„Markus, wir müssen langsam umkehren. Es wird gleich dunkel und das Wetter schlägt auch um.“ Katharina sah den Leiter der Bergrettung mit ernstem Blick an und deutete auf den Himmel, an dem sich bereits erste dunkle Wolken türmten.

„Katharina, wenn wir jetzt aufhören zu suchen, dann finden wir Clara nie.“

„Aber du siehst doch, dass sich da ein Hitzegewitter zusammenbraut.“

„Ich funk den Michi an, dass er dich noch schnell holen soll.“

„Und was dann? Willst du im Dunkeln hier allein weiter kraxeln? Das ist Irrsinn, Markus. Und das weißt du auch ganz genau.“ Katharina sah ihn verständnislos an.

„Ich werde nicht aufhören nach Mias Freundin zu suchen.“

„Niemand sagt, dass du das sollst. Du sollst einfach vernünftig handeln und nicht immer dein eigenes Leben hintenanstellen. Ist das so schwierig zu verstehen?“

Markus funkelte Katharina böse an.

„Das kann dir doch egal sein.“

Katharina stemmte ihre Hände in die Hüften. „Es ist mir aber nicht egal. Und das weißt du.“

Markus ignorierte Katharinas Worte und griff nach dem Funkgerät. „Michi für Markus.“

Mit einem Knarzen kam postwendend Antwort. „Michi hört.“

„Kannst du die Katharina noch schnell hier abholen?“

„Das kannst vergessen. Keine Chance. Hier geht gerade die Welt unter. Sturm, Regen und Gewitter.“

„Okay.“

Katharina warf Markus einen genervten Blick zu.

Sie brauchte nichts zu sagen, Markus verstand sie auch so. Die blonde Bergretterin war wirklich angesäuert. Markus wollte immer alle retten, aber ständig vergaß er darüber seine eigene Sicherheit und ignorierte immer und immer wieder die Tatsache, dass er eine Tochter hatte und Freunde, die darunter litten.

Markus setzte sich wortlos wieder in Bewegung, ohne sich darum zu kümmern, ob Katharina ihm folgte.

Wütend stapfte Katharina hinter ihm her. Am Berg trennte man sich schließlich nicht.

Donnergrollen unterbrach die Stille.

Markus hatte ein Tempo an den Tag gelegt, mit dem die junge Frau mit ihrem knapp 30kg schweren Rettungsrucksack in der schwülen Luft kaum noch mithalten konnte. Statt umzukehren und den Berg hinabzusteigen, lief Markus ihn hinauf. Und Markus blickte sich nicht um, um nach ihr zu schauen, ob sie noch mitkam.

Das Donnern wurde stetig lauter und es wurde immer dunkler. Blitze zuckten bereits über den Himmel und ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus.

Katharina hatte mittlerweile schon keinen Sichtkontakt mehr zu Markus. Innerlich verfluchte sie ihn so sehr. Die Wolken zogen bereits um sie herum und es begann heftig zu graupeln. Sie konnte nur noch wenige Meter weit sehen. Katharina war sich sicher, dass Markus irgendeinen Plan verfolgte, aber weder kannte sie ihn, noch wusste sie, wo er gerade war. Somit lief sie einfach weiter den Berg hinauf.

Markus hatte derweil eine kleine Schutzhütte erreicht und seinen Rucksack abgelegt. Er sah aus der Tür nach draußen. Wo blieb denn nur Katharina? Normalerweise konnte sie seinem Tempo problemlos folgen, doch sie war nicht zu sehen. Draußen kam eine Mischung aus Hagel, Schnee und Graupel vom Himmel. Der Boden war bereits von einer weißen Schicht überzogen.

„Rudi für Markus“, knarzte es aus dem Funkgerät.

„Markus hört.“

„Die Clara ist zuhause angekommen. Ihr könnt die Suche abbrechen. Sie war gar nicht am Berg, sondern bei ihrem Freund.“

„Großartig. Hast du was von Katharina gehört?“

„Nein, wieso? Ist die nicht bei dir?“

„Ich hab sie unterwegs verloren.“

„Du hast was?“ Rudi schrie richtig ins Funkgerät.

„Ich find sie schon. Sie hat nur kein Funkgerät dabei und ich hab keinen Handyempfang hier oben.“

„Großartig“, erwiderte Rudi genervt. „Habt ihr wieder gestritten?“

„Nein, haben wir nicht“, giftete Markus. „Ich find sie schon.“ Genervt packte er sein Funkgerät weg und stapfte noch einmal hinaus. Es dämmerte bereits und er konnte kaum noch etwas sehen. Warum war sie ihm denn nicht gefolgt? War sie vielleicht beleidigt abgestiegen? Er hatte tatsächlich nicht geschaut, ob sie ihm wirklich gefolgt war. Ein greller Blitz gepaart mit einem lauten Donner erschrak den sonst so unerschrockenen Bergretter zutiefst.

„Katharina?“ rief er in das Gewitter hinein. „Kaaathaaaaariiiiiiiiiiinaaaaaaaaaaaa?“

Das Eisgemisch prasselte so hart auf Katharinas Kapuze und ihren Anorak, dass sie Markus Rufe gar nicht hören konnte. Sie verfluchte ihn gedanklich für diese Aktion. Wenn sie wenigstens eine Ahnung hätte, wo er steckte. Nun stand sie allein im dicksten Gewitter und hatte keine Orientierung mehr.

Katharina spürte Angst und Kälte in sich aufsteigen.  Plötzlich stand Markus vor ihr.

„Warum antwortest du nicht?“, schrie er sie an.

Verdutzt sah sie ihn an. „Weil ich dich nicht gehört habe vielleicht.“

„Na klar“, grummelte er.

„Wenn du mal ein bisschen langsamer gegangen wärst, hättest du vielleicht gemerkt, dass ich nicht mithalten konnte.“

Markus erwiderte nichts, nahm ihr den Rucksack ab und griff nach ihrer Hand.

„Komm“, sagte er sanft und zog Katharina hinter sich her. Ihre Finger waren so eiskalt, dass es Markus fröstelte. Wieder blitzte und krachte es in ihrer Nähe. Der Boden war extrem rutschig und Katharina war erleichtert, als sie endlich die kleine Schutzhütte erreicht hatten.

Markus stellte Katharinas Rettungsrucksack zu seinem und schüttelte seine Jacke aus.

Katharina tat es ihm gleich und Markus sah, wie sehr sie bibberte. Draußen nahm das Gewitter jetzt richtig Fahrt auf. Katharina trug aufgrund der heißen Temperaturen nur ihr blaues Top unter der Softshelljacke. Die Temperaturen waren nun aber innerhalb von wenigen Minuten von mehr als 30 Grad auf den Gefrierpunkt gerutscht. Markus reichte ihr ein frisches Shirt, eine leichte Jacke, dicke Socken und ihre Leggings, die er für sie in seinem Rucksack getragen hatte. Katharina war ja immer darauf angewiesen, dass ihre Jungs ihre Sachen mitnahmen, denn im Rettungsrucksack war einfach kein Platz dafür. Schnell zogen sich beide trockene Kleidung an.

Gesprochen hatten sie kein Wort mehr. Die Hagelkörner und das Gewitter waren so laut, dass jegliche Kommunikation schwierig geworden wäre.

Unsicher sah sich Katharina in der kleinen Behausung um. Markus und sie auf engstem Raum, das konnte ja was werden. Sie suchte verzweifelt einen Platz, an dem sie ihm nicht zu nah kommen würde. Es gab aber nur das kleine Bettenlager, mehr Platz gab es nicht. Katharina entschied sich, sich ganz in die Ecke zu setzen, den Rücken dicht an die Wand gedrückt. So hatte sie den größten Abstand zu ihm. Sie zog die Knie dicht an sich heran und legte ihren Kopf darauf ab. Ihre Hände und Füße waren immer noch eiskalt.

Markus hatte Katharina aus dem Augenwinkel beobachtet. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, wie sehr Katharina versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Seit ihrem Gespräch im Biwak im letzten Winter war ihr Verhältnis noch schwieriger geworden. Markus hatte seitdem mit Alex und danach noch mit Nina sein Glück versucht. Aber beides war gescheitert. Und langsam wurde ihm bewusst, warum alle Beziehungen zum Scheitern verurteilt waren. Und als er Katharina da so sitzen sah, begriff er, wie sehr er sie verletzt hatte in dieser besagten Nacht im Biwak. Sie hatte sich seitdem weitgehend zurückgezogen und hatte vor wenigen Wochen sogar den Hof verlassen. Sie sprach schon länger nichts privates mehr mit ihm. Er hatte nicht einmal mehr wirklich Ahnung, wie es ihr ging oder wo genau sie jetzt wohnte. Sie waren sich so fremd geworden, obwohl sie sich immer so nah gestanden hatten. Plötzlich wurde Markus schlagartig klar, was in seinem Leben fehlte. Es war Katharina. Katharina war die Frau, die er immer geliebt hatte. Aber er wollte eben kein Kind mit ihr. Warum akzeptierte sie das auch nicht? Ein heftiger Blitz mit gleichzeitigem ohrenbetäubendem Donner riss Markus aus seinen Gedanken. Katharina hatte sich ebenfalls furchtbar erschrocken.

„Alles okay?“, fragte Markus.

„Mhm“, antwortete sie nur und zog die Knie noch näher an ihren Körper.

Markus fischte aus seinem Rucksack ihre beiden Trinkflaschen und eine Box mit haltbaren Lebensmitteln. Er legte die Sachen zu Katharina auf das Bettenlager und krabbelte selbst hinterher.

„Hier, iss mal was.“

Aber Katharina hatte überhaupt keinen Hunger und nahm nur einen Schluck aus ihrer Trinkflasche. Markus hielt ihr einen Traubenzucker hin. „Wenigstens das.“

„Danke.“ Katharina ließ das Stück vorsichtig im Mund zergehen. Draußen donnerte und blitzte es immer noch wie verrückt.

„Das Gewitter scheint hier am Berg festzuhängen“, meinte Markus.

„Ja, das klingt so.“

„Ist dir kalt?“

„Geht schon.“ Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Dir ist klar, dass wir uns heute den Schlafsack teilen müssen?“

Erschrocken sah Katharina Markus an.

„Aber“, weiter kam sie nicht.

„Ein zweiter passte nicht mehr rein. Ich hab auch nicht erwartet, dass wir hier stranden.“

Katharina seufzte. Wie sollte sie das bitte aushalten? Ausgerechnet mit Markus hatte sie hier stranden müssen. Als sie noch ein Paar waren, hatte sie diese Nächte am Berg teilweise sogar sehr genossen. Aber jetzt waren sie kein Paar mehr. Der Gedanke daran, mit dem Mann, den sie immer noch so sehr liebte, aber nicht haben konnte, in einem Schlafsack zu übernachten, quälte sie schon, ehe es soweit war. Und es war auch noch eiskalt in diesem Unterschlupf. Ihr blieb also keine Wahl, als später mit in diesen Schlafsack zu schlüpfen, wenn sie nicht frieren wollte.

Markus wusste genau, was in Katharina gerade vor sich ging. Er brauchte sie dafür nicht einmal anzusehen. Und es tat ihm leid, dass es so weit gekommen war mit ihnen. Vielleicht würde sich noch die Chance ergeben, mit ihr über ein paar Dinge zu sprechen. Aber er hatte Angst, dass dieses miteinander sprechen wieder diese schreckliche Wendung wie im Biwak nehmen würde. Katharina hatte die Schotten zugemacht und war schließlich abgehauen. Er wusste, dass sie so reagierte, um nichts überstürztes zu sagen, sie musste die Dinge immer erst für sich sortieren, klare Gedanken fassen. Markus beschloss erst einmal abzuwarten, ob seine Kollegin etwas auftauen würde. Momentan brauchte er an ein vernünftiges Gespräch mit ihr nicht einmal zu denken. Er musste sich aber auch eingestehen, dass er vielleicht den Bogen etwas überspannt hatte, in dem er keine Möglichkeit ausgelassen hatte, um Katharina in den letzten Wochen zu ärgern oder zu provozieren. Er hatte sie mit vielen blöden Sprüchen wirklich sehr geärgert und seinen ganzen Frust an ihr ausgelassen. Anfangs war sie noch drauf angesprungen und hatte ihm blöde Sprüche zurückgegeben, aber dann hatte sie es einfach sein lassen.

Mittlerweile wurde es immer dunkler draußen und Markus fischte eine Kerze aus seinem Rucksack.

„Wie lange das da draußen wohl noch anhält?“, fragte Katharina.

„Das scheint sich hier mal so richtig festgebissen zu haben.“

„Scheint so.“

„Was machen wir mit dem angebrochenen Abend?“, wollte Markus wissen.

„Ich weiß nicht“, sagte sie tonlos und verunsichert.

So kannte Markus sie eigentlich gar nicht. Katharina war immer selbstbewusst und selbstsicher gewesen. Aber irgendetwas bedrückte sie. Und es lag definitiv nicht allein nur an ihm, da war er sich ziemlich sicher. Und sie fröstelte.

„Möchtest du schon mal in den Schlafsack klettern? Du frierst doch.“

Katharina nickte und Markus breitete den Sack auf dem Bettenlager aus.

„Hopp, rein mit dir.“ Grinsend hob Markus den Sack an, so dass Katharina bequem hinein schlüpfen konnte.

„Danke“, sagte sie lächelnd.

„So gefällst du mir direkt besser.“

„Wie?“

„Na, wenn du lächelst.“

Wieder schenkte sie Markus ein Lächeln.

Markus nutzte die Gunst der Minute, um doch ein Gespräch zu beginnen. Immerhin konnte sie ihm hier nicht weglaufen.

„Du, Katharina, ich möchte mich entschuldigen.“

Überrascht schaute sie ihn an.

„Ich war einfach ein Volltrottel in den letzten Monaten.“

Katharina blickte ihn nun mit großen Augen an. Was wurde das denn jetzt? Kurz überlegte sie, was sie antworten sollte, entschied sich aber für die Wahrheit.

Leise sagte sie: „Ja, das warst du.“

„Ich weiß. Ich hab meinen Frust an dir ausgelassen. Das war unfair. Das hätte ich nicht tun dürfen. Weil, egal, was zwischen uns ist, du bist immer noch der Mensch, der mir am nächsten ist. Und ich hätte einfach gern mit Dir gesprochen, nach dem Ende mit Alex und dem Ende mit Nina. Aber ich hatte keinen Zugang mehr zu Dir.“

„Wundert dich das?“, fragte sie zaghaft. „Du hast mir durch die Blume gesagt, dass du mich nie genug geliebt hast, um ein Kind mit mir zu wollen. Das hat gesessen und damit muss ich lernen umzugehen. Weil, im Gegensatz zu dir, habe ich nie auch nur annähernd einen Mann so geliebt wie dich. Und dann soll ich zuhören, weil die Frau, die du mehr geliebt hast als mich jemals zuvor und mit der du plötzlich doch Kinder wolltest, abgehauen ist?“

Markus konnte in Katharinas Augen deutlich sehen, wie verletzt sie war. Ihre Stimme war gleichbleibend sanft und ruhig geblieben, was Markus wunderte. Wenn sie etwas aufregte, hatte ihre Stimme mehr Nachdruck. Sie hatte ganz offensichtlich resigniert. Katharina hatte aufgegeben. Sie hatte ihn aufgegeben. Markus schluckte. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Katharina sein Schweigen im Biwak doch noch mehr mitgenommen hatte, als er jemals geahnt hatte. Er hatte gewusst, dass es sie verletzt hatte, ja. Aber wie weitreichend, das war ihm nicht bewusst gewesen. Dabei lag es nicht an Katharina. Und wenn er sein Gegenüber so ansah, das dabei war, sich im Schlafsack zu verbuddeln, um ihn nicht ansehen zu müssen, weil da definitiv Tränen in ihren Augen glänzten, wusste er, dass er mit ihr darüber reden musste. Dass es längst überfällig war. Und, dass er sie die ganzen Monate mit seinem Schweigen unnötig gequält hatte.

„Katharina, das im Biwak damals, das war einfach schrecklich dumm und blöd von mir. Ich hätte dich nie in dem Glauben lassen dürfen, dass du der Grund warst, warum ich kein Kind mit dir haben wollte. Denn das ist nicht so. Und es war nie so. Du warst immer die Frau, mit der ich zusammen alt werden wollte. Gern sogar mit Enkelkindern von Mia.“

Katharina warf ihm einen überraschten Blick zu.

„Ich wollte kein eigenes Kind mehr, weil…“ Markus stockte. „Weil es mir das Herz gebrochen hat, als die Mia wegging. Unser Kind ist einfach gegangen, weil ihr richtiger Vater aufgetaucht ist. Und genau das wäre bestimmt wieder passiert, wenn wir eins adoptiert hätten. Tauchen die echten Eltern auf, sind die Kinder fort.“

Katharina sah, wie schwer es Markus fiel, über seine Gefühle zu sprechen.

„Nochmal ein Kind zu verlieren, das hätte ich nicht verkraftet. Die Angst davor war einfach zu groß.“

„Und da hast du lieber mich aufgegeben?“, flüsterte sie traurig.

„Moment, DU hast MICH aufgegeben. Für deinen Kinderwunsch. Ich war dir einfach nicht genug. Du wolltest nicht ohne Kinder leben.“

„Aber ich wollte mit dir leben. Du hast mich einfach nicht verstanden. Du hast mich ausgeschlossen aus deiner Lebensplanung. Du hast mir ganz klar gesagt: Kind oder ich. Ich hab es versucht ohne Kind. Aber mit jedem Tag wurde es schlimmer für mich. Ich wollte mit dir reden, aber ich konnte es einfach nicht. Bis ich aufgegeben habe. Bis ich uns aufgegeben habe. Das wichtigste und wertvollste in meinem Leben. Und es gibt keinen verdammten Tag an dem ich mir keine Vorwürfe deswegen mache.“ Katharina kullerten Tränen über die Wangen und ihre Stimme hatte sich beinahe überschlagen. „Ja, ich habe den beschissensten und dümmsten Fehler meines Lebens gemacht. Ich habe aufgegeben, was ich am liebsten hatte. Weil ich wieder nicht auf meinen Bauch gehört habe, sondern auf meinen Kopf. Weil ich dachte, es ist das Beste. Weil ich keinen Weg mehr gesehen habe. Weil ich total verzweifelt war. Und ich verfluche mich jeden einzelnen Tag dafür, dass ich aufgehört habe, mit dir über meinen Kummer zu reden, der mir am Ende beinahe die Luft zum Atmen genommen hätte. Und dann hab ich festgestellt, dass nichts mir mehr die Luft zum Atmen nimmt, als die Tage ohne dich. Nichts war und ist schlimmer, als neben dir herzuleben und dich nicht berühren zu dürfen, dich nicht umarmen zu dürfen geschweige denn dich zu küssen. Nichts vermisse ich mehr, als von dir geliebt zu werden. Und ständig hab ich gehofft, du holst mich zurück zu dir, zurück nach Hause. Was glaubst du, warum ich mit allem immer zu dir kam. Nur ein Wort von dir hätte genügt und ich wäre heimgekommen. Aber du hast es nicht verstanden, es nicht gewollt. Mich nicht mehr gewollt. Und ich kann es sogar verstehen.“ Nun begann sie zu weinen und zog sich den Schlafsack über den Kopf. Sie konnte und wollte nicht weiterreden. Sie wollte eigentlich niemals mit Markus darüber reden und nun war alles aus ihr herausgesprudelt. Sie verfluchte sich für ihre Ehrlichkeit.

Markus musste das Gesagte erst einmal verdauen. Mit einem solchen Gefühlsausbruch hatte er nicht gerechnet. Vorsichtig lupfte er den Schlafsack.

„Hey“, sagte er liebevoll. „Komm mal her.“

Vorsichtig lugte Katharina ihn mit verweinten Augen an. „Komm her“, sagte er nochmal und hielt einladend die Arme auf. Katharina krabbelte vorsichtig aus dem Sack und schon zog Markus sie in seine Arme.

Er drückte sie so fest an sich und Katharina schlang ihre Arme um seinen Oberkörper.

Katharina weinte nun richtig an seiner Brust und sie merkte, dass auch Markus verdächtig schluchzte.

Jegliches Zeitgefühl hatten sie mittlerweile verloren.

Nach einer Weile seufzte Markus und flüsterte: „Endlich waren wir ehrlich.“

Katharina weilte noch einen Moment an seiner Brust, ehe sie sich löste.

Vorsichtig strich Markus ihre Locken an die Seite.

„Ich habe dich immer gewollt. Ich wollte nur, dass du glücklich bist“, sagte er mit festem Blick in ihre Augen.

„Und ich wollte, dass du glücklich bist“, antwortete Katharina.

Markus grinste sie schelmisch an. „Wie sieht’s aus, Frau Dr. Strasser? Meinst du, wir könnten nochmal bei Punkt Null anfangen?“

„Bei Punkt Null sicherlich nicht, aber wir könnten zusammen unsere Trümmer beseitigen.“

Markus küsste sie zärtlich auf die Stirn.

„Du weißt, was das bedeutet?“, fragte sie.

„Ja, man küsst auf die Stirn, was man nie wieder verlieren möchte“, sagte er ernst. „Und ich weiß, wenn wir das wieder in den Sand setzen, dann haben wir es für immer verkackt.“

Sie nickte zustimmend. „Davor hab ich Angst.“

„Vor dem für immer?“

„Nee, vorm Verkacken.“

„Beste Chance für uns jetzt hier zu reden. Es kann kein Telefon klingeln und kein Einsatz kommen.“

Katharina lachte leise. „Stimmt auffallend.“

„Du bist eiskalt. Wir kuscheln uns jetzt in den Sack und reden. Ich merke nämlich, dass dich noch etwas bedrückt.“

Katharina seufzte. „Stimmt, ja.“ Ihre Stimme klang traurig.

Markus legte sich hinter Katharina in den Schlafsack und zog ihn über ihr zu. Dann legte er vorsichtig seinen Arm um sie.

„Also, ich höre“, sagte er sanft.

Katharina seufzte tief. „Ich kann keine Kinder mehr bekommen.“

Diese Information versetzte Markus einen Stich ins Herz. „Was?“

„Ja, etwa 2% Chance bestehen noch“, sagte sie geknickt. „Also ist das Thema sowieso durch.“

Markus wusste nicht, was er sagen sollte, stattdessen nahm er ihre Hand und streichelte sie zärtlich.

„Darum warst du so traurig in letzter Zeit. Warum hast du nichts gesagt?“

„Das ist ja auch nix, womit ich gerne hausieren gehe.“

„Gib mir Zeit und wir reden nochmal in Ruhe über das Thema Adoption. Aber bitte sei mir nicht böse, wenn ich es am Ende doch nicht kann.“

„Rudi für Markus“, ertönte das Funkgerät neben ihrem Nachtlager.

Katharina und Markus mussten herzhaft lachen.

„Soviel zum Thema ungestört sein“, sagte Katharina und lachte noch immer.

„Boah, dieses Lachen hab ich echt vermisst“, meinte Markus und griff nach dem Funkgerät.

„Rudi, du störst“, sagte er grinsend.

„Hast du Katharina gefunden?“, knarzte es.

„Rudi, ich bin hier“, rief sie.

„Prima. Morgen holen wir euch ab, wenn das Wetter passt.“

„Super. Dann bis morgen, Rudi“, sagte Markus und legte das Funkgerät weg.

Katharina und Markus hatten noch bis tief in die Nacht miteinander geredet und erst in den frühen Morgenstunden erschöpft die Augen geschlossen. Das Funkgerät riss beide aus dem Tiefschlaf.

„Rudi für Markus.“

Markus war sofort hellwach und griff nach der Funke, während Katharina irgendetwas murmelte und sich nur rekelte.

„Markus hört.“

„Wir können euch nicht holen.“

„Was? Warum nicht?“

„Hast du noch nicht raus geschaut?“

„Ach, Rudi, nein. Was ist los?“

„Schnee. Viel Schnee. Sehr viel Schnee für September. Und es schneit immer noch wie verrückt. Und es soll noch mindestens 2 Tage durchschneien.“

Vorsichtig schälte sich Markus aus dem Schlafsack und öffnete die Tür. „Ach du meine Güte“, entfuhr es ihm.

„Wie weit ist es bis zur nächsten Hütte? Hier haben wir nicht mal einen Ofen. Es ist arschkalt. Die Katharina holt sich hier den Tod.“

„Halbe Stunde südlich ist eine Hütte vom Johanniverein. Könntet ihr schaffen. Die hat definitiv einen Ofen und ist komplett eingerichtet. Schlüssel liegt links hinter der Fensterlade. Was zu Essen ist auf jeden Fall da, Wasser kommt direkt aus der Quelle, müsst ihr euch abkochen. Ich schick dir die Koordinaten.“

„Scherzkeks, ich hab keinen Empfang. Warte, ich hol was zu schreiben.“

Während Markus die Koordinaten von Rudi notierte, sah auch Katharina die Bescherung.

Entsetzt sah sie Markus an.

„Rudi, wir laufen gleich los, bevor der Schnee noch höher wird.“

„Du willst da raus?“

„Ja, hier können wir nicht noch 2 Tage bleiben. Das wird zu kalt.“

„Okay. Dann anziehen und packen.“

In Windeseile hatten sich beide angezogen und die Sachen waren in Markus Rucksack verstaut.

„Los geht’s.“ Markus griff Katharinas Hand. Der Wind peitschte den kalten Schnee in ihre Gesichter. Katharina hatte ihre Kapuze so weit wie möglich ins Gesicht gezogen. Zum Glück hatte sie immer eine Mütze in ihrem Rettungsrucksack deponiert unter der sie ihre Locken versteckt hatte.

Markus hielt einen Kompass in der Hand, um nicht vom richtigen Weg abzukommen. Die Welt um die beiden Bergretter herum war einfach nur weiß.

Schnellstmöglich versuchten sie ihr Ziel zu erreichen, weshalb außer Worten wie „Pass auf, rutschig“ oder „Achtung, glatt“ keine weiteren Gespräche folgten. Beide waren höchstkonzentriert und brauchten knapp zwei Stunden, bis sie endlich erleichtert die Johannihütte erreichten.

Markus fischte den Schlüssel hinter der Fensterlade hervor und ließ Katharina, die sich unter dem Vordach den Schnee von der Jacke schüttelte, den Vortritt. Die Hütte war freundlich eingerichtet, hatte eine kleine Küchenzeile, einen Kamin, eine Sitzecke und ein Bettenlager.

„Na, hier lässt es sich doch viel besser aushalten, oder?“ Markus grinste zufrieden. „Hat sich doch gelohnt, der Marsch hierher.“

„Absolut“, antwortete die blonde Bergretterin und warf ihren Rucksack in die Ecke.

„Jetzt ist es egal, wie lange wir hier festhängen“, lachte Markus.

„Du bist unmöglich“, grinste Katharina. Ihr Gesicht war von der Kälte richtig rot und sie spürte es kribbeln.

Als erstes kümmerte sich Markus um den Ofen, den er gekonnt in wenigen Minuten entzündet hatte.

Katharina schaute derweil, ob sie irgendwo Tee finden konnte und setzte einen Teekessel mit Wasser auf.

Dann hingen sie ihre nassen Sachen auf die Leine, die entlang des Kamins gespannt war.

„Ist deine Leggings noch trocken?“, fragte Markus besorgt.

Katharina schmunzelte und nickte. „Ja, alles gut. Aber meine Füße sind eiskalt. Was ist mit Dir?“

„Auch soweit trocken.“ Markus zog den Schlafsack aus seinem Rucksack und breitete ihn auf dem Bettenlager aus, während Katharina ihnen Tee aufgoss. „Gibt nur Pfefferminz“, rief sie ihm entgegen.

„Egal, Hauptsache warm.“

Katharina stellte die beiden Tassen auf die Ablage und kletterte aufs Bettenlager zu Markus.

„Erstmal aufwärmen“, sagte er sanft und krabbelte in den Schlafsack, gefolgt von Katharina, die sich diesmal so hineinschob, dass sie Markus ansehen konnte. Sie kuschelte sich dicht an seine Brust und genoss seine warmen Hände auf ihrem Rücken. Wie konnte Markus nur immer so angenehm warm sein? Sie war die reinste Frostbeule, aber dieser Mann war immer wie eine Wärmflasche für sie.

Katharina konnte Markus Herzschlag spüren und fühlte sich geborgen. Markus genoss das Kitzeln ihrer goldenen Locken an seinem Kinn. Auch er fühlte wie sie. Und ihm war klar, dass genau dieses Puzzleteil in Form der zierlichen, wunderschönen Frau, die gerade mit ihm im Schlafsack lag, eben genau das Puzzleteil war, das ihm in seinem Leben gefehlt hatte.

Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Katharina?“

Ein leises „Hm“ ertönte.

„Lass mich nie wieder alleine.“

Katharina sah ihm in die Augen.

„Hab ich nicht vor“, sprach sie aufrichtig.

Voller Liebe hauchte Markus ihr einen Kuss auf den Mund.

Katharina streichelte mit der Hand über seine Wange.

„Wir müssen das diesmal schaffen. Mehr Chancen werden wir nicht bekommen.“

Markus nickte. „Einen guten Anfang haben wir letzte Nacht gemacht.“

„Das denk ich auch.“

„Dass Reden so anstrengend sein kann“, lachte Markus.

„Jaahaaa, und glaub nicht, dass das leichter wird in Zukunft.“

„Das habe ich befürchtet. Aber ich seh ein, dass es nötig war und in Zukunft auch nötig sein wird.“

„Aber lass uns alles bitte langsam angehen, ja?“

„Aber wir haben doch schon so viel Zeit verschwendet“, sagte Markus leicht geknickt.

Katharina flüsterte: „Das haben wir. Aber auch zu viel Zeit damit, uns gegenseitig zu verletzen. Ich will nicht, dass das wieder passiert.“

Markus seufzte tief.

„Ich weiß ja, dass du Recht hast.“

„Aber? Da kommt doch jetzt noch ein aber.“

Markus musste grinsen. „Wir haben ganz schön viele Aber.“

Auch Katharina hatte bemerkt, wie oft sie das Wort in den letzten Minuten benutzt hatten und musste ebenfalls grinsen. „Ich weiß. Es ist halt nicht leicht gerade. Für uns beide nicht.“

Markus spürte, wie groß Katharinas Angst vor einem erneuten Scheitern einer Beziehung war. „Schalt mal dein hübsches Köpfchen aus“, flüsterte Markus und streichelte ihr zärtlich über die Wange. „Denk nicht zu viel. Wir schaffen das.“

Katharina schmiegte sich noch näher an Markus. Sie war müde. Markus streichelte sanft über ihren Rücken und nach wenigen Minuten waren beide eingeschlafen.

Ein lautes Donnern riss Katharina und Markus aus dem Schlaf.

„Es gewittert schon wieder“, stellte Markus unbeeindruckt fest.

„Hat es ja nur die halbe Nacht.“

„Ich fürchte, da kommt wirklich noch mehr Schnee. Lass uns mal gucken, was an Vorräten da ist.“

Katharina krabbelte aus dem Schlafsack und schaute aus dem Fenster. „Man könnte meinen es ist Dezember.“

„Dass es solche Mengen im September schneit, hab ich allerdings auch noch nicht erlebt.“ Markus legte seine Arme um sie und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. „Bin ich froh, dass ich mit dir hier gestrandet bin und nicht mit Rudi oder Michi.“

„Och, das wäre bestimmt auch lustig geworden“, kicherte sie.

„Aber das wär ganz schön eng im Schlafsack geworden“, antwortete Markus trocken. „Außerdem hast du die attraktiveren Beine.“

„Blödmann.“ Katharina grinste und schob sich unter Markus Umarmung heraus. Sie schaute einmal durch die Schränke, was es an Lebensmittelvorräten gab.

Neben diversen Konserven mit verschiedenen Suppen fanden sie noch Würstchen, Dosengemüse, Reis, Nudeln, Knäckebrot und diverse Sorten Dauerwurst.

„Verhungern können wir hier wirklich nicht“, stellte Markus zufrieden fest. „Also von mir aus kann es die ganze Woche schneien.“

„Eine Woche in denselben Klamotten?“

„Dann waschen wir halt zwischendurch mit der Hand und während die Sachen trocknen bleiben wir einfach im Schlafsack liegen. Ich wüsste auch schon, was wir derweil anstellen könnten.“ Markus wackelte frech mit den Augenbrauen.

„Du bist und bleibst unmöglich.“ Katharina rollte die Augen. „Ich mach uns jetzt erstmal was zu essen. Und du kannst solange eine kalte Schneedusche nehmen.“

Nach dem Essen spülten sie gemeinsam ab. Katharina musste plötzlich an einen Moment mit Markus während einer Autofahrt denken. Damals wollte er ihr von Alex erzählen, doch sie wollte es nicht hören. Erst, wenn er es wieder in den Sand gesetzt hatte. Das war bereits geschehen, aber sie hatten einfach nicht mehr miteinander reden können.

„Markus?“, fragte sie vorsichtig.

„Mhm“, murmelte er und hing das Handtuch auf.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch wegen Alex?“

„Du wolltest nichts hören davon.“

„Genau. Erst, wenn du es in den Sand gesetzt hast.“

„Ist das denn noch wichtig?“, fragte er überrascht.

„Schon… irgendwie…“, sagte Katharina unsicher.

Markus stellte ihre Tassen mit frischem Tee auf den Esstisch und rückte auf die Eckbank.

Katharina rutschte neben ihm auf die Bank und spürte sofort wie Markus seinen Arm um sie schlang.

„Weißt du, nach unserer Trennung habe ich mich so allein gefühlt. Ich wollte so sehr, dass der Schmerz nachlässt. Du hast mir so gefehlt. Ich wollte einfach ganz schnell eine neue Frau. Nina war nie was ernstes, sie war einfach immer nur eine Freundin mit Benefits.“

„Womit du sie genauso verletzt hast wie ich Nick und die Kinder“, flüsterte sie.

„Ja, ich bin da nicht stolz drauf.“

„Ich doch auch nicht.“ Katharina seufzte tief. Vorsichtig legte Markus seine Hand auf ihre. „Wir haben beide Mist gebaut. Aber darf ich ehrlich sein?“ Markus sah Katharina fragend an.

„Klar“, antwortete sie ihm selbstverständlich.

„Der Nick hat dich mächtig manipuliert.“

Mit großen Augen sah ihn die blonde Bergretterin an.

„Na, er war von Anfang an scharf auf dich. Als er raus hatte, wo dein Schwachpunkt ist, nämlich Kinder, hat er seine gezielt eingesetzt, um dich für sich zu gewinnen. Plötzlich musstest du ständig einspringen und auf sie aufpassen. Er hat deinen Wunsch richtig für sich ausgenutzt. Und nachdem du gemerkt hast, dass er nicht der Mann ist, den du liebst, hat er es trotzdem wieder versucht. Weißt du noch am Hof? Als du von ihm weg bist und er dich zurück wollte? Er hat auch da immer seine Kinder benutzt.“

Katharina dachte über Markus Worte nach. So hatte sie die Dinge nie betrachtet.

Nachdenklich sagte sie: „Als er mich gefragt hat, ob ich bei ihm einziehen würde, hat er das auch vor den Kindern gefragt. Ich konnte gar nicht nein sagen.“

„Siehst du.“

Katharina schluckte.

Markus zog sie in seine Arme.

„Wie dumm war ich eigentlich?“

„Du warst nicht dumm. Du warst einfach seelisch am Ende deiner Kräfte. Und so ging es mir auch. Ich kam ohne dich einfach nicht mehr klar. Du hast Nick nachgegeben und ich wollte unbedingt auch wieder glücklich sein. Und dann war da Alex. Unnahbar. Tough. Hübsch. Es war aufregend um sie zu kämpfen.“

„Hast du sie geliebt?“

„Ich war verliebt. Ich mochte sie. Wirklich. Sehr. Aber…“

Katharina drehte sich etwas aus seinem Arm, um Markus ansehen zu können.

„Aber?“, flüsterte sie.

Markus grinste leicht. „Alex ist eben nicht du.“ Liebevoll strich er mit seiner Hand über ihre Wange.

Katharina kuschelte ihre Wange an seine Hand.

„Du bist nicht zu ersetzen, Katharina. Durch niemanden.“

„Genau wie du“, sagte sie leise.

Zärtlich legte Markus seine Lippen auf ihre und küsste sie.

„Aber eins hab ich gelernt“, sagte Markus. „Ein Kind ist überhaupt nicht so schlimm.“

Katharina lachte.

„Nichts war so schlimm, wie ohne dich zu sein. Weißt du, Alex ist ne tolle Frau, aber sie ist einfach so ganz anders. Irgendwie konnte ich machen, was ich wollte, nichts war gut genug oder hat ihren Wünschen entsprochen. Du hättest dich über eine Nacht mit mir am Berg mit frischem Stockbrot gefreut. Alex hat es gehasst. Sie hat es gehasst, dass ich für euch erreichbar war, dass wir am Hof zusammen waren, dass Nina da war. Nichts konnte ich ihr Recht machen. Ich glaube, sie hat mich einfach nie verstanden. Ich glaube, die einzige, die mich je verstanden hat, das warst du.“

„Und trotzdem sind wir gescheitert.“ Katharina klang traurig.

„Ja, aber schau mal, was wir beide durchgemacht haben. Wir waren überfordert. Und du hattest recht: ich hab dich irgendwann wirklich als selbstverständlich angesehen. Und als ich es gemerkt habe, da war es zu spät.“

„Wie soll das mit uns werden, wenn wir raus sind?“, fragte Katharina.

Markus sah sie fragend an. „Ziehst du zurück auf den Hof.“

Katharina schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bleibe in meiner Wohnung. Wir müssen erstmal wieder richtig zueinander finden. Außerdem werden uns 100m Luftlinie nicht umbringen.“

„Du wohnst so nah?“

Sie nickte grinsend. „Ja, etwas unterhalb vom Hof.“

„Vielleicht sollten wir erstmal bei dir unterkriechen, damit uns keiner findet.“

Katharina lachte. „Als ob sich das verheimlichen ließe. Wir sind im Ramsau.“

„Am liebsten würd ich einfach mit dir hierbleiben“, seufzte Markus und küsste sie.

Draußen hatte es derweil mächtig weitergeschneit. Mittlerweile lag gut ein Meter Schnee am Berg.

„Rudi für Markus und Katharina“, knarzte es aus dem Funkgerät.

„Markus hört.“

„Wir können euch vielleicht doch schon morgen holen.“

Enttäuscht schaute Markus Katharina an.

„Der Wind hat sich etwas gedreht.“

„Das ist ja super.“

Katharina schmunzelte nur und wusste genau um die Enttäuschung ihres Freundes.

„Ich meld mich morgen früh bei euch.“

„Alles klar, bis morgen, Rudi.“

Markus legte das Walkie auf die Seite und schaute Katharina gequält an.

„Na komm, wir können nicht ewig hier bleiben. Aber vielleicht können wir mal über ein paar freie Tage nachdenken.“

„Urlaub?“

„Ja. Nur du und ich. Was meinst du?“

Markus Mine erhellte sich sichtlich. „Gute Idee.“

Da die beiden Bergretter ihre Kollegen kannten und davon ausgingen, sehr früh vom Berg geholt zu werden, kuschelten sie sich zeitig in den Schlafsack. Wirklich müde waren sie allerdings beide nicht und Markus machte die Nähe zu seiner Freundin nervös. Er lag direkt hinter ihr und fühlte ihre nackten Beine an seinen. Zärtlich wanderten seine Hände darüber bis zu ihrem Oberschenkel weiter über ihren Bauch.

„Markus“, flüsterte sie. „Wir wollten es doch langsam angehen lassen.“ Aber sie genoss es. Es fühlte sich so gut an. So richtig.

„Du machst mich verrückt“, sagte er mit heiserer Stimme.

Katharina lächelte und wusste, wenn er nur ein wenig weiter machen würde, könnte sie für nichts mehr garantieren. Schon spürte sie seine Finger zärtlich in ihrer Mitte. Katharinas Körper kribbelte.

„Das ist unfair, du weißt genau…“

Markus küsste nun ihren Hals und jagte Katharina wohlige Schauer über den Rücken. Und noch immer fühlte sich für sie alles gut und richtig an und sie entschied sich, loszulassen und sich einfach fallen zu lassen.

Lachend und nassgeschwitzt ließen sich die beiden Bergretter in den hohen Schnee fallen. Es war mitten in der Nacht und die beiden kicherten wie zwei verliebte Teenager, ehe sie sich zurück in die Hütte bewegten.

„Geht’s dir gut?“, fragte Markus, als sie wieder in ihrem Schlafsack lagen.

„Ja“, antwortete sie glücklich. „Und dir?“

„So gut wie lange nicht mehr.“ Markus spielte mit ihrer Hand streichelte sie voller Liebe.

Eng aneinander gekuschelt schliefen sie ein, bis Rudi sie am nächsten Morgen weckte.

„Guck mal an, ihr lebt ja noch“, witzelte Michi, als er seine Kollegen in den Heli hatte einsteigen lassen.

Katharina und Markus warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Markus huschte auf den Platz neben Michi und sah während des Fluges immer wieder zu Katharina.

„Jetzt erzählt doch mal, wie waren eure Nächte am Berg?“

„Gut“, antwortete Markus nur kurz.

„Nur gut?“, bohrte Michi nach.

„Nur gut“, antwortete jetzt auch Katharina von hinten.

„Aha.“ Michi merkte, dass aus seinen Kollegen gerade nicht mehr herauszubekommen war.

Der Heli war kaum gelandet, da verabschiedeten sich die beiden Bergretter schnell und hüpften in Markus Auto. Und damit ließen sie einen recht ratlosen Michi zurück.

Im Auto mussten beide so lachen.

„Wir sind so gemein“, giggelte Katharina.

„Ach was, der Michi kann das ab. Zu Dir oder zu mir?“

„Zu mir“, lachte Katharina. „Frühstücken!“

„Duschen! Frische Kleidung hab ich im Kofferraum.“

„Ich frag jetzt nicht, warum.“ Katharina rollte die Augen.

Markus parkte Katharinas Wagen zu, der vor ihrer Tür stand und folgte ihr in ihre Wohnung. Sie war hell und freundlich, mit viel hellem Holz und urgemütlich. Markus fühlte sich direkt wohl.

Katharina zeigte ihm, wo er duschen konnte und kümmerte sich blitzschnell um das Frühstück, bevor sie einfach zu Markus dazu kletterte.

Nach einem reichhaltigen und gesunden Frühstück machten sie es sich auf Katharinas Sofa gemütlich. Man konnte von dort herrlich auf die Berge sehen. Markus fühlte sich sichtlich wohl und hielt Katharinas Hand in seiner.

„Kannst du mal die Zeit anhalten?“, sagte er leicht abwesend. „Ich würd gern einfach ewig mit dir hier liegen. Ohne Einsatz und weit weg vom Alltag.“

„Das wäre schön.“ Katharina seufzte. „Aber du weißt, dass das nicht geht.“

„Aber ich weiß, dass wir ab jetzt wieder gemeinsam alles meistern werden.“

„Das werden wir. Gemeinsam. Als Team und als Paar, weil wir zusammengehören.“

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So, es ist endlich vollbracht. Septemberschnee ist fertig. Und ohne Katharina zu quälen, ich bin so stolz auf mich. Ich hab mal versucht, ein paar Gespräche zwischen unseren beiden Helden stattfinden zu lassen, die wir niemals vom Drehbuch bekommen würden. Ob ich richtig liege, weiß ich nicht, es ist einfach nur eine Idee. Katkus zu vereinen ist mittlerweile keine leichte Aufgabe, da Frau Headautorin ja alles zerstören musste… 🥺