht da unten lassen. Und der Spalt ist so schmal, dass ich da schon kaum reinkommen werde, geschweige denn du, Rudi. Anders geht es nicht. Ich muss da runter.“
Wenige Minuten später ließ Michi in Millimeterarbeit Katharina hinab in die schmale Spalte.
Sie quetschte sich durch zu dem kleinen Mädchen, das verängstigt am Höhlenrand saß. „Hallo Emma“, sprach Katharina, während sie sich vom Tau löste. „Ich bin Katharina und ich hole dich jetzt hier raus.“ Emma nickte und ließ sich von Katharina das Bergedreieck anlegen. Dann brachte Katharina sie in eine sichere Abflugposition. „Der Michi zieht dich jetzt mit dem Heli nach oben, okay?“
„Okay“, flüsterte das zitternde Mädchen.
„Michi für Katharina. Das Kind hängt startklar im Bergedreieck.“
„Alles klar, Katharina, ich hol sie hoch. Rudi nimmt sie entgegen und dann holen wir dich.”
„Okay.“ Langsam bewegte sich Emma in die Lüfte. „Gut so, Emma, du machst das toll.“
Emma hatte kaum die Spalte verlassen, als das Geröll erneut in Bewegung geriet. Katharina konnte noch rechtzeitig zurückweichen, ehe die letzte frei Spalte zugeschüttet wurde. In der Höhle war es stockfinster. Zum Glück hatte Katharina ihr Helmlicht dabei. Sie versuchte, Michi und Rudi anzufunken, aber die Steine störten jeglichen Funk. Auch ihr Handy war ohne Empfang. Katharina sank auf den Boden an der Höhlenmauer und musste sich erst einmal sammeln, um wieder klar denken zu können.
Oben hatte Rudi die kleine Emma in Empfang genommen, die weinend in die Arme ihrer überglücklichen Eltern fiel. Immer wieder versuchten Michi und Rudi Katharina anzufunken oder anzurufen, aber kamen nicht zu ihr durch.
„Ich ruf den Tobi an“ meinte Michi. Rudi nickte nur. Seine Sorge um Katharina schnürte ihm regelrecht den Hals zu. Fieberhaft überlegte er, wie er den für ihn wichtigsten Menschen befreien konnte.
„Markus!?“, Tobi schrie regelrecht über den Hof.
„Ja, was willst du?“, sagte dieser kühl und kam um seine Hausecke herum, wo er mit Ben im Sandkasten gespielt hatte. „Wo willst du denn hin?“, fragte er irritiert, als er sah, dass Tobi seine komplette Bergretterausrüstung samt Schuhen unter dem Arm hatte.
„Die Katharina“, sagte er nur.
„Was ist mit Katharina?“, fragte Markus alarmiert.
„Verschüttet“, stammelte Tobi. „Ich muss da hin. Und Emilie ist in Salzburg bei ihrer Schwester.“
„Ich muss nur Ben irgendwo lassen.“ Markus eilte ins Haus, holte seine Ausrüstung und rief Alex an, dass sie sofort kommen müsste. Bis dahin verdonnerte er Nina zum Aufpassen und verschwand mit Tobi. Unterwegs erklärte Tobi Markus, was er von Michi wusste.
Katharina hatte sich währenddessen wieder gesammelt. Dieser alte Stollen hatte unzählige Wege und irgendwo musste es auch einen zweiten Ausgang geben. Alle Stollen hatten einen zweiten Ausgang. Katharina begann weiter ins Berginnere zu laufen. Auf ihrer Karte waren Wegstrecken von 2-3 km eingezeichnet gewesen. Von außen hätten sie versteckte Eingänge nach der langen Zeit niemals gefunden, aber von innen musste sie ja eigentlich nur dem richtigen Weg folgen. Aber welcher war der richtige Weg?
Mittlerweile hatte Rudi den nächstgelegenen Steinbruch angerufen und um Hilfe gebeten. Es würden bald ein paar Mitarbeiter kommen, um zu schauen, wie man Katharina befreien konnte. Auch Markus und Tobi waren vor Ort. Markus verstand nicht, wieso sich Katharina in diese Gefahr begeben hatte.
„Was hätte sie denn tun sollen, Markus?“, fragte Michi aufgebracht. „Wir waren zu dritt, sie ist die kleinste und schmalste. Wir wären da nicht durchgekommen. Und auch du net. Oder der Tobi. Sie hat dem Mädchen das Leben gerettet. So schauts aus. Ohne Katharina wäre jetzt die Kleine allein verschüttet. Wär auch nicht wirklich besser, oder? Die Katharina kann sich noch selbst helfen, das Kind nicht.“
„Aber sie hat nichts dabei. Keinerlei Ausrüstung“, sagte Rudi leise. „Nicht mal was zu trinken.“
Währenddessen irrte Katharina durch den Berg auf der Suche nach einem weiteren Ausgang. Langsam war sie erschöpft und durstig. Aber sie hatte einfach nichts dabei. Mittlerweile war sie seit mehr als 5 Stunden in dieser Höhle gefangen. Es war schon früher Abend und sie bezweifelte langsam, dass sie es vor Sonnenuntergang schaffen würde, ihrem Gefängnis zu entfliehen. Aber sie wollte nicht aufgeben und suchte weiter. Wieder kam sie an eine Weggabelung. Katharina versuchte, an den Wänden Hinweise zu entdecken und blieb hängen an einer eingeritzten Sonne. Zumindest sah es für sie aus wie eine Sonne. Katharina entschied sich, diesem Weg zu folgen.
Draußen waren mittlerweile die Steinbruchmitarbeiter angekommen und nahmen den zugeschütteten Eingang unter die Lupe. Mindestens zwei Tage schätzten sie für das Freilegen des Eingangs ein, was bei den Bergrettern Verzweiflung auslöste.
Markus nahm sich nochmal die Karte vor. „Das Ding muss einen zweiten Ausgang haben.“
„Aber wo?“, fragte Tobi.
„Ich weiß es nicht, aber wir müssen den suchen. Hier rumstehen hilft uns nicht weiter. Michi und Rudi, fliegt ihr mal die Rückseite ab? Und wir umrunden das Gebiet hier unten, oder, Tobi?“
„Das machma.“ Michi nickte nur und verschwand mit seinem Kollegen im Heli.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatten die Bergretter das Gebiet nach einem zweiten Eingang abgesucht. Keiner wollte den Berg über Nacht verlassen und so hatte Michi mit Rudi Zelte und etwas Verpflegung auf den Berg geflogen. Unweit des gelben Vogels hatten sie zwei Zelte aufgebaut. Markus und Tobias teilten sich eins. „Wir finden sie, Tobi.“ Weiter kam Markus nicht, da klingelte sein Handy. „Oh, das ist Alex.“ Markus kletterte zum Telefonieren noch einmal aus dem Zelt heraus.
„Hey“, grüßte Markus seine Freundin.
„Ich wollte nur fragen, wann du endlich hier bist. Essen ist fertig.“
„Ich bleibe am Berg heute Nacht.“
„Was!? Wieso das denn!? Du kannst doch jetzt eh nix machen.“
„Wir sind alle hier. Katharina ist unsere Freundin, wir lassen sie nicht allein.“
„Das hätte sie sich mal besser überlegt, bevor sie solche Aktionen macht.“
„Das war keine Aktion. Katharina hat ein Kind gerettet.“
„Ja, schön. Und weil deine Ex Heldin spielen muss, lässt du Ben und mich hier allein sitzen? Wir sind deine Familie.“
„Natürlich seid ihr meine Familie. Aber Katharina wird immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben sein.“
„Na toll. Du bleibst lieber am Berg wegen Katharina als nach Hause zu uns zu kommen?“
„Alex, bitte. Was soll das jetzt?“
„Ich schaue nur, wo deine Prioritäten liegen. Sie sollten auf Ben und mir liegen.“
„Heute liegt meine Priorität auf Katharina und darauf, dass sie lebend aus dem Berg kommt.“
„Ganz toll, vielen Dank auch. Und was mach ich morgen mit Ben? Zur Arbeit mitnehmen vielleicht?“
„Alex, ich habe auch einen Job, den ich wegen Ben massiv vernachlässigt habe in den letzten Monaten. So geht das nicht mehr weiter. Ben ist dein Kind, nicht meins.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst.“
„Doch, Alex. Meine Tochter hast du aus ihrem Zimmer verbannt für Ben. Das geht so nicht.“
„Ben braucht eben Privatsphäre.“
„Ben ist eineinhalb!“
„Ja, der entwickelt sich gerade. Und darum braucht er dich.“
„Alex, lass uns das in Ruhe besprechen. Da hab ich gerade keinen Kopf für.“
„Klar, Katharina ist ja auch wichtiger als deine Familie.“
„Verdammt nochmal, ja! Katharina ist wichtiger!“ Entnervt beendete Markus das Gespräch, indem er einfach den „Gespräch beenden“-Button drückte. Er zog tief die Luft ein und dachte an Katharina. Mit ihr gab es einfach nie solche Diskussionen. Mit ihr stritt er eigentlich immer nur über seine Waghalsigkeit. Und auch nur, weil sie ihn so sehr liebte. Auch jetzt stritten sie noch darüber, dabei waren sie seit zweieinhalb Jahren getrennt. Markus entsperrte sein Handy und öffnete den Fotoordner. Dann klickte er das Album Katharina auf. Nie hatte er ihre Bilder gelöscht, sondern sie in einen extra Ordner verschoben. Auf den gemeinsamen Bildern hatte sie immer so fröhlich gelächelt und gestrahlt. Sich immer an ihn gedrückt, egal wie verschwitzt er auch gerade gewesen war. Markus musste schmunzeln und war froh, dass es keine Geruchsfotos gab. Aber Katharina hatte ihn immer geküsst und umarmt, egal, wie er gerade aussah. Auf den letzten Fotos allerdings wirkte sie richtig kraftlos und erschöpft. Ihre Augen strahlten nicht wie sonst, auch wenn sie ihr schönstes Lächeln in die Kamera hielt. Sie sah ihn immer noch voller Liebe an, aber jetzt, mit Abstand, sah er erst, wie schlimm es ihr gegangen sein musste. Er überlegte, wann er Katharina das letzte Mal so hatte strahlen sehen, wie vor ihrem Kinderwunsch. Hatte sie überhaupt jemals wieder so glücklich ausgesehen? Markus überlegte fieberhaft. Nicht einmal, als Doc Schlaftablette mit ihr ein Kind wollte, hatte sie so glückliche Augen gehabt. Er verglich noch einmal seine Katharina von früher mit der Katharina von heute. Sein Magen zog sich zusammen. Schlagartig wurde ihm klar, wie sehr sie leiden musste. Immerhin lebte er ihr seit Monaten eine glückliche Familie vor. Und dann war er gestern so schrecklich gemein und unfair zu ihr gewesen. Katharina war keine schlechte Mutter für Mia. Ganz im Gegenteil. Auch heute noch vertraute Mia ihr und er wusste, dass sich die beiden sehr liebten. Warum war er noch gleich gestern so gemein zu ihr gewesen? Er wusste es nicht einmal mehr. Aber egal, warum er es war, er musste sich entschuldigen. Der Gedanke, dass er sie gestern zum letzten Mal gesehen haben könnte und das Treffen ausgerechnet so verlaufen war, tat ihm unendlich leid. Katharina bedeutete ihm immer noch viel. Zu viel. Und er wünschte sich nichts mehr, als sie in seine Arme schließen zu können.
Markus stand lange in der dunklen Nacht und dachte nach. Irgendwann kam Tobi zu ihm nach draußen. „Was ist los?“, fragte er vorsichtig.
Markus schluckte schwer. „Einfach alles“, sagte Markus leise. „Tobi, ich glaube, ich mache gerade alles falsch.“ Markus begann zu weinen und spürte direkt die Arme seines besten Freundes um sich. Als Tobias ihn das letzte Mal so verzweifelt hatte weinen sehen, hatte sich Katharina von ihm getrennt. Tobias drückte ihn noch fester an sich und streichelte mit der gesunden Hand über seinen Rücken. „Du hattest gestern in allen Punkten Recht“, schluchzte Markus.
Katharina war mittlerweile am Ende ihrer Kräfte angekommen. Sie hatte schrecklichen Durst. Und ihr war furchtbar kalt. Auch ihr Kopf hämmerte unaufhaltsam. Ihr war klar, dass sie dabei war zu dehydrieren. Erschöpft sank sie an der Felswand hinab. Katharina zog die Beine an und legte ihren Kopf auf die Knie. Ein leises Schluchzen entwich ihr. Sie zog ihr Handy aus der Jackentasche und schaltete es ein. Sie öffnete den Bilderordner und sah auf die Bilder, die sie unter Familie gespeichert hatte. Mia lachte sie dort strahlend an. Ihr Mädchen war jetzt eine hübsche junge Frau geworden. Sie blätterte weiter durch Fotos von Tobi und Emilie, ihrem Vater bis zu den Bildern als Mia noch klein war. Als Markus und sie noch glücklich waren. Ihr fiel selbst auf, wie glücklich sie damals war. Mittlerweile war sie ausschließlich traurig. Und sie war selbst daran schuld. Sie hatte Markus verlassen. Und dieser Fehler ließ sich nicht rückgängig machen. Katharina fuhr mit den Fingern über Markus und Mias Gesichter und schaltete das Telefon wieder aus, um Akku zu sparen. Es war kurz vor Mitternacht, als Katharina ihr Handy ausschaltete und gut wegsteckte. Sie schaltete ebenfalls ihr Helmlicht aus. Zwar hatte sie Ersatzbatterien dafür in der Jackentasche, aber sie wollte nichts verschwenden und sich kurz ausruhen.
Mit Tagesanbruch bauten die Bergretter ihre Zelte wieder ab und verstauten sie im Heli. Gemeinsam begannen sie erneut damit die Gegend abzusuchen.
Als Katharina die Augen aufschlug war es bereits kurz vor 6. Sie hatte ihr Licht noch nicht eingeschaltet, aber es war nicht mehr stockdunkel um sie herum. Ein zarter Lichtschimmer zeichnete sich ab. Kurz dachte Katharina, sie würde sich das nur einbilden, aber so verrückt konnte sie doch nicht sein. Sie stand vorsichtig auf und kämpfte gegen die Kopfschmerzen an, die sie in der Nacht schon gespürt hatte. Das Durstgefühl war auch immer mächtiger geworden und sie spürte einen Schwindel, der weiße Sternchen vor ihrem inneren Auge tanzen ließ. Sie überlegte kurz, das Helmlicht einzuschalten, aber sie hatte Angst, dass sie dann das zarte Tageslicht nicht mehr sehen konnte. Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang und hoffte so sehr, dass es sich nicht nur um einen Spalt, sondern um einen richtigen Ausgang handeln würde. Katharina dachte an Markus. Auch, wenn sie kein Paar mehr waren und auch nie wieder eins sein würden, aber er war immer noch der Mensch, an dem ihr Herz hing. Und irgendwie würden sie durch Mia trotzdem immer eine kleine Familie sein. Und sie wünschte sich gerade nichts mehr als ihre Familie und ihre Freunde in die Arme nehmen zu dürfen. So traurig ihr Leben gerade auch war, sie hatte wunderbare Menschen um sich und dafür lohnte es sich jetzt zu kämpfen und nicht aufzugeben.
Katharina hatte endlich ihr Ziel erreicht. Das Tageslicht fiel durch einen von Geröll halb verschütteten Eingang. Sie versuchte, ob sie von ihrer Position nun Empfang hatte und ihre Kollegen per Funk erreichen konnte. „Michi für Katharina?“
„Katharina?“ Markus schrie förmlich ins Funkgerät.
„Markus“, flüsterte sie leise. Er war wirklich da. „Ja“, sagte sie tränenerstickt.
„Wo bist du?“
„Ich weiß es nicht. Hier ist ein halb zugeschütteter Ausgang. Ich bin ewig gelaufen. Ich versuche jetzt da hinaufzuklettern.“
„Gib uns deine Koordinaten oder mach dein Handy an“, rief Rudi ins Funkgerät.
„Okay“, antwortete sie kraftlos. Katharina fischte ihr Handy aus der Jacke und schaltete es ein.
„Katharina? Wir finden dich, versprochen“, sprach nun Tobi ins Funkgerät. Katharina war so froh, ihre Freunde zu hören. „Ich klettere jetzt rauf“, sagte sie und verstaute ihr Handy gut in der Jacke. Vorsichtig und langsam kletterte Katharina über das Geröll. Sie war einfach total fertig nach fast 24 Stunden in diesem Berg. Mit letzter Kraft kam Katharina oben an, als die Steine unter ihr plötzlich nachgaben und sie mit sich hinunterrissen. Katharinas lauter Schrei dabei hallte durch die Höhle.
„Habt ihr das gehört?“, fragte Tobi erschrocken.
„Das war Katharina“, sagte Markus leise. „Sie muss hier irgendwo ganz nah sein.“
„Da vorne!“ Tobi hatte ein Gitter im Fels entdeckt und die vier Bergretter rannten los.
„Katharina?“, rief Markus, während sie mit vereinten Kräften das Gitter aus der Halterung rissen.
„Hier“, kam es ganz leise von ihr.
„Bist du okay?“
„Nein.“
„Ich komm zu dir.“ Markus hatte den orangenen Rettungsrucksack auf dem Rücken und ließ sich zu ihr runter. „Katharina“, sprach er leise.
„Markus“, flüsterte sie.
Markus hockte sich neben sie und strahlte sie an. „Gott sei Dank, da bist du.“
Katharina lächelte ihm erleichtert zu. Sie hatte sich so sehr gewünscht, Markus zu sehen und nun war er wirklich da, um sie hier herauszuholen und den Felsen, der auf ihrem Oberschenkel lag und sie festhielt, wegzuräumen. Die Schmerzen, die Katharina dabei durchfuhren, bestätigten ihre Vermutung.
Markus zog eine Flasche mit einem isotonischen Getränk aus der Tasche. „Du musst ja Durst haben.“ Katharina nickte und wurde direkt mit Schwindel bestraft.
„Dehydriert, hm?“ Markus zog Katharina in eine aufrechte Position, was sie sofort mit einem Schmerzensschrei beantwortete. „Oha“, murmelte er. „Was tut dir genau weh?“, fragte er sanft.
„Mein Oberschenkel. Markus, der ist durch.“
Erschrocken sah Markus sie an. Er hielt Katharina immer noch im Arm, öffnete die Flasche und hielt sie ihr hin. Gierig trank sie. „Langsam, Katharina, langsam.“
„Durst“, sagte sie nur.
Markus strich ihr vorsichtig über die Wange. „Dann wollen wir dich mal ans Tageslicht befördern.“
Katharina griff nach seiner Hand und drückte sie. „Danke“, sagte sie und sah ihm tief in die Augen. Selbst jetzt, in dieser Situation, versank sie darin.
Dem Bergretter erging es nicht anders. Er war so froh, Katharina gefunden zu haben. “Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn wir dich nicht gefunden hätten”, sagte er ehrlich. Ihre Blicke hingen aneinander, bis Rudi mit der Trage abgeseilt wurde und neben Markus kniete. “Hey Katharina”, sagte er und sah sie glücklich, aber gleichzeitig besorgt an.
“Hey Rudi”, sagte sie leise.
“Sie hat den Oberschenkel gebrochen, Rudi. Wir müssen sie irgendwie möglichst schmerzfrei hier rausbekommen”, klärte Markus seinen Freund und Kollegen kurz auf.
“Öffne mal den Rucksack”, flüsterte Katharina.
Markus tat wie ihm geheißen und Katharina griff blind hinein. Blitzschnell hatte sie sich selbst einen Zugang gelegt, obwohl sie noch immer in Markus Arm lag. “Spritzt du mir das bitte langsam hier rein?” Sie sah Markus fest in die Augen. Er hatte ihr so oft zugeschaut, dass er wissen musste, was er tat. Er selbst hätte ihr nichts geben dürfen, aber sie als Ärztin durfte es. “Das dauert jetzt ein paar Minuten”, sagte sie, “dann könnt ihr mich einladen.”
Rudi packte schon einmal die Manschette aus, um ihr Bein ruhig zu stellen. Bis das Schmerzmittel wirkte, streichelte Markus einfach ihre Hand und gab ihr immer wieder etwas zu trinken. Sie war richtig blass im Gesicht und ihr Kreislauf war definitiv nicht richtig da.
“Ich glaub, ihr könnt versuchen mich einzupacken”, sagte sie nach etwa 10 Minuten.
Trotz des Schmerzmittels liefen Katharina die Tränen über die Wangen. Immer wieder versuchte Markus sie zu beruhigen und abzulenken, aber die Schmerzen brachten sie beinahe um den Verstand. Sie war erleichtert, als sie endlich im Heli lag. Markus war nicht von ihrer Seite gewichen und saß wie selbstverständlich während des Fluges neben ihr. Grinsend sah Michi Rudi an. Auch Tobias konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er würde Markus schon noch drauf ansprechen. Aber nach dem, was sein Freund ihm letzte Nacht erzählt hatte, war ihm klar, in welche Richtung sich die Dinge in naher Zukunft bewegen würden.
Nachdem der Heli das Klinikdach erreicht hatte und Katharina in die Notaufnahme geschoben wurde, ließ Markus sich nicht davon abhalten, sie dorthin zu begleiten. Michi, Rudi und Tobi standen vor dem gelben Hubschrauber und schauten sich grinsend an. „Geht da wieder was?“, fragte Michi. „Hoffentlich“ meinte Tobi mit einem tiefen Seufzer. „Es ist nicht auszuhalten mit den Beiden. Es ist so offensichtlich, dass die zusammengehören. Katharina leidet so wahnsinnig, die liebt den Markus einfach über alles. So viel geweint hat sie noch nie. Und der Markus und die Alex passen sowas von überhaupt nicht zusammen.“
Rudi nickte zustimmend.
Michi überlegte kurz. „Können wir da nicht nachhelfen, dass die beiden mal klarkommen?“
„Katharina wird Hilfe brauchen, wenn sie hier rauskommt“, bemerkte Rudi. „Vielleicht bringt sie das wieder näher zusammen?“
Aber das Problem Alex bleibt“, meinte Tobi. Er konnte nicht verraten, was Markus ihm anvertraut hatte. Die drei Bergretter seufzten.
„Wir brauchen einen Plan meinte Michi. „Unbedingt“ fügte Rudi hinzu.
„Wo bleibt der Spezi jetzt eigentlich? Bleibt der hier, oder wie?“
„Willst wetten?“, fragte Tobi lachend.
„Na, ich hasse es zu verlieren.“ Michi grinste nur.
„Ich schau mal nach dem Frauenhelden und meiner Schwester. Fliegt ruhig schon zum Heliport.“
„Alles klar. Halt uns auf dem Laufenden.“
„Na?“, Tobi trat neben Markus, der gedanklich völlig abwesend zu sein schien.
„Hey“, sagte Markus leise.
„Gibt’s schon was neues?“
„Nee, sie wird jetzt erstmal untersucht.“
„Ob sie sie wirklich gleich schon operieren?“
„Ich hab keine Ahnung“, seufzte Markus.
Tobias beäugte seinen besten Freund und konnte deutlich dessen Sorge um seine Schwester spüren. „Hey, Katharina passiert nichts. Die richten gleich den Bruch und in einer Woche haben wir sie wieder zuhause bei uns.“
„Hoffentlich“, sagte Markus leise.
„Na klar. Aber wir werden ihr ein bisschen helfen müssen. Also besonders du.“ Tobi hielt Markus seine verstauchte Hand vor die Nase.
„Ich muss mich gleich auch um Ersatz für die Bergrettung kümmern.“
„Ich denke, das macht Rudi schon. Die Schladminger übernehmen bestimmt und das Wetter soll auch so beschissen werden, da geht eh keiner in den Berg.“
„Stimmt auffallend“, lachte Markus. „Aber Katharina fällt locker drei Monate aus. Mindestens. Das Geschraube muss ja später auch wieder raus aus ihrem Bein.“
„Die wird uns so in den Wahnsinn treiben aus Langeweile.“
„Fürchte ich auch.“
„Vielleicht kann sie ja bisschen Zentraldienst machen zwischendurch. Dann haben wir sie bei uns und ihr ist nicht langweilig. Und am Hof ist immer noch die Emilie. Und Nina.“
„Vielleicht kann sie auch mal auf Ben aufpassen.“
„Markus, ey, das ist nicht dein Ernst. Willst du sie quälen? Außerdem, wie soll das denn überhaupt weitergehen? Willst du jetzt doch mit Alex zusammenbleiben wegen Ben? Gestern am Berg haste mir noch was ganz anderes erzählt.“
„Ich weiß es doch auch nicht, Tobi.“
„Du musst dich entscheiden, was und vor allem, wen du willst.“
Hilflos sah Markus Tobias an.
„Ganz ehrlich? Haben dir die letzten 24 Stunden nicht schon eine klare Antwort gegeben? Denk mal drüber nach. Dein Herz gehört nicht Alex. Du weißt genau, wen du liebst. Du hast es letzte Nacht schon ganz richtig erkannt. Aber du hast Angst.“
Markus sah Tobias betroffen an. Sein Freund hatte ja recht. Er hatte Angst. Mehr als Angst. Er hatte Panik. Panik, dass die Frau, der sein Herz gehörte, wieder davonlief und ihn alleine zurückließ. Markus nickte leicht.
„Markus, das wird sicher nicht nochmal passieren. Aber du musst definitiv auch was dafür tun. Und du solltest wirklich dein Leben aufräumen. Da sind drei Frauen, die dich lieben.“
Die Tür der Notaufnahme öffnete sich und ungläubig sahen Tobias und Markus, wer da vor ihnen stand. Träumten sie?
„Verena!?“ riefen sie ungläubig.
„Cool, ihr kennt mich noch“, lachte sie.
Die beiden Bergretter umarmten die blonde Ärztin liebevoll.
„Was machst du hier?“, fragte Markus glücklich.
„Arbeiten“, lachte sie. „Ich hatte Heimweh und bin seit Freitag wieder hier. Also heute ist mein erster Arbeitstag. Und direkt bringt ihr mir die Katharina her. Hätte ich mir ja denken können, dass ich euch direkt als erstes hier sehen würde.“ Verena grinste.
„Weiß der Michi, dass du da bist?“, fragte Tobias.
Verena schaute nun ernst. „Nein, noch nicht.“
„Oh, okay.“, sagte Markus irritiert.
„Ich meld mich noch bei ihm. Wollt ihr zur Katharina? Sie bekommt gerade eine Infusion, damit wir sie später operieren können.“
„Ja“, antworteten beide Männer gleichzeitig.
„Wie geht’s ihr denn?“, fragte Markus.
„Recht gut. Erschöpft ist sie, ihr Oberschenkel ist durch und sie ist dehydriert. Ansonsten zieren sie einige Blutergüsse und Schrammen. Also, ihr habt sie bald wieder.“
„Gott sei Dank“, sagte Markus erleichtert.
„Aber sie fällt ein paar Monate aus. So kann sie nicht in den Berg. Aber jetzt kommt mal mit.“
Katharina döste leicht vor sich hin, als Tobias und Markus ins Zimmer kamen. „Hey“, sagte sie leise.
Lächelnd kamen beide auf sie zu. Katharina lag noch im Untersuchungsraum. Die Infusion lief in ihren Körper und sie hatte schon wieder viel mehr Farbe bekommen.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Tobias und hauchte seiner Schwester einen Kuss auf die Stirn.
„Schon viel besser. Könnt ihr mir nachher was zum Anziehen mitbringen? Lange Shirts, Kleider und weite Jogginghosen wären super. Ich hasse diesen Fummel so sehr.“ Mit einer leicht angewiderten Mine zupfte Katharina an dem Krankenhaushemdchen, das sie bereits trug. „Ach, und könnt ihr mir ein Ladekabel für mein Handy bitte mitbringen? Und meine Kopfhörer? Die liegen auf dem Nachttisch.“
„Machen wir“, meinte Markus grinsend. Wenn sie schon wieder Wünsche äußerte, war es das beste Zeichen, dass es ihr schon wieder besser ging.
„Wann kommst du unters Messer?“, wollte Tobias nun wissen.
„Wenn die Infusion durch ist und mein Kreislauf wieder richtig in Ordnung ist. Wahrscheinlich heute noch oder direkt morgen früh.“
„Und wie lange dauert das?“ Markus sah die hübsche Bergretterin besorgt an.
„Die OP? Hm, nicht so lange. Ich habe einen relativ glatten Bruch. Da kommt schnell ein Nagel rein und dann kommen die Bewegungstherapien. Dafür werde ich in eine Klinik gehen, dann fall ich euch nicht zur Last und es muss mich nicht täglich jemand zur Physio bringen.“
„Du bist keine Last“, erhob Tobi direkt Einspruch.
„Aber vielleicht ist es ja ganz gut, wenn ich mal 3 Wochen weg bin“, sagte sie leise.
„Wir kümmern uns schon um dich“, unterstrich Markus Tobias Aussage.
„Markus, du hast mit Alex, Ben und Nina schon genug am Hals. Tobi, du bist selbst verletzt. Die Emilie hat auch so schon genug zu tun. Und Mia bitten wir, etwas später als geplant zu kommen.“
„Aber…“
„Nix aber, Markus. Halst euch nicht noch mehr auf, ich komm schon klar.“
„Darüber reden wir nach deiner Operation.“ Markus wollte jetzt nicht mit ihr diskutieren. Und er wollte nicht, dass sie für drei Wochen in eine Reha fuhr. Alleine beim Gedanken daran fehlte sie ihm schon.
Katharina war überrascht, wie Markus auf die Rehaklinik reagierte. Und auch Tobi sah zwischen Katharina und Markus hin und her. Er überlegte kurz, ob es vielleicht sogar ganz gut war, wenn Katharina für ein paar Wochen nicht in Ramsau war. So konnte Markus doch endlich sein Leben aufräumen. Da würde er später nochmal mit ihm drüber reden.
Verena kam ins Zimmer. „Na? Wie schaut’s aus?“
„Gut“, sagte Katharina. „Ist bald durch.“
„Fein, dann legen wir dich gleich schlafen.“
„Ich freu mich“, antwortete Katharina ironisch.
„Ich weiß“, grinste Verena. „Du kannst im Anschluss nach Bad Vigaun. Die haben einen Platz für dich frei ab Mitte nächster Woche. Da kannst du noch in Ruhe deine Sachen packen.“
„Perfekt.“
Markus sah Katharina an wie ein angeschossenes Reh. „Warum kannst du denn nicht bei uns bleiben?“, brachte er leise hervor.
„Weil es das beste ist. Für uns alle“, antwortete sie ebenso leise.
Markus schluckte hart.
Der Anblick des Mannes, den sie über alles liebte, machte es ihr auch nicht leichter. Aber es musste sein. Sie brauchte dringend Abstand, sonst würde ihr Liebeskummer sie niemals loslassen. Sobald Markus das Krankenhaus verließ, würde er direkt in Alex Arme sinken und mit seinem Kind spielen. Sie waren nur noch Freunde und sie musste endlich lernen, damit umzugehen.
„Aber wir bringen dich da hin“, sagte Tobi, um die angespannte Situation zu entspannen.
„Sehr gerne“, lächelte seine Schwester.
„Und jetzt fahrt ihr mal zum Hof, sammelt der Katharina ein paar Sachen zusammen und wenn ihr wieder da seid, ist sie vielleicht schon aus dem OP zurück.“ Verena grinste Tobi und Markus schief an.
„Okay. Dann bis später, Schwesterherz. Ich hab dich lieb.“ Tobi hauchte ihr wieder einen Kuss auf die Stirn und drückte ihre Hand dabei.
„Ich dich auch, Bruderherz.“
Markus nahm auch sanft ihre Hand. „Pass auf dich auf, ja? Ich brauch dich.“ Mit der anderen Hand strich er zärtlich über ihre Wange.
Katharina nickte nur. Seine zärtlichen Berührungen bescherten ihr eine Gänsehaut und gleichzeitig wohlige Wärme. Sie liebte es, wenn seine Hand ihr Gesicht berührte.
„Was ist los, Markus?“, fragte Tobi seinen besten Freund, der wortlos neben ihm im Auto saß und den Wagen durch die Serpentinen nach Ramsau steuerte.
„Drei Wochen“, sprach er tonlos.
Tobias schmunzelte. „Drei Wochen, in denen du dein Leben sortieren kannst. Und du hast einiges zu sortieren.“
„Ich weiß“, seufzte er.
„Wenn du möchtest, helf ich dir dabei.“
„Sehr gern.“
„Also, fangen wir mal mit Nina an. Die will definitiv was von dir. Die kann nämlich schon alleine auf Krücken laufen. Katharina hat ja mit ihr geübt, aber sobald du da bist, kann sie nichts mehr. Aber wichtig ist: wie stehst du zu ihr? Willst du noch was von ihr?“
„Nina war eigentlich nur Katharina-Ersatz zur Ablenkung“, gab Markus zu. „Da bin ich auch nicht stolz drauf und ich fühl mich für sie verantwortlich.“
„So verantwortlich, dass sie bei uns auf dem Hof bleiben muss? Oder kann sie in eine unserer Personalwohnungen ins Hotel ziehen?“
„Sie muss nicht auf dem Hof bleiben.“
„Na fein, dann muss sie schon mal umziehen. Kommen wir zu Alex. Mia das Zimmer wegzunehmen ist wirklich etwas, was überhaupt nicht geht. Und da gebe ich meiner Schwester absolut Recht. Ben hat ein Zimmer in Alex Haus. Ihr verletzt die Mia damit unendlich. Katharina hat ewig gebraucht, um sie zu beruhigen, weil sie denkt, du willst sie nicht da haben.“
„Ich liebe die Mia, natürlich will ich sie hier haben.“
„Gut. Die Mia und die Alex mögen sich nicht.“
„Ich weiß.“
„Und jetzt erklär mir, was liebst du an Alex?“
„Hm, ich liebe ihre Toughheit. Sie war so schwer zu knacken. Und sie ist attraktiv und intelligent.“
„Okay. Was liebst du an Katharina?“
„Ihre Augen, ihre Empathie, sie ist klug, liebevoll, humorvoll, wunderschön, verständnisvoll, warmherzig, hilfsbereit, ehrlich, mutig, stark, sie gibt nie auf. Sie ist eine Kämpferin.“
Tobias grinste nur. „Und? Fällt dir selbst was auf? Letzte Nacht hast du noch gesagt, du kannst nicht ohne sie leben. Brauchst du noch mehr Hinweise, wer deine Frau ist?“
Ertappt sah Markus rüber zu Tobias. Ein Grinsen umspielte seine Lippen.
„Und was jetzt?“
„Aufräumen! Räum deine Frauen auf.“
„Aber wenn mich Katharina nicht mehr will. Oder mich wieder verlässt?“
„Also, dass sie dich nicht mehr will, glaubst du ja wohl im Leben nicht. Am Rest musst du mit ihr gemeinsam arbeiten.“
Emilie hatte für Katharina eine Reisetasche gepackt, die sie Markus in die Hand drückte. „Ich nehme mal an, dass du nochmal zu ihr nach Schladming fährst.“ Sie zwinkerte Markus zu. Markus lächelte ertappt zurück und nahm die Tasche an sich.
„Kommt jemand mit?“
„Fahr du mal“, meinte Tobi. „Drück sie von uns. Sollen wir Alex was ausrichten, wenn sie kommt?“
„Kannst ihr sagen, ich bin bei Katharina. Ich weiß nicht, wann ich wieder da bin.“
Irritiert sah Emilie Markus an.
„Der Tobi erzählt dir alles, Emilie. Ich muss los.“
Gespannt sah Emilie ihren Lebensgefährten an. „Ich höre“, grinste sie und hatte schon eine leichte Ahnung.
Markus öffnete leise die Tür zu Katharinas Zimmer. Verena hatte gesagt, sie sei schon länger aus der Narkose wieder aufgewacht, aber sie schlief. Ihr Bein lag in einer Manschette und lugte unter ihrer Bettdecke hervor. Leise stellte Markus ihre Tasche auf den Tisch. Er holte ihr Ladekabel und ihre Kopfhörer aus der Tasche, die er vorsichtig auf ihren Nachttisch legte. Dann brachte er ihre Kulturtasche ins Bad. Ihre Crocs stellte er vor ihrem Bett ab, wo schon Krücken und ein Rollstuhl bereit standen. Als nächstes räumte er Katharinas Wäsche in den Schrank und ließ sich auf den Stuhl neben ihrem Bett nieder. Katharina hatte ihn immer noch nicht bemerkt, was Markus aber nicht verwunderte. Das Erlebte musste einfach kräftezehrend gewesen sein. Markus sah sie genau an. Er hasste Krankenhäuser und achtete wie immer darauf, ob sie auch regelmäßig ein und ausatmete. Erst jetzt bemerkte er die Schrammen und Hämatome an ihren Armen. Auch ihr Gesicht zierten ein paar Schrammen, aber das änderte nichts daran, dass sie eine wirklich hübsche Frau war. Markus spürte das innige Verlangen, Katharina in die Arme zu nehmen und einfach festzuhalten. Aber so einfach war das nicht. Räumlich trennten sie nur wenige Zentimeter, aber eine neue Beziehung trennten ganze Berge. Markus hatte solch schreckliche Angst um sie gehabt, dass er beinahe durchgedreht wäre. Und je länger er Katharina ansah, je sicherer war er sich in seiner Entscheidung.
Markus hatte zwei Stunden neben Katharina gesessen, bis er auf dem Stuhl eingeschlafen war. „Markus!?“, fragte Katharina irritiert.
Sofort war er hellwach. „Hey“, sagte er mit einem breiten Lächeln.
„Was machst du hier?“
„Auf dich aufpassen.“
Markus Lächeln versetzte ihr ein Kribbeln im Bauch. Es war wie früher, wenn sie gegenseitig am Bett des anderen saßen.
Ein verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ist alles gut gegangen.“
„Gott sei Dank. Du, ich hab dir alles mitgebracht, was du haben wolltest. Deine Sachen liegen im Schrank und dein Handy lädt schon neben dir.“
„Du bist ein Schatz. Dann kann ich nämlich die Mia anrufen.“
„Da freut die sich. Ich hab vorhin mit ihr telefoniert und ihr alles erzählt. Sie möchte ein Beweisfoto, dass es dir gut geht.“
Katharina lachte. „Das ist typisch Mia. Aber sind wir ja selbst Schuld, weil wir ihr immer so vieles verschwiegen haben.“
Markus nickte. „Das soll nie wieder passieren.“
Er zog sein Handy aus der Tasche. „Soll ich?“
„Wenn du mit drauf kommst.“
Markus flutschte vom Stuhl und lehnte seinen Kopf an ihren. „Ha, guck mal, das ist sogar ein schönes Foto geworden.“ Markus strahlte Katharina an. „Das liegt nur an dir.“
„Blödmann“, lachte sie. „Schicks mal her.“ Katharina hangelte nach ihrem Handy. „Dann schreibe ich Mia schnell. Würdest du mir dann vielleicht helfen, was anderes anzuziehen?“
„Na klar. Emilie hat auch extra Shorts für dich eingepackt. Die passen auch richtig gut zu deinen wunderschönen Thrombosestrümpfen.“
Katharina warf ihm einen bösen Blick zu.
„Meinst du, du könntest mir auch ins Bad helfen? Dann brauche ich keine Schwester zu rufen.“
„Machen wir alles. Du musst mir nur sagen wie, damit ich nix kaputt mache.“
„Da ist ne Schraube drin, da kann nicht viel kaputt gehen. Ich darf nur nicht auftreten.“
„Okay.“ Markus holte frische Wäsche für Katharina aus dem Schrank und brachte sie ins Bad. Vorsichtig hob er ihr Bein aus der Manschette und Katharina bugsierte sich seitlich ans Bett. Kurzentschlossen griff Markus ihr unter beide Arme, hob sie hoch und trug sie wie eine Puppe rüber ins Bad. Katharina musste dabei so lachen.
„Du bist ja noch viel leichter geworden“, stellte Markus besorgt fest.
„Ach quatsch.“
„Nix quatsch, Katharina. Ich muss echt wieder besser auf dich aufpassen“, grinste er.
Katharina blickte ihn mahnend an.
Markus half Katharina beim Waschen, half ihr zur Toilette, beim Haare kämmen und brachte sie dann auf selbem Weg vorsichtig in ihr Bett zurück. „Jetzt fühle ich mich besser“, seufzte sie zufrieden. „Danke.“
„Kein Thema.“
„Zum Glück hat das die Alex nicht gesehen“, meinte Katharina. „Die würde uns umbringen.“
„Wahrscheinlich“, seufzte Markus.
„Musst du nicht zu ihr, statt hier bei mir zu sein?“ Erst jetzt registrierte Katharina, dass es schon später Abend war.
„Nö“, sagte er nur. „Hier bin ich richtig.“
Irritiert sah Katharina ihn an. „Was ist los?“
„Ach nix“, sagte er leise.
„Markus“, sagte sie leicht mahnend.
„Ach, irgendwie ist das alles nicht das richtige. Aber ist ja auch egal.“
Plötzlich riss jemand die Tür zu Katharinas Zimmer auf.
„War ja klar, dass du hier steckst.“ Grußlos war Alex mit Ben auf dem Arm in Katharinas Zimmer gerauscht.
„Hallo Alex“, grüßte Katharina süffisant, um sie damit auf ihr unmögliches Benehmen hinzuweisen.
„Hallo“, kam es nur forsch zurück.
„Ben hätte dich gebraucht, aber du bist ja lieber hier.“
„Was hat Ben?“, fragte Markus sofort und sah auf den kleinen Jungen, der augenscheinlich unversehrt auf dem Arm seiner Mutter war.
„Der hat sich einen Stein in die Nase gesteckt. Euer Hof muss dringend asphaltiert werden. Das ist viel zu gefährlich für Ben. Wenn er den Stein gegessen hätte, nicht auszudenken. Und wenn einer von euch mal auf ihn aufpassen könnte, wäre mir auch geholfen. Aber nein, du bist ja lieber hier, als dich um dein Kind zu kümmern. Und Emilie hat sich tatsächlich geweigert aufzupassen, weil sie mit Tobi ins Hotel musste. Unmöglich. Also den Hof musst du schnellstens kindersicher machen. Ben hätte sterben können. Dann wäre das allein deine Schuld gewesen.“
Katharina musste prusten. „Nicht dein Ernst, oder?“
Böse sah Alex Katharina an. „Was geht dich das an, Katharina?“
„Na ja, du stehst in meinem Zimmer und redest hier den größten Blödsinn daher. Den Hof asphaltieren wegen Ben? Geht’s noch? Dann bleib doch einfach bei dir daheim.“
„Du bist doch nur scharf auf Markus. Nick hat mir alles erzählt. Ich weiß Bescheid. Aber Markus gehört mir und Ben.“
„Ach, tu ich das?“ Markus sah sie finster an.
„Ja, du hast Verantwortung. Ben ist dein Kind jetzt. Du bist sein Vater.“
„Ach, sieh an. Für Ben soll Markus jetzt Vater sein. Bei Mia möchtest du nicht, dass sie seine Tochter, unsere Tochter ist.“ Katharina regte diese Diskussion immer wieder auf. Alex wollte Mia nicht und ließ Katharina und Mia das deutlich spüren.
„Mia hat einen Vater“, giftete Alex.
„Ben auch“, giftete Katharina kampflustig zurück. „Aber du lädst das arme Kind ja ständig irgendwo ab. Jeder soll sich um dein Kind kümmern und springen, wenn du ihn brauchst. Wie oft hast du uns damit bei der Bergrettung jetzt schon in brenzlige Situationen gebracht, weil uns der Markus wegen deinem Kind gefehlt hat? Keiner von uns hat was gesagt, weil wir dir helfen wollten und jetzt kommst du so?“ Katharinas Hände zitterten vor Wut.
Markus legte seine Hand auf ihre.
„Es ist besser, wenn du jetzt gehst, Alex. Und nimm deine Sachen vom Hof mit.“
Ungläubig sah Alex Markus an. „Willst du jetzt etwa Schluss machen?“
Markus nickte. „Ja, das will ich. Wir haben keine Zukunft, Alex.“
„Aber“, stammelte sie. Fassungslosigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Sie ist der Grund, oder? Genau wie Nick prophezeit hat.“
„Du bist der Grund“, sagte Markus scharf. „Du und dein Verhalten.“
„Na fein, dann werdet doch unglücklich miteinander.“ Alex stapfte aus der Tür und warf sie lautstark hinter sich zu.
Wortlos sahen Katharina und Markus sich an. Katharina fand als erstes die Sprache wieder. „Tut mir leid, Markus. Ich wollte nicht übergriffig sein“, sagte sie geknickt. „Ich wollte deine Beziehung nicht kaputt machen.“
„Das hast du nicht. Sie war schon kaputt.“
„Du hast sie so geliebt.“
„Hab ich das wirklich? Oder wollte ich das nur? So wie du Nick?“
„Ich habe Nick unendlich weh getan. Dafür schäme ich mich sehr. Ich muss eben lernen, mit dem Herzen zu denken.“
„Na ja, Kopf einschalten ist auch wichtig.“ Markus grinste. „Ich bin jedenfalls froh, dass mit Alex Schluss ist.“
Markus war erleichtert. Und irgendwie war er froh, dass es mit Katharinas ungeplanter Hilfe für ihn so einfach gewesen war.
Seine Hand lag immer noch auf ihrer, als wäre es das normalste von der Welt.
„Das klingt, als hättest du sowieso vorgehabt, dich von ihr zu trennen?“
Markus nickte. „Ja. Alex und ich, das war schön für den Moment. Aber auf Dauer passt das einfach überhaupt nicht. Sie ist zu kühl, sie ist einfach nicht empathisch.“
„Ich hab mich mit ihr auch einige Male wegen Mia gehabt. Eigentlich wollte ich dir das nie erzählen.”
“Warum nicht?”
“Weil ich wollte, dass du glücklich bist. Und unser Verhältnis war auch so schon angespannt genug in den letzten Monaten.”
“Apropos verschweigen. Warum hast du mir nicht gesagt, dass Nina schon mit Krücken laufen kann?”
“Hey, das sollte sie dir schon selbst erzählen. So tollen Neuigkeiten greif ich doch nicht voraus.” Katharina sah in Markus Gesicht, dass etwas nicht stimmte. “Hat sie es dir nicht gesagt?”, fragte sie vorsichtig. Markus schüttelte nur mit dem Kopf.
“Tobi hat es mir erzählt.”
“Oh, ich dachte wirklich, dass sie es dir selbst erzählen würde. Ich wollte dich bestimmt nicht hintergehen. Sie wollte vielleicht einfach einen besonderen Moment abpassen?“
„Nee, sie wollte mich zurück. Aber ich werde sie jetzt bitten, in eine Personalwohnung bei Euch im Hotel zu ziehen.“
„Du, Markus, ich kann auch, also wenn es dir lieber ist, zurück ins Hotel ziehen.“
„Was? Warum solltest du? Nein!“
„Na ja, ich bin deine Ex und wir wohnen zusammen.“
„Du bist vielleicht meine Ex, aber du bist und bleibst meine beste Freundin, meine Seelenverwandte. Ich will nicht, dass du gehst.“
„Aber du sagst mir, wenn ich gehen soll, ja?“
„Wenn es je so sein sollte…“, Markus grinste sie so breit an, dass auch Katharina lächelte. „Aber ich muss dir noch was sagen.“
Gespannt schaute sie Markus an. „Was denn?“
„Dass es mir unendlich leid tut, was ich dir am Hof für Gemeinheiten an den Kopf geworfen habe. Du bist und du warst immer eine tolle Mama für die Mia. Sie hätte keine bessere haben können. Ich kann mir vorstellen, wie sehr dich das getroffen haben muss und es tut mir aufrichtig leid.“
Nachdenklich sah Katharina ihn an. „Es hat tatsächlich verdammt wehgetan. Aber das vergessen wir am besten mal ganz schnell. Ich bin froh, dass du mich aus dem Stollen geholt hast.“
„Der ist übrigens kurz nachdem wir weg waren auch komplett zugeschüttet worden. Da hat alles nachgegeben. Jetzt kommt von beiden Seiten niemand mehr rein.“
Katharina seufzte tief. „Du warst rechtzeitig da, um mich zu retten.“
„Du hast dich selbst gerettet. Du hast den Ausgang gefunden. Wir haben dich nur noch zurück ans Tageslicht gebracht. Aber wenn du nicht gesucht hättest, wärst du jetzt nicht mehr hier.“
„Trotzdem. Danke!“
Verlegen grinste Markus sie an.
„Gern geschehen. Bist du eigentlich überhaupt nicht müde?“, fragte Markus, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte.
„Irgendwie nicht, nee. Wie spät ist es denn?“
„Erst zwanzig vor 2. Dass Verena mich noch nicht rausgeworfen hat.“ Markus lachte.
„Ist so schön, dass sie zurück ist. Aber du solltest vielleicht doch mal nach Hause fahren und schlafen?“
„Erst, wenn Du eingeschlafen bist.“
„Verrückter Vogel. Also gut, ich versuche zu schlafen.“ Katharina kuschelte sich in ihr Kissen und Markus wechselte die Beleuchtung von Deckenlicht auf gedämmtes Nachttischlämpchen. Es tat so gut, einfach mit ihr zu reden. So entspannt wie in dieser Nacht war es seit ihrer Trennung nicht mehr gewesen. Katharina schien seine Gedanken zu lesen.
„Es ist schön, mal wieder so entspannt mit dir zu reden“, sagte sie leise.
„Find ich auch“, antwortete Markus.
Nach fünf Tagen durfte Katharina das Krankenhaus schon verlassen. Natürlich war Markus derjenige, der sie abholte. In den letzten Tagen hatten die beiden mehr miteinander geredet als im kompletten letzten Jahr.
„Na, bereit für Zuhause, Prinzessin?“
Katharina sah Markus mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Prinzessin!?“, sagte sie fassungslos. „Ausgerechnet ich.“ Sie schüttelte lachend den Kopf. „Aber ich bin tatsächlich fertig, lass uns hier abhauen.“
Markus nahm Katharinas Tasche und öffnete ihr die Tür. „Dein Fluchtauto steht direkt am Eingang.“
„Sehr gut. Nix wie weg“, lachte sie und lief mit ihren Krücken neben Markus her.
„Das sieht schon echt geschmeidig aus“, lobte er seine Freundin.
„Ist aber anstrengend“, gab sie zu.
„Du wolltest keinen Rolli haben.“
„Gott bewahre, nein! Ich laufe!“
Grinsend lief Markus neben ihr her, bis sie sein Auto erreicht hatten.
Blitzschnell hatte er die Tasche auf die Rückbank geworfen und die Beifahrertür geöffnet. Markus schaute zwischen Katharina und dem hohen Einstieg in sein Auto hin und her. Kurz überlegte er, wie er Katharina am besten hinein bekam. „Gib mir mal die Krücken.“ Katharina gab ihm die erste und hielt sich an der Beifahrertür fest. Dann reichte sie ihm die zweite. Blitzschnell waren auch die auf der Rückbank gelandet. Vorsichtig legte Markus einen Arm unter Katharinas Knie. „Geht das?“
Sie nickte. Und schon befand sie sich in Markus Armen. Markus hatte wieder seinen typischen Zirbengeruch an sich und sofort breitete sich ein Gefühl von Geborgenheit in ihr aus. Katharina atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen. Und für einen Moment war alles gut. Für einen Moment vergaß sie kurz die Welt und genoss seine Nähe. Vorsichtig hob Markus sie in sein Auto. „Danke“, sagte sie mit erröteten Wangen und schnallte sich schnell an. Sie war froh, dass sie ihre Jeansjacke über ihrem gelben Kleid trug, so konnte Markus die Gänsehaut, die er ihr beschert hatte, nicht sehen.
„Die Jungs haben mir für heute freigegeben“, erzählte Markus, als er sich in sein Auto schwang. „Hast du Lust, was zu unternehmen?“
Katharina lächelte. „Na, was willst du gerade mit einer Gehbehinderten unternehmen?“
„Es gibt ja auch Dinge, wo du nicht laufen musst.“
„Aha. Dann nenn mir mal welche.“
„Also… ähm…“ Markus musste lachen und Katharina konnte nicht anders, als mitzulachen.
Dann wurde sie ernst. „Können wir kurz am Friedhof halten?“
„Den Stopp hab ich eingeplant. Blumen für deine Kleine, Peter und Johanna liegen im Kofferraum.“
Überrascht und dankbar sah sie Markus an.
„Ich wusste, du willst zu deinem Kind. Aber was möchtest du danach machen?“
„Erstmal nach Hause.“
„Da ist übrigens ein richtig großes Paket für dich gekommen.“
„Oh, super. Ich hab mir Klamotten bestellt. Wurde mal Zeit für was neues.“
„Cool, was hast du Dir ausgesucht?“
„Alles. Neue Kleider, Hosen, Pullover, Jacken. Ich brauche mal was anderes als Sportkleidung. Und Papa hat mir genug da gelassen, um mir auch mal was zu gönnen.“
„Klingt gut. Ich bin gespannt. Aber ich hab auch noch eine Überraschung für dich.“
„Oh, was denn?“, fragte sie aufgeregt.
„Wirst du gleich zuhause sehen. Jetzt besuchen wir erstmal unsere Familie.“
Markus parkte direkt gegenüber des Friedhofstores, so dass es für Katharina kein weiter Weg wurde. Zuerst besuchten sie Peter, dann Johanna und am Ende Katharinas Tochter. Normalerweise kam Markus nicht mit ans Grab, aber heute begleitete er Katharina dorthin und steckte für sie die bunten Sommerblumen in die Vase. Katharina wusste plötzlich gar nicht mehr, warum sie immer alleine hergekommen war. Mit Markus an ihrer Seite war ihr Herz nicht ganz so schwer.
„Soll ich dich allein lassen?“, fragte er vorsichtig.
„Nein, bitte bleib da“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.
Markus lächelte ihr aufmunternd zu und stellte die Gießkanne auf den Boden.
„Es tut noch immer so weh, oder?“
Katharina nickte nur. „Sie wäre jetzt 5. Im Kindergarten. Und immer frage ich mich: Wie wäre sie? Wie sähe sie aus? Was wäre ihr Lieblingsspielzeug? Und dann kommt die Verzweiflung, weil ich es nie erfahren darf, weil ich mein Kind nie kennenlernen darf.“
Vorsichtig legte Markus einen Arm um sie. Katharina lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Der Trost von Markus tat ihr gut und sie konnte sich einen Moment sammeln, bevor sie den Wunsch äußerte, nach Hause zu fahren.
„Wir sind bis heute Abend alleine am Hof. Das Hotel hat irgendein Event und es sind Kellner ausgefallen. Emilie und Franz helfen“, erklärte Markus, während er Katharina aus dem Auto bugsierte. „Aber dann kann ich dir meine Überraschung zeigen. Komm mal mit.“
Markus führte sie an seinem kleinen Häuschen vorbei auf die Wiese. Unter dem großen Baum stand eine große Holzliegeschaukel.
„Woah“, quiekte Katharina los. „Gehört die etwa uns?“
„Die gehört dir.“
„Aber die kosten schon ohne Dach ein paar Hundert Euro.“ Ungläubig sah Katharina ihn an.
„Nicht, wenn man noch einen Gefallen gut hat und selbst mit anpackt. Komm, teste mal.“
„Du bist ja verrückt.“ Die Freude darüber konnte sie nicht verstecken. Markus wusste, wie sehr sie diese Teile liebte und half ihr hinauf. Dann schaukelte er sie an.
„Und?“
„Herrlich“, gluckste sie.
„Dann bringe ich mal eben deine Sachen rein und komme dann wieder.“
„Danke.“ Katharina war total überwältigt. „Alleine komme ich auch niemals wieder raus.“
„Ich weiß, aber bald.“
Während Markus ins Haus flitzte, genoss Katharina die Aussicht und das sanfte schaukeln. Nach wenigen Minuten war sie tatsächlich eingeschlafen.
Als Markus mit ihrem Paket unter dem Arm zurückkam, musste er schmunzeln. Schnell ging er in sein Haus und holte ihre Lieblingskuscheldecke,
die Markus gehörte, vom Sofa. Vorsichtig deckte er sie damit zu und legte sich neben sie in die Schaukel. Keinesfalls wollte er sie gerade aus den Augen lassen.
Katharina wirkte total entspannt und lächelte leicht im Schlaf. Wie hübsch sie war. Lange hatte Markus sie nicht mehr so intensiv bei Tageslicht angeschaut. Ihre goldenen Locken umspielten ihr Gesicht. Ihre Wangen hatten wieder diesen rosigen Ton angenommen und ein paar Sommersprossen, die Markus so sehr an ihr mochte, zierten ihr Gesicht. Markus konnte überhaupt nicht aufhören, sie anzusehen, bis auch er neben ihr wegdöste.
Irgendwann rekelte sich etwas neben ihm und Markus war sofort wach. Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Es war wirklich schon Mittag.
„Na, Schlafmütze?“, lachte er und schaute die zierliche Frau neben sich an.
„Ich muss kurz weggedöst sein.“
„Kann man so sagen. Es ist 14.13 Uhr.“
„Waaas? Dann hab ich ja mehr als 2 Stunden geschlafen?“
„Tröste dich. Ich auch.“ Markus lachte sie verschmitzt an. „Bock auf Bolo?“
Katharina grinste. „Und wie.“
„Dann geh ich schnell rein. Ich muss nur aufwärmen, hab ich nämlich gestern Abend schon für dich gekocht.“
Markus schob sich von der Schaukel und drückte ihr das Paket in die Hand. „Kannst ja derweil auspacken.“
„Kann es irgendwie sein, dass du neugieriger auf den Inhalt bist als ich?“ Lachend begann sie, es zu öffnen.
„Du weißt ja auch, was drin ist“, zwinkerte er und verschwand im Haus.
Während Markus die Nudeln kochte und die Soße aufwärmte, packte Katharina ihre Bestellungen aus.
„War das alles in dem Karton?“, fragte Markus, als er zu ihr zurückkam.
Grinsend nickte sie.
„Unglaublich. Da werden wir wohl gleich mal die Waschmaschine anstellen müssen, damit du die Sachen auch schnell anziehen kannst.“
„Erst muss ich die Sachen mal anprobieren.“
„Erst musst du essen kommen.“
„Okay, Papa.“ Katharina rutschte zum Rand der Liege. Markus schnappte sie sich und warf sie über seine Schulter. Katharina quietschte und lachte, als Markus sie so in die Küche seines Hauses hinauftrug. Katharina dachte an die Zeit, die sie mit Markus und auch mit Mia dort gewohnt hatte. Es war komisch für sie, dass ihr Zuhause nicht mehr ihr zuhause war. Markus merkte, dass sie etwas beschäftigte.
„Alles okay?“, fragte er leicht besorgt.
Ertappt sah sie in Markus blaue Augen und war wieder kurz davor, darin zu ertrinken. Doch sie riss sich zusammen. „Ja“, antwortete sie. „Alles gut.“
Markus wusste genau, dass sie schwindelte, aber ließ es für den Moment gut sein.
Katharina genoss Markus Bolognese sichtlich. Er kochte einfach unglaublich gut, während sie eher diejenige war, die einfach Dinge in einen Topf warf und hoffte, dass etwas essbares herauskam. Fürs Kochen hatte sie nie viel übrig gehabt, dabei liebte sie leckeres und gutes Essen, wie das von Emilie oder Markus. Und ganz besonders liebte sie seine Spaghetti Bolognese.
Markus grinste Katharina breit an. „Im Krankenhaus haben sie dich verhungern lassen, oder?“
Katharina lachte. „Da schmeckt doch auch einfach gar nichts. Aber deine Bolo war schon immer fantastisch.“
Mit schelmischem Blick sah Markus sie an. „Noch Platz für Nachtisch?“
„Uff, eigentlich nicht.“
„Ich hätte noch Eis im Tiefkühlschrank. Und frische Sahne im Kühlschrank. Und Erdbeeren. Und Erdbeersoße.“
Mit leuchtenden Augen schaute Katharina ihn an.
„Aber wir können ja erstmal Klamottenanprobe machen und das Eis einfach später essen.“
„Das ist mal eine gute Idee.“
Nachdem alle Kleidungsstücke anprobiert und von ihren Etiketten befreit waren, brachte Markus sie für Katharina in die Waschmaschine. Nachdenklich hockte er vor der Waschtrommel. Katharina hatte sich so schöne neue Dinge ausgesucht. Viel femininer, als sie es in den letzten Jahren gewesen war. Und es stand ihr so gut. Besonders die Sommerkleider. Der Tag mit Katharina war bisher überhaupt so schön gewesen, obwohl sie eigentlich nichts unternommen hatten. Aber sie hatten viel miteinander geblödelt und gelacht und diese Leichtigkeit zwischen ihnen hatte er wahnsinnig vermisst. Kurz kam der Gedanke daran hoch, dass sie in ein paar Tagen für drei Wochen in die Reha fahren würde. Aber er schob ihn beiseite und hatte es plötzlich eilig zu ihr zurückzukommen.
Katharina räumte gerade den letzten Teller weg, als Markus in die Küche kam. „Hey, das brauchtest du aber doch nicht.“
„Oh doch. Ich bin ja nicht krank, ich kann schon abspülen. Dafür brauch ich das Bein nicht. Außerdem kümmerst du dich ja um meine Wäsche.“
Katharina griff nach ihren Krücken und lief zu Markus, der immer noch in der Tür stand und sie beobachtete. „Danke“, sagte sie leise. Und wieder waren da seine Augen. Diese Vertrautheit. Dieses Kribbeln im Bauch. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur an. In Markus Augen lag dieses gewisse Glitzern. Katharina zog tief die Luft ein und löste sich von seinem Blick, als sie ein Auto hörte. Sie würde Markus wirklich nie vergessen können, das war ihr mehr als bewusst. Es wäre ein leichtes gewesen, ihn jetzt zu küssen. Aber seine Freundschaft wollte sie einfach nie verlieren. Katharina sah aus dem Fenster. „Da kommt Alex“, sagte sie fast tonlos.
„Was?“ Markus hatte sich noch keinen Millimeter bewegt. „Was will die denn hier?“
„Mit dir reden?“, fragte Katharina leise.
„Wir haben schon alles besprochen, es ist aus und es bleibt aus zwischen uns.“ Markus sah Katharina bei diesen Worten fest in die Augen. „Ich liebe sie einfach nicht.“
Katharina nickte nur und wandte sich wieder dem Fenster zu. „Sie hat Ben dabei.“
„Ich geh mal eben runter.“ Markus eilte die Treppe hinab. Vor der Tür stand der kleine Ben mit seiner Wickeltasche. Beinahe wäre der Bergretter über das Kind gefallen, während seine Ex-Freundin schon wieder an der Fahrerseite einstieg. „Du musst auf ihn aufpassen“, rief sie nur.
Entsetzt sah Markus sie an. „Aber…“ Weiter kam er nicht, da war die Autotür schon zu und Alex rauschte davon. Fassungslos schaute Markus dem silbernen Audi nach. Katharina hatte durch das gekippte Fenster alles mitbekommen und schüttelte nur den Kopf.
Markus kniete sich zu Ben. „Na, kleiner Mann? Was machen wir jetzt mit dir?“ Vorsichtig nahm er den Kleinen auf den Arm, warf sich die Tasche über die Schulter und ging mit dem Jungen hinauf in die Küche.
Entschuldigend sah Markus Katharina an. „Sie hat ihn mir einfach vor die Tür gestellt“, sagte er entschuldigend.
„Hey, Markus, ich hab es gesehen“, sagte sie sanft. „Und der kleine süße Kerl kann ja auch nix dafür.“
„Stimmt schon, aber das kann sie doch echt nicht bringen.”
„Schon ziemlich dreist, ja. Verträgt der Kleine Erdbeeren?“
„Er liebt Erdbeeren.“
„Dann schnippeln wir gleich ein paar für ihn und unser Eis essen wir später.“
„Macht dir das nichts aus? Ich meine…“
„Weil ich mir sehnlichst ein Kind wünsche und du jetzt eins hast? Markus, wir sind nicht mehr zusammen. Selbst wenn es mir etwas ausmachen würde, du wolltest eben einfach kein Kind mit mir. Und Ben kann ja auch nichts für meine Gefühle.“
Markus sah sie forschend an. Er wusste genau, wie sehr sie im inneren kämpfte. Sie liebte Kinder. Genau darum hatten sie sich getrennt. Und nun war ausgerechnet er, der kein Kind wollte, Vater geworden. Katharina entfloh der Situation Richtung Badezimmer. Sie wollte nicht mehr über das leidige Thema reden. Ihr wurde es gerade zu viel. Sie hatte die Tür hinter sich noch nicht ganz geschlossen, als sich Tränen den Weg aus ihren Augen suchten. Sie konnte sich nicht dagegen wehren.
Markus bemerkte, dass Katharina auffällig lange im Bad verschwunden war, aber er gab ihr einfach die Zeit. Währenddessen hatte er Ben ausgezogen und sein Spielzeug auf dem Tisch ausgebreitet. Brabbelnd saß Ben auf Markus Schoß und schob seine Baufahrzeuge über den Tisch. Markus war so in seine Gedanken und das Spielen mit Ben vertieft, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass Katharina im Türrahmen stand und ihn beobachtete. Sie fühlte einen schrecklichen Schmerz und tiefe Liebe zugleich. Sie liebte Markus einfach immer noch so sehr und der Anblick, der sich ihr bot, zerriss ihr fast das Herz. Er spielte so liebevoll mit dem kleinen Jungen und war zu so einem guten Vater für das Kind geworden. Eigentlich wollte sie stark sein und mit Markus und Ben den Nachmittag verbringen, aber plötzlich musste sie einfach nur noch raus. Schnell wandte sie sich ab und bewegte sich mit ihren Krücken die Treppe herunter. Der kleine Junge war beim Spielen immer lauter geworden, so dass Markus das Knarzen der Stufen gar nicht hörte. Katharina ging hinüber zum Haupthaus. Einen Moment verharrte sie auf der Bank in der Sonne, ehe sie die Stufen zur Eingangstür hinauf kletterte. In der Küche machte sie Halt, um einen Schluck zu trinken und machte sich weiter auf den Weg in ihr Dachgeschoss.
Sichtlich erschöpft war sie oben angekommen und plumpste auf ihr Sofa, wo Markus ihren Rucksack abgelegt hatte. Schnell griff sie ihr Handy. Das schlechte Gewissen einfach heimlich verschwunden zu sein, hatte Besitz von ihr ergriffen und sie wollte Markus, der sich so lieb um sie gekümmert hatte, schnell mitteilen, wo sie war.
<Bin drüben. Tut mir leid, ich habe es doch nicht ertragen. Sei mir bitte nicht böse!!! Danke für den schönen Tag und die besten Spaghetti der Welt. Kat>
Katharina griff nach der pummeligen Jellycat Möwe, die Markus ihr bei ihrem einzigen Urlaub an der Nordsee geschenkt hatte und drückte sie an sich. Warum konnte sie denn nicht einfach nur Markus beste Freundin sein? Warum mussten diese Gefühle ihr das Leben nur so schwer machen? Katharina war einfach überfordert. Sie setzte die lustige Möwe wieder auf das Sofa und ging in die Küche, um etwas zu trinken und das Fenster zu öffnen. Es war mächtig warm im Dachgeschoss, so dass sie ihre Jacke auch auszog, bevor sie ihre Krankenhaustasche auspackte. Blitzschnell hatte sich ihr Wäschekorb gefüllt. Sie überlegte, ob sie es alleine schaffen würde, ihre Wäsche aus der Maschine zu holen und aufzuhängen und die neue anzustellen. Sie nahm einen Rucksack und stopfte die Dreckwäsche hinein, ehe sie hinab in den Keller stieg.
„Hier bist du“, seufzte Markus, als er den Waschkeller betrat.
Katharina zuckte erschrocken zusammen. „Mensch, Markus, musst du mich so erschrecken?“
„Was machst du denn hier unten? Ich hab doch gesagt, ich kümmere mich um deine Wäsche.“
„Aber Ben…“
„…schläft selig im Reisebett, das noch von Emilies Kindern da ist, unten in meinem Wohnzimmer.“
Markus nahm ihr den Korb aus der Hand. „Du sollst nicht voll belasten, hat Verena mir erklärt und du machst sowas.“
Kopfschüttelnd sah er sie an.
„Gefühle sind ganz schön Kacke, oder?“
Ertappt schaute sie ihn von unten mit ihren großen Augen an und nickte nur.
„Komm mal her.“ Markus schloss Katharina fest in seine Arme.
„Maaarkus?“, ertönte eine Stimme von oben.
Seufzend ließ Markus Katharina los und eilte nach oben.
„Katharina?“, rief Markus und rannte die Kellertreppe zu ihr hinunter. „Die Kleine von nebenan ist verschwunden. Ich muss suchen helfen. Kannst du auf Ben aufpassen? Bitte!“
„Hau schon ab.“
„Brauchst du noch was von oben? Bevor du mir hier fällst.“
„Mein Handy und meine Jacke. Liegt beides auf dem Sofa.“
„Bring ich dir.“
Markus und Katharina kamen zeitgleich an der Haustür an. Markus half ihr in ihre Jacke, steckte ihr das Handy in die Jackentasche und hob sie schnell die Treppe hinunter. „Danke, dass du aufpasst. Ich weiß, dass das gerade nicht leicht ist.“ Liebevoll streichelte er über ihre Wange.
„Ich beeile mich. Und dann essen wir zwei gemütlich unser Eis.“ Markus zwinkerte ihr zu und Katharina musste unweigerlich lächeln.
„Okay. Bis später.“
Der kleine Ben schlummerte tief und fest im Wohnzimmer. Katharina setzte sich aufs Sofa und beobachtete den kleinen Jungen. Er war wirklich ein goldiges Kerlchen. Und Markus war einfach so liebevoll mit ihm. Sie musste irgendwie damit klar kommen, dass Markus zu Ben so eine Bindung hatte, aber mit ihr nicht bereit dazu war. Und es lag einzig und allein an ihr.
Als Markus eineinhalb Stunden später zurückkehrte, saß Katharina mit dem kleinen Jungen auf dem Sofa und spielte ganz liebevoll mit ihm und seiner kleinen Eisenbahn. Ben gluckste vergnügt, weil Katharina ihm Tuff Tuff Tuff die Eisenbahn vorsang.
Diesmal war es Markus, der in der Tür stand und dem bei dem Anblick seiner Ex-Freundin warm ums Herz wurde.
„Hey Ihr Beiden“, sagte er leise und schenkte Katharina ein liebevolles Lächeln.
„Hey“, antwortete sie sanft.
„Amüsiert ihr euch?“
„Oh ja, sehr. Habt ihr Lea gefunden?“
„Ja, sie war einem Hasen nachgelaufen und ist wieder wohlbehalten zuhause.“
„Gott sei Dank.“
„War Ben lieb?“
„Jaaa, sehr sogar. Aber ich glaube, er braucht gleich eine frische Windel. Hier drückt gerade jemand“, lachte sie.
„Wird auch mal Zeit, dass sich seine Mutter her verirrt.“ Markus schüttelte nur den Kopf. „Was hätte sie gemacht, wenn ich gar nicht hier gewesen wäre? Wenn wir beide doch weggefahren wären oder ich bei dir oben gewesen wäre?“
„Mrs. Mein Kind Könnte Steine Essen wird das schon vorher ausgelotet haben, wo du bist.“
Markus lachte. „Das mit den Steinen ist echt geil.“
Katharina grinste ihn nur an. „Ziemlich. Aber ihre Forderung ist noch das Beste. Wann wird denn der Hof gepflastert?“, fragte sie gespielt aufgeregt und klimperte mit den Augen.
Markus lachte herzhaft. „Ich hol mal fix ne Windel von oben.“
Mit zwei Schüsseln Eis und der Wickeltasche kam Markus zurück ins Wohnzimmer.
„Erst essen wir das versprochene Eis.“
„Das ist eine gute Idee.“
Markus reichte ihr eine Schüssel und setzte sich so, dass Ben zwischen ihnen saß. Katharina genoss das Eis mit den frischen Erdbeeren sehr und Markus freute sich, dass er ihr ganz offensichtlich mit der Wahl des Essens eine große Freude gemacht hatte.
Als beide fertig waren, verpassten sie dem kleinen Jungen eine frische Windel. Um ihn noch ein wenig auszupowern gingen Markus und Katharina noch mit ihm auf den Hof.
Markus hatte Ben das Bobbycar aus dem Schuppen geholt und spielte mit ihm Fangen. Katharina saß derweil auf der kleinen Bank, die neu vor dem kleinen Häuschen mit den roten Fensterläden stand. Irgendwann plumpste Markus erschöpft neben sie.
„Hat der ne Ausdauer“, lachte Markus.
„Das kann man wohl sagen. Es ist gleich schon halb 9.“
„Spätestens um 9 Uhr bring ich ihn ins Bett. Keine Ahnung, wo Alex ist. Die spinnt echt total.“
„Ich versteh sie nicht. Aber das hab ich noch nie so wirklich. Wir werden keine Freundinnen in diesem Leben. Ich vermisse Jessi.“
„Ich auch. Und der Gert auch.“
„Oh ja. Der leidet immer noch, aber gibt es nicht zu.“
„Wer gibt schon gerne zu, dass er leidet?“, sagte Markus nachdenklich.
„Auch wieder wahr. Es ist eben einfacher zu sagen, dass es einem gut geht. Das macht einen auch nicht so verletzlich.“
„Ich weiß, dass es dir wegen Ben gerade nicht wirklich gut geht.“ Markus sah sie liebevoll an.
„Ist schon okay. Mir geht’s gut.“
„Katharina“, sagte er mahnend. „Ich kenne dich. Wahrscheinlich besser als jeder andere. Ich seh in deinen Augen, dass es dir weh tut. Ich sehe deine innere Zerrissenheit. Und trotzdem sitzt du hier neben mir und kümmerst dich mit mir um das Kind, obwohl es dir das Herz bricht.“
Katharina sah auf den kleinen Jungen und antwortete nur: „Wir sollten rein gehen. Ist schon spät für ihn.“
„Du weichst aus. Aber du hast recht, er gehört wirklich langsam ins Bett.“
Nachdem Ben in seinem Schlafanzug steckte, der rein zufällig in der Wickeltasche war, legte Markus ihn ins Bett. Ben machte sofort die Augen zu.
„Ich häng mal eben deine Wäsche auf“, sagte Markus leise.
„Danke“, flüsterte Katharina.
Kaum war Markus verschwunden, begann das Kind furchtbar zu weinen. Katharina hob ihn aus dem Bett und versuchte ihn zu beruhigen. Sie drückte den kleinen Jungen an sich, der nach seiner Mama weinte und streichelte ihm liebevoll über den Rücken. Katharina ließ sich zurück ins Kissen fallen und Ben lag auf ihr. Er beruhigte sich sichtlich und hatte seine kleinen Ärmchen um Katharina geschlungen.
Als Markus aus dem Keller kam, waren beide eingeschlafen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht legte er ein zweites Mal an diesem Tag die Kuscheldecke über Katharina. Doch sie bemerkte es diesmal.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“
„Schon gut. Ich sollte langsam mal rüber gehen. Nimmst du ihn?“
Vorsichtig nahm Markus das Kind, das sofort zu schreien begann. „Ich glaube, er möchte, dass du da bleibst.“
Verlegen sah Katharina Markus an.
„Aber…“
Ben weinte immer mehr.
„Na gut, ich bleibe noch.“
Markus lächelte ihr dankbar zu. „Ich bin sofort zurück.“
Kurz darauf hielt Markus ihr eins seiner Shirts und eine eingelaufene Boxershorts entgegen.
Lachend registrierte sie, dass sie oft in genau dieser Kombi geschlafen hatte, als sie noch ein Paar waren.
„Ich leg es dir ins Bad. Oder willst du dich schnell hier umziehen.“
„Schnell ist gut“, seufzte sie. „Und du hast mich öfter beim umziehen gesehen als jeder andere. Außer meiner Mutter natürlich.“ Schelmisch grinste sie ihn an. „Hilf mir mal eben bitte in die Hose, den Rest kann ich alleine.“
Nachdem Katharina in ihre alten Wohlfühlschlafsachen geschlüpft war, die ihr ein Gefühl von Zuhause vermittelten, gab Markus ihr Ben zurück auf den Arm, der fürchterlich weinte und erst in Katharinas Armen wieder ruhiger wurde.
Markus sah Katharina ungläubig an. „Wie machst du das?“
„Keine Ahnung. Ich weiß es nicht.“
„Du hast ein unglaubliches Händchen für Kinder“, meinte Markus. Im selben Moment verfluchte er sich dafür, die Worte gesagt zu haben.
„Manchmal“, sprach sie leise und streichelte sanft über das Köpfchen des kleinen Jungen.
Markus legte erneut die Decke über Katharina und Ben. Das Kleinkind hatte sich auf den Oberkörper der blonden Bergretterin gekuschelt und beruhigte sich sichtlich. Markus wechselte die Beleuchtung, gab dem Kleinen noch sein Kuschelhäschen, bevor er sich neben die beiden auf das Sofa kuschelte.
Recht bald war Katharina im Dämmerlicht des Wohnzimmers eingeschlafen – und mit ihr der kleine Junge und auch Markus.
Es war bereits mitten in der Nacht, als Alex wie eine Furie ins Wohnzimmer gestürmt kam.
„Was machst du da mit meinem Kind?“, giftete sie Katharina an und stürzte auf sie los, um ihr Ben zu entreißen. Weder Markus noch Katharina begriffen im ersten Moment, was los war und außer einem spitzen „Ah“, kam kein Wort über Katharinas Lippen. Ben begann laut zu weinen.
„Das hast du ja fein gemacht“, schrie sie Markus an. „DU solltest auf deinen Sohn aufpassen, nicht Katharina.“
Böse sah Markus sie an. „Spinnst du eigentlich komplett?“
„Ich nicht, aber du ganz offensichtlich.“ Während der kleine Junge auf Alex Arm bitterlich weinte und schrie, warf sie sein Spielzeug in die Tasche.
Markus sah Katharina verloren an. Katharina konnte in seinen Augen lesen, dass er wirklich nicht wusste, wie er auf diese kuriose Situation reagieren sollte. Sie legte beschwichtigend ihre Hand auf seine. Markus Puls raste, das konnte sie deutlich spüren. Seine Blicke rasten zwischen der wütenden Alex und der ruhigen Katharina hin und her. Markus fixierte sich auf die sanften braunen Augen der hübschen Bergretterin und wurde langsam ruhiger. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss und die Polizistin fuhr vom Hof.
Immer noch sah Markus Katharina an. Immer noch war er gefangen in ihren Augen, die ihn voller Liebe und Verständnis ansahen.
„Die hat sie nicht mehr alle“, sagte er leise.
„Nee. Definitiv nicht.“ Katharina konnte auch immer noch nicht begreifen, was sie da gerade erlebt hatte. Und sie spürte ihr Bein pochen.
„Sie hat dir weh getan, oder?“
Katharina nickte stumm.
„Scheiße. Ist es schlimm?“
„Ich weiß nicht. Sie hat sich auf das kaputte Bein gestützt.“
Markus sprang vom Sofa. „Komm, ich bring dich sofort ins Krankenhaus das checken lassen.“
Als Katharina nicht widersprach, war Markus klar, dass es wohl wirklich besser war, mal eben mit ihr hinzufahren.
Katharina schlüpfte wieder in ihr Kleid zurück und ehe sie sich versah, befand sie sich auf Markus Armen.
„Das wäre jetzt echt nicht nötig“, sagte sie leicht peinlich berührt.
„Keine Widerrede.“ Markus grinste sie frech an und trug sie aus dem kleinen Häuschen in sein Auto.
Als sie um kurz vor zwei das Krankenhaus betraten, liefen sie direkt Verena in die Arme. „Was macht ihr denn hier?“ Erschrocken sah die Ärztin ihre beiden Freunde an.
„Alex hat sich unsanft auf Katharinas Bein fallen lassen und nun hat sie Schmerzen.“
„Oh, okay. Dann ab zum Röntgen.“ Verena nahm einen der Rollstühle aus der Notaufnahme und stellte ihn vor Markus.
„Brauchen wir nicht, ich trag sie schon.“
„Markus“, beschwerte sich die blonde Frau auf seinem Arm. „Ich bin viel zu schwer.“
Markus lachte laut los. „Du und schwer? Du wiegst so gut wie nix.“
Schmunzelnd brachte Verena die Beiden zum Röntgen.
Markus wibbelte neben Verena hin und her.
„Und?“, fragte er sichtlich nervös.
„Alles okay, der Nagel hat gehalten. Schauen wir nach der OP-Naht.“
Markus brachte Katharina in den Behandlungsraum, wo Verena das große Wundpflaster abnahm.
„Tatsache, sie hat die Naht ein wenig aufgerissen. Da muss ich kurz drüber nähen.“
Augenrollend sah Katharina Markus, der sich nicht von ihrer Seite bewegte, an. „Ich sag ja, wir werden niemals Freunde, die Furie und ich.“
Grinsend machte sich Verena an die Arbeit und kurz darauf war Katharina auch schon fertig.
„So, kannst sie wiederhaben, Markus“, lachte Verena.
„Danke“, sagte er sichtlich erleichtert.
„Danke, Verena“, fügte auch Katharina hinzu, ehe Markus sie aus dem Krankenhaus brachte.
Als Katharina am Morgen von den Sonnenstrahlen auf ihrer Nase geweckt wurde, war es bereits nach 11. Sie musste kurz überlegen, wo sie war. Doch schnell kam die Erinnerung an den gestrigen Tag. So gut wie in der letzten Nacht hatte sie ewig nicht geschlafen. Und sie wusste genau woran und an wem das lag. Sie lag in Markus Bett, weil er darauf bestanden hatte, auf sie aufzupassen und ein Hauch von Zirbe lag in der Luft. Markus benutzte seit jeher Duschgel mit Zirbenduft, darum umspielte ihn immer der leichte Duft. Der Duft, der in Katharina immer wieder dieses Gefühl von „zuhause“ auslöste. Überhaupt herrschte seit gestern eine verloren geglaubte Vertrautheit zwischen Markus und ihr, die sie nicht deuten konnte. Bis zu ihrem Unfall herrschte Eiszeit, sie hatten sich entfremdet, waren kein wirkliches Team mehr, keine Einheit mehr wie früher. Aber seit er sie aus dem alten Stollen geholt hatte, war alles anders. Fast wie früher. Und es knisterte gewaltig.
„Guten Morgen, Du Schlafmütze.“ Markus musste leicht lachen, wie Katharina sich so rekelte und die Nase leicht kraus zog.
„Guten Morgen“, antwortete sie zufrieden.
„Du hast aber fest geschlafen. Und lange.“
„Kein Wunder. Hier werde ich ja nicht um halb 6 zum Betten machen und dann wieder um halb 7 für Frühstück geweckt.“
„Nee, hier darfst du schlafen und essen, wann du willst.“
„Herrlich“, kicherte sie.
„Komm, ich helf dir auf“, sagte Markus fürsorglich und half Katharina aus dem Bett. Katharina hatte das Gefühl, als würden tausend kleine Stromstöße durch ihre Hand jagen, als Markus sie festhielt.
Leicht verwirrt verschwand sie im Badezimmer.
Was war das nur mit ihnen?
Die nächsten Tage verbrachten sie weiterhin viel Zeit zusammen mit Emilie und Tobias. Sobald Markus nach der Arbeit nach Hause kam, führte ihn sein erster Weg zu Katharina. Tobi und Emilie hatten schon bemerkt, dass das Band zwischen den beiden wieder enger geworden war. Es herrschte eine richtige Harmonie auf dem Hof. Auch Alex hielt sich zurück und tauchte nicht auf. Bis zum Morgen von Katharinas Abreise in die Rehaklinik.
Tobias und Emilie hatten sich gerade von ihr verabschiedet und sie saß bereits in Markus Wagen, als der silberne Audi auf den Hof geschossen kam. Markus hielt inne.
„Was will die denn jetzt?“ Fragend sah er Katharina an und dann herüber zu Tobi und Emilie.
Der Wagen hielt genau vor Markus, so, dass dieser nicht nach vorne wegfahren konnte.
„Du musst Ben nehmen“, donnerte die Polizistin los.
„Guten Morgen und nein, muss ich nicht.“
„Markus! Du bist auch für Ben verantwortlich!“
„Nein, bin ich nicht. Und jetzt entschuldige mich, ich muss weg.“
Markus stieg in den Wagen, setzte zurück und fuhr an ihr vorbei vomHof.
„Aber. Das kann der doch nicht machen.“ Entsetzt sah Alex dem schwarzen Pick Up nach.
Grinsend antwortete Tobias „Doch, er kann.“ Und schob Emilie vor sich her ins Haus.
„Hast den Blick gesehen?“ Lachend fiel Emilie ihrem Mann in die Arme.
„Zu schön, oder?“ Tobi drückte sie fest an sich, ehe er ihr einen zärtlichen Kuss gab.
Markus grinste Katharina an, die schmunzelnd neben ihm auf dem Beifahrersitz saß.
„Was fand ich nochmal gut an ihr?“
„Keine Ahnung, hab ich nie verstanden“, antwortete sie und sah aus dem Fenster.
Zärtlich drückte Markus kurz ihre Hand, die auf ihrem Bein lag.
Und wieder jagten gefühlte 1000 Volt durch ihre Hand. Wieder klopfte ihr Herz schneller. Wieder fragte sie sich, was das mit ihnen war.
„Ich werde dich vermissen“, sagte Markus leise.
„Sind doch nur drei Wochen, dann bin ich wieder da. Und es wird uns gut tun.“
Markus seufzte. „Drei Wochen. So lange waren wir noch nie getrennt.“
„Markus, wir SIND getrennt.“
„Ich mein doch räumlich. Wir haben uns in den letzten zehn Jahren maximal eine Woche nicht gesehen.“
„Ich bin nur 80km weit weg und nicht auf dem Mond“, grinste sie. „Wir können schreiben und auch telefonieren.“
„Das ist nicht dasselbe.“
Markus klang frustriert.
„Hey, du hast die Bergrettung und Tobi und Emilie. Ich bin alleine in der Reha. Sollte nicht ich eher frustriert sein?“
„Hast ja Recht.“
„Was hast du eigentlich vor, warum wolltest du schon so früh los?“
„Das wirst du gleich sehen. Ich dachte mir, wir beide machen noch einen Ausflug und essen noch zusammen zu Mittag, ehe ich dich hergeben muss.“
Katharina rollte die Augen. „Maaarkuuusss, es sind drei Wochen. Ich bin nicht aus der Welt. Du kannst mich bestimmt auch besuchen.“
„Meinst du?“ Sofort erhellte sich sein Gesichtsausdruck.
„Also am Wochenende kann man auf jeden Fall Familienbesuch anmelden.“
Katharina registrierte mittlerweile, wohin Markus wollte. „Du willst zu den Murmeltieren“, lachte sie vergnügt.
Markus lächelte verschmitzt und sah sie liebevoll dabei an.
Markus breitete eine Decke auf der Wiese aus und half Katharina dabei, auf ihr Platz zu nehmen, ehe er sich neben sie setzte. Aus seinem Rucksack zauberte er etwas zu trinken, Sonnencreme, Sonnenhüte und Möhren für die Murmeltiere. Markus hatte sich so gesetzt, dass Katharina sich anlehnen konnte. Es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Murmeltiere zu ihnen gesellten und vergnügt an den Möhren mümmelten. Katharina lachte so fröhlich und unbeschwert beim Anblick der kleinen Nager, wie Markus sie seit Ewigkeiten nicht mehr lachen gehört hatte. Schlagartig wurde ihm klar, wie sehr er dieses Lachen vermisst hatte. Er schloss von hinten seine Arme um sie. Eine Gänsehaut legte sich sofort über Katharinas Arme.
„Es ist so schön, wenn du lachst“, sagte er leise.
Katharina lächelte nur und genoss Markus, die Murmeltiere und die Aussicht.
Markus hatte Katharinas Tasche auf ihr Zimmer getragen. Sie hatte eins mit einem kleinen Balkon und Ausblick auf die Berge erwischt. Er ließ es sich nicht nehmen ihre Tasche auszupacken und musste herzhaft lachen, als die pummelige Möwe aus ihrem Nordsee-Urlaub zum Vorschein kam.
„Du hast den knuffigen Kerl mitgenommen?“, fragte er grinsend.
„Na klar. Ich brauche doch Gesellschaft.“
Markus setzte das lustig aussehende Kuscheltier auf Katharinas Kopfkissen. Irgendwie machte es ihn stolz, dass sie es eingepackt hatte. Er hatte ihn ihr schließlich geschenkt, weil sie ihn so niedlich fand. Günstig war er nicht gewesen, der kleine Heini, aber ihr glückliches Lachen war es wert gewesen.
Nachdem alles ausgepackt war, sahen sie sich auf dem Gelände der Rehaklinik um und setzten sich noch in den Park. Markus wurde immer ruhiger, je näher der Abschied rückte. Und auch Katharina bekam langsam doch ein mulmiges Gefühl. Sie wusste, es war das beste in die Reha zu gehen, um das Bein wieder uneingeschränkt bewegen zu können. Sie musste doch zurück in die Bergrettung. Sie musste einfach auf Markus aufpassen. Und ihr dauerte es jetzt schon alles zu lange. Und es würde alles nochmal losgehen, wenn der Nagel aus ihrem Bein kam.
„Woran denkst du?“, fragte Markus, der natürlich bemerkte, dass auch Katharina immer ruhiger wurde. „Soll ich dich wieder mit heim nehmen?“
Katharina lächelte und schüttelte leicht den Kopf.
„Ich muss das durchziehen. Es sind nur drei Wochen, aber komisch ist es schon, gleich allein hier bleiben zu müssen.“
„Soll ich nach der Arbeit morgen her kommen?“
„Nein, Markus, das musst du nicht. Aber vielleicht können wir telefonieren?“
„Das machen wir. Und zum Besuchstag am Sonntag bin ich der erste auf der Matte.“
Katharina lehnte ihren Kopf an Markus Schulter, woraufhin er seinen Arm beschützend um sie legte.
Wortlos saßen die beiden Freunde auf der Bank, bis es Zeit für den Abschied wurde.
Markus brachte Katharina zurück in den Eingangsbereich, wo er sie liebevoll in die Arme schloss. Minutenlang hielte er sie einfach fest, küsste zärtlich ihre Stirn, ehe er zum Auto ging. Katharinas Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Sie vermisste Markus direkt, dabei war er noch nicht mal am Auto angekommen. Sie hatte nicht einmal mitbekommen, dass die Empfangsmitarbeiterin neben sie getreten war. „Nicht traurig sein“, sagte sie sanft. „Ihr Mann darf sie doch besuchen kommen.“
„Er ist gar nicht mein Mann. Wir sind nicht einmal mehr ein Paar.“ Katharina schluckte. Es war nicht ihre Art wildfremden Menschen etwas persönliches zu erzählen.
„Aber sie lieben ihn. Und er liebt sie. Das sieht ein Blinder, Frau Strasser.“ Aufmunternd lächelte sie Katharina zu, ehe sie zurück an ihren Arbeitsplatz ging.
Neben den Therapeutischen Maßnahmen hatte Katharina viel Freizeit. Für ihren Geschmack zu viel. Ständig dachte sie an Markus. An zuhause. Ihre Jungs. Sie lag auf ihrem Bett und drückte ihre Möwe an sich. Morgen war endlich wieder Sonntag und Markus würde kommen. Ihr Handy riss sie aus ihrer Melancholie. Eine Nachricht von Rudi. Mit einem Lächeln an ihren Kollegen öffnete sie sie. Eine Videonachricht. Gespannt drückte sie auf Play. Rudi grinste breit in die Kamera. „Hallo Katharina. Wir wollten dir nur sagen, wie sehr wir dich vermissen. Du fehlst uns.“ Hinter Rudi sprangen ihre Freunde ins Bild. Katharina liefen die Tränen vor Rührung über die Wangen. Plötzlich klopfte es an ihrer Tür. „Herein“, rief sie nur und wischte sich die Tränen weg. Die Tür öffnete sich und Markus stand mit einem kleinen selbstgepflückten Blumenstrauß in der Tür. „Markus“, rief sie aufgeregt. Hinter Markus folgten aber noch mehr Personen. Da kamen Rudi, Michi, Tobi und Emilie zum Vorschein. „Was macht ihr denn hier?“, rief sie aufgeregt und hangelte sich vom Bett.
Tobi grinste zufrieden. „Dich besuchen?“
Katharina drückte ihre Freunde liebevoll an sich. „Ich hab euch so vermisst.“
„Und wir dich. Darum sind wir hier.“
Katharina liefen Freudentränen über die Wangen, so glücklich war sie, ihre Familie zu sehen.
„Wir entführen dich jetzt zum essen“, sagte Emilie sanft.
„Dann ziehe ich mir aber schnell was anderes an.“ Katharina sah an sich herunter.
„Ach, wir nehmen dich auch als Heckenpennerin mit“, grinste Michi und zwinkerte ihr zu.
„Gebt mir 10 Minuten.“
„Sollst du haben“, sagte Emilie und schob alle Jungs zur Tür hinaus.
„Soll ich dir helfen?“, fragte sie Katharina.
„Gerne. Ich bin gerade nicht so schnell. Gibst Du mir mein braunes Kleid mit den Blümchen?“
Katharina war schon dabei ihr Shirt auszuziehen und konnte so direkt in ihr Kleid schlüpfen.
„Jeansjacke dazu?“, fragte Emilie, die den Kleidungsstil ihrer Freundin bestens kannte.
„Perfekt, danke. Ich muss nur noch kurz ins Bad.“
„Mach langsam, du hast bis 22 Uhr Ausgang. Das haben wir schon geklärt.“
Kurze Zeit später saßen alle in einem naheliegenden Restaurant und aßen gemeinsam zu Abend. Sie erzählten Katharina haargenau von den Einsätzen der letzten Woche und davon, was es neues in Ramsau gab. Michi erzählte, wie es ihm damit ging, dass Verena in die Heimat zurückgekehrt war. Wie sehr seine Gefühle verrückt spielten, weil er sie einfach so sehr liebte. Im Herbst würde er mit Rudi zusammen eine Woche nach Mallorca fliegen. Sehr zum missfallen von Rudis Mama, die seitdem kein Wort mehr mit ihrem Sohn sprach. Rudi tat der Zuspruch seiner Freunde sichtlich gut, die ihn alle bestärkten, die Reise zu machen, egal, wie die Mama darüber dachte.
Der gemütliche Abend verflog einfach in Windeseile. Schweren Herzens verabschiedete sich Katharina von ihren Freunden. Nur Markus stand immer noch breit grinsend vor seinem Pick up. Fragend sah Katharina ihn an.
„Hast du dir gerade einen guten Witz erzählt?“, fragte sie ihn irritiert.
„Nee. Ich bleib heute Nacht hier im Ort. Und morgen früh zum Frühstück bin ich da und hol dich ab.“
Nun grinste auch Katharina.
Markus brachte sie zurück zum Eingang der Rehaklinik, da es mittlerweile schon kurz nach 22 Uhr war. Er drückte sie fest an sich, bevor er ihr die Tür öffnete.
„Katharina“, rief er ihr nach.
Sie drehte sich um zu ihm.
„Du siehst übrigens toll aus.“
Blitzartig färbten sich ihre Wangen rot. Verlegen sah sie Markus an und schenkte ihm ein Lächeln.
Katharina war gerade in ihr Bett gesunken und hatte sich eingekuschelt, als eine Nachricht von Markus auf ihrem Handy hochpushte.
<Schlaf gut. Ich bin morgen um 9 Uhr vor deiner Tür. Kannst also ausschlafen. ;-)>
Katharina musste grinsen.
<Ich freu mich. Schlaf schön. Bis morgen. :-*>
Sie legte ihr Telefon zur Seite, seufzte tief, griff nach Heini und löschte das Licht. Mit dem Gedanken bei Markus und dem, was gerade passierte, schlief sie ein.
Pünktlich um 9 Uhr stand Markus vor dem Klinikportal. Die Sonne schien und Katharina hatte eins der neuen Kleider angezogen.
Markus ließ einen Pfiff los und schaffte es damit sofort, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss.
„Blödmann“, sagte sie leicht schmollend.
„Wird schon besser mit dem Belasten, oder?“, fragte er, um vom Thema abzulenken.
„Darum bin ich ja schon 11 Tage hier, damit das besser wird.“
Markus umarmte sie zur Begrüßung, nahm ihr die Tasche und die Krücken ab und half der zierlichen Frau in sein Auto.
„Vielleicht sollte ich lieber dein Auto nehmen, dann musst du nicht ganz so hoch klettern“, kicherte er frech.
„Ich hab dich auch lieb“, schnaubte sie.
„Oh, du hast mich lieb?“ Er klimperte mit den Augen. „Das ist aber schön.“
Markus konnte nicht anders, als sie ein wenig zu ärgern. „Hast du dich für mich so chic gemacht? Oder erwartest du noch jemanden?“
Katharina warf ihm ihren Killerblick zu und Markus musste herzhaft lachen. „Lass mal gucken. Kommen da kleine Dampfwölkchen aus deinen Nüstern?“
„Markus!“, schimpfte sie.
„Oh, oh, jetzt dampft’s auch aus den Öhrchen.“
„Pass du mal lieber auf, dass bei dir nix dampft.“
Markus stand immer noch neben der offenen Beifahrertür und sah sie mit einem liebevollen Grinsen an.
„Du bist wirklich ein Blödmann“, sagte sie schmunzelnd.
Mit einem Lachen schloss Markus die Beifahrertür und hüpfte auf den Fahrersitz.
„Bereit?“, fragte er.
„Na klar. Für was auch immer.“
„Frühstück der besonderen Art.“
„Na dann. Solange ich ein Rührei bekomme.“
„Oh, Rührei wird schwierig. Aber du wirst es trotzdem mögen.“
Eine halbe Stunde später parkte Markus den Wagen an einem Waldweg. „Sind nur ein paar Meter.“
„Na dann.“
Markus behielt Recht. Nach ein paar Metern durch den Wald eröffnete sich ein wunderschöner kleiner See, der dunkelgrün und türkis schimmerte.
„Oh wow“, sagte Katharina begeistert. „Der ist aber schön.“
„Genau der richtige Ort für Frühstück, oder?“
„Absolut. Das ist ja richtig romantisch. Soll das ein Date werden?“, fragte sie ihn geradeheraus.
„Wie kommst du denn darauf? Das ist nur ein Frühstück unter Freunden. Und das sind wir doch, oder? Freunde?“
Katharina nickte nur und Markus musterte sie eingehend, während sie gedankenverloren auf ihre Hände sah und mit ihrem Ring spielte. Freunde. Da war es wieder. Sie waren nur Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Sie seufzte.
Markus packte diverse Brötchen, Crossaints, gekochte Eier, Obst, Kaffee und Wasser aus. Mit großen Augen sah Katharina, was Markus an einem Sonntagmorgen aufgetrieben hatte.
„Wow, du hast dich aber ins Zeug gelegt“, sagte sie überrascht.
„Extra für dich“, sagte er leise und hielt ihr grinsend ein Ei vor die Nase. „Rührei hab ich tatsächlich keins bekommen.“
Katharina musste lachen. Markus war schon immer sehr aufmerksam.
Gemütlich frühstückten sie am Seeufer unter großen Bäumen.
„Ach, ich habe gestern ganz vergessen, dass ich Post für dich mitgebracht habe.“
„Können doch nur Rechnungen sein“, meinte Katharina und hielt ihre Nase in den Wind, der mit ihren Locken spielte.
„Hm, das wäre aber eine komische Rechnung hier.“
Neugierig sah Katharina zu ihm. Markus wedelte mit einem hellblauen Umschlag vor ihrer Nase herum.
„Was ist das?“
Markus hielt ihr den Umschlag jetzt genau vor ihre Nase. „Von Mia“, lachte sie fröhlich und schnappte nach dem Umschlag. Wie einen Schatz hielt sie den Umschlag in der Hand und drückte ihn an sich.
Markus beobachtete sie beim Öffnen und sah das glückliche Strahlen in ihren Augen. Als Katharina den Brief der Jugendlichen las, wurde ihm bewusst, wie stark das Band zwischen Mia und Katharina eigentlich war. „Sie kommt in zwei Wochen“, sagte Katharina glücklich.
„Ich weiß“, grinste Markus. „Ich hab mit ihr telefoniert und ein paar Dinge geklärt.“
„Gut so.“
„Du hattest Recht. Mia hat sich unerwünscht gefühlt. Und Alex hat es sie deutlich spüren lassen.“
„Ich weiß“, sprach sie leise. „Sie war so unglücklich wegen Alex. Aber hätte ich mich noch mehr eingemischt, wäre alles zwischen uns beiden doch noch schlimmer geworden.“
„Katharina… ich…“
„Schon gut, Markus. Es ist okay.“
„Nee. Das ist es nicht. Und das weißt du auch. Ich hab mich nicht nur Mia gegenüber scheiße verhalten, auch dir gegenüber. Und das tut mir wirklich leid. Ich hab dich absichtlich verletzt, weil ich dich verletzen wollte. Ich wollte, dass es dir genauso beschissen geht wie mir seit du weg bist. Ich wollte dir signalisieren, dass ich dich nicht brauche und keinerlei Gefühle mehr für dich habe. Dabei bist du einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Du bist meine beste Freundin und ich hab dich lieb.“
„Ich hab dich auch lieb“, sagte sie leise. Wohl wissend, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie hatte ihn nicht einfach nur lieb. Sie liebte ihn. Von ganzem Herzen. Und sie wusste, dass sich das wohl niemals ändern würde. Seit sie Markus kannte, hatte sich nie etwas an diesem mächtigen Gefühl in ihr geändert. Es war stattdessen immer mächtiger und mächtiger geworden, als dass es auch nur ansatzweise abgeflaut wäre. Aber sie traute sich nicht, es zu sagen. Die Zurückweisung im Zelt am Berg, als sie ihn küssen wollte, war einfach zu präsent. Und sie hatte immer noch diese verletzende Wirkung. Sie war der Grund, warum Markus kein Kind mit ihr wollte, mit Alex dagegen war es kein Problem. Sie war ein Problem für Markus. Katharina schluckte und sah auf das türkise Wasser vor sich.
„Woran denkst du?“, wollte Markus wissen. Natürlich war ihm Katharinas Melancholie in den letzten Minuten nicht verborgen geblieben.
„Ach nichts. Ich freu mich so sehr auf die Mia und überlege, was ich eigentlich mit ihr unternehmen kann.“
Geschickt hatte Katharina so weitere Fragen von Markus unterbunden, weil er direkt in die Überlegungen eingestiegen war.
„Ihr könnt schwimmen gehen, das kannst und sollst du doch auch.“
„Schon. Aber das reicht nicht für den Sommer“, seufzte sie. „Bergtouren sind auch raus.“
„Also für die Action bin ja noch ich da. Wenn Mia hier ist, wird sich was ergeben. Mach dir keine Gedanken.“
Aber Katharina machte sich Gedanken. Über Mia, über Markus, über ihre Zukunft. Und Markus flirtete definitiv mit ihr. Immer wieder. Die Luft knisterte teilweise so sehr, dass ihr schwindelig wurde. Wie sollte es denn nur weitergehen mit Markus und ihr? Ihre Gefühle waren da. Sie ließen sich nicht abstellen. Nicht solange sie am Hof bei ihrer Familie wohnte und Markus täglich sah. Nicht solange sie beste Freunde waren. Nicht solange sie Bergretterin war. Aber sie konnte das alles nicht aufgeben. Das war einfach ihr Leben. Und was empfand Markus wirklich für sie? Katharina war entsetzlich verwirrt.
Markus war schon eine Stunde vor Katharinas Entlassung an der Rehaklinik. Nervös lief er in der Eingangshalle auf und ab. Mit einem Lächeln trat die nette Empfangsdame neben ihn. „Nu seien sie doch nicht so nervös. Ihre Frau kommt sicherlich gleich.“
„Sie ist nicht meine Frau. Leider. Wir sind getrennt.“
„Aber sie liebt sie. Sehr sogar. Das sieht doch ein Blinder. Sie gehören zusammen, glauben sie mir.“
Markus schaute der Frau irritiert nach, als sie zurück an ihren Arbeitsplatz ging.
Kurz darauf klingelte sein Telefon. Katharina. Ihrer Bitte, ihr beim Gepäck zu helfen kam Markus gern nach. Er drückte sie beim Betreten des Zimmers fest an sich. „Endlich kommst du wieder heim“, nuschelte er in ihre blonden Locken und ließ sie gar nicht mehr los. Katharina spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust, so sehr klopfte es.
„Lass uns schnell abhauen“, sagte er nach einer kleinen Ewigkeit in der er sie einfach nur fest umklammert hatte.
„Dann los.“
Voller Vorfreude liefen sie zum Auto, um auf direktem Weg nach Ramsau zu fahren.
Markus hatte wieder Blumen für den Friedhof besorgt, wo er mit Katharina einen Zwischenstopp einlegte. Den zweiten Zwischenstopp legten sie in der Zentrale ein. Sehr zur Freude von Rudi, der immer noch hoffnungslos in Katharina verliebt war.
Glücklich erreichte Katharina schließlich den Hof. Sofort wurde ihr klar, dass ihr Zuhause einfach hier war. Egal, wie kompliziert die Dinge auch werden würden. Das hier war einfach Zuhause. Bei den Menschen, die sie liebte. Bei ihrer Familie.
Während sie liebevoll von Tobias, Emilie und Franz begrüßt wurde, brachte Markus schnell ihr Gepäck rauf in ihre Wohnung.
Als er wiederkam fuhr der silberne Audi von Alex auf den Hof.
„Na, wieder da?“, giftete sie Katharina entgegen.
„Was dagegen?“, entgegnete die hübsche blonde Frau mit einem bitterbösen Blick.
„Du checkst es nicht, oder? Markus gehört zu Ben und mir. Markus, würdest du ihr das bitte endlich sagen, damit sie aus unserem Familienleben verschwindet.“ Markus sah die Polizistin fassungslos an.
„Markus!?“, sprach sie sichtlich genervt. „Sag ihr endlich, dass du sie nie geliebt hast und mit ihr kein Kind wolltest und auch nie willst.“
Alex sah ihn finster an. „Jetzt sag es ihr endlich.“
Markus warf ihr einen ebenso finsteren Blick zu.
„Du hast Recht“, sagte er.
Erschrocken landeten die Blicke von Katharina und den restlichen Hofbewohnern auf ihm.
„Du hast Recht. Ich muss Katharina etwas sagen.“
Katharina sah ihn an wie ein angeschossenes Reh.
„Ich muss ihr endlich sagen, dass ich sie liebe. Dass ich sie immer geliebt habe und auch immer lieben werde. Und dass sie nie der Grund war, warum ich keine Kinder wollte. Dass sie die Frau ist, mit der ich alt werden möchte. Von der ich nie wieder getrennt sein möchte. Dass sie das Beste ist, was mir passieren konnte und dass ich hoffe, dass sie mir noch einmal eine Chance geben wird.“
Markus sah Katharina in die Augen, die sich mit Tränen gefüllt hatten.
„Ich liebe dich, Katharina. Und nur dich“, sagte er leise und strich mit der Hand sanft über ihre Wange.
„Und ich liebe dich“, sagte sie unter Tränen. Katharina ließ die Krücken einfach fallen und schlang ihre Arme um Markus Hals, bevor beide in einen gefühlt endlosen und leidenschaftlichen Kuss versanken.
Glücklich sahen sich Tobi, Emilie und Franz an, während Alex sämtliche Gesichtszüge entglitten waren. Sichtlich sauer stieg sie in ihren Wagen und brauste davon.
Markus und Katharina küssten sich immer noch, als plötzlich eine Stimme laut „Wuuuhuuu“ über den Hof rief und applaudierte.
„Das ist unsere Überraschung für euch beide“, sagte Tobi.
„Mia“, riefen beide glücklich und schlossen ihre Tochter in die Arme.
„Da komm ich ja genau richtig“, sagte sie fröhlich. „Aber diesmal bleiben wir drei für immer zusammen. Versprochen!?“
„Versprochen“, sagte Markus.
„Dann räum mal den Kinderkram aus meinem Zimmer, ich brauche Platz.“
„Hast du so viel Kram für zwei Wochen dabei?“, witzelte Markus.
„Wieso für zwei Wochen? Für immer!“ Mia strahlte ihre Eltern glücklich an.
„Du bleibst?“ Markus konnte es nicht glauben.
„Ich bleibe bei euch, wenn ihr mich noch wollt.“
„Und wie wir dich wollen, Spätzchen.“ Liebevoll sah Katharina ihre Tochter an.
„Dann könnten wir ja vielleicht mal drüber reden, dass ich offiziell deine Tochter werde?“, grinste der Teenie.
„Machen wir“, sagte Katharina sanft.
„Und wir bauen wieder was, Franz, ja? Ich hab da schon eine Idee, komm mal mit.“ Mia zog Franz mit sich in die Scheune.
„Sehen wir uns später zum Essen?“, fragten Tobi und Emilie gleichzeitig, als sie ins Haus zurückkehrten.
„Klar“, sagte Markus und zog Katharina näher an sich heran. Er schlang beide Arme um sie und küsste sie erneut. Voller Liebe, Zärtlichkeit und purer Leidenschaft. Katharina legte ihren Kopf an seine Brust und beide spürten den Herzschlag des anderen. Sie schlugen tatsächlich wieder im gleichen Takt.
„Endlich hab ich dich wieder“, sagte Markus leise. „Geh nie wieder weg, bitte.“
„Nie wieder“, sagte sie sanft.
„Ab jetzt wird es wieder turbulent hier“, grinste Markus.
„Das nennt man Familie“, sagte Katharina lächelnd und war sich sicher: In dieser, ihrer, Familie würde es niemals langweilig werden.