Überraschung! Happy Birthday nachträglich, Sarah. Das ist für Dich! Ich hab es leider nicht eher fertig bekommen

Der Sommer neigte sich schon langsam dem Ende entgegen. Die Tage wurden wieder etwas kürzer, die Temperaturen in der Nacht teilweise schon empfindlich kalt. Die letzten Monate waren nicht ohne gewesen. Seit Nina Anfang Dezember auf den Hof zurückgekommen war, hatte sich vieles bewegt. Katharina hatte sich ihrer Physiotherapie angenommen und Nina zurück auf ihre eigenen Beine gebracht. Der Rollstuhl war Vergangenheit. Markus war mit Alex und Ben glücklich. Er hatte nun seine eigene kleine Familie und Alex war dazu übergegangen täglich bei Markus zu übernachten und ihr Kind dann bei Emilie abzugeben, während sie arbeitete. Ben hatte mittlerweile sein eigenes Reich in Mias Zimmer bekommen, da sie nur noch sehr selten nach Hause kam. Als sie in den Sommerferien dort war, hatte sie es vorgezogen bei Katharina im Gästezimmer zu schlafen. Sie konnte Alex überhaupt nicht leiden und dass ihr neuer Halbbruder einfach ungefragt in ihr Zimmer einquartiert worden war, hatte der Jugendlichen sehr weh getan. Trost fand sie bei Katharina, die Markus ihre Meinung über die Teilung von Mias Zimmer auch unverblümt kundtat. Katharina ertrug den Anblick der glücklichen Familie auf dem Hof auch nur noch sehr schwer und hatte sich eine gemütliche Dachgeschosswohnung mit Platz für Mia gesucht, in die sie nun umziehen würde. Eigentlich hatte sie gedacht, die Zeit würde ihr helfen, aber es tat noch genauso weh wie vor neun Monaten. Markus hatte Nina vor ein paar Wochen in die Bergrettung geholt. Er meinte, es täte ihr gut, wieder in den Bergen unterwegs zu sein und ihre Angst vor einem weiteren Absturz zu mindern. Außerdem brauchte sie das Geld. Seitdem wurde Katharina allerdings dort kaum noch gebraucht und sie fühlte sich zunehmend überflüssiger. Privat ging Markus ihr bereits aus dem Weg seit er mit Alex zusammen war und erst recht, seit der Diskussion um Mias Zimmer. Aber beruflich hatte es trotzdem immer noch alles bestens funktioniert, sie arbeiteten blind miteinander und vertrauten sich am Berg stets zu 100%. Tobias hatte auch seit Monaten nicht mehr das beste Verhältnis zu seinem besten Freund. Ihn störte das permanente Abladen des Kindes bei seiner Frau. Ja, Tobias und Emilie hatten tatsächlich im Sommer ein zweites Mal geheiratet und statt trauter Zweisamkeit war Emilie zur Dauereinrichtung für den kleinen Ben geworden. Alex fragte teilweise schon gar nicht mehr und lieferte den Kleinen einfach ganz selbstverständlich ab. Und dass Markus nun seine Schwester bei der Bergrettung wegen seines schlechten Gewissens Nina gegenüber abservierte schmeckte ihm gar nicht. Dass sie nun auch wegen ihm den Hof verlassen würde, setzte ihm ebenfalls sehr zu. Tobias liebte seine Schwester und sie würde ihm sehr fehlen, aber er verstand ihren Entschluss auch nur zu gut.

Katharina wollte gerade eine Ladung Umzugskartons in ihre neue Wohnung fahren, als sie beim Beladen des Autos eine bekannte Stimme hörte. „Hallo Katharina.“ Katharina drehte sich um und begann automatisch zu strahlen. „Mia“, rief sie freudig und stürmte auf ihre Tochter zu. „Wo kommst denn du her?“ „Ich hab doch ein ganz langes Wochenende und wollte dir helfen und mein Zimmer einrichten.“ Katharina schloss sie fest in die Arme. „Na, dann komm.“ Katharina nahm ihrer Tochter die Tasche ab und nahm sie mit ins Haupthaus. „Ist der Papa da?“, fragte Mia und schaute verstohlen von der Treppe aus hinüber. „Nee, der ist schon ganz früh los. Alex und Ben sind da, soweit ich weiß.“ Mia verdrehte nur die Augen und sagte nichts weiter. Katharina legte tröstend ihre Hand auf Mias Schulter. Die Jugendliche seufzte. „Wenn ich jemals so bekloppt wegen eines Mannes werde, dann sag es mir bitte.“ Katharina lachte. „Das mach ich, Mia, versprochen. Aber du musst es dann auch hören wollen.“ Nun lachte Mia. „Sei nicht so hart mit deinem Papa. Er ist halt glücklich verliebt jetzt und da ist man einfach manchmal so.“ „Du, Katharina?“ „Ja?“ „Ich möchte so gerne zurück hierher. Aber nicht zu dieser blöden Alex. Kann ich nicht bei dir bleiben?“ „Von mir aus könntest du das sehr gerne, aber ich habe kein Sorgerecht für dich. Das hat nur der Markus. Da musst du mit ihm sprechen.“ „Dann ist der sicher böse auf mich.“ „Iwo. Rede mit ihm.“

Katharina und Mia richteten gemeinsam die neue Wohnung schön her. Sie war hell und freundlich und hatte sogar einen Balkon. Dann fuhren sie zum Möbelhaus und besorgten noch ein neues Schlafsofa für Mia und einen Kleiderschrank. Mia strahlte überglücklich, so gut gefielen ihr die Sachen, die sogar am Nachmittag noch geliefert werden sollten. „Das ist voll schön hier“, seufzte Mia. „Schlafen wir heute schon hier?“ „Aber ich hab noch nicht alles am Hof gepackt. Meine Klamotten fehlen noch.“ „Dann lass uns los und wir machen uns einen  gemütlichen Mädelsabend.“ „Dein Papa muss aber unbedingt wissen, dass du bei mir bist, Mia. Komm, wir gehen mal eben rüber zur Bergrettung.“ „Ja, du kannst jetzt zu Fuß zur Arbeit.“ „Die brauchen mich da nicht mehr. Nina arbeitet jetzt dort.“ „Was?“ „Ja, damit sie wieder richtig ins Leben kommt. Ich hab mich in Schladming beworben und wenn die mich nehmen, bin ich hier weg. Markus und ich, das klappt einfach nicht mehr. Ich kann deinen Papa einfach nicht vergessen und brauche Distanz. Verstehst du das?“ Mia nickte. „Oder läufst du weg?“ Katharina überlegte. „Ja, vielleicht laufe ich auch weg. Aber ich ertrage unser angespanntes Verhältnis nicht mehr. Dazu seine neue Familie jeden Tag auf dem Hof… ich muss einfach da raus.“ „Und ich muss raus aus dem Internat. Ich halt es da auch nimmer aus.“ „Okay, wie heißt er?“ „Jannis.“ Katharina wartete einen Moment, ob Mia sich ihr anvertrauen würde. „Wir waren über ein Jahr zusammen. Und dann hab ich ihn mit Lilly im Bett erwischt.“ „Och, Süße.“ Katharina nahm Mia in den Arm. „Und die Schule macht auch überhaupt keinen Spaß mehr. Ich vermiss Max, Sophie und Marie.“ „Das musst du dringend dem Markus sagen. Ich denke, er freut sich wahnsinnig, wenn du nach Hause kommst.“ „Ich möchte aber bei dir bleiben. Mein Zimmer gehört doch jetzt Ben.“ „Alex hat immer noch ihr eigenes Zuhause und du bist Markus Tochter. Der liebt dich, der schickt dich doch nicht weg.“ Mia seufzte. Seit Alex in das Leben ihres Vaters getreten war, fühlte sie sich unerwünscht. Sie war traurig, dass Markus und Katharina getrennt waren. Früher war alles viel schöner gewesen. Wenn sie doch nicht ins Internat gegangen wäre, hätte sie es vielleicht irgendwie verhindern können. „Mia, glaub mir, egal wie kompliziert die Dinge sind, Liebe lässt sich nicht so einfach ausschalten. Und der Markus liebt dich sehr.“ „Und du den Markus.“ Nun seufzte Katharina. „Ja. Aber es ist vorbei und damit muss ich endlich zu Leben lernen. Mit mir wollte er absolut keine Familie, mit Alex dagegen sofort. Jetzt hat Markus wohl wirklich die Frau gefunden, mit der er alt werden möchte.“ „Glaubst du wirklich, was du da sagst?“ Mia sah Katharina forschend an. „Alex und die richtige? Haha. So wie dich schaut der keine Frau auf der ganzen Welt an.“ Katharina grinste. „Genau das hat der Tobi mir damals auch gesagt.“ „Echt? So viel Weisheit hätte ich dem gar nicht zugetraut.“ „Der mag Alex übrigens auch überhaupt nicht“, kicherte Katharina und blieb vor der Tür der Bergrettung stehen. „Nu husch rein zu deinem Papa.“ „Kommst du nicht mit?“ Die blonde Frau schüttelte nur den Kopf. „Ich warte hier auf der Bank.“ Katharina winkte Rudi durchs Fenster zu und setzte sich.

Sie nahm ihr Handy und stöberte ein wenig durch Instagram. Dabei hörte sie wenigstens auf, immer an Markus zu denken. Das funktionierte so lange, bis Markus aus der Bergrettung geschossen kam und sie anfing anzuschreien, weil sie nicht sofort Bescheid gegeben hatte, dass Mia da war. Dazu regte er sich furchtbar auf, dass Mia bei ihr ein eigenes Zimmer bekam. „Falls du es vergessen hast, Mia ist MEINE Tochter. Ich entscheide wann sie mit wem Zeit verbringt und ich verbiete dir, sie mit zu dir zu nehmen.“ „Aber Papa.“ Mia liefen die Tränen über die Wangen. „Ich will zu Katharina.“ „Nein, Mia! Internat oder Hof. Katharina und ich sind getrennt, du wirst nicht bei ihr wohnen.“ „Ah, ich soll also mit einem Kleinkind zusammen leben? Großartig. Danke auch, dass du mein Zimmer anderweitig verplant hast für deine neue Familie.“ „Zu der du auch gehörst!“ „Oh nein, das tue ich nicht!“ Mia schrie richtig. „Katharina, Du und ich, das war meine Familie.“ Katharina versuchte Mia zu beruhigen, indem sie sich hinter sie stellte und die Hände auf ihre Schultern legte. „Markus, bitte.“ „Halt du dich raus! Du hast unsere Beziehung und damit unsere Familie zerstört. Und weil du es nicht erträgst allein zu sein, willst du jetzt mein Kind. Vergiss es, Katharina. Mia siehst du nie wieder!“ Katharina konnte nicht glauben, was Markus gerade zu ihr gesagt hatte. „Ich hasse dich“, schrie Mia Markus entgegen und lief davon. Katharina wollte hinterher, doch Markus hielt sie fest. „Ich mein das ernst. Halt dich fern von Mia! Sie ist mein Kind.“ „Spinnst du eigentlich jetzt komplett? Mia ist kein Förmchen im Sandkasten vom Kindergarten. Wie kannst du nur so zu ihr sein?“ Fassungslos sah Katharina Markus an. Ihre Augen funkelten vor Zorn. „Wie kannst DU nur so sein? Mia von mir trennen zu wollen.“ Entsetzt sah Katharina ihren Ex-Partner an. „Aber das will ich doch überhaupt nicht.“ „Doch, genau das willst du. Weil du es nicht erträgst, dass ich endlich glücklich bin und genau das habe, was du immer wolltest: eine Familie. Also erzähl mir nix vom Förmchen im Sandkasten. Du wolltest eine Familie mit mir und als du deinen Willen nicht bekommen hast, hast du mich einfach weggeworfen.“ „Markus, ich weiß, dass das ein Fehler war. Ein unverzeihlicher. Und ich weiß, dass du nie aufhören wirst, mich dafür zu verurteilen. Aber auch du hast Fehler gemacht, auch wenn du mir die alleinige Schuld gibst. Aber lass deine Wut auf mich nicht an dem Kind aus! Und jetzt geh ich sie suchen und sie bleibt heute Nacht bei mir!“ Wütend sah Katharina Markus an. Ihre Augen funkelten noch mehr und durchbohrten die seinen. Sie musste sich bemühen, nicht in diesen blauen Augen zu versinken. Allerdings erschienen sie ihr anders als früher. Sie strahlten überhaupt nicht mehr so intensiv. Beide nahmen den Blick nicht voneinander und beruhigten sich. „Ich geh die Mia suchen und kümmere mich um sie“, sagte Katharina nun sanfter. Markus nickte nur und sank auf die Bank. Das Gesicht in den Händen vergraben. Katharina hielt inne. Sie sah Markus einen Moment an. Er wirkte so verletzlich, dass sich alles in ihr zusammen krampfte. Obwohl er eben so abscheulich war, liebte sie ihn. Viel zu sehr. Vorsichtig setzte sie sich neben ihn auf die Bank. Markus flüsterte. „Dich zu verlieren war das schlimmste. Nimm mir nicht auch noch die Mia weg.“ „Ach, Markus. Niemand nimmt dir Mia weg. Mia liebt dich genauso wie du sie. Aber sie kommt überhaupt nicht mit Alex klar, darum will sie nicht zu euch. Ihr habt ihr ihr Zimmer weggenommen, was soll sie denn da denken und fühlen? Sie ist 15 und soll mit einem Kleinkind zusammen in einem Raum wohnen? Alles dreht sich nur noch um Alex und Ben. Ich kann Mia sehr gut verstehen. Und ich sag dir eins: die Emilie wird das auch so nicht mehr lange mitmachen. Die ist ja fast schon Bens Bezugsperson, weil er nur noch zu ihr abgeschoben wird. Mal abgesehen davon, dass auch eine Alex mal auf dem Hof mit anfassen kann, wenn sie schon quasi dort wohnt. Alles der Emilie aufdrücken ist ein No Go. Vielleicht solltest du deine neue Traumfrau einfach mal ein bisschen hinterfragen. Und das mein ich nicht böse, das sage ich dir als Freundin, weil du mir wichtig bist. Denk mal drüber nach.“ Katharina stand auf und machte sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Sie war sicher, Mia dort zu finden.

Mia saß auf der Treppe vor der Eingangstür. Katharina setzte sich daneben und legte den Arm um sie. „Ich glaube, er hat es begriffen.“ „Der Papa war so gemein.“ „Ich weiß, Spätzchen. Verzeih ihm.“ Mia schluchzte. „Darf ich hier bleiben?“ „Ich denke schon. Heute Nacht auf jeden Fall. Morgen spreche ich nochmal ganz in Ruhe mit Markus. Dem hab ich eben mal ein bisschen Denksport verpasst“, grinste Katharina. „Also, wollen wir unsere restlichen Sachen holen?“ „Oh ja.“ Mia hoppste von den Stufen und strahlte direkt wieder. Das mochte Mia so sehr an Katharina: sie verstand sie einfach. Und selbst wenn nicht, dann versuchte sie es. Katharina schimpfte sie nie, sondern regelte die Dinge ganz anders. Mia vertraute ihr, sie war wirklich wie eine Mutter und genauso lieb hatte sie sie auch.

Katharina und Mia hatten schnell Katharinas Kleidung gepackt und die wichtigsten Sachen aus Mias Zimmer ins Auto geladen. Emilie hatte den beiden noch geholfen. „Ich werde euch hier vermissen.“ „Wir sehen uns doch weiterhin. Morgen zum Beispiel“, grinste Katharina. „Oh, morgen sind Tobi und ich in Salzburg. Einfach mal weg hier. Und unter uns gesagt muss ich jetzt auch dringend nochmal mit Markus reden. Alex setzt mittlerweile voraus, dass ich ihr Kind hüte. Dabei wollte er mit ihr reden, dass es wieder weniger wird. Ich will sie ja auch nicht hängen lassen, aber so geht das nicht mehr weiter. Mal abgesehen davon, dass sie hier keinen Handschlag tut.“ „Ich sag ja, ich mag die nicht“, nöselte Mia. „Die ist total arrogant.“ Katharina seufzte nur. Sie empfand nicht anders, aber sie wollte nichts gegen die neue Frau an Markus Seite sagen. „Vielleicht sollte ich doch nochmal über Tobis Vorschlag nachdenken, ins Hotel zu ziehen“, überlegte Emilie. „Hatte ich auch erst überlegt, aber nee. Ich freu mich auf mein kleines Dachgeschoss, auch wenn ich Euch und den Hof hier wahnsinnig vermissen werde.“ „Wollen wir drei am Samstag zusammen Eis essen gehen und in Ruhe lästern?“, fragte Emilie augenzwinkernd. „Oh ja.“ Mia war sofort dafür. „Machen wir“, freute sich Katharina.

Am Nachmittag kamen die Möbel für Mia und am Abend war ihr Zimmer fertig. Emilie hatte Katharina später noch geschrieben, dass sie sich mit Alex gestritten hätte wegen ihres Ausflugs mit Tobi. Alex war der Meinung, dass sie den Ausflug verschieben könnte, schließlich sei ihre Arbeit wichtiger. Fassungslos schaute Katharina auf die Nachricht von Emilie. Sie hoffte, dass Markus über ihre Worte vom Vormittag nachdenken würde.

Als Katharina am Morgen aufwachte, war sie total ausgeruht. Sie hatte einfach wunderbar geschlafen und durch das Dachfenster ihrer Wohnung konnte sie ein Stück des Dachsteins sehen. Doch sie wurde kurz darauf direkt wieder traurig. Sie hatte so wunderbar geträumt. Von Markus und Mia. Und einem Baby. Dem Hof, ihrem Bruder und Emilie. Und auch Michi und Rudi waren da. Und Franz. Warum, das wusste sie nicht. Irgendetwas hatten sie gefeiert. Gemeinsam. So wie früher. Markus hatte sie im Arm gehalten. Und es hatte sich so real angefühlt. Sie konnte seine Umarmung förmlich spüren und nun war da nichts mehr. Katharina wischte sich die aufsteigenden Tränen aus den Augen, bevor sie aufstand. Mia schlief noch tief und fest. So huschte sie zuerst ins Bad und kümmerte sich danach ums Frühstück. Auf dem Weg zum Bäcker sah sie Markus auf dem Weg zur Bergrettung vorbeifahren, aber er hatte sie nicht gesehen. Ihr Herz klopfte sofort schneller in ihrer Brust. Hoffentlich würde das bald endlich aufhören. Sie brauchte Markus-Entzug. Dringend. Diese ständige Traurigkeit tat ihr nicht gut. Sie spürte schon länger, dass sich das mittlerweile auch auf ihre Gesundheit auswirkte, von ihrer Seele ganz zu schweigen. So sehr sie die Jungs vermissen würde, aber sie hoffte innig auf eine Stelle in Schladming. Sie musste einen Schlussstrich ziehen. Ihr Handy riss sie aus ihren Gedanken.

Auf dem Weg zu ihrer Wohnung machte sie einen Abstecher in die Bergrettung. Rudi, Nina und Markus waren da. „Hey“, grüßte Katharina und lächelte Rudi an. „Katharina“, rief Rudi fröhlich. „Was führt dich heute her? Du hast keinen Dienst. Erst nächste Woche Donnerstag wieder.“ „Ich weiß, Rudi. Ich wollte euch nur sagen, dass ich aufhören werde.“ „Was?“ Rudi hatte beinahe Tränen in den Augen. „Aber wieso?“ „Weil es besser für alle ist.“ Ihr Blick fiel auf Markus, der sie mit offenem Mund ansah. „Ich kann ab nächsten Monat bei unseren Kollegen in Schladming anfangen, ich hab eben gerade die Zusage bekommen. Meine Kündigung reiche ich rein, sobald ich sie geschrieben habe und meinen Kram hole ich einfach die Tage ab.“ Nun meldete sich Nina zu Wort. „Super, viel Spaß in Schladming und vergiss uns nicht.“ „Niemals vergess ich euch.“ Markus hatte noch immer kein Wort gesagt. „Na dann. Reisende soll man nicht aufhalten.“ Mehr kam nicht über seine Lippen. „Ich muss dann auch zurück zu Mia. Machts gut.“ Schnell verließ sie den Raum.

Nach dem Frühstück fuhren Mia und Katharina am Hof vorbei. Mia hatte ihren Helm mit der Befestigung für ihre Actioncam in ihrem Zimmer und da sie mit Katharina mit den Rädern in die Berge wollte, brauchte sie ihn. Katharina wartete vor dem kleinen Häuschen, während Mia die Treppen hinauf raste. Plötzlich hörte sie Mia laut und ängstlich ihren Namen rufen. Katharina eilte hinauf in Mias Zimmer. Als sie den Raum betrat, gefror ihr das Blut in den Adern. Da saß der kleine Ben auf Mias Bett und fuchtelte mit einer Pistole in der Hand herum. „Oh mein Gott“, stammelte Katharina. „Mia, geh raus hier und ruf Markus an.“ Mia ging auf den Flur und tat, was Katharina sagte. Derweil bewegte sich Katharina auf den kleinen Jungen zu, der mit der Pistole spielte. Sie hatte ihn fast erreicht und wollte ihm die gefährliche Waffe aus der Hand nehmen, als sich ein Schuss löste.

Markus glaubte, Mia würde sich einen schlechten Scherz erlauben, als sie ihm erzählte, was gerade geschah. Bis er den Schuss hörte und Mia laut aufschrie. „Mia!?“ schrie nun auch Markus. „Katharina!“, rief Mia entsetzt. Markus ahnte fürchterliches. Mia sah Katharina am Boden liegen. „Ben hat Katharina erschossen.“ Mia schrie in ihr Handy und begann bitterlich zu weinen. „Mia, hör mir zu, ja? Bleib auf dem Flur, geh nicht zu Ben rein. Wir sind unterwegs und die Rettung auch.“

Mia hatte zwar Markus Worte gehört, aber nicht verstanden. Sie stand unter Schock. Ben weinte und schrie in ihrem Zimmer und kletterte ohne die Waffe vom Bett. Mia erschreckte sich zu Tode, als der Kleine plötzlich weinend vor ihr stand. Sie war überfordert. „Hör auf zu plärren“, schrie sie ihn an. Mit großen Augen sah er Mia an und weinte direkt noch mehr. „Hör auf.“ Mia schnappte sich den schreienden Jungen und steckte ihn ins Gitterbett. Dann sah sie nach der Waffe, die auf dem Bett lag. Ben schrie immer lauter und verzweifelter. Katharina lag regungslos auf dem Rücken. Blut quoll aus ihrem Oberkörper. Mia rannte ins Bad und holte den Verbandskasten. Katharina verlor so viel Blut, dass Mia versuchte, die Blutung mittels Mullbinden zu stoppen. Ben weinte. Mia war sicher, dass sich der kleine Junge durch den Rückstoß auch verletzt haben musste, aber sie konnte jetzt Katharina nicht so liegen lassen. Sie zog ihre Kuscheldecke aus dem Schrank und deckte ihre Ersatzmutter liebevoll zu. „Katharina, der Markus kommt gleich. Halt durch. Bitte.“ Mia streichelte mit der freien Hand über ihr blasses Gesicht und mit der anderen drückte sie die Mullbinde fest auf die Wunde. „Ben? Hör mir mal zu,  alles wird gut, Kleiner.“  Ben weinte immer noch herzzerreißend. Mia stand kurz auf, nahm den Kleinen und kniete sich mit dem Kind im Arm wieder neben Katharina. „Hast du dir weh getan?“, fragte sie das Kleinkind, das nur nickte und ihr seine Hände zeigte. „Weißt du, die Katharina hat sich noch viel mehr weh getan als du. Darum müssen wir zuerst ihr helfen.“ Katharina atmete nur noch ganz schwach, was Mia richtig Sorgen bereitete. „Katharina, bitte, du musst das schaffen. Ich brauch dich. Ich hab dich doch lieb“, stammelte sie tränenerstickt. Sie drückte den kleinen Jungen an sich, der ebenfalls sichtlich fertig war. Mia hörte nicht einmal, als Markus mit Rudi durch die Tür kam. Rudi flüsterte nur „Scheiße“ und plumpste neben Katharina auf den Boden. „Kannst los lassen, Mia“, sagte er ruhig zu ihr und drückte weiter die Mullbinde auf ihre Wunde. „Du darfst nicht sterben, Katharina, hörst du? Bitte bleib bei uns.“ Rudi streichelte liebevoll ihre Hand dabei. Markus schockierte der Anblick zutiefst. Da lag die Waffe immer noch auf dem Bett, Katharina in einer riesigen Blutlache auf dem Boden und seine Mia mit Ben mittendrin. Markus kniete sich ebenfalls neben Katharina auf den Boden, strich über ihre Wange und nahm Mia in den Arm. Mia weinte bitterlich. Draußen ertönten die Martinshörner. „Ich geh runter, Markus, übernimm mal.“ Markus übernahm, während Rudi die Rettungskräfte in Mias Zimmer führte. Auf der Treppe begegnete Rudi Alex. „Wo ist mein Kind?“, schrie sie ihn an. „In Mias Zimmer.“ Alex stürmte an ihm vorbei. „Was ist mit Ben?“, rief sie in das Zimmer. „Ist ihm was passiert?“ „Hier ist Ben“, sagte Markus tonlos und drückte ihr das Kind in den Arm. „Ist er verletzt? Wurde er schon untersucht?“ „Meinst du nicht, dass Katharina gerade Vorrang hat?“ Fassungslos schaute er Alex an. „Aber…“ „Nichts aber, Alex.“ Die Rettungskräfte schoben Alex an die Seite. „Alle raus, die hier nichts zu suchen haben.“ „Aber wer untersucht mein Kind?“ „Wir. Später.“ „Aber…“ Alex schaute die Rettungskräfte böse an. Die kümmerten sich sofort um Katharina.

Die Erstversorgung dauerte eine ganze Weile, ehe Katharina in den Krankenwagen geschoben wurde. Alex sollte Ben zum Röntgen der Hände ins Krankenhaus bringen. Sie war sichtlich sauer, dass der Notarzt ihrem Kind nicht mehr Zeit widmete. Stattdessen wurde Mia, die immer noch total unter Schock stand, mit in den Krankenwagen geladen. Markus, als ihr Vater, fuhr ebenfalls mit.

Im Krankenhaus ging alles ganz schnell. Katharina kam auf direktem Weg in den OP, Mia in den Schockraum. Markus war froh, als Rudi um die Ecke kam und er nicht mehr alleine im Wartebereich der Notaufnahme saß. „Ich hab den Tobi angerufen. Emilie und er kommen gleich aus Salzburg zurück.“ „Danke, Rudi.“ „Gibt’s schon was neues von Katharina?“ „Nee, sie ist direkt in den OP gekommen. Ich hab Angst, Markus“, sagte Rudi leise. „Katharina bedeutet mir so viel. Wenn sie das nicht überlebt, dann…“ Rudis Stimme versagte. „Ich weiß“, flüsterte Markus und schloss seine Arme um Rudi. Markus wusste genau, wie Rudi sich fühlte. Er fühlte sich nicht anders. Und er musste sich eingestehen, dass seine Gefühle für Katharina immer noch da waren. Beide weinten leise Tränen, bis sie sich beruhigt hatten. Nach einer halben Stunde kam Frau Dr. Thomalla um die Ecke. „Herr Kofler?“ „Ja.“ „Ihre Tochter hat einen tiefen Schock. Wir haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben und behalten sie zur Beobachtung hier. Möchten sie noch eben zu ihr, ehe sie einschläft?“ „Ja, bitte.“

Markus folgte der Ärztin zu Mias Zimmer. „Hey“, sagte Markus leise, als er das Zimmer betrat. „Hey Papa. Was ist mit Katharina?“ „Liegt gerade im OP.“ „Wenn ich nur meinen Helm gestern mitgenommen hätte…“ „Hey, du kannst nichts dafür.“ Mia weinte und Markus nahm sie sanft in den Arm. „Das war so schlimm, wie sie in so viel Blut lag. Ich hab die Katharina so lieb, Papa.“ „Ich weiß. Ich doch auch.“ „Sie darf nicht sterben. Papa, die Katharina gehört zu uns beiden. Nicht die Alex. Die passt nicht zu dir. Zu uns. Und die Katharina liebt dich doch auch.“ Mia schluchzte verzweifelt. „Papa, bitte, bring das wieder in Ordnung. Bitte.“ Mias Weinen wurde immer verzweifelter. Das Mädchen war völlig fertig. „Ich versuch es, okay? Beruhig dich doch.“ Doch Mia hatte so eine fürchterliche Angst um Katharina, dass sie richtig panisch wurde. Markus redete beruhigend auf Mia ein, bis sie eingeschlafen war.

„Und? Hast du schon was von Katharina gehört?“ Markus sah Rudi panisch an. „Das Projektil steckt tief in ihrer Lunge. Es schaut nicht gut aus. Wir sollten ein paar Stoßgebete in den Himmel schicken.“ Markus seufzte und nickte. Er fühlte sich so hilflos. „Du hast übrigens den peinlichsten Auftritt deiner Freundin verpasst. Was die für einen Aufriss wegen Ben gemacht hat. Hat sich bitterlich beschwert, weil sich der Notarzt um Katharina und nicht im Ben gekümmert hat.“ Markus schüttelte nur den Kopf. Immer mehr wurde ihm klar, wie anders Alex tickte. Anfangs fand er es ja noch faszinierend, aber langsam spürte er, in welche Negativrichtung sich alles bewegte. Katharina hatte gestern so richtig gelegen mit dem, was sie sagte. Emilie und Tobias hatten auch schon ähnliche Dinge zu ihm gesagt. „Sag mal, Rudi, kann es sein, dass ich echt blöd war?“ Verwirrt sah Rudi den Chef der Bergrettung an. „Ich mein wegen Alex.“ „Ach so. Blöd ist untertrieben. Du warst saudumm. Da drin liegt die Frau, die du wirklich liebst.“ Markus seufzte. „Und ich sag dir was. Diese Frau liebt dich auch. Immer noch. Die hat nämlich keinen einzigen Tag lang aufgehört dich zu lieben.“ „Ich doch auch nicht“, flüsterte Markus. „Dann sag ihr das endlich. Und werd diese Schreckschraube los.“ „Mia hat eben bitterlich geweint. Papa, bring das wieder in Ordnung, die Katharina gehört zu uns, hat sie gesagt.“ „Kluges Mädchen.“ „Sie schläft jetzt. Die Kleine ist total fertig. Wenn sie Katharina verliert, wie sie schon ihre Mutter davor verloren hat, das verkraftet sie nicht. Und ich auch nicht.“ „Wir verlieren sie aber nicht. Ich könnt das nämlich auch nicht, ohne sie leben.“ Traurig sah Rudi Markus an. In dem Moment kamen Emilie und Tobias in den Wartebereich der Notaufnahme. „Hey“, sagten beide gleichzeitig. Alle vier drückten sich untereinander. „Was gibt es neues?“, wollte Tobias wissen. Rudi wiederholte, was er wusste und vorher Markus erzählt hatte. „Aber ich versteh nicht, wie das passieren konnte?“, fragte Emilie. „Wie ist denn Ben an eine Waffe gekommen?“ „Ich weiß es nicht, Emilie. Vermutlich Alex Dienstwaffe.“ Markus zuckte mit den Achseln. “Und die Mia war dabei?”, fragte sie. “Ja, die Mia hat mich angerufen. Sie wollte ihren Helm aus ihrem Zimmer holen und da saß  der Ben mit der Waffe und hat damit gespielt. Sie hat nach Katharina gerufen, weil sie Angst bekommen hat. Katharina hat sie auf den Flur außer Schussweite geschickt, um mich anzurufen. Ich hab den Schuss am Telefon gehört. Mia hat so verzweifelt geschrien. Mehr hat sie noch nicht dazu erzählt. Sie steht total unter Schock und hat Beruhigungsmittel bekommen. Sie hat wahnsinnige Angst um Katharina.“

Die Freunde saßen vor der Notaufnahme und sehnten das Ende der OP herbei, als Alex hineingepoltert kam mit Ben auf dem Arm. Der Kleine hatte beide Hände verbunden. „Möchte keiner fragen, was mit Ben ist?“, fragte sie gereizt. „Nein“, antwortete Tobi. „Ich möchte wissen, was mit meiner Schwester passiert ist. Wieso hat dein Kind Zugang zu einer Schusswaffe?“ „Die wird ihm schon jemand von euch gegeben haben.“ Entsetzt sprangen alle Hofbewohner von ihren Plätzen. „Aber sonst geht’s noch bei dir, oder?“ Tobi war außer sich. „Was behauptest du hier?“, fragte Markus völlig fassungslos. „Du warst die Letzte am Hof heute.“ „Ich hab Ben heute Morgen zu Emilie gebracht“, entrüstete sie sich. „Dann hat eben Emilie nicht aufgepasst.“ „Spinnst du? Ich war mit Tobi in Salzburg und das wusstest du auch.“ „Wusste ich nicht. Hättest du mir ja auch mal sagen können.“ Markus verdrehte die Augen. „Das hat sie! Mehrfach! Zuletzt gestern Abend.“ „Du hast mir noch gesagt, ich soll den Ausflug verschieben.“ „Na bitte, hast du nicht gemacht. Es ist deine Schuld, dass der arme Ben die Finger verstaucht hat.“ „Sag mal, raffst du eigentlich noch irgendwas?“ Tobias schrie sie an. „Wenn meine Schwester stirbt, dann gnade dir Gott.“ „Was hatte die überhaupt bei uns zu suchen? Das wird sie zu erklären haben.“ „Vorher werden sie was zu erklären haben, Frau Winkler“, ertönte die Stimme von Gert, der unbemerkt hinein gekommen war und alles gehört hatte. „Die Waffe ist nämlich ihre. Und die Kripo wartet draußen auf sie.“ „Das ist wohl ein schlechter Scherz.“ „Na. Ich glaub net. Also gehen sie bitte raus zu den Kollegen. Danke! Markus, ich müsst auch mal mit der Mia reden.“ „Ganz schlecht Gert. Die ist vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln und schläft. Sie hat einen Schock. Ich glaub, vor morgen wird das nix.“ „Okay. Und wie geht’s Katharina? Kommt sie durch?“ Rudi antwortete auf die Frage: „Das wissen wir nicht. Die Kugel hat ihre Lunge getroffen und steckt tief drin. Sie schwebt definitiv in Lebensgefahr.“ „Das tut mir leid. Könnt ihr mich auf dem laufenden halten, bitte?“ „Das mach ich, Gert“, sagte Rudi.

Die Operation lief mittlerweile mehrere Stunden und die Nerven lagen blank. Als sich endlich die Tür öffnete und Frau Dr. Baumann auf die Freunde zutrat, machte sich Unruhe breit. „Hallo, ihr wartet alle auf die Katharina, oder? Also, die Kugel ist draußen und hat ihre Lunge an zwei Stellen durchbohrt. Sie hat Unmengen an Blut verloren und musste mehrmals reanimiert werden. Ihr Zustand ist mehr als kritisch. Wir haben sie ins künstliche Koma gelegt. Sollte sie die Nacht überleben, hat sie gute Chancen es zu schaffen. Trotzdem würde ich jedem erlauben, der sie noch einmal sehen möchte, sie nacheinander, bitte nur zwei Personen gleichzeitig,  auf der Intensivstation zu besuchen. Besser Ihr verabschiedet euch und stellt euch auf das Schlimmste ein. Es tut mir so leid, dass ich euch nichts anderes sagen kann.“ Die Nachricht hatte allen die Tränen ins Gesicht getrieben. Weinend lagen sich die Freunde in den Armen.

Nacheinander gingen alle zu Katharina ins Zimmer. Auch Michi war mittlerweile dazu gestoßen. Markus ließ allen den Vortritt. Er saß an Mias Bett. Er wusste nicht, ob er hoffen sollte, dass sie erwachte, um sich zu verabschieden oder nicht. Mia schlief aber tief und fest und so machte sich Markus allein auf den Weg zu Katharina. Sein Herz war so schwer. Als er in den grünen Besucherkittel schlüpfte, liefen Tränen über seine Wangen. Durchs Fenster konnte er schon die Beatmungsmaschine sehen. Und wie blass Katharina war. Er holte tief Luft und betrat den Raum. Markus setzte sich auf den Stuhl, der neben ihrem Bett stand. Liebevoll nahm er ihre Hand. „Hey Katharina. Die Mia schläft leider, sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen, sonst wäre sie auch hier. Vielleicht auch ganz gut, mal wieder mit dir alleine zu sein. Ich würde mir nur wünschen, du wärst wach und könntest mich angiften. Das hätte ich nämlich sowas von verdient. Katharina, es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Ich hab dir immer erzählt, wie glücklich ich doch mit Alex bin. Scheiße, ich bin nicht glücklich mit Alex. Ständig denke ich daran, wie anders du bist. Wie schön mein Leben mit dir war. Und jetzt könnte ich mich dafür Ohrfeigen. Du hast mir gezeigt, dass du mich immer noch liebst und in unser Leben zurück möchtest und ich war zu stolz. Zu sehr in meiner Eitelkeit verletzt. Zu sehr in dem Plan in meinem Kopf gefangen, der da sagte: lass dich nie wieder von ihr verletzen. Und jetzt sind wir hier. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass deine wunderschönen braunen Augen mich ansehen, du mich anschreist, aber am meisten wünsche ich mir, dich wieder in meinen Armen halten zu dürfen. Bitte, Katharina, du darfst jetzt nicht gehen. Bitte lass die Mia und mich nicht alleine. Wir lieben dich beide so sehr. Wir brauchen dich. Lass uns bitte nicht alleine zurück und kämpfe, wie du immer kämpfst.“ Markus begann zu weinen. Er hielt ihre Hand fest in seiner und drückte sie schluchzend an sein Gesicht.

Markus saß die ganze Nacht über an ihrem Bett, hielt ihre Hand, sprach zu ihr und schickte viele Stoßgebete in den Himmel. Er passte auf sie auf und am Morgen kam Mia ins Zimmer. „Hey“, flüsterte sie. „Mia“, rief er freudig. „Du bist ja schon wach.“ „Papa, es ist gleich 12 Uhr.“ „Was? Oh. Tut mir leid, dass ich nicht bei dir war, als du wach geworden bist.“ „Die Emilie war da. Ich weiß schon Bescheid.“ „Wie fühlst du dich?“ „Besser als gestern. Was ist mit Katharina?“ „Kämpft und die Nacht war ruhig. Ich hab die ganze Nacht auf deine Mama aufgepasst.“ „Danke, Papa. Ohne Katharina sind wir beide verloren.“ Mia legte ihre Hand mit auf Markus und Katharinas Hand. „Hey Katharina, ich bin’s die Mia. Du musst gesund werden, weil der Papa und ich brauchen dich. Wir haben dich so lieb.“

Jeden Tag wachten die Freunde abwechselnd bei Katharina, Markus übernahm jede einzelne Nacht. Mias Mutter war mitten in der Nacht gestorben, darum war es ihr so wichtig, dass jemand auf Katharina aufpasste. Und dieser jemand sollte für sie einfach ihr Papa sein. Entgegnen aller Prognosen blieb Katharinas Herz nicht stehen. Jeder weitere Tag war ein Schritt näher an der Genesung und brachte sie aus der Gefahrenzone. „Markus?“ Frau Dr. Baumann war in den Raum gekommen. „Ich glaube, wir können sie langsam zurückholen.“ „Wirklich?“ Sie nickte. „Ihre und die Anwesenheit ihrer Tochter und Freunde hat ganz offensichtlich Wunder bewirkt. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass sie es schaffen kann.“ „Können wir wirklich aufatmen?“ „Ich denke ja. Natürlich kann immer etwas passieren, aber ich denke, morgen oder übermorgen dürfte sie aufwachen.“ Markus kullerten Freudentränen über die Wangen. „Hast du gehört, Katharina? Du kommst jetzt zu uns zurück. Und dann werden wir dich nie wieder gehen lassen.“

Mia hatte Markus gebeten, sie sofort anzurufen, sobald Katharina erwachte. Emilie hatte sich wieder als rettender Engel erwiesen, indem sie Mia in der Schule in Ramsau anmeldete und sich um den Hof und alle anfallende Post kümmerte. Tobi hielt Markus den Rücken frei. Auch, wenn er gern mehr Zeit im Krankenhaus verbracht hätte, aber er wusste, wie sehr seine Schwester einfach an Markus hing. Und er hoffte, dass Markus wirklich die Kurve bekommen würde und zu ihr zurück fand.

In der kommenden Nacht saß Markus wieder an Katharinas Bett. Wieder hielt er ihre Hand, streichelte sie sanft und las ihr aus einem von Emilies Heile-Welt-Romanen vor. Wieder Erwarten fand er das Buch von Dora Heldt ganz amüsant. An manchen Stellen hatte er herzhaft gelacht und zu Katharina gesagt: „wie der Peter und der Franz“. Irgendwann war Markus vor Erschöpfung eingeschlafen. In den frühen Morgenstunden spürte er eine Bewegung. Sofort stand Frau Dr. Baumann neben ihm. „Keine Sorge, Markus. Sie will nur selbstständig atmen.“ „Das ist gut, oder?“ „Das ist sogar sehr gut. Ich ziehe ihr jetzt den Schlauch und sie bekommt nur noch eine Sauerstoffmaske.“ Markus schaute genau hin und drückte sanft ihre Hand. „Es wird nicht mehr sehr lange dauern, bis sie aufwachen wird.“ „Okay, ich passe auf sie auf.“

Etwa eine weitere Stunde später merkte Markus, dass sich Katharinas Atmung veränderte. Sie wachte auf. „Hey, Katharina, guten Morgen“, flüsterte er. Ihre Augenlider flackerten. „Aufwachen, Katharina.“ Markus sah ihr an, dass sie kämpfte. „Wir warten alle so sehnsüchtig darauf, dich wieder in die Arme nehmen zu dürfen.“ Frau Dr. Baumann beobachtete Katharinas Aufwachen durch das Fenster ihres Zimmers. „Komm, mach bitte deine Augen auf.“ Katharina konnte die Augen kaum öffnen. Es fiel ihr unendlich schwer und sie kämpfte nur Markus zuliebe darum. „Hey, da bist du ja wieder.“ Markus strahlte sie an. Das erste was sie sah, war Markus Gesicht. Seine blauen Augen und sein wunderschönes Lächeln. Katharina begann zu lächeln. Zum Sprechen war sie noch zu schwach, außerdem hatte sie noch die Sauerstoffmaske im Gesicht. „Boah, bin ich froh, dass du wach bist.“ Markus schluckte und die Freudentränen liefen nur so über seine Wangen. Katharina hob mühsam ihre Hand und legte sie an seine Wange. Frau Dr. Baumann ließ ihnen noch den Moment, dann sah sie nach Katharina. Währenddessen schrieb Markus kurz an Mia: Mama ist wach!

Als Katharina das nächste Mal erwachte trug sie nur noch eine Sauerstoffbrille. Markus saß immer noch an ihrem Bett. Ihre Hand lag fest umklammert in seiner. Er schlief im Sitzen auf dem Stuhl. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Er war wirklich bei ihr. Dunkel erinnerte sie sich. Markus und sie hatten wegen Mia und indirekt auch wegen Alex gestritten. Sie war mit Mia auf dem Hof. Es hatte laut geknallt. Die Pistole. Ben. In ihrem Kopf flogen wild Bilder umher. Sie musterte Markus. Was für ein schöner Mann er doch war. Seine entspannten Gesichtszüge, wenn er schlief. Aber er sah ganz schön fertig aus. Erschöpft. Katharina war sich sicher, dass er kaum geschlafen hatte. Sie wollte ihn nicht wecken, aber sie brauchte Antworten. Leicht drückte sie seine Hand. Sprechen klappte einfach noch nicht. Markus reagierte sofort und als er in ihre Augen blickte, begann er glücklich zu strahlen. Seine Augen leuchteten. Sie waren genau so schön, wie sie immer gewesen waren. Nicht mehr so traurig wie in den letzten Wochen und Monaten. „Katharina“, glücklich sah er sie an. „Guten Morgen.“ Sie formte die Worte mit den Lippen und er verstand. „Sprechen geht noch nicht, hm?“ Sie nickte leicht. „Was ist passiert?“, formten ihre Lippen. „Okay, ich erzähl es dir.“ Markus nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, setzte sich aufrecht direkt an ihr Bett und nahm ihre Hand in beide Hände. „Also, du warst mit der Mia am Hof, um ihren Helm zu holen. Du hast unten gewartet, bis die Mia laut geschrien hat. Ben spielte mit einer Pistole auf Mias Bett. Du hast Mia in Sicherheit gebracht und wolltest Ben die Waffe abnehmen. Aber der Kleine hat sie ausgelöst. Er hat dir in die Lunge geschossen. Du hast Mia gesagt, sie soll mich anrufen, darum habe ich den Schuss gehört.“ Markus schluckte schwer. „Wir haben uns hier alle von dir verabschiedet, weil man nicht damit gerechnet hat, dass du es schaffst.“ Wieder kullerten dicke Tränen aus seinen Augen. „Du hast 8 Tage im künstlichen Koma gelegen. Das waren die schlimmsten Tage unseres Lebens. Mia war total fertig. Sie liebt und braucht dich so sehr. Und ich brauch dich auch. Katharina, ich muss über so vieles mit dir reden. Mich für so vieles entschuldigen.“ Katharina schüttelte leicht den Kopf und drückte seine Hand. „Wir reden, wenn es mir besser geht“, flüsterte sie kaum hörbar. „Das machen wir. Du hattest so Recht mit allem, was du gesagt hast. Das mit Alex ist sowas von vorbei.“ Katharina seufzte erleichtert. „Sie ist eben einfach nicht du“, sagte Markus leise. Katharina grinste. „Hey, die Patientin ist wach.“ Frau Dr. Baumann war in den Raum gekommen. „Ist sie“, strahlte Markus. „Dann können wir sie ja gleich auf die normale Station verlegen lassen. Katharina, ohne Witz, so etwas hab ich noch nie erlebt. Vor einer Woche hatten wir dich hier schon abgeschrieben, deine Leute gebeten, sich von dir zu verabschieden, wir haben sie alle auf die ITS zu dir gelassen und den Markus sogar hier schlafen lassen, weil deine Chancen einfach so schlecht standen und nun sieh dich an. Du lebst, du atmest alleine, deine Werte sind ständig besser geworden. Ich würde dir gerne einen Rehaplatz buchen, damit du direkt im Anschluss ans Krankenhaus beginnen kannst mit der Therapie.“ Lisa Baumann gab Katharina einen Schluck zu trinken. „Langsam.“ Katharina nickte. Nach dem Trinken flüsterte sie ein „okay“. Aber sie hatte noch einen Wunsch. „Nicht so weit weg, bitte.“ Die Ärztin nickte. „Das dachte ich mir schon. Markus darf dich da sicherlich auch mal besuchen. Dass er da allerdings auch jede Nacht an deinem Bett verbringen darf, halte ich eher für unwahrscheinlich. Ich hab Gröbming für dich angefragt.“ Man konnte Katharina die Erleichterung darüber deutlich ansehen. Sie wollte einfach in der Nähe ihrer Familie und Freunde sein. Auch Markus fiel ein Stein vom Herzen, dass sie in seiner Nähe bleiben würde. „Ich komm gleich wieder zum Umzug.“ Grinsend verließ Lisa Baumann das Zimmer. „Jede Nacht?“, flüsterte Katharina. Sprechen fiel ihr einfach unendlich schwer. Markus nickte ertappt. „Du hast jede Nacht auf diesem Ding gesessen? Wow.“ „Ich konnte nicht anders“, flüsterte er. „Hast du mir vorgelesen?“ „Ja, jede Nacht.“ Katharina lächelte. „Hast du das etwa mitbekommen?“ Sie nickte und sah ihm dankbar in die Augen. „Ich dachte, ich hätte geträumt.“ „Ich war wirklich hier. Jede Nacht.“ „Und Mia?“ „Hat es sich gewünscht, damit ich auf dich aufpasse. Und das werde ich weiterhin, auf euch beide aufpassen, weil ich euch beide mehr liebe als alles andere auf der Welt.“ „Ich euch auch“, flüsterte sie. Erleichtert sah Markus sie an und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Und Alex“, fragte sie mit traurigem Blick. „Wie ich vorhin schon sagte: Aus. Vorbei. Abgehakt.“ „Wirklich? Du hast sie so geliebt.“ „Hab ich das? Oder wollte ich sie einfach nur lieben? Weil ich Angst hatte, vor einer weiteren Beziehung mit dir? Ohne sie wäre ich doch sofort schwach geworden. Aber die Angst wieder verlassen zu werden, ist so groß.“ Weiter konnten sie nicht sprechen, da Katharina verlegt wurde.

Eine Woche lag Katharina noch im Klinikum Schladming. Langweilig wurde ihr nicht, da sie ständig Besuch hatte. Markus musste nun auch die Nächte wieder daheim verbringen, was zur Folge hatte, dass sie einfach nicht dazu kamen, ihr Gespräch in Ruhe fortzusetzen. Eigentlich verbrachte Markus die Nächte in Katharinas Wohnung, da Mia nicht auf dem Hof schlafen wollte. Sie verfiel in absolute Panik. Katharina hatte deshalb angeboten, dass Markus und Mia einfach dort blieben, bis Mia soweit war. Sie wurde seit dem Unglück von einer Jugendpsychologin betreut. Katharina würde sich dem auch stellen müssen, aber noch stellte sie den Gedanken daran nach hinten. Erst einmal müsste sie körperlich wieder auf die Beine kommen. Sie war immer noch zu schwach zum laufen und extrem kurzatmig. Markus und Mia hatten ihr eine Tasche für die Reha gepackt und zu ihrer großen Überraschung war es Markus, der sie dorthin fuhr. Liebevoll hob er sie aus dem Rollstuhl in sein Auto, packte den Rollstuhl ein und nahm auf der Fahrerseite Platz. „Du musst übrigens erst um 16 Uhr einchecken.“ „Genau“, ertönte plötzlich Mias Stimme von hinten. Sie hatte sich hinterm Sitz versteckt. „Und bis dahin ist Familienzeit“, lachte Mia fröhlich. Katharina strahlte. „Oh, wie schön.“ „Wenn du willst“, fügte Markus verunsichert hinzu. „Ich will“, sagte sie aufrichtig. „Dann los.“ Markus drehte den Zündschlüssel um und fuhr Richtung Ramsau.

Eine halbe Stunde später parkte Markus vor seiner Hütte. Als Katharina das letzte Mal hier war, glich sie einer Bruchbude. Doch sie wirkte schon von außen aufgeräumt und einladend. „Du warst lange nicht hier“, meinte Markus nachdenklich. „Sehr lange.“ Mia fluppte schon aus dem Wagen und schloss die Tür auf. Schnell griff sie die bereitliegenden Sachen und sauste zum See rüber. Markus hob Katharina aus dem Auto und trug sie zum Haus. Katharina schmiegte sich an ihn und genoss seinen typischen Geruch. Sie konnte sein Herz spüren. Es klopfte. Markus war tatsächlich total aufgeregt. Sanft legte sie ihre Hand auf seiner Brust ab. „Na, dann komm mal rein.“ Katharina war sichtlich überrascht. „Wow, das ist ja total schön hier oben geworden. Wieso waren wir denn nie hier?“ „Weil es erst vor kurzem fertig geworden ist. Außer Mia und dir hat es noch niemand gesehen. Ich brauchte einen Rückzugsort.“ Katharinas Blick schweifte durch den Raum. An der Wand hingen tatsächlich die Fotos von Markus und ihr, die einst in ihrem Schlafzimmer standen. Und Fotos von ihnen dreien. Überrascht und fragend sah sie Markus an. „Ihr seid meine Familie. Ihr wart es einfach immer“, sagte er leise. „Und ihr meine“, flüsterte sie. „Aber gib uns Zeit bis nach der Reha, ja?“ Markus nickte. Katharina gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Und dann regeln wir unsere Zukunft zusammen.“ Markus sah ihr in die Augen. „Haben wir eine?“ Katharina grinste. „Na, ich hoffe doch. Aber die sollten wir ganz in Ruhe klären. Wenn ich wirklich wieder fit bin.“ „Heißt das, ich bekomm noch eine Chance.“ „Hast du etwas anderes erwartet? Natürlich. Aber wir brauchen einfach beide etwas Zeit.“ Markus drückte sie fest an sich und küsste sie einfach zärtlich, bevor er sie wieder hinaus zu Mia trug. Die hatte schon Picknickdecken am See verteilt. Vorsichtig setzte Markus Katharina auf einer ab. Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel auf die kleine Familie herab. Gemeinsam plünderten sie den Picknickkorb, Mia erzählte von der Schule und von Max, Markus erzählte das neueste aus der Bergrettung. Katharina hörte aufmerksam zu und fühlte sich zwischen ihren beiden Lieblingsmenschen einfach wohl. Irgendwann lagen sie alle drei auf ihrem Deckenlager. Katharina lehnte ihren Oberkörper an Markus. Dieser hob einladend den Arm, so dass sich Katharina an seine Brust legen konnte und Markus Arm auf ihrem Bauch lag. „Meinst du, du kommst mit sechs Wochen Reha aus?“, fragte Markus hoffnungsvoll. „Da geh ich aber fest von aus.“ „Die Bergrettung braucht schließlich ihre Lieblingslady zurück.“ „Ach, ihr habt doch Nina.“ Ja, noch genau drei Monate, dann will sie wieder in den Himalaya.“ „Bitte was?“ „Ja. Außerdem gibt es da ein paar Menschen, die nichts mehr wollen, als ihre Kathi zurück.“ „Rudi“, lachte Katharina. „Wie hast du das nur erraten?“ Markus lachte. „Dann muss ich wohl schauen, dass ich richtig schnell fit genug für die Berge werde.“ „Das solltest du.“ „Nur, wenn ich an der offenen Helitür fliegen darf.“ Markus lachte. „Ich mein das ernst. Ich will an der offenen Helitür fliegen.“ „Darfst du.“ „Ich will auch“, jammerte Mia. „Komm zurück zu den Jugendbergrettern und wir können drüber reden.“ “Okay, ich bin dabei.” Markus grinste Katharina zufrieden an. Katharina nahm Markus Hand in ihre. „Wenn ich in sechs Wochen wieder da bin, haben wir Herbst. Dann können wir nicht mehr so schön in der Sonne liegen.“ „Nee, dann überlegen wir, wo wir Weihnachten feiern“, lachte Mia. „Egal wo, Hauptsache zusammen“, meinte Markus und hauchte Katharina einen Kuss aufs Haar.

Die sechswöchige Reha verging letztlich doch für alle schneller als sie erwartet hatten. Die ersten Tage waren quälend lang und plötzlich raste die Zeit. Markus konnte es kaum erwarten, dass Katharina endlich zurück kam. Sie waren so nah gewesen, hatten sich aber nur 2x gesehen. Die Trennung danach war immer zu schmerzhaft gewesen. Markus wollte gerade anfangen das restliche Holz für den Winter zu hacken, als er ein Auto auf den Hof fahren hörte. Er legte die Axt wieder beiseite und verließ den Schuppen. Breit grinsend stand Katharina mit ihrem Koffer auf dem Hof. Ihre goldblonden Locken wehten im Wind und schimmerten dabei in der Sonne. Sie trug eine weiße Bluse, dazu eine blaue Jeans, Stiefel und ihren hellen Mantel. „Katharina“, murmelte er und lief auf sie zu. Er umarmte sie und wirbelte sie übermütig durch die Luft. Katharina lachte so unbeschwert, wie er sie lange nicht hatte lachen hören. Markus setzte sie ab, behielt sie aber weiter in seinen Armen. Er sah sie einfach an. Ihre Augen strahlten ihn richtig an. „Wo kommst du denn schon her? Du siehst wunderschön aus“, sagte er und meinte es so. Ihre Wangen bekamen direkt diese leichte Röte, die er so an ihr liebte. Sie passte einfach zu ihren leichten Sommersprossen. „Danke. Du aber auch. Ich durfte wegen guter Führung eine Woche eher heim.“ Markus war sichtlich glücklich. „Ich hab doch nur das Holzfällerhemd an.“ „Welches dir immer schon gut stand und deine Augen, Markus. Sie sind wieder so schön strahlend blau wie sie früher waren.“ Katharina schlang die Arme noch fester um ihn und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sie liebte es, seinen Herzschlag zu spüren. Sie liebte seinen Geruch. Markus legte sein Kinn auf ihren Kopf. Er liebte es, wie ihr Haar, das wieder nach Apfel roch, ihn kitzelte. „Darum wollte ich uns Zeit geben. Damit es ein besonderer Moment nur für uns beide wird. Nicht im Krankenhaus und auch noch nicht am Häuschen“, flüsterte sie. Katharina löste sich nach einer kleinen Ewigkeit etwas und schaute hoch in Markus Gesicht. Dann schlang sie die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter. Dabei sah sie ihm fest in die Augen, bevor sie ihn küsste. Erst ganz sanft, doch dann gab es für beide kein Halten mehr. Markus und Katharina küssten sich so leidenschaftlich, dass sie nach Luft schnappen mussten. Beide mussten danach über sich selbst lachen, ehe sie sich auf die kleine Bank vors Haupthaus plumpsen ließen und sich weiter küssten. Hier hatten sie sich getrennt – und jetzt wieder vereint. „Diesmal für immer?“, fragte Markus. „Oh ja, diesmal für immer! Wenn du mich überhaupt noch heiraten möchtest?“ „Ja, ich will!“ Markus strahlte sie überglücklich an. Katharina küsste ihn wieder. „Aber ins Häuschen möchte ich noch nicht“, sagte sie ehrlich. „Komm, wir fahren zu dir.“ Markus nahm ihre Hand, ihren Koffer und gemeinsam fuhren sie in Katharinas Wohnung. Mia war noch auf Klassenfahrt, somit waren sie wirklich alleine. Markus hatte frei, der Kühlschrank war gut gefüllt und das Bett war groß genug, um den ganzen Tag darin zu verbringen. Es gab viel zu bereden und noch wichtiger für beide war an diesem Tag ihre Nähe zueinander. Die Zeit hatte ihnen gut getan. Sie starteten von Grund auf neu und hatten schon eine Idee für den Hochzeitstermin. Plötzlich hatten sie es übereilig und liefen schnell rüber zum Standesamt, um dann überglücklich wieder zurück ins Bett zu plumpsen. So viel miteinander gelacht hatten sie ewig nicht und sie wussten, diesmal würde alles anders laufen. Diesmal würde sie nichts mehr auseinanderbringen.